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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des K H in W, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. April 1998, Zl. 201.774/0-V/15/98, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 29. April 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat den am 5. Jänner 1998 gestellten Asylantrag des Beschwerdeführers, eines algerischen Staatsangehörigen, der am 1. Jänner 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. Nr. 76, abgewiesen und gemäß § 8 leg. cit. festgestellt, daß die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien zulässig sei.
Die belangte Behörde stellte - durch zulässigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045) Verweis auf den Bescheid der Behörde erster Instanz fest, daß der Beschwerdeführer bis zum Dezember 1996 in seiner Heimatstadt als Elektriker gearbeitet habe und mit den Behörden noch nie "Probleme" gehabt habe. Ausdrücklich nicht festgestellt hat die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände, wonach sein Bruder als Polizist von einer terroristischen Gruppe ermordet worden sei und der Beschwerdeführer von den Terroristen wegen der ihm vorgeworfenen Zusammenarbeit mit der Regierung mit dem Tod bedroht worden sei.
Dem liegt folgende Beweiswürdigung zugrunde:
Der Beschwerdeführer habe seine Aussage nur ganz abstrakt und allgemein gehalten. Konkrete Angaben habe er trotz Nachfrage nicht machen könne. So habe er die Tätigkeit seines Bruders bei der Polizei nur allgemein beschrieben und sei nicht einmal in der Lage gewesen, zu beschreiben, an welcher Dienststelle sein Bruder gearbeitet hätte. Ebenso habe der Beschwerdeführer das Krankenhaus nicht benennen können, in das sein Bruder eingeliefert worden wäre. Details habe der Beschwerdeführer nicht schildern können. Für die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens spreche auch die unschlüssige Darstellung der Ausreisevorbereitung und des Ausreisezeitpunktes. Es sei nicht plausibel, daß der Beschwerdeführer (der keine Verfolgung durch staatliche Behörden behauptet hat) unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses ausgereist sei. Nach der Einreise in das Bundesgebiet habe er gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg angegeben, daß sein Reisepaß 1992 ausgestellt worden sei. Später habe er erklärt, sein Paß sei 1991 ausgestellt worden und habe die Gültigkeit bereits verloren. Er hätte vor seiner Flucht keine Zeit mehr gehabt, die Gültigkeit verlängern zu lassen. Vorerst habe der Beschwerdeführer erklärt, den gefälschten Paß in Algier erhalten zu haben, später habe er jedoch vorgebracht, daß ihm dieser Paß schon in seiner Heimatstadt übergeben worden sei. Auch das Datum des Verlassens seiner Heimatstadt habe er unterschiedlich dargestellt. Vorerst habe er erklärt, am 10. Dezember 1997 bereits von Algier abgeflogen zu sein, während er später ausgesagt habe, seine Heimatstadt erst am 20. Dezember 1997 verlassen zu haben. Der Beschwerdeführer habe erklärt, weder irgendwelche Dokumente über die berufliche Tätigkeit seines Bruder noch seinen Paß nachbringen zu können. Seine Erklärung dafür, seine Mutter hätte die entsprechenden Dokumente an einem ihm unbekannten Ort aufbewahrt, widerspreche der allgemeinen Erfahrung. Nach der Aufforderung, durch Kontaktaufnahme mit seinen Angehörigen die Übermittlung der Dokumente zu veranlassen, habe der Beschwerdeführer zunächst ausgeführt, er könne nicht anrufen, weil in seinem Elternhaus kein Telefonanschluß vorhanden sei. In der Folge habe er auch eine briefliche Kontaktaufnahme mit seiner Mutter abgelehnt, weil diese nicht lesen könne (aus dem Protokoll über die Niederschrift ergibt sich, daß der Beschwerdeführer letztlich über Vorhalt, daß seine zu Hause lebende Schwester den Brief lesen könne, zugestand, daß eine briefliche Kontaktaufnahme möglich sei, er könne jedoch nicht angeben, wieviel Zeit er dafür benötige. In der Folge hat er die geforderten Dokumente der Behörde nicht vorgelegt). Es entstehe der Eindruck, daß der Beschwerdeführer deswegen keine Dokumente vorgelegt habe, weil sein Vorbringen nicht den Tatsachen entspreche. Einen weiteren Widerspruch in den Aussagen des Beschwerdeführers sah die belangte Behörde darin, daß der Beschwerdeführer zunächst ausführte, von einem Kollegen seines Bruder den Rat erhalten zu haben, sich wegen der Drohungen seitens der Terroristen nicht an die Polizei zu wenden, während er in der Berufung ausgeführt habe, sich angesichts der Drohung an die Polizei gewendet zu haben und nunmehr aus diesem Grund Verfolgung zu befürchten.
Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien zulässig sei.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gegen die dargestellte Beweiswürdigung der belangten Behörde führt die Beschwerde ins Treffen, daß die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers betreffend das Ausstellungsdatum seines Reisepasses und den Zeitpunkt der Abreise darauf zurückzuführen seien, daß sich der Beschwerdeführer bei der Befragung durch die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg unmittelbar nach seiner Flucht in einem schlechten Gesundheitszustand befunden habe. Die Adresse der Dienststelle seines Bruders kenne der Beschwerdeführer deshalb nicht, weil er mit seinem Bruder in Hausgemeinschaft lebe und daher diesem nie geschrieben habe. Die Aussage, daß der Beschwerdeführer sich über Anraten eines Kollegen seines Bruder nicht an die Polizei gewendet habe, stehe mit der Berufungsausführung, daß er sich an die Polizei gewendet habe, nicht im Widerspruch, weil der Arbeitskollege seines Bruders - ebenso wie dieser - Polizist sei.
Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozeß, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges bzw. darum handelt, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 96/01/0346, mwN).
Im Rahmen dieser Überprüfungsbefugnis begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde keinen Bedenken.
Es sei zunächst darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer in der Berufung ausgeführt hat, zu befürchten - sowie andere Algerier, die sich wegen eines von den Islamisten begangenen Verbrechens um Schutz an die Behörden wenden - von den Behörden als mutmaßlicher Unterstützer der islamischen Gruppen verfolgt zu werden. Dieses Vorbringen steht entgegen der Beschwerdeansicht sehr wohl im Widerspruch zu den Ausführungen des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung, bei der er angegeben hat, sich über den Rat eines Kollegen seines Bruders (also eines Polizisten) nicht an die Polizei gewendet zu haben, und keinerlei Verfolgung durch die Behörden behauptet hat.
Im übrigen fällt an den Aussagen des Beschwerdeführers auf, daß er nachprüfbare Angaben vermieden hat. Gerade in Punkten, die auf ihren objektiven Wahrheitsgehalt überprüft werden könnten, hat er keine konkreten Angaben gemacht. So konnte er die Adresse der Dienststelle seines Bruders ebensowenig nennen wie den Namen des Krankenhauses, in dem sein Bruder obduziert wurde. Die vorhandenen Dokumente seien von seiner Mutter an einem unbekannten Ort versteckt worden. In diesem Zusammenhang fällt besonders ins Gewicht, daß der Beschwerdeführer offensichtlich bemüht war, die Vorlage der sich in Gewahrsame seiner Mutter befindlichen Dokumente als unmöglich darzustellen. Erst nach mehrmaligem Nachfragen gestand er zu, daß einer Kontaktaufnahme mit seiner Mutter möglich sei.
Selbst wenn es zutreffen sollte, daß manche der Widersprüche und Ungereimtheiten erklärbar sind, kann die Ansicht der belangten Behörde, daß dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit keine Glaubwürdigkeit zukomme, nicht als unschlüssig erachtet werden.
Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung durch "Terroristen" aufgrund mangelnder Glaubwürdigkeit seiner Angaben nicht festgestellt wurde, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien zulässig sei, schon aus diesem Grund keinen Bedenken. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob der vom Beschwerdeführer behauptete Sachverhalt - wäre er festgestellt worden - zur Asylgewährung geführt hätte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010264.X00Im RIS seit
20.11.2000