TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/29 VGW-031/059/132/2019

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Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Index

41/01 Sicherheitsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

SPG §81 Abs1
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schattauer über die Beschwerde der Frau A. B., Wien, …, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 16.10.2018, Zahl ..., wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz idF BGBl. I Nr. 61/2016,

zu Recht e r k a n n t:

I.) Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II.) Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III.) Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist gegen dieses Erkenntnis eine Revision durch die Beschwerdeführerin ausgeschlossen. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Beschwerdeführerin ist mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., wegen Störung der öffentlichen Ordnung bestraft worden.

Der Spruch des Straferkenntnisses lautet:

„1. Datum/Zeit:          23.04.2018, 18:45 Uhr

Ort:                        Wien, C.-straße, Polizeiinspektion

Sie haben durch das unten beschriebene Verhalten, welches geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung gestört, obwohl das Verhalten, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, nicht gerechtfertigt war.

Sie haben in der Polizeiinspektion ..., trotz Abmahnung, umhergeschrien und haben den übrigen Parteienverkehr gestört.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

1. § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz i.d.F. BGBl. l Nr. 61/2016

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von          falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß

                          Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 100,00             1 Tag                                      § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 i.d.g.F.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 110,00.“

In der dagegen frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde wird die Tatbegehung bestritten. Die Beschwerdeführerin führt dazu aus, dass Sie sich in Zusammenhang mit einer näher dargestellten Konfliktsituation im Straßenverkehr, die sie zur Anzeige bringen habe wollen, von einer Person bedroht und verfolgt gefühlt habe, in Panik geraten und deshalb ängstlich in die Polizeiinspektion ... gelaufen sei. Sie sei von den Polizisten nicht durch die Schleuse gelassen worden sondern habe gemeinsam mit der Person, die sie verfolgt habe, im Vorraum vor der Schleuse warten müssen. Diese Person sei sehr aufgeregt gewesen und habe geschrien. Es könne sein, dass auch sie selbst aus Angst laut gesprochen habe, da sie schlecht höre, rede sie wohl etwas lauter als üblich. Sie sei dort von den Polizisten angeschrien, herablassend, wie eine Schwerverbrecherin und noch nie so unmenschlich behandelt worden. Sie ersuche nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung um Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde gemeinsam mit dem Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien, einlangend mit 3.1.2019, zur Entscheidung vor und verzichtete auf die Teilnahme an einer allfälligen Verhandlung.

Wie von der Beschwerdeführerin beantragt wurde für den 7.3.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt, in der die Beschwerdeführerin gehört und die aus der verfahrenseinleitenden Anzeige ersichtlichen beteiligten Polizeiorgane D., E., F., G., H. und I., sowie als weitere Zeugen Frau J., und Herr K., es ist dies jene Person, von der die Beschwerdeführerin angibt, sich verfolgt und bedroht gefühlt zu haben, als Zeugen befragt wurden.

Folgendes wurde in der Verhandlung zu Protokoll gegeben:

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Ich bestreite nach wie vor, dass ich in der Dienststelle umhergeschrien habe. Um mich habe ich bei dem Vorfall nur Polizisten gesehen. Ich habe mich wie gesagt vor der Schleuse befunden und wurde gar nicht in die Räumlichkeiten dahinter eingelassen. Die heute erschienen Zeugin J. sehe ich heute das erste Mal. Ich habe auch nicht von einer Beeinträchtigung irgendeiner Amtshandlung wahrgenommen. Mir wurde auch gar nicht gesagt, dass eine weitere Amtshandlung geführt werde.

Aussage des Zeugen Insp. H.:

Ich habe das Verhalten der Bf kurzzeitig wahrgenommen. Ich bin im Parteienraum gesessen und führte mit der Zeugin J. eine Amtshandlung. Es ging um eine Diebstahlsanzeige. Als die Türe zur PI geöffnet wurde, konnte ich hören, dass Personen in der Schleuse lautstark redeten. Es war eher ein lautes Reden und kein Schreien. Nach betreten der PI kommt man in einen Vorraum, das ist die Schleuse. Es befindet sich dort ein Fenster aus Sicherheitsglas, wird das Fach geöffnet kann man kommunizieren. Wenn die Türe also aufgeht, begibt sich ein Polizist zur Schleuse und fragt worum es sich handelt. Im Bedarfsfall wird die Person dann durch die Schleuse gelassen. Ich fertige nunmehr über Aufforderung eine Skizze an (als Beilage ./A zum VP genommen und der Bf vorgehalten, diese bestätigt die Richtigkeit der Skizze). Da sich der Parteienraum unmittelbar neben der Schleuse befindet, konnte och das Verhalten der beiden Personen wahrnehmen. Es ging zunächst ein Kollege nachsehen was los ist. Ich führte weiter meine Amtshandlung. Da es etwas lauter wurde, wurden beide Personen in die PI hineingelassen und haben sich im Parteienraum befunden. Da es ziemlich laut gewesen ist und sich die zwei Parteien, also die BF und der Zeuge K., lautstark artikulierten, bin ich mit meiner Partei in den Nebenraum gegangen weil ich akustisch nichts mehr verstanden habe und die Vernehmung nicht weiter durchführen konnte. Allfällige Unmutsäußerungen meiner Partei über die Situation habe ich aber nicht in Erinnerung. … In der PI befinden sich keine Sicherheitskameras. Ich bin mir sicher, dass die Bf hinter die Schleuse gelassen wurde.

Aussage der Zeugin J.:

Ich weiß nicht worum es sich hier handelt. Ich kenne die Bf nicht. Es ist richtig, dass ich mich am 23.04.2018 auf der PI ... befunden habe. Es gab Ungereimtheiten bzgl. meines Girokontos und wurde mir gesagt ich müsse deshalb zur Polizei gehen. Ich habe eine Frau und einen Mann mit Kind auf der PI gesehen. Die haben geschrien. Ich kann nicht sagen, ob ich mich dadurch belästigt gefühlt habe. Es stimmt aber, dass ich vom Polizisten der meine Anzeige aufgenommen hat, aufgefordert wurde mich mit ihm in einen anderen Raum zu begeben. Ich habe mich aber überhaupt nicht darüber geärgert. Wie lange das laute Schreien gedauert hat, kann ich heute nicht mehr sagen.

Aussage des Zeugen BezInsp. D.

Ich kann mich an die Situation vom 23.04.2018 noch gut erinnern. Ich habe mich zunächst im Schreibraum befunden um die Diensteinteilung zu machen. Die PI ist räumlich sehr klein. Ich habe dann eine Art Tumult wahrgenommen und bin zum Parteienraum vorgegangen der sich direkt hinter der Schleuse befindet. Über Vorhalt vom Zeugen H. angefertigten Skizze: Diese Skizze ist richtig. Danach habe ich die Amtshandlung übernommen. Die Bf sowie der Zeuge K. befanden sich in der Schleuse und fragte ich nach dem Anliegen. Dies war schwer festzustellen weil sich die Betreffenden gegenseitig bepflegelten. Die geschockte Tochter des Zeugen K. wurde hinter die Schleuse gelassen. Meine Bemühungen die Betreffenden zu beruhigen blieben erfolglos. Es war schon so, dass sich die Betreffenden gegenseitig angeschrien haben. Außer der vom Kollegen H. behandelten Diebstahlsanzeige wurde zu dieser Zeit keine weitere Amtshandlung geführt. Wahrnehmungen dazu, ob die Zeugin J. sich geärgert oder ihren Unmut geäußert hat, habe ich nicht. Hinter die Schleuse in den Parteienraum kann man nur gelangen, wenn seitens der PI Einlass gewährt wird. Der Parteienverkehr wurde ausschließlich durch das Herumschreien der Betreffenden gestört. Ob die Betreffenden selbst irgendwann hinter die Schleuse gelassen wurden, kann ich nicht mehr sagen. Auch gegen den Zeugen K. wurde wegen der nämlichen Übertretung ein Straferkenntnis überlassen. Die Bf wurde von mir abgemahnt.

Aussage der Zeugin RvI E.:

Ich kann mich an den Vorfall heute noch in etwa erinnern. Es hat sich um zwei Parteien gehandelt, die sich in der Schleuse ziemlich aufgeregt haben. Es ist schon ins Schreien hineingegangen. Auch ich bin auf die Unruhe aufmerksam geworden und bin nachsehen gegangen. Die Unruhe hat sicher einige Minuten angehalten. Ich habe den Kollegen, der die Amtshandlung führte, nur unterstützt. Ich weiß nicht, dass ein kleines Kind hinter die Schleuse gelassen wurde. Ob die Bf und der Zeuge K. ebenfalls eingelassen wurden, ist mir heute nicht mehr erinnerlich. Ich weiß noch, dass sich der Kollege H. bei der Führung seiner Amtshandlung gestört fühlte. Ich nehme an, er hat seine Amtshandlung deshalb unterbrochen. An die Zeugin J. kann ich mich nicht erinnern. Wer den allerersten Kontakt mit den Betreffenden hatte, weiß ich nicht mehr.

Aussage des Zeugen K.:

Es ist richtig, dass ich mich zum Vorfallszeitpunkt mit der Bf gemeinsam in der Schleuse der PI befunden habe. Ebenso war meine Tochter anwesend. Ich habe nach meinem dafür Gehalt nicht geschrien. Ich war nur aufgeregt und angefressen. Ob die Bf laut geschrien hat, ist mir nicht erinnerlich. Ich selbst habe wegen des Vorfalls noch keinen Strafbescheid erhalten. Die Zeugin J. ist mir nicht bekannt. Ich habe nicht wahrgenommen, dass sie sich am 23.04.2018 ebenfalls auf der PI befunden hat. Zu einer allfälligen Amtshandlung die mit der Betreffenden auf der PI geführt wurde, habe ich ebenfalls keine Wahrnehmungen. Ich bin nicht hinter die Schleuse gelassen worden. Die Bf war neben mir.

Aussage des Zeugen RvI. F.:

Ich habe an die Situation heute noch eine relativ gute Erinnerung. Ich habe mich zum Vorfallszeitpunkt im Parteienraum bei einem PC befunden. Ich wurde auf die Situation aufmerksam, weil es laut geworden ist. Es gab Wortgefechte. Man kann schon Schreien dazu sagen. Es war jedenfalls turbulent. Ich habe noch in Erinnerung, dass ein Kollege eine von ihm geführte Amtshandlung in einen anderen Raum verlegen musste, weil er sich durch den Lärm gestört fühlte. Ich habe mich dann um das kleine Kind des Zeugen K. gekümmert.

Aussage des Zeugen Insp. G.:

Ich kann mich an den Vorfall zum Teil noch erinnern. Es war gerade zur Zeit der Dienstablöse. Ich war noch im Tagdienst, hatte aber gleich Dienstschluss. Vermutlich machte ich noch im Parteienraum Eintragungen. Ich habe wahrgenommen, dass sich zwei Personen mit einem Kind in den Schleusenbereich begeben haben und dort herumgeschrien haben. Es war wirklich ein Schreien. Es war turbulent. Die Betreffenden haben sich gegenseitig angeschrien. Es haben sich mehrere Kollegen dazu begeben. Ich nicht. Ich habe das Ganze eigentlich nur am Rande mitbekommen. Ich habe wahrgenommen, dass der Kollege H. eine Vernehmung unterbrochen und in einen Nebenraum verlegt hat. Ich bin mir sicher, dass die Bf und der Zeuge gemeinsam mit einem Kind in die Schleuse gelangt sind.

Aussage des Zeugen Insp. I.

Ich kann mich an den Vorfall noch erinnern. Ich weiß noch, dass die Bf sehr aufgebracht war. Sie war sehr lautstark und hat geschrien. Soweit ich noch weiß, hat ein Kollege eine von ihm geführte Amtshandlung in das Nebenzimmer verlegt. Ich war damals noch Polizeischüler und habe mich im Parteienraum aufgehalten. Es war jedenfalls so laut, dass gleich mehrere Kollegen sich zur Schleuse begeben haben um nachzusehen was da vor sich geht.

Feststellungen, Beweiswürdigung:

Die Beschwerdeführerin hat sich am 23.4.2018, 18.45 Uhr in die Polizeiinspektion Wien, C.-straße begeben, weil sie sich in Zusammenhang mit einer näher dargestellten Konfliktsituation im Straßenverkehr – sie gibt an, sie habe sich von einem Fahrzeuglenker, von dem sie sich beim Queren eines Fußgängerüberganges gefährdet worden sei - bedroht und verfolgt gefühlt habe, deshalb in Panik geraten sei und daher auf der Polizeiinspektion ... Schutz suchen bzw. Anzeige erstatten habe wollen. Desgleichen suchte der Lenker des betreffenden Fahrzeuges, der Zeuget K., die Polizeiinspektion auf, wo sich beide gemeinsam im Bereich vor der Sicherheitsschleuse, durch die mit in die eigentlichen Amtsräumlichkeiten gelangt, aufhalten müssten und (zumindest zunächst) nicht weiter eingelassen wurden. In dieser Situation kam es zwischen der Beschwerdeführerin und dem Zeugen K. zu einer lautstarken verbalen Auseinandersetzung, im Zuge derer sich die beiden Personen auch angeschrien haben, wobei Mäßigungsversuche seitens der anwesenden Polizisten nichts fruchteten. Zeitgleich hatte der auf der Polizeiinspektion diensthabende Insp. H. eine Amtshandlung zu führen, nämlich mit der auf der Polizeiinspektion zu diesm Zweck erschienenen Zeugin J. eine Diebstahlsanzeige aufzunehmen. Aufgrund der lautstarken Auseinandersetzung zwischen Der Beschwerdeführerin und dem Zeugen K. sah sich der Zeuge gehalten, diese Amtshandlung in eine andere Räumlichkeit zu verlegen, da er Äußerungen der Zeugin J. akustisch nicht mehr gut verstehen konnte. Diese Zeugin selbst fühlte sich durch die lautstarke verbale Auseinandersetzung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Zeugen K. nicht weiter gestört und belästigt.

Diese Feststellungen gründen auf den insoweit übereinstimmenden Angaben der gehörter Zeugen, die glaubhaft, schlüssig und nachvollziehbar bestätigt haben, dass die Beschwerdeführerin, wie angelastet, geschrien hat und aus diesem Grunde eine zeitgleich durchgeführte Amtshandlung, nämlich die polizeiliche Aufnahme im Zuge einer Diebstahlsanzeige aufgrund der von der Beschwerdeführerin und dem weiteren Zeugen K. zu verantwortenden Lärmentwicklung unterbrochen und in einen anderen Raum verlegt wurde.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Die hier maßgebliche Bestimmung des Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 61/2016, lautet:

Störung der öffentlichen Ordnung

§ 81. (1) Wer durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

Der Beschwerde ist aufgrund folgender Erwägungen ein Erfolg nicht zu versagen:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe, trotz Abmahnung in der Polizeiinspektion „umhergeschrien“ und „habe(n) den übrigen Parteienverkehr gestört“, durch welches Verhalten, das geeignet gewesen sei, berechtigtes Ärgernis zu erregen, sie die öffentliche Ordnung (ungerechtfertigt) gestört habe. Somit wird die Störung der öffentlichen Ordnung im Sinne der wider die Beschwerdeführerin erhobenen Tatanlastung darin gesehen, dass diese durch ihr „Umherschreien“ den Parteienverkehr gestört habe.

Insoweit ist im gegebenen Zusammenhang zunächst auf die höchstgerichtliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nach der die bloße Lärmerregung an sich das Tatbild des § 81 SPG nicht zu erfüllen vermag (vgl. etwa VwGH 6.9.2007, 2005/09/0168). Nach dieser Judikatur gehöre es zum Wesen einer Ordnungsstörung, dass am konkreten Zustand der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschuldigten eine Änderung eingetreten sei. Soweit die behauptete Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs. 1 SPG daher in einem Verhalten bestehe, das zweifelsfrei ausschließlich als Lärmerregung zu qualifizieren sei, und sich demgemäß die Störung der öffentlichen Ordnung im solcherart entwickelten Lärm erschöpfe, fehle dem Bund die Kompetenz, ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen. Ein derartiges Verhalten unterfalle daher - soweit es nicht überdies zu Störungen der öffentlichen Ordnung geführt habe, die über das durch den bloßen Lärm zwangsläufig verursachte Aufsehen hinausgehen - ausschließlich den nach landespolizeilichen Vorschriften bestehenden Strafbestimmungen über ungebührliche Lärmerregung.

Nach den getroffenen Feststellungen und der Tatanlastung des Straferkenntnisses folgend, hat sich das Verhalten der Beschwerdeführerin nicht in einer bloßen Lärmerregung erschöpft, sondern bewirkte ihr „Umherschreien“, dass eine zeitgleich stattfindende Amtshandlung „gestört“ wurde; wie sich im Zuge der Beweisaufnahme ergeben hat, bestand diese Störung darin, dass die Aufnahme einer Diebstahlsanzeige im Zuge des Parteienverkehrs unterbrochen und in einen anderen Raum verlegt wurde, weil der die Anzeige aufnehmende Beamte die Anzeige erstattende Partei akustisch nicht mehr gut verstehen konnte.

In einer zu einer solchen Konsequenz führenden Lärmerregung kann grundsätzlich durchaus eine nach § 81 Abs 1 SPG zu ahndende Ordnungsstörung erblickt werden. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 25.11.1991, 91/10/0207) aber ist das Tatbild der "Ordnungsstörung" durch zwei Elemente gekennzeichnet: Zum ersten muss der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zum zweiten muss durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Die Beurteilung, ob einem Verhalten die objektive Eignung zur Ärgerniserregung zukommt, ist nicht nach dem Empfinden der durch das Verhalten besonders betroffenen Personen vorzunehmen, sondern unter der Vorstellung, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden; von einem Ärgernis wird man dann sprechen können, wenn eine Handlung bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schändlichen (dem Täter zur Schande Gereichenden) hervorzurufen geeignet ist. Dafür, dass durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich gestört wird, ist es erforderlich, dass dieses unmittelbar oder mittelbar die Schaffung eines Zustandes zur Folge hat, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht, also eines Zustandes, der die gewöhnlichen Verhältnisse in wahrnehmbarer Weise negativ verändert. Dafür, dass durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich gestört worden ist, ist es nicht erforderlich, dass das Verhalten zu Aufsehen oder einem Zusammenlauf von Menschen führt. Es genügt vielmehr, dass etwa mehrere Personen an dem Verhalten Ärgernis genommen haben.

Ob das inkriminierte Verhalten der Beschwerdeführerin den in dieser Judikatur entwickelten, eine qualitative Schranke beinhaltenden, Kriterien entsprochen hat und damit als tatbildlich iSd § 81 Abs 1 SPG zu werten wäre, lässt sich jedoch weder der verbalen Tatanlastung im Spruch des Straferkenntnisses noch aus dessen Begründung erschließen. Vielmehr wird darin das Tatbild der Ordnungsstörung, soweit über die bloße Lärmerregung hinausgehend, lediglich insoweit umschrieben, als die Beschwerdeführerin in einer bestimmten Situation (der Durchführung des Parteienverkehrs) „gestört“ habe, was im Ergebnis auf eine bloße Tautologie hinausläuft, weil eine (Ordnungs)störung einzig und allein als „störend“ umschrieben wird. Insoweit ist es daher nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geboten (vgl. VwGH 20.6.1988, 87/10/0179-0183), die wesentlichen Elemente der Straftat, worunter im Übrigen auch unterfällt, dass das Verhalten der Beschuldigten und ihre Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen und den intervenierenden Beamten wahrgenommen werden konnten, im Spruch des Straferkenntnisses ebenso anzuführen, wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben. Diesem Gebot Rechnung tragend, reicht die von der belangten Behörde gewählte Umschreibung des Tatvorwurfes zur Verwirklichung des Tatbildes nach § 81 Abs 1 SPG aber nicht aus.

Somit war der Beschwerde ein Erfolg nicht zu versagen.

Im Hinblick auf den oben angeführten Strafrahmen ist eine Revision durch die Beschwerdeführerin durch die Bestimmung des § 25a Abs. 4 VwGG von vornherein ausgeschlossen. Im Hinblick auf die klare Rechtslage war auch die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision durch die belangte Behörde gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG auszuschließen.

Schlagworte

Ordnungsstörung; öffentlicher Ort; Ärgernis; ungebührliche Lärmerregung; Tatvorwurf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.059.132.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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