TE Vwgh Beschluss 2019/3/27 Ra 2017/06/0067

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

L82007 Bauordnung Tirol
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

BauO Tir 2011 §29 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/06/0068Ra 2017/06/0069Ra 2017/06/0070Ra 2017/06/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Dr. Bayjones und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des Mag. C L, 2. des R L, beide in W, 3. des M E in Z, 4. des R H in B und 5. des R G in B, alle vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 10. Jänner 2017, LVwG- 2016/32/2605-1, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde St. Jakob in Defereggen; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 29. Mai 1961 zeigte der Rechtsvorgänger der Revisionswerber bei der Gemeinde St. die Errichtung einer Jagdhütte an. Diese Anzeige wurde vom damaligen Bürgermeister zur Kenntnis genommen bzw. unterschrieben.

2 Diese Hütte befindet sich an der Grenze der beiden im Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesenen Grundstücke Nr. W, EZ X, KG St. (im Eigentum der Agrargemeinschaft O.) und Nr. Y, EZ Z, KG St. (im Eigentum der Gemeindegutsagrargemeinschaft St.), allenfalls ist die Grundgrenze durch das gegenständliche Gebäude auch überbaut. Es handelt sich um ein erdgeschossig errichtetes Holzhaus im Ausmaß von 6,0 m x 8,70 m. Abzüglich des südostseitigen Gebäuderücksprunges ergibt sich für das Gebäude eine geschätzte Bruttogrundfläche von ca. 40 bis 45 m2. Die maximale Gebäudehöhe beträgt ca. 3,0 bis 3,5 m.

3 Die Hütte wird von den Eigentümern des Gebäudes, den Revisionswerbern, genutzt.

4 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. (im Folgenden: Bürgermeister) vom 27. September 2016 wurde über Antrag der Revisionswerber gemäß § 29 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) festgestellt, dass das Vorliegen der Baubewilligung für die (genannte) bauliche Anlage nicht zu vermuten sei.

5 Die dagegen von den Revisionswerbern erhobene Beschwerde wurde mit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) vom 9. Jänner 2017 als unbegründet abgewiesen.

6 Die gegen dieses Erkenntnis von den Revisionswerbern erhobene außerordentliche Revision wurde mit dem hg. Beschluss vom 23. März 2017, Ra 2017/06/0036, zurückgewiesen.

7 Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 2016 wurde den Revisionswerbern gemäß § 39 Abs. 1 TBO 2011 aufgetragen, das Holzhaus bis längstens einen Monat nach Rechtskraft des Bescheides zu entfernen (Spruchpunkt I.). Ferner wurde den Revisionswerbern gemäß § 39 Abs. 6 lit. a TBO 2011 die Benützung der baulichen Anlage untersagt (Spruchpunkt II.). Schließlich wurde gemäß § 39 Abs. 5 TBO 2011 festgestellt, dass der nachträglichen Erteilung der Baubewilligung für die gegenständliche bauliche Anlage ein Untersagungsgrund gemäß § 27 Abs. 3 TBO 2011 entgegenstehe (Spruchpunkt III.), weil ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan bestehe.

8 Die gegen diesen Bescheid von den Revisionswerbern erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG vom 10. Jänner 2017 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Leistungsfrist für die Entfernung des Gebäudes mit sechs Monaten ab der Zustellung des Erkenntnisses festgelegt werde. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

9 Das LVwG hielt unter anderem fest, dass im Zeitpunkt der Bauanzeige vom 29. Mai 1961 die Tiroler Landesbauordnung 1901 (TLBO 1901), welche die wesentlichen Rechtsvorschriften für Bauansuchen in Tirol enthalten habe, in Geltung gestanden sei.

10 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das LVwG aus, es habe in seinem die Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 27. September 2016 abweisenden Erkenntnis vom 9. Jänner 2017 ausgeführt, dass das Gebäude bereits 1961 nach der TLBO 1901 einer Bewilligungspflicht unterlegen sei, allerdings lediglich eine Bauanzeige eingebracht worden und somit kein baubehördlicher Konsens nach § 29 TBO 2011 zu vermuten sei.

11 "Das Verfahren" zum Erkenntnis des LVwG vom 9. Jänner 2017 sei für das angefochtene Erkenntnis des LVwG vom 10. Jänner 2017 als bindend anzusehen. In der gegenständlichen Beschwerde sei das Gleiche vorgebracht worden wie in der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid.

12 Da es sich um ein Gebäude handle, für das zweifelsfrei der Baukonsens fehle, habe der Bürgermeister den Revisionswerbern - diese seien Eigentümer des Superädifikates - rechtsrichtig die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufgetragen. Allerdings sei vom LVwG die Leistungsfrist zu ändern gewesen.

13 Aufgrund des Fehlens einer Bewilligung für das bewilligungspflichtige Vorhaben sei auch ein Benützungsverbot auszusprechen gewesen.

14 Ferner habe der Bürgermeister gemäß § 39 Abs. 5 TBO 2011 zutreffend ausgeführt, dass der Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung ein Abweisungsgrund nach § 27 Abs. 3 TBO 2011 entgegenstehe, nämlich der des Widerspruches gegen den Flächenwidmungsplan.

15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

16 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete der Bürgermeister als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht eine Revisionsbeantwortung, in der er sich dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG anschloss.

17 Auch die Tiroler Landesregierung als weitere Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG anschloss und ergänzende Ausführungen tätigte.

18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

21 Die vorliegende Revision erweist sich bereits aufgrund der nicht gesetzmäßigen Ausführung des Revisionspunktes, die sich in der Behauptung eines rechtswidrigen Inhaltes des angefochtenen Erkenntnisses und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erschöpft, als unzulässig. Bei diesem Vorbringen handelt es sich nicht um die Geltendmachung eines Revisionspunktes, sondern um die Behauptung von Revisionsgründen (VwGH 25.4.2018, Ra 2015/06/0134, 0135, mwN).

22 Aber auch mit dem in der Zulässigkeitsbegründung der Revision erstatteten Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Darin wird ausgeführt, es seien die grundsätzlichen Rechtsfragen zu lösen, "ob

-

die (Bau)anzeige eines Bauprojektes nach der TLBO 1901 und die ausdrücklich schriftlich erklärte Zurkenntnisnahme dieser (Bau)anzeige eines Bauprojektes durch den Bürgermeister ohne die Durchführung weiterer Erhebungen, Aufträge oder Zurückweisungen einen konsensmäßigen Zustand hergestellt hat;

-

die (Bau)anzeige eines Bauprojektes nach der TLBO 1901 und die ausdrücklich schriftlich erklärte Zurkenntnisnahme dieser (Bau)anzeige eines Bauprojektes durch den Bürgermeister ohne die Durchführung weiterer Erhebungen, Aufträge oder Zurückweisungen eine Ermessensentscheidung nach § 44 vierter Satz TLBO 1901 darstellt, sodass das Bauprojekt rechtsverbindlich als bloß anzeigepflichtig einzustufen ist und dadurch ein konsensmäßiger Zustand hergestellt wurde;

-

im Fall der Qualifikation des gegenständlichen

Bauprojektes als konsenslos dennoch dieses Verhalten des damaligen Bürgermeisters - die ausdrücklich schriftlich erklärte Zurkenntnisnahme dieser (Bau)anzeige - einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der dazu geführt hat, dass ein konsensmäßiger Zustand hergestellt wurde bzw. die Gemeinde (St.) sich nicht mehr uns gegenüber auf einen konsenslosen Zustand berufen kann;

-        das Schreiben vom 29.05.1961 samt Unterfertigung des

Bürgermeisters unter Beifügung des Stempels und Aktenzeichens als

Bescheid zu qualifizieren ist, durch den der von der TLBO 1901

geforderte konsensmäßige Zustand hergestellt wurde;

-        eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dadurch

vorliegt, dass die belangten Behörden nach der (Bau)anzeige eines Bauprojektes 1961 keine Nachforschungen durchgeführt hat, ob eine Übung gleichartiger Vorgänge im Jahr 1961 bestanden hat."

23 Den rechtlichen Erwägungen des LVwG, wonach das (im Feststellungsverfahren gemäß § 29 Abs. 1 TBO 2011 ergangene) Erkenntnis des LVwG vom 9. Jänner 2017 für das nun angefochtene Erkenntnis des LVwG vom 10. Jänner 2017 bindend sei und in der gegenständlichen Beschwerde dasselbe Vorbringen erstattet worden sei wie in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Feststellungsbescheid, tritt der Revisionswerber nicht konkret entgegen. Die Beurteilung des LVwG trifft auch zu.

24 Ein auf § 39 Abs. 1 erster Satz TBO 2011 gestützter baupolizeilicher Auftrag setzt voraus, dass eine bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die erforderliche Baubewilligung bzw. Bauanzeige errichtet wurde.

25 Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des LVwG vom 9. Jänner 2017 (siehe oben, Rz 4) wurde gemäß § 29 Abs. 1 TBO 2011 festgestellt, dass das Vorliegen der Baubewilligung für die in Rede stehende bauliche Anlage, die als Freizeithütte verwendet werde, nicht zu vermuten sei. Damit wurde im Sinne des § 29 Abs. 1 erster Satz TBO 2011 auch ausgesprochen, dass im Zeitpunkt der genannten Entscheidung für die - baubewilligungspflichtige - bauliche Anlage die Baubewilligung nicht nachgewiesen werden konnte.

26 Bei gegenüber dieser Entscheidung unverändertem Sachverhalt steht somit bindend fest, dass für die in Rede stehende Hütte die Baubewilligung nicht nachgewiesen werden kann (und das Vorliegen der Baubewilligung auch nicht zu vermuten ist).

27 Das Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, mit dem gar nicht behauptet wird, dass sich der Sachverhalt gegenüber dem im Feststellungsverfahren ergangenen Erkenntnis des LVwG geändert hätte, geht deshalb ins Leere.

28 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. März 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017060067.L00

Im RIS seit

05.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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