TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/10 W156 2004630-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.04.2019

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W156 2004630-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Berufung von 1. SXXXX XXXX XXXX GmbH, vertreten durch Urbanek, Lind, Schmied, Reisch RAe OG, 3100 St. Pölten, Domgasse 2, vom 28.12.2010 und von 2. MXXXX KXXXX , vormals ZXXXX , geb. XXXX , vom 04.01.2011 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20.12.2010, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.02.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (in Folge belangte Behörde) vom 18.10.2010, Zl. XXXX , wurde festgestellt, dass Frau MXXXX ZXXXX , VSNR XXXX , nunmehr Frau MXXXX KXXXX (in Folge BF2), gemäß § 1 1. Halbsatz ASVG aufgrund ihrer Beschäftigung als Angestellte für die SXXXX XXXX GmbH (in Folge BF1) nur in der Zeit vom 12.11.2008 bis 11.1.2009 der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z1 iVm Abs.2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterliege.

I.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die BF1 und BF2 fristgerecht Einspruch an den Landeshauptmann von Wien.

I.3. Mit angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20.12.2010 wurde der Einspruch als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse bestätigt.

I.4. Dagegen erhoben die BF1 und BF2 fristgerecht Berufung an das damals zuständige Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.

I.5. Mit 13.04.2014 wurde gegenständliche Berufung an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt und der damals zuständigen Gerichtsabteilung und mit 07.08.2018 der Gerichtsabteilung W 156 zur Entscheidung zugeteilt.

I.6. Am 25.02.2019 fand in Anwesenheit der BF1, der BF2 und der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF1 ist im Firmenbuch beim Handelsgericht Wien mit der Zahl FN XXXX eingetragen. Sie ist Shareholder der SXXXX XXXX EOOD in Bulgarien.

Die BF1 schloss mit der SXXXX XXXX EOOD einen Dienstleistungsvertrag für den Zeitraum vom 12.11.2007 bis 30.09.2009 ab, in dem die Zurverfügungstellung von 2 Mitarbeitern durch die SXXXX XXXX EOOD an die BF vereinbart ist gegen eine monatlich zu entrichtende Abgeltung in Höhe von

€ 2.710,00. Als Ort der Leistungserbringung wurde vorrangig Wien vereinbart, weiter, dass die Mitarbeiter den Weisungen am Standort Wien unterliegen und die Rechte an Arbeitsergebnissen bei der verbleiben.

Die BF2 schloss am 18. Oktober 2007 einen Dienstvertrag mit der SXXXX XXXX EOOD, beginnend mit dem 12. November 2007. Als Dienstort ist für 2 Jahre Wien vereinbart. Tätigkeitsinhalt ist die Teilnahme an einem Traineeprogramm für die Ausbildung und den Einsatz im CEE-Raum.

Die BF2 begann ihre Ausbildung am 12.11.2007 am Standort Wien und wurde nach Absolvierung der Traineeausbildung im September 2009 noch bis Ende November 2009 bei der BF1 beschäftigt. Ende Jänner 2010 wurde das Dienstverhältnis beendet.

Die BF2 absolvierte im Zeitraum von November 2007 bis September 2009, somit auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ihr Traineeprogramm, bei dem sie in verschiedenen Aufgabenbereichen tätig war. Rund alle sechs Monate wurde die Abteilung gewechselt. Die Zuweisung zu den Abteilungen erfolgt über die BF1 und erhielt die BF2 ihre Weisungen von den jeweiligen Leitern der entsprechenden Abteilungen. Sie hatte Reports an diese zu übermitteln, und wurde ihre Tätigkeit kontrolliert. Die Zuweisung zu den verpflichtenden Schulungen erfolgte über die Personalabteilung der BF1.

Der von der BF1 beantragte Zeuge JXXXX BXXXX ist Leiter der Abteilung Human Resources und war für die Organisation des Traineeprogrammes zuständig. Eine über die Personaladministration und Organisation der Ausbildung der BF2 hinausgehende Zusammenarbeit gab es nicht.

Der von der BF1 beantragte Zeuge JXXXX KXXXX ist Vorgesetzter des JXXXX BXXXX und gab es ebenfalls keine direkte Zusammenarbeit mit der BF2.

Der BF2 ist zumindest seit November 2007 bekannt, dass sie über die SXXXX XXXX EOOD in Bulgarien zur Sozialversicherung gemeldet ist.

Das monatliche Bruttoentgelt in Höhe von BGN 4.697,00 (umgerechnet rund € 2.400) wurde abzüglich der Steuern, Sozialabgaben und Krankenversicherungsbeiträge, die in Bulgarien entrichtet wurden, SXXXX XXXX EOOD auf das Konto der BF2 in Bulgarien eingezahlt.

Der bulgarische Sozialversicherungsträger stellte jeweils eine Bescheinigung gemäß Art. 14 Abs. 1 lit.a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für die Zeiträume vom 12. November 2007 bis 11. November 2008 mit Datum 28.02.2008 und vom 12. Jänner 2009 bis 11. Jänner 2010 mit Datum 19.01.2009 aus. Der bulgarische Sozialversicherungsträger stellte für die mbP auch die Formblätter bezüglich der Inanspruchnahme von Leistungen (E106) aus.

Der bulgarische Sozialversicherungsträger hat die Bescheinigungen gemäß Art. 14 Abs. 1 lit.a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für die Zeiträume vom 12. November 2007 bis 11. November 2008 und vom 12. Jänner 2009 bis 11. Jänner 2010 nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt.

Gerichtliche Beweise hinsichtlich einer betrügerischen Absicht bei der Erlangung der Bescheidungen sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum liegt keine Bescheinigung gemäß Art. 14 Abs. 1 lit.a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vor.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt gibt sich aus dem Akteninhalt und wurde von der BF1 und BF2 nicht substantiiert bestritten.

Die Feststellungen zur Tätigkeit der BF2ergeben sich aus dem dem Akt erliegenden Dienstvertrag und den Angaben der BF2in der mündlichen Verhandlung, denen die BF1 nicht entgegengetreten ist.

Die Feststellungen betreffend Weisungen, Kontrolle und Organisation der Ausbildung ergeben sich aus den Angaben der BF2in der mündlichen Verhandlung, denen seitens der BF1 nicht widersprochen wurde. Auch aus dem dem Akt erledigenden Dienstleistungsvertrag zwischen der BF1 und der SXXXX XXXX EOOD ergibt sich die Weisungsbefugnis der BF1 im Rahmen des Traineeprogrammes.

Dass die BF2 im gesamten Beschäftigungszeitraum den gleichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der betrieblichen Eingliederung in die Organisation der BF1 unterlag, ergibt sich aus den Angaben der BF2 in der mündlichen Verhandlung.

Auf die Einvernahme der von der BF1 in der Berufung beantragten Zeugen wurde verzichtet, da diese nach Angaben der BF1 lediglich den Ablauf und die Organisation des Traineeprogrammes darlegen hätten können und nach glaubhaften Angaben der BF2, diese aber nie mit ihr direkt zusammengearbeitet hatten.

Hinweise, dass der Träger des Entsendungsstaates unter Vorlage von im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gesammelten Beweisen für ein betrügerisches oder missbräuchliches Vorgehen um eine Überprüfung der E101 Bescheidungen ersucht worden wäre, liegen nicht vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 1 ASVG lautete:

"Dieses Bundesgesetz regelt die Allgemeine Sozialversicherung im Inland beschäftigter Personen einschließlich der den Dienstnehmern nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes gleichgestellten selbständig Erwerbstätigen und die Krankenversicherung der Pensionisten aus der Allgemeinen Sozialversicherung."

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG geht die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei sonstigen Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, mit Ausnahme von Organen der Gemeinde, auf die Verwaltungsgerichte über.

Im konkreten Fall ist somit die Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, bei welchem das gegenständliche Verfahren mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängig war, mit 1. Jänner 2014 auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Für die Frage, ob im verfahrensgegenständlichen Zeitraumbulgarisches oder österreichisches Sozialversicherungsrecht anzuwenden ist, ist nach der VO (EWG) 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, zu entscheiden.

Die BF2 war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bulgarische Staatsbürgerin und war daher von dieser Verordnung umfasst.

Nach Art 13 Abs. 1 der im Hinblick auf den Beschäftigungszeitraum anwendbaren unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f dieser Verordnung den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach dem Titel II der VO (EWG) 1408/71 (Art 13-17a).

Gemäß Abs. 2 leg. cit gilt dabei - soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen - folgendes:

a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.

Gemäß Art 14 Abs. 1 lit.a VO (EWG) 1408/71 gilt folgende Ausnahmen vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) leg. cit:

Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist.

Nach Art 11 Abs. 1 lit. a VO (EWG) 574/72 stellt der Träger, den die zuständige Behörde desjenigen Mitgliedstaats bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften weiterhin anzuwenden sind, auf Antrag des Arbeitnehmers oder seines Arbeitgebers in den Fällen des Artikels 14 Absatz 1 und des Artikels 14b Absatz 1 der VO (EWG) 1408/71 eine Bescheinigung darüber aus, dass und bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechtsvorschriften weiterhin für den Arbeitnehmer gelten.

Fallgegenständlich wurden vom bulgarischen Sozialversicherungsträger für die Zeiträume vom 12.11.2007 bis 11.11.2008 und vom 12.01.2009 bis 11.01.2010 unter Zugrundelegung des Artikels 14 Abs. 1 lit.a der Verordnung (EWG) 1408/71 die Formblätter E101 als Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften ausgestellt.

Zum Vorbringen der BF1, dass die BF2 im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in keiner vertraglichen Beziehung zur BF1 gestanden sei und somit kein Dienstverhältnis zwischen der BF2 und der BF1 begründet worden sei:

Für den Zeitraum vom 12.11.2008 bis 11.01.2009 liegt keine Bescheinigung darüber vor, dass bulgarische Rechtsvorschriften anzuwenden sind, vor.

Deshalb unterliegt die BF2 gemäß Art. 13 Abs. 2 lit.a der VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften jenes Staates, in dem sie abhängig beschäftigt ist.

Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG gilt als Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.

Es ist nunmehr zu prüfen, ob die BF2 im fallgegenständlichen Zeitraum als Dienstnehmerin der BF1 anzusehen ist.

Die Frage, ob die Dienstleistungen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG eher das Gepräge persönlicher Abhängigkeit aufgewiesen oder ob die Merkmale persönlicher Unabhängigkeit überwogen haben (vgl. dazu und zum folgenden das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1984, Slg. 11361/A), ist danach zu beantworten, in welche Richtung vor allem die dafür entscheidungskräftigen Kriterien deuten, nämlich, ob eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Erstmitbeteiligten durch seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten und die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, sowie die (damit eng verbundene) persönliche Arbeitspflicht vorliegt, bzw. ob dies nicht der Fall ist. Das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Arbeitsempfängers) schließt dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht aus. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (VwGH 25.09.1990, 89/08/0334, vgl. dazu auch das grundlegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1957, Slg. Nr. 4495/A, sowie das Erkenntnis vom 19. März 1984, Slg. Nr. 11361/A).

Unbestritten ist, dass die BF2 auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum für die BF1 tätig war und sich an den Rahmenbedingungen ihrer Beschäftigung nicht geändert hat. Die BF2 unterlag den Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten und die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse. Dass die BF2 in diesem Zeitraum nicht in die betriebliche Organisation der BF1 eingegliederte gewesen ist, wurde nicht behauptete. Es ist somit auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von einer abhängigen Beschäftigung der BF2 auszugehen.

§ 35 Abs. 1 erster Satz ASVG bestimmt, dass als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige gilt, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, darauf an, ob jene Person, deren Dienstgebereigenschaft zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis gegenüber Dritten berechtigt und verpflichtet ist. Wer aus der Betriebsführung berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die letztlich nur aufgrund rechtlicher Gegebenheiten beantwortet werden kann. Das Eigentum bzw. Miteigentum stellt eine solche rechtliche Gegebenheit dar (vgl. VwGH 2.7.2008, 2007/08/0207).

An der Dienstgebereigenschaft einer Person ändert sich selbst dadurch nichts, dass im Falle einer mit dem Wissen und dem Willen erfolgenden Betriebsführung durch einen Dritten dieser Dritte bei einzelnen betrieblichen Geschäften (so auch bei der Indienstnahme und Beschäftigung einer Person im Betrieb und für den Betrieb, einschließlich der Weisungserteilung und der tatsächlichen Entgeltzahlung, als Mittelsperson) nach außen hin im eigenen Namen auftritt, wenn nur den Dienstgeber das Risiko des Betriebes im Gesamten trifft und ihm zumindest die rechtliche Einflussmöglichkeit auf die tatsächliche Betriebsführung im Ganzen zusteht. Darauf, ob eine derartige Indienstnahme und Beschäftigung einer Person für den Betrieb durch den den Betrieb tatsächlich Führenden ohne Wissen oder sogar gegen den Willen des Dienstgebers erfolgt, kommt es bei Zutreffen der eben genannten Voraussetzungen nicht an. Dabei genügt (neben der Risikotragung für den Betrieb) die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme (Weisung, Kontrolle usw.) auf die tatsächliche Betriebsführung [vgl. Blume in Sonntag (Hrsg), ASVG6 (2015), § 35, Rz 1-3].

Ebenso kann aus der Ausübung von einzelnen Funktionen, wie der Aufnahme und Entlassung von Dienstnehmern, der Ausbezahlung der Löhne, der Entgegennahme von Bestellungen, der Durchführung von Kalkulationen, für sich allein auf die Dienstgebereigenschaft geschlossen worden [vgl VwGH 2675/55, VwSlg 5002 A, 89/08/0262, 99/08/0157); Julcher in Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg) Der SV-Komm, § 35 ASVG, Rz 14].

In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation ist davon auszugehen, dass die BF1 sowohl die organisatorische praktische Leitung des Betriebes einschließlich der Anweisung der Beschäftigten, als auch die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme (Weisung, Kontrolle usw.) auf die tatsächliche Betriebsführung.

Die BF ist daher auch als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs.1 ASVG anzusehen.

In der Rechtssache C-202/97 betreffend dem Rechtsstreit Fitzwilliam Executive Search Ltd, handelnd unter der Firma "Fitzwilliam Technical Services (FTS)", gegen Bestuur van het Landelijk instituut sociale verzekeringen hat der EuGH ausgesprochen, dass, da die E-101-Bescheinigung eine Vermutung dafür begründet, daß der Anschluß der entsandten Arbeitnehmer an das System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem das Zeitarbeitsunternehmen seine Betriebsstätte hat, ordnungsgemäß ist, sie bindet folglich den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, in den diese Arbeitnehmer entsandt sind.

Jede andere Lösung würde den Grundsatz des Anschlusses der Arbeitnehmer an ein einziges System der sozialen Sicherheit sowie die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Systems und damit die Rechtssicherheit beeinträchtigen: In Fällen, in denen die Feststellung des anwendbaren Systems schwierig wäre, könnte der zuständige Träger beider betreffenden Mitgliedstaaten sein eigenes System der sozialen Sicherheit für anwendbar erklären, was den betroffenen Arbeitnehmern zum Nachteil gereichte.

Solange also eine E-101-Bescheinigung nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird, hat der zuständige Träger des Mitgliedstaats, in den die Arbeitnehmer entsandt sind, dem Umstand Rechnung zu tragen, daß diese bereits dem Recht der sozialen Sicherheit des Staates unterliegen, in dem das Unternehmen, das sie beschäftigt, seine Betriebsstätte hat; er kann daher die fraglichen Arbeitnehmer nicht seinem eigenen System der sozialen Sicherheit unterstellen.

Aufgrund der Sach- und Rechtslage war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung wie unter Punkt 3.2 ausgeführt von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. VwGH 25.09.1990, 89/08/0334, VwGH 2.7.2008, 2007/08/0207, VwGH 2675/55, VwSlg 5002 A, 89/08/0262, 99/08/0157, EuGH vom 10. Februar 2000 C-202/97), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Dienstgebereigenschaft, Dienstnehmereigenschaft, persönliche
Abhängigkeit, Pflichtversicherung, wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W156.2004630.1.01

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten