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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Jänner 2019, Zl. W102 2176907- 2/4Z, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG (mitbeteiligte Partei: H R H, derzeit Flüchtlingshilfe Rotes Kreuz, Alpenstraße 155F), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 24. Dezember 2015 illegal in Österreich ein. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 vollumfänglich abgewiesen. Unter einem sprach das BFA aus, dass dem Mitbeteiligten kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt werde. Diese Entscheidung wurde mit einer Rückkehrentscheidung und der Feststellung, dass die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Afghanistan zulässig sei, verbunden; die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 2. Juli 2018 als unbegründet ab.
2 Mit Bescheid vom 29. November 2018 sprach das BFA neuerlich aus, dass dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, und erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG noch einmal eine Rückkehrentscheidung, wieder verbunden mit der Feststellung gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG erließ es - nunmehr neu - ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3 Das BFA begründete das Einreiseverbot nur damit, dass der Mitbeteiligte seiner "Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung" nicht nachgekommen sei. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte das BFA unter Bezugnahme darauf aus, dass der Verbleib des Mitbeteiligten in Österreich eine "gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" darstelle; seine sofortige Ausreise sei daher erforderlich. Einem funktionierenden Fremdenwesen komme ein sehr hoher Stellenwert zu; davon abhängig seien "das wirtschaftliche Wohl des Staates sowie der soziale Frieden". Es müsse angenommen werden, dass ohne Setzung dieser Maßnahme das Risiko der Vereitelung oder Verzögerung der "von der Behörde zu setzenden Verfahrensschritte weiterhin besteht". Diese "zu erwartende bzw. zu befürchtende wesentliche Erschwernis oder sogar Verhinderung von dringend notwendigem Verwaltungshandeln" führe dazu, dass nach Abwägung der öffentlichen Interessen gegen die privaten Interessen des Mitbeteiligten feststehe, dass "das Gesamtwohl die sofortige Umsetzung dieses Bescheides" erfordere.
4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5 Mit dem nunmehr vom BFA angefochtenen Teilerkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht den bei ihm bekämpfen Bescheid im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos auf.
6 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, das BFA habe sich mit der Frage, ob die sofortige Ausreise des Mitbeteiligten erforderlich sei, nicht auseinandergesetzt, sondern seine Ausführungen auf die Frage des Vorliegens einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht stelle nicht in Abrede, dass der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden eine Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle. Da der Gesetzgeber für Beschwerden gegen Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG aber nicht vorgesehen habe, dass ihnen keine aufschiebende Wirkung zukomme, müssten für die Annahme der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise im Sinn des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG zum nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet noch besondere Umstände hinzutreten. Solche Umstände seien gegenständlich nicht ersichtlich; die Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise sei daher trotz Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch den illegalen Verbleib des Mitbeteiligten im Bundesgebiet nicht erkennbar.
7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Unter diesem Gesichtspunkt macht das BFA geltend, die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass im Bescheid nicht erklärt worden sei, aus welchen Gründen eine sofortige Ausreise des Mitbeteiligten erforderlich sei, erweise sich als aktenwidrig. Diese Gründe seien in den rechtlichen Erwägungen nämlich ausführlich dargelegt worden. Damit gehe das Bundesverwaltungsgericht in unvertretbarer Weise und unter Außerachtlassung tragender Verfahrensgrundsätze von einem Sachverhalt aus, der sich nicht mit dem Akteninhalt decke.
11 Wenn das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen meine, dass zur Notwendigkeit der sofortigen Ausreise im Sinn des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG besondere Umstände hinzutreten müssten, argumentiere es am Wortlaut des Gesetzes vorbei. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG knüpfe die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausdrücklich daran, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Hätte der Gesetzgeber weitere besondere Umstände für "erachtenswert" befunden, so hätte er diese in den Gesetzestext mitaufgenommen.
12 Diesem Vorbringen ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden entgegenzuhalten: Nach dieser Rechtsprechung genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. etwa - zum Durchsetzungsaufschub nach § 70 Abs. 3 FPG - VwGH 12.9.2013, 2013/21/0094, mwN; siehe auch - zum Kriterium der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise nach § 52 Abs. 6 FPG - das auch vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Erkenntnis VwGH 3.7.2018, Ro 2018/21/0007, Rn 11).
13 Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also - wie das Bundesverwaltungsgericht richtig erkannt hat - das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind. Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das BFA mit dem Verweis auf den "beharrlichen" Verbleib des Mitbeteiligten nicht aufgezeigt.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. April 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210053.L00Im RIS seit
18.06.2019Zuletzt aktualisiert am
18.06.2019