Entscheidungsdatum
16.04.2019Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
W228 2202854-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch die Rechtsanwältin Mag. XXXX , gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 26.06.2018, Zl. XXXX , wegen Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der Bescheid vom 26.06.2018 wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK) hat mit Bescheid vom 26.06.2018, Zl. XXXX , XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) gemäß § 410 Abs. 1 Z 5 nach § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 400,00 vorgeschrieben, weil die Anmeldung für XXXX , VSNR XXXX , zur Pflichtversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass im Rahmen der am 11.04.2018 erfolgten Betretung durch Prüforgane in 1150 Wien, XXXX festgestellt worden sei, dass für die genannte Person die Anmeldung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ein Einzelunternehmen (Call-/Internet-Shop) betreibe. Am 11.04.2018 habe sie aufgrund einer Erkrankung ihren Arzt aufsuchen müssen. Der Freund der Beschwerdeführerin, Herr XXXX , habe sich gerade im Geschäftslokal befunden, weil er einen Computer für sie repariert habe. Er sei während des Arztbesuches der Beschwerdeführerin im Lokal geblieben. Er sei nicht bezahlt worden, sei auch nicht fallweise bei ihr beschäftigt gewesen, sondern habe als deren Freund lediglich ausgeholfen. Die Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages würden sohin nicht vorliegen, da Herr XXXX kein Dienstnehmer der Beschwerdeführerin sei. Die belangte Behörde kontrolliere das Unternehmen der Beschwerdeführerin regelmäßig und wisse daher, dass sie keine Mitarbeiter beschäftige. Die belangte Behörde habe vor dem Hintergrund der getätigten Aussagen, der vorgelegten Arztbestätigung bzw. den Kenntnissen aus früheren Kontrollen nicht überzeugend darzulegen vermocht, weshalb die Angaben der Beschwerdeführerin und des Zeugen nicht richtig sein sollten.
Die Beschwerdesache wurde am 07.08.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Am 14.02.2019 wurde das Straferkenntnis des MBA 15 vom 14.08.2018 sowie das Verhandlungsprotokoll und die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 07.02.2019 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 21.02.2019 der WGKK die Unterlagen des § 11 ASVG Verfahrens beim MBA 15 und beim Landesverwaltungsgericht Wien übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.
Die WGKK hat mit Schriftsatz vom 11.03.2019 eine Stellungnahme abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 11.04.2018 wurde durch Organe der Abgabenbehörden des Bundes eine Kontrolle im Telekommunikationsshop der Beschwerdeführerin in 1150 Wien, XXXX durchgeführt. Im Zuge dieser Kontrolle wurde XXXX , VSNR XXXX , hinter dem Verkaufspult angetroffen. Er verrichtete Tätigkeiten an einem Computer. XXXX war nicht zur Sozialversicherung angemeldet.
Bei XXXX handelt es sich um den Lebensgefährten der Beschwerdeführerin. Am Tag der Kontrolle erkrankte die Beschwerdeführerin und ging in die Apotheke. Während ihrer Abwesenheit reparierte XXXX einen Computer im Telekommunikationsshop der Beschwerdeführerin. XXXX hat der Beschwerdeführerin aufgrund deren seit langer Zeit bestehenden Beziehung am Tag der Betretung kurzfristig, freiwillig und unentgeltlich ausgeholfen. Er wurde weder von der Beschwerdeführerin kontrolliert noch unterlag er den Weisungen der Beschwerdeführerin. XXXX war nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für die Beschwerdeführerin tätig. Ein Dienstverhältnis zwischen XXXX und der Beschwerdeführerin lag nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt der WGKK.
Es ist unstrittig, dass XXXX im Zeitpunkt der Betretung (11.04.2018) durch die Organe der Abgabenbehörden des Bundes im Telekommunikationsshop der Beschwerdeführerin an einem Computer arbeitend angetroffen wurde und zu diesem Zeitpunkt nicht zur Sozialversicherung angemeldet war.
Die Feststellungen betreffend die zwischen der Beschwerdeführerin und XXXX bestehende Beziehung sowie die im gegenständlichen Fall vorliegende kurzfristige, freiwillige Mithilfe ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen in Zusammenschau mit den von der Beschwerdeführerin sowie von XXXX in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Wien am 07.02.2019 getätigten Ausführungen.
In Würdigung der gesamten Umstände des Falles erscheint die Tätigkeit des XXXX lediglich als Ausfluss eines Freundschaftsdienstes gegenüber der Beschwerdeführerin. Die getätigte Mithilfe hat das Maß der unter Freunden üblichen und gebotenen Gefälligkeit nicht überschritten und hat er lediglich kurzfristig ausgeholfen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsleitung des XXXX in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erbracht wurde.
Beweiswürdigend ist weiters auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 07.02.2019 zu verweisen. In diesem Erkenntnis wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht gegen die Meldeverpflichtung im Sinne des § 33 ASVG verstoßen hat und somit auch nicht die ihr angelastete Verwaltungsübertretung begangen hat. Dieses Straferkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien weist den vollkommen - sprich 1:1 - identischen Sachverhalt auf, der Grundlage für das beim Bundesverwaltungsgericht anhängige gegenständliche Verfahren ist.
Es ist auszuführen, dass dieses Straferkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 07.02.2019 für das gegenständliche Verfahren Indizwirkung hat und keine unangemeldete Beschäftigung (als Dienstnehmer nach § 4 Abs. 2 ASVG) des XXXX bei der Beschwerdeführerin feststellt. Zu diesem Ergebnis gelangte das Landesverwaltungsgericht Wien im Zuge der Befragung der Beschwerdeführerin und der Zeugeneinvernahme von XXXX im Rahmen der am 07.02.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die WGKK.
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Da über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 5 entschieden wird, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.
Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Im Beschwerdeverfahren betreffend die Vorschreibung eines Beitragszuschlags gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ist als Vorfrage ist zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung des XXXX vorlag und die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin daher verpflichtet gewesen wäre, diesen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.
Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde zwar berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 21.04.2004, 2003/08/0182).
Als solche atypischen Umstände machte die Beschwerdeführerin hinsichtlich XXXX das Vorliegen eines unentgeltlichen Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienstes geltend.
Bei der Frage, ob ein unentgeltlicher Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, handelt es sich um eine grundsätzlich nicht revisible einzelfallbezogene Beurteilung (vgl. VwGH 24.02.2015, Ra 2015/08/0009).
Die Unentgeltlichkeit einer Verwendung bzw. ein Gefälligkeitsdienst ist nicht schon bei bloßem Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten. Die Unentgeltlichkeit muss vielmehr - wenigstens den Umständen nach konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Eine derartige sachliche Rechtfertigung könnte in persönlichen Beziehungen, in bestimmten wirtschaftlichen Interessen, aber auch in einer idealistischen Einstellung begründet sein (vgl. VwGH 04.09.2013, 2011/08/0318).
Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung stand halten (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165).
Wie festgestellt, besteht zwischen der Beschwerdeführerin und XXXX eine Lebensgemeinschaft und war die Beschwerdeführerin sohin in der Lage ein besonderes Naheverhältnis glaubhaft zu machen. Die Tätigkeit des XXXX erfolgte freiwillig und unentgeltlich. Zwischen der Beschwerdeführerin und XXXX besteht eine Lebensgemeinschaft, sodass auch das Motiv, weshalb XXXX der Beschwerdeführerin zum gegenständlichen Zeitpunkt geholfen hat, sachlich nachvollziehbar ist.
Insgesamt ergibt sich nach Würdigung aller Umstände des gegenständlichen Einzelfalles als Gesamtbild, dass XXXX bei der verfahrensgegenständlichen Tätigkeit aufgrund des kurzfristigen, freiwilligen und unentgeltlichen Tätigwerdens für die Beschwerdeführerin, zu der eine spezifische Bindung besteht, im Rahmen eines Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienstes tätig war, sodass kein Dienstverhältnis iSd § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG vorlag.
Mangels Vorliegens eines Dienstverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und XXXX , traf diese auch gemäß § 33 ASVG keine Verpflichtung zur Anmeldung zur Pflichtversicherung, weshalb die Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG nicht zu Recht erfolgte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Schlagworte
Beitragszuschlag, Gefälligkeitsdienst, LebensgemeinschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W228.2202854.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.06.2019