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E000 EU- Recht allgemeinNorm
EURallgBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des A K in B, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26. Juli 2017, Zl. LVwG-2017/34/1167-4, betreffend Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Reutte),
zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26. Juli 2017 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der X Österreich GmbH in B zu verantworten zu haben, dass am 13. Juni 2016 in der Filiale der Y Warenvertriebs GmbH an eine näher genannten Adresse in L das Produkt "Z Frühstückskekse" mit der Aussage, dass dieses Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften aufgrund der Energie, die es den ganzen Vormittag liefere, besitze, nämlich konkret der nachstehenden Aussage auf der Vorder- und Rückseite: "Energie für den ganzen Vormittag", zum Verkauf angeboten worden sei, obwohl diese Aussage, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung habe wie die Aussage ein Lebensmittel "liefere Energie", im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (EU-Claims-Verordnung) nicht aufgeführt worden sei und diese Aussage als nährwertbezogene Angabe mangels deren Aufführung im Anhang der EU-Claims-Verordnung nicht gemacht hätte werden dürfen, wodurch Art. 8 Abs. 1 der EU-Claims-Verordnung zuwidergehandelt worden sei. Der Revisionswerber habe damit gegen § 9 Abs. 1 VStG iVm § 90 Abs. 3 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006 idF BGBl. I Nr. 144/2015, iVm Art. 2 Abs. 2 Z 4 lit. a sublit. i und Art. 8 Abs. 1 EU-Claims-Verordnung verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 50,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Stunde Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei am 13. Juni 2016 handelsrechtlicher Geschäftsführer der X Österreich GmbH gewesen. Im Zuge einer am 13. Juni 2016 in der Filiale der Y Warenvertriebs GmbH an einer näher genannten Adresse in L durchgeführten Kontrolle habe ein Lebensmittelaufsichtsorgan eine Probe mit der Warenbezeichnung "Z Frühstückskekse" entnommen, die zum Verkauf angeboten worden sei. Die Vorder- und Rückseite der Verpackung dieses Produkts weise folgende Aussage auf: "Energie für den ganzen Vormittag". Mit dieser Aussage werde erklärt, dass dieses Erzeugnis - das dazu bestimmt sei, dass es im Zustand, in dem es zum Verkauf angeboten werde, von Menschen aufgenommen werde - besondere positive Nährwerteigenschaften besitze, und zwar aufgrund der Energie, die es liefere. Diese Aussage habe für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung wie die Aussage, ein Lebensmittel "liefert Energie".
3 Das Produkt habe daher eine nährwertbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Z 4 lit. a sublit. i der EU-Claims-Verordnung aufgewiesen. Da die Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung habe wie die Angabe "liefert Energie", nicht im Anhang der EU-Claims-Verordnung aufgeführt sei, hätte diese Angabe nach Art. 8 Abs. 1 der EU-Claims-Verordnung nicht gemacht werden dürfen. Indem diese Angabe dennoch gemacht worden sei, sei der EU-Claims-Verordnung zuwidergehandelt worden. Der Revisionswerber habe daher den objektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung verwirklicht.
4 Was die innere Tatseite anlange, sei festzuhalten, dass es sich bei der dem Revisionswerber vorgeworfenen Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt handle, weil zum Tatbestand der betreffenden Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch der Eintritt einer Gefahr gehöre. Für solche Delikte sehe § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG vor, dass dann ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen sei, wenn der Täter nicht glaubhaft mache, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Der Revisionswerber bringe aber gar nicht vor, dass ihn an der Übertretung kein Verschulden treffe. Insofern sei gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen. Die Bestrafung sei daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
5 Im Weiteren begründete das Verwaltungsgericht seine Strafbemessung. Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit einem Verweis auf den Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG und dem Hinweis, die Entscheidung orientiere sich an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende
außerordentliche Revision.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Akten vor.
8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, BGBl. I Nr. 13/2006 idF BGBl. I Nr. 144/2015 (LMSVG), lautet auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 3. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende
Begriffsbestimmungen:
...
9. Inverkehrbringen: Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. ...
...
Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union § 4. (1) Die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren
Rechtsakte der Europäischen Union sind samt Änderungsverordnungen und Durchführungsvorschriften im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.
...
Verwaltungsstrafbestimmungen
Tatbestände
§ 90. (1) ...
(3) Wer
1. den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren
Rechtsakten der Europäischen Union oder den näheren Vorschriften
zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15
zuwiderhandelt,
2. ...
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
...
Anlage
Verordnungen der Europäischen Union gemäß § 4 Abs. 1
Teil 1
...
13. Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006 in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 12 vom 18. Jänner 2007);
..."
10 Die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (EU-Claims-Verordnung) lautet auszugsweise:
"DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION
...
in Erwägung nachstehender Gründe:
...
(1) Zunehmend werden Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet, und es wird mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sollten die im Handel befindlichen Produkte, einschließlich der eingeführten Produkte, sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Gesundheit, und einzelne Produkte sind im Kontext der gesamten Ernährung von relativer Bedeutung.
...
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
...
Artikel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich
(1) Mit dieser Verordnung werden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben harmonisiert, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten.
(2) Diese Verordnung gilt für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen.
Auf nicht vorverpackte Lebensmittel (einschließlich Frischprodukte wie Obst, Gemüse oder Brot), die dem Endverbraucher oder Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung zum Kauf angeboten werden, und auf Lebensmittel, die entweder an der Verkaufsstelle auf Wunsch des Käufers verpackt oder zum sofortigen Verkauf fertig verpackt werden, finden Artikel 7 und Artikel 10 Absatz 2 Buchstaben a und b keine Anwendung. Einzelstaatliche Bestimmungen können angewandt werden, bis gegebenenfalls Gemeinschaftsmaßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung, auch durch Ergänzung, nach dem in Artikel 25 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen werden.
Diese Verordnung gilt auch für Lebensmittel, die für Restaurants, Krankenhäuser, Schulen, Kantinen und ähnliche Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind.
...
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
(1) Für die Zwecke dieser Verordnung
a) gelten für ‚Lebensmittel', ‚Lebensmittelunternehmer', ‚Inverkehrbringen' und ‚Endverbraucher' die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 und Artikel 3 Nummern 3, 8 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit;
...
(2) Ferner bezeichnet der Ausdruck
1. ‚Angabe' jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt;
...
4. ‚nährwertbezogene Angabe' jede Angabe, mit der erklärt,
suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird,
dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften
besitzt, und zwar aufgrund
a) der Energie (des Brennwerts), die es
i) liefert,
...
Artikel 3
Allgemeine Grundsätze für alle Angaben
Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen.
...
Artikel 8
Besondere Bedingungen
(1) Nährwertbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen.
...
Artikel 28
Übergangsmaßnahmen
(1) Lebensmittel, die vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Verkehr gebracht oder gekennzeichnet wurden und dieser Verordnung nicht entsprechen, dürfen bis zu ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum, jedoch nicht länger als bis zum 31. Juli 2009 weiter in Verkehr gebracht werden. Unter Berücksichtigung von Artikel 4 Absatz 1 dürfen Lebensmittel bis 24 Monate nach Annahme der entsprechenden Nährwertprofile und der Bedingungen für ihre Verwendung in Verkehr gebracht werden.
..."
11 Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit lautet auszugsweise:
"Artikel 3
Sonstige Definitionen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
...
8. ‚Inverkehrbringen' das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst;
...
18. ‚Endverbraucher' den letzten Verbraucher eines Lebensmittels, der das Lebensmittel nicht im Rahmen der Tätigkeit eines Lebensmittelunternehmens verwendet.
..."
12 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 2 Abs. 2 Z 4 lit. a sublit. i und Art. 8 Abs. 1 EU-Claims-Verordnung könne nur durch Inverkehrbringen der Ware begangen werden; die vorschriftswidrige Kennzeichnung alleine reiche für eine Bestrafung nach den genannten Normen nicht aus (Verweis auf VwGH 29.5.1995, 94/10/0173, VwSlg. 14262 A). Der Revisionswerber könne "die im Raum stehende strafbare Handlung - wenn überhaupt - nur an einem anderen Tatort und zu einem anderen Zeitpunkt begangen" haben. Die in Frage kommende Tathandlung könne nur eine Lieferung der X Österreich GmbH an das Zentrallager der Y Warenvertriebs GmbH in V sein; ausgeschlossen sei, dass sich der Tatort in L befinde. Die gezogene und untersuchte Probe stamme aus einer näher bezeichneten Charge, die von der X Österreich GmbH "letztmalig am 29.03.2016" an das Zentrallager der Y Warenvertriebs GmbH in V ausgeliefert worden sei. Es sei daher auch fälschlicherweise von einer Tat am 13. Juni 2016 ausgegangen worden. Aufbauend auf diesem Vorbringen wird sodann mit umfangreichen Darlegungen geltend macht, der Spruch des Straferkenntnisses bzw. des angefochten Erkenntnisses sei mangelhaft gefasst, eine Doppelbestrafung sei nicht ausgeschlossen, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, die Korrektur des Spruches durch das Verwaltungsgericht sei nach Eintritt der Verfolgungsverjährung erfolgt und die belangte Behörde sei unzuständig gewesen.
13 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:
14 Das Verwaltungsgericht geht im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses davon aus, dass der Revisionswerber es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der X Österreich GmbH zu verantworten habe, dass am 13. Juni 2016 in der Filiale der Y Warenvertriebs GmbH an einer näher genannten Adresse in L das in Rede stehende Lebensmittel mit einer unzulässigen nährwertbezogenen Angabe auf der Verpackung zum Verkauf angeboten worden sei.
15 Dem Revisionswerber wird vom Verwaltungsgericht somit eine Tat am 13. Juni 2016 in der Filiale der Y Warenvertriebs GmbH an einer näher genannten Adresse in L vorgeworfen.
16 Eine Verwaltungsübertretung ist regelmäßig als dort begangen anzusehen, wo der Täter gehandelt hat oder, bei Unterlassungsdelikten, hätte handeln sollen (vgl. VwGH 20.2.2014, 2013/09/0046; 20.10.2009, 2008/05/0078; 25.1.2008, 2007/02/0108, VwSlg. 17366 A). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Frage, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen, stets auf das betreffende Tatbild Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 14.2.2017, Ra 2016/02/0015; 18.12.2012, 2011/07/0171; 17.10.2012, 2010/08/0012, VwSlg. 18495 A).
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem vom Revisionswerber genannten Erkenntnis vom 29. Mai 1995, 94/10/0173, VwSlg. 14262 A, zu § 74 Abs. 2 Z 1 Lebensmittelgesetz 1975 ausgesprochen, dass nach dieser Bestimmung nicht das Unterlassen der Kennzeichnung an sich mit Strafe bedroht ist, sondern erst das Inverkehrbringen nicht entsprechend gekennzeichneter Lebensmittel. Es liege ein Begehungsdelikt vor, Tatort sei der Ort, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht worden sei. Die genannte Bestimmung stelle allerdings schon ihrem Wortlaut nach auf ein Inverkehrbringen nicht entsprechend gekennzeichneter Lebensmittel ab.
18 Der hier vorgeworfene Tatbestand des Zuwiderhandelns gegen Art. 8 Abs. 1 EU-Claims-Verordnung stellt demgegenüber auf das "Machen" unzulässiger nährwertbezogener Angaben ab. Diese Bestimmung ist aber vor dem Hintergrund der weiteren Bestimmungen der EU-Claims-Verordnung zu sehen, wonach diese Verordnung für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen, gilt (Art. 1 Abs. 2 EU-Claims-Verordnung) und nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden bzw. bei der Werbung hiefür nur verwendet werden dürfen, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen (Art. 3 erster Satz EU-Claims-Verordnung). Zudem sieht Art. 28 Abs. 1 EU-Claims-Verordnung vor, dass Lebensmittel, die vor dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Verkehr gebracht oder gekennzeichnet wurden und dieser Verordnung nicht entsprechen, bis zu ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum, jedoch nicht länger als bis zum 31. Juli 2009 weiter in Verkehr gebracht werden dürfen.
19 Aus diesen Bestimmungen ist daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - auch unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 1 dieser Verordnung, wonach die im Handel befindlichen Produkte, um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen sollten - abzuleiten, dass für den hier vorliegenden Fall des Vorwurfs einer unzulässigen nährwertbezogenen Angabe auf der Verpackung eines vorverpackten Lebensmittels durch den Hersteller des Lebensmittels auf dessen Inverkehrbringen im Sinne des Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 abzustellen ist. Für einen Fall wie den vorliegenden ist daher als Tatort der Ort anzusehen, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde. Im Fall der Lieferung durch einen Erzeugungsbetrieb wird die Verwaltungsübertretung am Sitz dieses Betriebes in dem Augenblick begangen, in dem die Ware expediert wird. Korrespondierend zum Tatzeitpunkt ist Tatort der Ort, von dem aus das Lebensmittel ausgeliefert wird (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2017/10/0169; 24.10.2018, Ra 2017/10/0198, jeweils mwN).
20 Da das Verwaltungsgericht in Ansehung des vorgeworfenen Tatbestandes nicht auf diesen Tatzeitpunkt und Tatort abgestellt hat, hat es insofern die Rechtslage verkannt. Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. März 2019
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017100147.L00Im RIS seit
20.08.2019Zuletzt aktualisiert am
20.08.2019