TE Vwgh Beschluss 2019/4/4 Ra 2018/21/0114

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §67 Abs1
FrPolG 2005 §67 Abs2
FrPolG 2005 §69 Abs2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des J S A, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. April 2018, G313 2158719-1/2E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Gegen den 1959 geborenen Revisionswerber, einen polnischen Staatsangehörigen, der sich der Aktenlage zufolge mit Unterbrechungen seit 1992 (ohne Aufenthaltstitel) in Österreich aufhält, wurde im Jahr 1999 wegen Mittellosigkeit unter der von ihm damals verwendeten Aliasidentität ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.

2 Ungeachtet dessen reiste der Revisionswerber in der Folge trotz mehrfach vorgenommener Abschiebungen und Bestrafungen wegen unrechtmäßigen Aufenthalts wiederholt nach Österreich ein. Überdies wurde er in den Jahren 2007, 2008 und 2012 - zuletzt wegen schweren Betrugs zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten samt Widerruf einer zuvor bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, die bis zum 22. Februar 2013 vollzogen wurden - dreimal strafgerichtlich verurteilt.

3 Demzufolge verhängte die Bundespolizeidirektion Wien mit rechtskräftigem Bescheid vom 9. Juli 2012 gegen den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren. Trotz dieses Aufenthaltsverbotes hielt sich der Revisionswerber weiterhin in Österreich auf, kam Zusagen zur freiwilligen Ausreise nicht nach und musste deshalb nach dem Inhalt der vorgelegten Akten insgesamt viermal in sein Heimatland abgeschoben werden, und zwar zuletzt am 1. März 2017.

4 Davor hatte der Revisionswerber mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 3. Februar 2017 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 5. Mai 2017 gemäß § 69 Abs. 2 FPG abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. April 2018 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs.1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 Unter diesem Gesichtspunkt verweist der Revisionswerber zunächst darauf, dass er polnischer Staatsangehöriger, die Republik Polen am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten und er daher als EWR-Bürger grundsätzlich im "EU-Raum" aufenthaltsberechtigt sei. Gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger sei gemäß § 67 Abs. 1 FPG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr bestehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. "Das Höchstgericht hat sich aber" - so die Revision in diesem Zusammenhang wörtlich - "noch nicht mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt, dass sich der gesamte Beurteilungsmaßstab eines einzelfallbezogenen Sachverhaltes dadurch geändert hatte, dass Polen in die EU gelangt ist".

8 Dazu ist vorrangig darauf hinzuweisen, dass bei Erlassung des gegen den Revisionswerber aktuell bestehenden Aufenthaltsverbotes ohnehin schon auf den für EWR-Bürger geltenden Maßstab des § 67 Abs. 1 FPG abgestellt wurde. Insoweit liegt daher entgegen der Meinung des Revisionswerbers keine Änderung des Beurteilungsmaßstabes vor. Soweit in der Revision im Übrigen noch die Anwendung des fünften Satzes des § 67 Abs. 1 FPG releviert wird, genügt es zu erwidern, dass der Revisionswerber die dort genannte Voraussetzung eines (rechtmäßigen) durchgehenden Inlandsaufenthalts von zehn Jahren (siehe dazu etwa VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, Rn. 17) evident nicht erfüllt. Schließlich geht auch die an anderer Stelle der Revision vorgenommene Bezugnahme auf Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG (Daueraufenthalts-RL), der im nationalen Recht durch § 52 Abs. 5 FPG umgesetzt wurde, ins Leere, weil der Revisionswerber nicht in dessen Anwendungsbereich fällt.

9 In den weiteren Zulässigkeitsausführungen meint der Revisionswerber, das BVwG gehe von "Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes" ab, wenn es die Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht herabsetze, obwohl die langjährig zurückliegenden Straftaten einerseits der "Kleinkriminalität" zuzuordnen seien und andererseits der Schuldgehalt gering gewesen sei.

10 Abgesehen davon, dass in diesem Zusammenhang in der Revision keine konkrete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genannt wird, von der das BVwG abgewichen sein soll (siehe zu dieser Verpflichtung im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2017/21/0009, Rn. 10, mwN), wird auch dieser Einwand dem gegenständlichen Fall nicht gerecht, weil das BVwG die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes vor allem auch mit dem nachträglichen fremdenrechtlichen Fehlverhalten des Revisionswerbers in Form der "völligen Ignoranz" der gegen ihn erlassenen und wiederholt vollstreckten aufenthaltsbeendenden Maßnahme begründete. Die darauf gegründete einzelfallbezogene Beurteilung ist aber - zumal angesichts der persönlichen Umstände des Revisionswerbers berechtigte Zweifel bestehen, dass ihm nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ein (unionsrechtliches) Aufenthaltsrecht in Österreich zukommen könnte, und weil er überdies mit seinem Verhalten eine ordnungsrechtliche Vorschrift grob missachtende generelle Einstellung zum Ausdruck brachte - jedenfalls vertretbar, was der Zulässigkeit der Revision nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegensteht (so schon VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033, und zahlreiche daran anschließende Entscheidungen).

11 Schließlich ist aber auch der Hinweis in der Revision nicht zielführend, der Revisionswerber wolle das Familienleben mit seiner in Österreich lebenden "Freundin" (an anderer Stelle trotz des dort erkennbar zugestandenen Fehlens eines gemeinsamen Wohnsitzes bei seinen Aufenthalten in Österreich:

"Lebensgefährtin") "verstärken". Zum diesbezüglichen Vorbringen im verfahrenseinleitenden Aufhebungsantrag vom 7. Februar 2017 und in der Beschwerde bemerkte das BVwG, es fehlten nähere Angaben, insbesondere seit wann die Beziehung bestehe. Im Übrigen habe der Revisionswerber in der Vernehmung am 24. Februar 2017 davon nichts erwähnt, sondern ausdrücklich das Bestehen von privaten Anknüpfungspunkten in Österreich verneint. Außerdem wäre die Beziehung "auch im Wissen um das rechtskräftige Aufenthaltsverbot" entstanden, womit das BVwG erkennbar und zutreffend eine Relativierung des daraus resultierenden Interesses des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich im Sinne der Z 8 des § 9 Abs. 2 FPG angesprochen hat. Diesen Begründungselementen des BVwG wird in der Revision aber gar nicht konkret entgegengetreten.

12 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 4. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210114.L00

Im RIS seit

18.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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