TE Vwgh Beschluss 2019/4/4 Ra 2018/21/0169

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §19 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §46 Abs2a
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Juli 2018, W220 2182065-2/13E, betreffend Ladung in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: K D, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH in 1170 Wien, Wattgasse 48), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Nepal, stellte nach seiner Einreise in Österreich am 2. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21. November 2017 sowohl in Bezug auf die Gewährung von Asyl als auch in Bezug auf die Gewährung von subsidiärem Schutz abgewiesen wurde. Unter einem wurde gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nepal zulässig sei. Schließlich wurde dem Mitbeteiligten für die freiwillige Ausreise eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt. Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte fristgerecht eine bislang noch nicht erledigte Beschwerde, der gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zukommt.

2 Mit Ladungsbescheid des BFA vom 8. Jänner 2018 wurde der Mitbeteiligte gemäß § 19 AVG und § 46 Abs. 2a FPG aufgefordert, am 14. Februar 2018 zu einem näher angeführten Zeitpunkt zur genannten Behörde, Regionaldirektion Salzburg, zu kommen, um bei den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes als Partei persönlich mitzuwirken, wobei im weiteren Verfahren klargestellt wurde, dass es bei diesem Termin zu keiner Gegenüberstellung des Mitbeteiligten mit Botschaftsvertretern hätte kommen sollen. Es seien - so der weitere Auftrag - dieser Ladungsbescheid und im Besitz des Mitbeteiligten befindliche "relevante Dokumente", wie Reisepass, Ausweise, Urkunden und sonstige seine Identität oder Staatsangehörigkeit bescheinigende Dokumente, mitzubringen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung "ohne wichtigen Grund (Krankheit, Behinderung, andere wichtige Gründe)" wurde dem Mitbeteiligten angedroht, dass seine Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG angeordnet werde. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

3 Der gegen diesen Ladungsbescheid erhobenen Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 3. Februar 2018 stattgegeben und den bekämpften Bescheid ersatzlos behoben.

4 Dieser Entscheidung lag die Auffassung des BVwG zugrunde, die "jederzeitige" Ermächtigung des BFA nach § 46 Abs. 2a FPG, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen, verlange zwingend das Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung. Erst dann sei das BFA ermächtigt, entsprechende Amtshandlungen iSd § 46 Abs. 2a oder 2b FPG zu setzen. Im gegenständlichen Fall existiere aber noch keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, sodass auch die Voraussetzungen für die Erlassung des bekämpften Ladungsbescheides nicht gegeben seien.

5 Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof über (ordentliche) Amtsrevision des BFA mit Erkenntnis vom 29. Mai 2018, Ro 2018/21/0006, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

6 In den Entscheidungsgründen kam der Verwaltungsgerichtshof - unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0012 - zu dem Ergebnis, es gebe einen dem BFA zuzubilligenden Spielraum, ausnahmsweise eine Ladung mit dem Zweck der Vorbereitung der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes auch schon vor Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verfügen, wenn sie fallbezogen aus besonderen Gründen schon in diesem Stadium unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nötig iSd § 19 Abs. 1 AVG sei. Das gelte grundsätzlich auch für Asylwerber. Allerdings setze die Zulässigkeit einer solchen Ladung eines Asylwerbers (insbesondere) zur Identitätsfeststellung ebenfalls voraus, dass sie - wie bei jedem anderen Fremden - schon in diesem Stadium nötig iSd § 19 Abs. 1 AVG und damit verhältnismäßig sein müsse.

7 Angesichts dessen - so der Verwaltungsgerichtshof resümierend - lasse sich die Zulässigkeit einer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz vorgenommenen Ladung eines Asylwerbers zum BFA (insbesondere) mit dem Zweck der Identitätsfeststellung im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht allein deshalb verneinen, weil noch keine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliege. Insofern greife die Begründung des BVwG zu kurz. Es wäre vielmehr vom BVwG unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit insgesamt zu prüfen gewesen, ob die gegenständliche Ladung ausnahmsweise schon in diesem Stadium nötig gewesen sei.

8 Hierauf erging das nunmehr angefochtene Erkenntnis vom 18. Juli 2018, mit dem das BVwG der Beschwerde neuerlich stattgab und den bekämpften Ladungsbescheid vom 8. Jänner 2018 ersatzlos behob. Des Weiteren sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 In Anknüpfung an die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im dargestellten Erkenntnis ging das BVwG in den tragenden Entscheidungsgründen zunächst davon aus, dass eine Notwendigkeit der Ladung eines Asylwerbers zur Identitätsfeststellung vor Bestehen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung "für den Normalfall" nicht angenommen werden könne. Im gegenständlichen Fall seien jedoch "hinsichtlich der zeitlichen Komponente" vom BFA keine Gründe vorgebracht worden, weshalb es schon vor Abschluss des Verfahrens vor dem BVwG ausnahmsweise nötig gewesen sei, den Mitbeteiligten zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes einzuvernehmen. Weder sei absehbar, dass der Mitbeteiligte dem BFA "im Falle einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung" nicht mehr zur Verfügung stehen werde, noch sei vorgebracht worden oder notorisch, dass die Erlangung eines Ersatzreisedokumentes "im Falle Nepals dermaßen" lange dauere, dass möglichst früh Vorbereitungshandlungen gesetzt werden müssten. Es sei somit mangels entsprechender Begründung von Seiten des BFA im Ergebnis "nicht ersichtlich", weshalb die gegenständliche Ladung schon "zu besagtem Zeitpunkt" ausnahmsweise erforderlich gewesen sein soll.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision des BFA, über deren Zulässigkeit im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

11 Zur wiedergegebenen tragenden Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wird in der Amtsrevision geltend gemacht, das BVwG habe gegen das auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltende "Überraschungsverbot" verstoßen. Das BFA sei nämlich vom BVwG zu keinen näheren Ausführungen oder zu einer Stellungnahme in Bezug auf die seiner Entscheidung dann zugrunde gelegte Annahme aufgefordert worden, dass keine besonderen Gründe für die Ladung des Mitbeteiligten schon vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz ersichtlich bzw. vorgebracht worden seien.

12 Dem BFA ist insofern zuzustimmen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Verwaltungsverfahren das sogenannte "Überraschungsverbot" zu beachten ist. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass die zum "Überraschungsverbot" entwickelten Grundsätze auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich sind (vgl. VwGH 24.3.2015, Ra 2014/21/0058, mwN, und daran anschließend etwa VwGH 11.5.2017, Ra 2015/21/0240, Rn. 15).

13 Dem BVwG wurde im aufhebenden Erkenntnis der Sache nach vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragen, im fortzusetzenden Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit insgesamt zu prüfen, ob die gegenständliche Ladung ausnahmsweise schon in diesem Stadium (vor Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme) wegen des Vorliegens von fallbezogen besonderen Gründen nötig gewesen sei. Diese Gründe ergaben sich - wie in der Revision auch erkannt wird - nicht schon aus dem Ladungsbescheid, der nur den Inhaltserfordernissen des § 19 Abs. 2 AVG entsprechende Angaben enthielt. Demzufolge musste dem BFA völlig klar sein, dass es erforderlich ist, im nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vor dem BVwG fortgesetzten Verfahren besondere Gründe vorzubringen, aus denen im vorliegenden Fall ausnahmsweise die Ladung des Mitbeteiligten in diesem frühen Verfahrensstadium nötig gewesen war. Dazu bedurfte es in der gegenständlichen Konstellation keiner gesonderten Aufforderung durch das BVwG, war doch eindeutig, dass nunmehr das BFA, das allein solche Gründe ins Treffen führen konnte, "am Zug war". Da das BFA ein solches Vorbringen in dem hierfür zur Verfügung stehenden Zeitraum bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses von etwa vier Wochen unterlassen hatte, konnte es dann aber auch nicht überraschend sein, dass das BVwG in der Folge davon ausging, besondere Gründe für die Zulässigkeit der gegenständlichen Ladung seien weder ersichtlich noch vorgebracht worden. Der behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

14 Im Übrigen hätte es auch an der Relevanz gefehlt. In der Amtsrevision wird dazu nämlich vom BFA vorgetragen, wäre es zu einer Stellungnahme aufgefordert worden, hätte es darlegen können, dass die Beschaffung von Ersatzreisedokumenten "im Falle Nepals höchstgradig aufwendig und langwierig" sei, sich das "Procedere" über "Monate bis Jahre" ziehe und nach der "Behördenerfahrung" solche Dokumente, außer bei freiwilligen Ausreisen, "fast nie" ausgestellt werden. Abgesehen davon, dass das letztangeführte Argument eher für ein Zuwarten bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz und nach dessen negativer Erledigung für den Versuch der Motivation des Mitbeteiligten zu einer freiwilligen Rückkehr spricht, wäre mit dem nur pauschal formulierten Hinweis auf die bloß generell lange Dauer eines Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates kein fallbezogen besonderer Grund dargetan worden, der beim Mitbeteiligten als Asylwerber dem (grundsätzlich gebotenen) Abwarten des Verfahrensausgangs entgegen gestanden wäre.

15 Der Revision gelingt es somit nicht, eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war. Wien, am 4. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210169.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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