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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, in der Beschwerdesache des NL in Linz, geboren am 15. November 1976, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. Oktober 1995, Zl. St 310/95, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz,
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot richtet, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt; ein Zuspruch von Aufwandersatz findet diesbezüglich nicht statt;
2. zu Recht erkannt:
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsbürger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen (Spruchpunkt I.). Weiters sprach die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 FrG aus, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina sei somit zulässig (Spruchpunkt II.).
Hinsichtlich des Spruchpunktes I. begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid damit, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 20. April 1995 wegen §§ 127, 128 Abs. 1 vierter Fall, 129 Abs. 1 und 2, 130, 15 und 278 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, wovon sechs Monate teilbedingt nachgesehen worden seien, verurteilt worden sei.
Hinsichtlich des Spruchpunktes II. führte die belangte Behörde aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei Moslem und dieser Glaube sei in seinem Heimatstaat nicht anerkannt, eine absurde Behauptung darstelle, zumal im Parlament von Bosnien-Herzegowina die moslemische Partei der Demokratischen Aktion (STA) die Mehrheit der Sitze innehabe. Bezüglich des Einwandes des Beschwerdeführers, dass er bei seiner Rückkehr sofort zum Militär eingezogen würde, habe bereits die Behörde erster Instanz festgestellt, dass es sich dabei um die Ableistung staatsbürgerlicher Pflichten handelte. Eine Bürgerkriegssituation für sich allein indiziere noch keine Flüchtlingseigenschaft. Das Asylrecht wie auch die Bestimmungen des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG hätten nicht die Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolten und sonstigen Unruhen hervorgingen. Eine darüber hinausgehende Bedrohung habe der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet. Die kriegerischen Ereignisse, die derzeit in seinem Heimatstaat stattfänden, hätten alle Bewohner seines Heimatstaates in gleicher Weise zu erdulden, sodass die dadurch bedingten Benachteiligungen als keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete individuelle Verfolgung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu werten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens
vor; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Aufenthaltsverbot:
Mit dem - am 1. Jänner 1998 in Kraft getretenen - Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unterschiedlich zu jenen des Fremdengesetzes aus 1992 geregelt.
§ 114 Abs. 4 und 7 des Fremdengesetzes 1997 lautet:
"(4) Aufenthaltsverbote, die beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof angefochten sind, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der angefochtene Bescheid nicht offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände.
...
(7) In den Fällen der Abs. 4 und 5 ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen; mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt in diesen Fällen auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft. Solchen Aufenthaltsverboten oder Ausweisungen darf für Entscheidungen, die nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes getroffen werden sollen, keine nachteilige Wirkung zukommen."
Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschwerde als gegenstandslos und die Einstellung des Verfahrens im Sinn der eben genannten Bestimmung sind im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen erfüllt:
§ 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 lautet:
"§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
1.
die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2.
anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."
Damit wurde der Behörde - anders als nach § 18 Abs. 1 FrG - Ermessen eingeräumt.
Die Beschwerdeführerin hatte in dem zur Erlassung des von ihr angefochtenen Aufenthaltsverbotes führenden Verfahren keine Möglichkeit, erst im Rahmen der nunmehrigen Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 relevante, gegen dessen Erlassung sprechende Umstände aufzuzeigen. Insbesondere enthält der angefochtene Bescheid keine Begründungselemente, die eine Überprüfung im Hinblick auf die nunmehr gebotene Ermessensübung ermöglichen würden.
Es liegt auch kein Fall vor, in welchem das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der Ermessensentscheidung entbehrlich wäre (vgl. die in § 38 Abs. 1 Z. 3 sowie § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 genannten Fälle und zum Ganzen den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490). Somit kann nicht gesagt werden, dass der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 "offensichtlich auch in den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eine Grundlage fände", weshalb er in diesem Umfang gemäß § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten ist.
Somit war die Beschwerde insoweit gemäß § 114 Abs. 7 iVm Abs. 4 und § 115 des Fremdengesetzes 1997 als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne Zuspruch von Aufwandersatz einzustellen.
Hingewiesen wird darauf, dass mit dem vorliegenden Beschluss gemäß § 114 Abs. 7 erster Satz, zweiter Halbsatz, des Fremdengesetzes 1997 auch der Bescheid der Behörde erster Instanz, soweit mit diesem ein Aufenthaltsverbot verfügt wurde, außer Kraft tritt.
Zur Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung:
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0229) vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Falle der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid insofern deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass de facto die serbische Mehrheit die bosnischen Moslems unterdrücke und dass die formal eingesetzte bosnische Regierung nicht in der Lage sei, ihn ausreichend zu schützen.
Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zwar hat er im Verwaltungsverfahren vorgebracht, sein Heimatort in Bosnien-Herzegowina sei vollkommen zerstört und es herrsche im angrenzenden und auch weiteren Umfeld Krieg. Im Fall seiner Abschiebung nach Bosnien würde er sofort zum Militär eingezogen werden und würde auch wegen seiner Religion Probleme haben, weil dort der moslemische Glauben nicht anerkannt werde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt jedoch die Furcht vor der Einberufung zum Militärdienst grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, was auch in den Fällen gilt, in denen im betreffenden Staat ein Bürgerkrieg oder eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung stattfindet. Die Furcht vor Verfolgung im Zusammenhang mit der Ableistung des Militärdienstes könnte dann asylrechtlich - und somit iSd § 37 Abs. 2 FrG - relevant sein, wenn die Einberufung bzw. unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder dem Beschwerdeführer aus solchen Gründen - im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen - schärfere Sanktionen drohten (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides und der Verwaltungsakten hat der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, dass der ihm drohende Militärdienst auf asylrelevante Umstände zurückzuführen sei oder ihm dabei eine Behandlung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG drohe.
Auch der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gegebene Hinweis, sein Heimatdorf sei zerstört, und es herrsche im weiteren Umfeld Krieg, musste die belangte Behörde nicht zur Beurteilung veranlassen, seine Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina sei unzulässig. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Existenz des Beschwerdeführers durch die Abschiebung zwangsläufig konkret bedroht wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 95/21/1039). Dass dies der Fall wäre, hat der Beschwerdeführer nicht konkret dargelegt.
Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Tatsache eines Bürgerkriegs in dem vom Antrag erfassten Staat für sich allein noch keinen Grund darstellt, darin eine Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG zu erblicken. Wenn ein Fremder in einen Teil des Staatsgebietes abgeschoben werden kann, der von seiner eigenen Bürgerkriegspartei (vorwiegend von seiner eigenen Bevölkerungsgruppe) kontrolliert wird, so entsteht aus der Bürgerkriegssituation (noch) keine unmittelbar drohende Behandlung oder Verfolgung im Sinne der genannten Gesetzesstelle (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998).
Demnach erweist sich die Beschwerde, soweit sie gegen die Feststellung, die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina sei zulässig, gerichtet ist, als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 5. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1995211171.X00Im RIS seit
20.11.2000