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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VwGG §46 Abs1Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/21/0030Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über den Antrag des T B in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der (zu Ra 2019/21/0030 protokollierten) Revision gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Dezember 2018, G306 2184423- 1/18E, betreffend insbesondere Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der (zu Ra 2018/21/0256 protokollierten) Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Mai 2018, G306 2184423-1/9E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), und über die gegen das eben genannte Erkenntnis vom 28. Mai 2018 sowie den Beschluss vom 21. Dezember 2018 erhobenen Revisionen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Staatsangehörigen Kroatiens, gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von acht Jahren. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG erteilte es ihm keinen Durchsetzungsaufschub. Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 28. Mai 2018 als unbegründet abwies. Den zugleich gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wies es gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG als unzulässig zurück. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. September 2018, E 2994/2018, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers (nach eigenem Vorbringen) mit Wirksamkeit vom 9. Oktober 2018 zugestellt, sodass an diesem Tag die (sechswöchige) Revisionsfrist begann (vgl. § 26 Abs. 4 VwGG). Sie endete demnach mit Ablauf des 20. November 2018.
4 In der Folge führte der Revisionswerber - verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist - eine außerordentliche Revision aus, die er (erst) am 20. Dezember 2018 beim BVwG im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) einbrachte.
5 Mit Beschluss vom 21. Dezember 2018 wies das BVwG den genannten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gemäß § 46 VwGG ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers mit Wirksamkeit vom 24. Dezember 2018 zugestellt.
6 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde am 4. Februar 2019 - dem letzten Tag der sechswöchigen Revisionsfrist - beim BVwG um 21:49:47 Uhr, somit nach Ablauf der um 15 Uhr endenden Amtsstunden, im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) eingebracht.
7 Davon ausgehend erweist sich diese Revision - entgegen dem vom Revisionswerber vertretenen Rechtsstandpunkt - als verspätet. Dazu kann gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den grundlegenden Beschluss VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198, sowie die daran anschließende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden, wonach eine am letzten Tag der Revisionsfrist mittels elektronischem Rechtsverkehr beim BVwG nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gilt (vgl. etwa VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, Rn. 8; VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0035, Rn. 2, und VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0224, Rn. 6, jeweils mwN).
8 Soweit der Revisionswerber insoweit verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 20 Abs. 6 GO-BVwG äußert, ist ihm zu entgegnen, dass sich der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 19.849/2014 mit der Festlegung von Amtsstunden für die Einbringung von Rechtsmitteln auseinandergesetzt und diesbezüglich keine Verletzung des Gleichheitssatzes erkannt hat. Im Beschluss VfGH 27.6.2018, E 1933/2018, hat der Verfassungsgerichtshof mit Verweis auf diese Rechtsprechung eine Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs. 6 GO-BVwG und der dazugehörigen Bestimmungen verneint. Entsprechende, vom Revisionswerber geäußerte Bedenken wurden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt (vgl. VwGH 8.11.2018, Ra 2018/19/0540, Rn. 7).
9 Nach Einräumung der Möglichkeit zur Äußerung durch den Verwaltungsgerichtshof beantragte der Revisionswerber mit Eingabe vom 5. März 2019 die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen den Beschluss des BVwG vom 21. Dezember 2018.
10 Begründend führte der Revisionswerber in diesem Schriftsatz aus, sein Rechtsvertreter habe den Revisionsschriftsatz am 1. Februar 2019 verfasst und seiner Sekretärin mit dem Auftrag ausgehändigt, diesen spätestens "am 04.03.2019" bis 14 Uhr im Wege des ERV an das BVwG zu übersenden. Die genannte Sekretärin habe den Schriftsatz in die entsprechende Maske der EDV eingegeben. Der Rechtsanwalt habe sich "in seiner Überwachungspflicht" noch am Vormittag des 4. Februar 2019 "von der in der ERV vorhandenen ungeprüften Eingabe" überzeugt, die Eingabe freigegeben und die Sekretärin wiederholt darauf hingewiesen, dass der Schriftsatz bis spätestens 14 Uhr an das BVwG einzubringen sei. Die Sekretärin habe dennoch diesen Auftrag schlichtweg vergessen. Sie habe sich erst am Abend des 4. Februar 2019 an ihr Missgeschick erinnert und habe das Versäumnis - ohne den Rechtsvertreter zu verständigen - noch am selben Abend (knapp vor 22 Uhr) durch Übermittlung an das BVwG im Wege des ERV bereinigt.
Hierdurch sei eine Fristversäumnis eingetreten, wobei der Rechtsvertreter allerdings die Fehlleistung nicht habe vorhersehen und damit bei zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht habe rechnen können. Es handle sich nämlich bei der betreffenden Mitarbeiterin "um eine seit ihrer Einstellung vor Monaten ansonst absolut verlässliche Kanzleikraft", der bisher noch nie ein Fehler bei der Einbringung im ERV unterlaufen sei. Dies begründe ein unvorhergesehenes Ereignis an der rechtzeitigen Einbringung der außerordentlichen Revision, ohne dass den Rechtsvertreter oder den Vertretenen daran ein über den minderen Grad eines Versehens hinausgehendes Verschulden treffe.
Das Versehen der Sekretärin sei dem Rechtsvertreter erst am 26. Februar 2019, mit Zustellung der Note des Verwaltungsgerichtshofes zur Einräumung des rechtlichen Gehörs, aufgefallen und somit bekannt geworden. Damit habe gemäß § 46 Abs. 3 VwGG die zweiwöchige Frist für den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung zu laufen begonnen.
11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein derartiger Antrag ist gemäß § 46 Abs. 3 VwGG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.
12 Das Verschulden eines Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelte (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061, Punkt 2.1., mwN).
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben (insbesondere) im elektronischen Weg zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Die dazu in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben im Web-ERV übertragen (vgl. VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0054, Rn. 10, mwN).
14 Insoweit wurde zur Frage, ob und welche Kontrollen in Bezug auf die tatsächliche Übermittlung der Revision nach diesem Vorgang kanzleiintern veranlasst worden waren sowie aus welchen Gründen sie fallbezogen (zumal bis zum 26. Februar 2019) versagt haben, kein Vorbringen erstattet. Entsprechende Behauptungen eines Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken allerdings den Rahmen für die Untersuchung sowohl der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. VwGH 29.6.2016, Ra 2016/05/0001, Rn. 30, mwN), als auch der Frage, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig gestellt wurde (vgl. dazu etwa VwGH 28.8.2012, 2012/21/0179-0180, und VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0035, Rn. 6).
15 Mangels entsprechenden Vorbringens in diesem Sinn kann nicht von einer Einhaltung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist des § 46 Abs. 3 VwGG ausgegangen werden, die bereits mit dem "Aufhören des Hindernisses", also dem Zeitpunkt beginnt, in welchem das geltend gemachte Versehen erkannt werden konnte und musste (vgl. etwa VwGH 24.3.2011, 2011/09/0012, mwN).
Dieser Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall aber deutlich früher anzusetzen, als im Antrag auf Wiedereinsetzung angenommen wird. Dort wird nämlich davon ausgegangen, dass selbst das mehr als dreiwöchige Unterbleiben jeder Kontrolle in Bezug auf die tatsächliche Übermittlung der Revision höchstens einen minderen Grad des Versehens begründe, wovon nach dem Gesagten (vgl. Rn. 12) aber nicht die Rede sein kann.
Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 4 VwGG als verspätet zurückzuweisen.
16 Damit bleibt es dabei, dass sich die Revision gegen den Beschluss des BVwG vom 21. Dezember 2018 als verspätet erweist (Rn. 7). Da mit diesem Beschluss der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des BVwG vom 28. Mai 2018 abgewiesen wurde, ändert sich auch an der Fristversäumung in Bezug auf die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision nichts (siehe Rn. 3 und 4).
Beide Revisionen waren somit gemäß § 34 Abs. 1 erster Fall VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 4. April 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210256.L00Im RIS seit
16.07.2019Zuletzt aktualisiert am
16.07.2019