TE Vwgh Beschluss 2019/4/4 Ra 2019/21/0081

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4 Z1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M A in G, vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Februar 2019, L504 1251722- 2/5E, betreffend insbesondere Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der im Juli 1988 geborene Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, kam im März 2004, damals fünfzehnjährig, gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern nach Österreich. Er stellte nach seiner Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz, der im Instanzenzug (erst) im Dezember 2012 rechtskräftig abgewiesen wurde. Der Revisionswerber erhielt in der Folge ab Ende Mai 2013 den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", zuletzt gültig bis 30. Mai 2019.

2 Der Revisionswerber wurde in Österreich straffällig. So wurde er zunächst mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15. September 2016 wegen des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt. Des Weiteren wurde er mit Urteil desselben Gerichtes vom 25. April 2017 wegen des Verbrechens des qualifiziert und in zwei Tatbestandsvarianten begangenen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter Fall iVm Abs. 4 Z 3 SMG und nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall iVm Abs. 4 Z 3 SMG, wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer - über Berufung der Staatsanwaltschaft vom Oberlandesgericht Graz erhöhten - Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt. Diese Freiheitsstrafe verbüßt der Revisionswerber derzeit (unter Anrechnung der Untersuchungshaft) seit 16. Dezember 2016.

3 Der zuletzt genannten Verurteilung liegt zugrunde, dass der Revisionswerber im Zeitraum Anfang 2016 bis Mitte Dezember 2016 einerseits insgesamt ca. 12,5 kg Cannabiskraut in mehreren Fahrten mit seinem PKW von Tschechien nach Österreich einführte und andererseits mehr als 10 kg Cannabiskraut an ca. 76 Abnehmer gewinnbringend verkaufte. Im Übrigen war er dem Schuldspruch zufolge am 16. Dezember 2016 im Besitz von ca. 2,5 kg Cannabiskraut, wobei er den Vorsatz hatte, dass es in Verkehr gesetzt werde. Schließlich wurde er noch schuldig erkannt, im Zeitraum seit Anfang 2016 eine unbekannte Menge dieses Suchtgiftes ausschließlich zum persönlichen Gebrauch bis zum Eigenkonsum besessen zu haben.

4 Im Hinblick darauf erließ das BFA den Bescheid vom 13. April 2018, mit dem zunächst ausgesprochen wurde, dass dem Revisionswerber Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß 57 AsylG 2005 und gemäß § 55 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werden (Spruchpunkt I.). Des Weiteren erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter einem sprach das BFA aus, dass dem Revisionswerber gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Schließlich verhängte das BFA gegen den Revisionswerber noch gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit zehn Jahren befristetes Einreiseverbot.

5 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Februar 2019 zunächst dahin Folge, dass Spruchpunkt I. des bekämpften BFA-Bescheides ersatzlos behoben werde. Im Übrigen wies es die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG (in der Fassung des FrÄG 2018, BGBl. I Nr. 56/2018) gestützt werde. Das BVwG sprach dann noch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Die Revision richtet sich zwar der Anfechtungserklärung und dem Begehren zufolge auch gegen die ersatzlose Behebung des Spruchpunktes I. des Bescheides des BFA vom 13. April 2018 (amtswegige Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 und nach § 55 AsylG 2005), die Zulässigkeitsbegründung enthält dazu jedoch keine Ausführungen. Im Übrigen entspricht die diesem Entscheidungsteil zugrunde liegende Auffassung des BVwG dem Gesetz. § 58 Abs. 1 AsylG 2005 sieht nämlich in der - in der vorliegenden Konstellation maßgeblichen - Z 5 die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nur für den Fall vor, dass sich der Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Das trifft auf den Revisionswerber, der sich aufgrund eines gültigen Aufenthaltstitels rechtmäßig im Inland aufhält, nicht zu. Der vom BFA überdies getroffene Abspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 war aber schon angesichts der unter einem erlassenen Rückkehrentscheidung von vornherein verfehlt (siehe etwa VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rn. 24, mit dem Verweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Punkt 3.4.2. der Entscheidungsgründe) und hätte im vorliegenden Fall, in dem der Revisionswerber einen gültigen Aufenthaltstitel besitzt, selbst im Falle einer auf Dauer unzulässigen Rückkehrentscheidung nicht getroffen werden dürfen (vgl. etwa VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0067, Rn. 21 und 22, mit dem Verweis auf VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224). Die ersatzlose Behebung dieses Spruchpunktes des BFA-Bescheides erweist sich damit als rechtmäßig, sodass die Revision insofern unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG jedenfalls unzulässig ist.

9 Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezieht sich nur auf die Rückkehrentscheidung und das damit verbundene Einreiseverbot. Diesbezüglich bemängelt der Revisionswerber einerseits, dass das BVwG die in der Beschwerde beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung und damit die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unterlassen habe, und andererseits, dass die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG vom BVwG "nicht auf der Grundlage der in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze" vorgenommen worden sei.

10 Nun trifft aber schon der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, die "vom Revisionswerber glaubhaft dargelegten persönlichen, sprachlichen, familiären und sozialen Integrationsaspekte" seien vom BVwG "im Grunde unberücksichtigt" geblieben, nicht zu. Vielmehr wurde nicht nur die lange Dauer des Aufenthalts seit der Einreise mit fünfzehn Jahren im Jahr 2004 und seit 2013 mit Aufenthaltstitel in die Beurteilung einbezogen, sondern auch die in dieser Zeit erlangte Integration (insbesondere zwei Jahre Schulbesuch; Beschäftigung bei diversen Arbeitgebern, allerdings immer wieder unterbrochen vom Bezug von Sozialhilfeleistungen; gute Deutschkenntnisse) sowie das Bestehen von erheblichen familiären Anknüpfungspunkten in Österreich. Dabei kann dahinstehen, ob das BVwG die Zeit während des Asylverfahrens iSd § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG wegen der Unsicherheit des Aufenthalts als relativiert ansehen durfte, obwohl diese Aufenthaltsdauer - wie die Revision ins Treffen führt - iSd § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet gewesen sei.

11 Dem aus den genannten Umständen resultierenden Interesse des - erwachsenen und ledigen - Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich durfte das BVwG nämlich jedenfalls das im vorliegenden Fall besonders große öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen der vorliegenden Art, insbesondere von grenzüberschreitendem Suchtgiftschmuggel und Suchtgifthandel mit derart großen Mengen, entgegenhalten. In diesem Zusammenhang hielt das BVwG - der Rechtsmittelentscheidung im Strafverfahren des Revisionswerbers folgend - zu Recht fest, neben mehrfachen, zur Aufbesserung des Lebensunterhalts und Finanzierung seiner Automatenspielsucht begangenen Verstößen gegen das SMG sei dem Revisionswerber erschwerend vorzuwerfen, dass er die Suchtmittel auch an minderjährige Abnehmer verkauft habe. Außerdem habe er die Tathandlungen während der Anhängigkeit des ersten Strafverfahrens verübt und auch noch nach der diesbezüglichen Verurteilung während der offenen Probezeit "in raschem Rückfall" (bis zu seiner Betretung) fortgesetzt. Ebenfalls zutreffend verwies das BVwG darauf, dass es sich bei den vom Revisionswerber begangenen Straftaten um ein "schwer verpöntes Verhalten" handle (siehe in diesem Sinn auch VwGH 19.3.2013, 2011/21/0152, Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe, mwN), bei dem sich seine hohe kriminelle Energie gezeigt habe. Vor diesem Hintergrund hat der Revisionswerber den Verlust seiner Bindungen in Österreich und die in der Revision angesprochenen Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in der Türkei im öffentlichen Interesse hinzunehmen, wobei ihm dabei - worauf auch das BVwG berechtigt verwies - einerseits seine bisherige berufliche Erfahrung und andererseits seine dort noch aufhältigen Großeltern hilfreich sein könnten. Es ist daher insgesamt nicht zu beanstanden, dass das BVwG von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung iSd § 53 Abs. 3 FPG ausging und dass es zusammenfassend zum Ergebnis kam, die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG könne nicht zu Gunsten des Revisionswerbers ausschlagen und die verhängten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen seien verhältnismäßig. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich schon wiederholt ausgesprochen, dass bei derart schweren Verbrechen nach dem SMG weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Einreiseverbot entgegensteht (vgl. etwa VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0050, Rn. 10, mit dem Hinweis auf VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022, Rn. 14, mwN; siehe auch VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, Rn. 19, mwN).

12 Davon ausgehend war es - entgegen der Meinung in der Revision - aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes vertretbar, dass das BVwG die vorliegende Konstellation als "eindeutigen Fall" qualifizierte und deshalb von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung absah; das stand somit im Einklang mit der Judikatur (siehe dazu etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0222, Rn. 13, mit dem Verweis auf VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0063, Rn. 12, und VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0044, Rn. 6, mwN).

13 Schließlich rügt die Revision noch, dass beim Einreiseverbot die "Höchstdauer" von zehn Jahren ausgeschöpft worden sei. Dabei lässt der Revisionswerber außer Acht, dass das BVwG das Einreiseverbot auf die mit dem FrÄG 2018 mit Wirksamkeit ab 1. September 2018 geänderte Z 5 des § 53 Abs. 3 FPG stützte, in der nunmehr darauf abgestellt wird, dass ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach dem ersten Satz des § 53 Abs. 3 FPG kann in diesem Fall ein Einreiseverbot auch unbefristet verhängt werden, was auch das BVwG in seine Beurteilung einbezog. Gegen das dabei gewonnene Ergebnis bestehen keine Bedenken.

14 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weitere Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 4. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210081.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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