Entscheidungsdatum
01.03.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W124 2141763-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX sowie am XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gem. § 9 BFA-VG idgF auf Dauer für unzulässig erklärt und XXXX , geb. XXXX , gem. § 55 Abs. 1 Z 1 und Z 2 und § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag gab er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Neben Dari spreche er Englisch und Urdu. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, ein Paschtune habe um die Hand seiner Schwester angehalten. Allerdings seien sowohl sein Vater als auch seine Schwester gegen diese Eheschließung gewesen. Daraufhin sei seine Schwester am Arbeitsweg immer wieder belästigt worden. Es sei zu Streit gekommen und sie seien auch misshandelt worden. Man habe versucht, seine Schwester zu entführen. Ferner sei sie mit dem Umbringen bedroht worden. Der BF habe mit ihnen gestritten und sei geschlagen sowie bedroht worden. Auch sein Bruder sei bedroht worden und habe aus Angst die Schule nicht mehr besucht. Seine Schwester habe nicht dort bleiben können, daher sei er mit ihr geflüchtet.
2. Mit Schreiben vom XXXX wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) aufgefordert, binnen zwei Wochen alle für seinen Antrag und sein Vorbringen relevanten Unterlagen in Vorlage zu bringen.
In weiterer Folge legte der BF folgende verfahrensrelevante Dokumente (in Kopie)vor:
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Führerschein;
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Zertifikat über die Absolvierung der 12. Schulstufe samt Zeugnis;
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Zertifikat des Personalbüros des XXXX Instituts für Gesundheitswissenschaften;
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Schreiben mit welchem von XXXX bestätigt wird, dass der BF im Unternehmen " XXXX " von XXXX bis XXXX gearbeitet hat;
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Zertifikat von Care Afghanistan Education, aus welchem hervorgeht, dass XXXX den Workshop "Teacher Training" im Jahr XXXX absolviert hat;
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Personaldokument, ausgestellt vom afghanischen Innenministerium betreffend XXXX .
3. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt). Vorgelegt wurde vom BF eine Tazkira, welche auf den Namen XXXX lautet.
Eingangs bestätigte der BF seine bisherigen Angaben und erklärte, er sei gesund. In Afghanistan habe der BF im Haus seines Vaters gelebt. Zu seiner Familie gab er an, seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester würden noch in Afghanistan leben. Mit seinen Eltern habe er zuletzt vor zwei Tagen Kontakt gehabt, beide seien Lehrer in Pension und es würde ihnen gut gehen. Seinem Bruder XXXX gehe es ebenfalls gut. Dieser habe eine Geschäft Handygeschäft, in welchem er auch Reparaturen anbiete. XXXX sei Lehrer, lebe in XXXX und sei verheiratet. Seine Schwester XXXX arbeite als Friseurin in XXXX . Lediglich sein Bruder XXXX werde belästigt und wolle ausreisen.
Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, es habe Paschtunen gegeben, die seine Schwester heiraten hätten wollen, aber die Familie sei gegen die Eheschließung gewesen, da 80% der Paschtunen keine anständigen Leute seien. Dies sei zumindest seine persönliche Meinung. Seine Schwester sei belästigt worden und man habe mehrmals versucht, sie zu entführen. Sie sei Lehrerin an einer Knabenschule gewesen, welche nur 200 bis 300 Meter vom Haus entfernt gewesen sei. In der Schule sei sie geschützt gewesen. Dann hätten sie angefangen, seinen Bruder und ihn auch zu belästigen. Den Bruder hätten sie einmal geschlagen und verlangt, dass sie mit den Eltern reden würden. Man habe von ihnen verlangt, dass sie die Einwilligung zur Ehe erwirken. Die Belästigungen seien so weit gegangen, dass seine Schwester nicht mehr zur Schule gehen habe können und zuhause geblieben sei. Sie seien auch mit dem Umbringen bedroht worden und hätten sich nicht mehr aus dem Haus getraut. Selbst wenn sie einkaufen gegangen seien, hätten sie Angst gehabt. Daher hätten sie Afghanistan verlassen.
Seine Schwester XXXX sei ausgereist, da ihr Mann in Österreich lebe. Den Grund für dessen Ausreise kenne der BF nicht. Er habe Kontakt zu dieser Schwester. Der BF habe für eine Pharmafirma gearbeitet, die den Großteil der Medikamente aus Österreich und Deutschland beziehe. Folglich habe er sich mit diesen Ländern intensiv befasst. In Kabul habe er einen Deutschkurs gemacht, da auf den Verpackungen vieles auf Deutsch gewesen sei und er wissen habe wollen, was darauf steht. Er sei aufgrund der Tätigkeit für das Unternehmen auch nach Pakistan und in den Iran gereist. Natürlich habe er auch nach Österreich und Deutschland gewollt. Nun sei es so gewesen, dass er gezwungen worden sei, das Land zu verlassen. In XXXX habe er einen Deutschkurs besucht und den A1 Kurs abgeschlossen. Er spiele dort auch professionell Volleyball. Er habe mehrmals bei der Caritas gefragt, ob er in die Schule gehen und studieren könne. Dies sei jedoch verneint worden. In Österreich würden ihm Freunde beim Deutsch lernen helfen.
In Afghanistan habe er die Schule besucht und studiert. Sechs Jahre habe er nebenbei als Mechaniker gearbeitet. Er habe für ein privates Unternehmen als Pharmazeut gearbeitet und sei auch als Vertreter bei Ärzten tätig gewesen. Insgesamt habe das ca. drei Monate gedauert. Den Job habe jemand anderes erhalten, der Beziehungen gehabt habe. Selbst besitze er nichts, das Haus seines Vaters sei aber noch in dessen Eigentum. In Afghanistan würden ihn die Verfolger umbringen. Sie hätten ihn mehrmals bedroht. Er kenne sie nicht genau, aber sie hätten ein paar Mal um die Hand seiner Schwester angehalten. Er wisse nur, dass sie aus dem Distrikt XXXX kämen.
Seine Schwester habe ca. sechs Jahre Mathematik unterrichtet. Die Leute aus XXXX seien bei seinen Eltern gewesen. Drei bis viermal habe der BF davon erfahren. Im Geschäft seines Bruders habe er mehr als ein Jahr gearbeitet. Er habe erneut eine Tätigkeit als Pharmazeut angestrebt, die Unternehmen hätten ihn jedoch nicht eingestellt, da ihm Praxiserfahrung gefehlt habe.
Politisch aktiv sei er nicht und gehöre er auch keiner Partei oder politischen Organisation an. Aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion habe er keine Probleme gehabt. Mit der Polizei oder mit Gerichten habe er ebenso wenig Schwierigkeiten gehabt. An gesundheitlichen Problemen habe er nie gelitten und benötige er weder medizinische Betreuung noch Medikamente. Außer den genannten Problemen habe er keine Schwierigkeiten mit Personengruppen, Banden oder kriminellen Organisationen gehabt. Abschließend wurde dem BF das Länderinformationsblatt Afghanistan zur Stellungnahme binnen vierzehn Tagen ausgehändigt.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt und wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
5. Mit fristgerechter Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vollinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts und Rechtswidrigkeit infolge wesentlicher Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten und unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Begründend wurde nach Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken hinsichtlich der zweiwöchigen Beschwerdefrist und Darstellung des Sachverhalts im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde sei ihrer amtswegigen Ermittlungsfrist nicht nachgekommen. Aus dem Protokoll gehe eindeutig hervor, dass die Schilderungen nicht vollständig protokolliert worden seien. So hätte die belangte Behörde nicht nur jene Teile der Sachverhaltsdarstellung seines Bruders XXXX berücksichtigen müssen, welche zu einem Rechtfertigungsbedarf des BF führen, sondern auch solche, die für seine Darstellungen sprechen. Dann wäre aufgefallen, dass XXXX vermute, die Eltern würden von den Bedrohungshandlungen deshalb möglichst wenig berichten, um die Kinder nicht zu beunruhigen. Die übrigen Geschwister würden in einem anderen Haus leben. Tatsache sei, dass sämtliche Familienmitglieder bedroht werden würden, soweit und sobald XXXX Anhänger sie aufspüren würden. Daher hätten sie das Haus der Eltern verlassen und sich in einem anderen Bezirk versteckt. Der aufrechte Betrieb des Handygeschäfts und des Friseursalons durch die Geschwister sei dem Umstand geschuldet, dass diese von den Verfolgern noch nicht entdeckt worden seien. Ferner sei hervorzuheben, dass die Familie nach den Angaben XXXX nach einmal versucht habe, von der Polizei Hilfe zu erhalten, diese habe jedoch keine Anzeige aufgenommen.
Zudem gehe die Behörde in unzulässiger Weise davon aus, dass der BF bis kurz vor seiner Flucht im Geschäft seines Bruders weitergearbeitet habe. Für die Heranziehung dieser Argumentationsgrundlage hätte sie jedoch genauer ermitteln müssen. Ferner lasse sich dieser Umstand ebenso damit begründen, dass die Verfolger die Betriebe noch nicht entdeckt hätten. Weiters sei es erforderlich gewesen, dass sich die Familie weiterhin mit Lebensmitteln versorge. Soweit sich die Behörde auf die Sprachbarriere beziehe, sei festzuhalten, dass die Familie trotz fehlender Sprachkenntnisse dennoch zumindest den Namen der Schwester erkennen habe können.
Rechtlich wurde festgehalten, dass der BF aufgrund der sozialen Zugehörigkeit zur Gruppe der Familie verfolgt werde, der afghanische Staat nicht in der Lage sei, ihn vor Blutrache bzw. Selbstjustiz zu schützen und angesichts der Flucht der Familienmitglieder keine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass XXXX die Familie finde.
6. Die Beschwerdevorlage langte am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Am XXXX erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie eines landeskundigen Sachverständigen. Neben dem BF, wurde auch dessen Bruder XXXX einvernommen.
Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Dokumente (in Kopie) vorgelegt:
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Konvolut an Lichtbildern (Beilage A)
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Lichtbild eines Attests ohne Übersetzung (Beilage B)
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ÖSD Zertifikat A1 vom XXXX (Beilage II.);
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ÖSD Zertifkat A2 vom XXXX (Beilage III.);
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Begleitschreiben vom XXXX (Beilage IV.);
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Geburtsurkunde von XXXX , geb. am XXXX , (Beilage VI);
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Geburtsurkunde von XXXX , geb. am XXXX , (Beilage VII).
Ferner kündigte der Rechtsberater des BF an, die Werte- und Orientierungskurse der beiden BF binnen 10 Tagen vorzulegen.
Im Folgenden wird der wesentliche Verhandlungsverlauf dargestellt, wobei der BF als BF1 bezeichnet wird, während sein Bruder XXXX als BF2 bezeichnet wird.
(...........)
R: Sind die Angaben, die Sie bei der Polizei bzw. beim BFA gemacht haben richtig und halten Sie diese aufrecht?
BF1: Ja.
BF2: Ja.
BF1 verlässt um 09:48 Uhr den Saal.
Beginn der Befragung von BF2.
R (Frage auf Deutsch): Sprechen Sie Deutsch?
BF2 auf Deutsch: Ein bisschen. Ich habe bis A2 gelernt.
R (Frage auf Deutsch): Verstehen Sie Deutsch?
BF2 auf Deutsch: Ja.
R (Frage auf Deutsch): Sind Sie verheiratet?
BF2 auf Deutsch: Nein.
R (Frage auf Deutsch): Haben Sie Kinder?
BF2 auf Deutsch: Nein.
R (Frage auf Deutsch): Leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?
BF2: Ja, mit meiner Familie. Nachgefragt, nein, ich habe eine Freundin, aber wir leben nicht zusammen. Es ist meine Freundin.
Nachgefragt: Sie ist meine Freundin.
R: Freundin müssen Sie mir beschreiben.
BF2: Ich habe vor, sie zu heiraten.
R: Wo wohnt Ihre Freundin genau?
BF2: In der Schweiz.
R: Seit wann sind Sie mit Ihrer Freundin verlobt?
BF2: Seit einem Jahr.
R: Seit wann wohnt Ihre Freundin in der Schweiz?
BF2: Seit ca. vier Jahren.
R: Wo haben Sie sich verlobt?
BF2: Wir haben uns übers Internet kennengelernt und sie hat mich einmal hier besucht.
R: Haben Sie sich sofort beim ersten Treffen verlobt?
BF2: Wir hatten sechs Monate zuerst Kontakt übers Internet. Dann kam sie und weil sie gearbeitet hat, hat sie dann ihren Urlaub dafür genutzt, um mich zu besuchen.
R: War das das erste Treffen, wo Sie sich sofort verlobt haben?
BF2: Ich habe gesagt, sie ist nicht meine Verlobte, sie ist nur eine Freundin.
R: Sind Sie mit der Frau verlobt oder nicht.
BF2: Ich bin verliebt in sie. Nachgefragt: Sie ist meine Freundin und ich habe vor, sie zu heiraten.
R: Wann war Ihre Freundin in Österreich?
BF2: Vor ca. fünf Monaten.
R: Wie heißt Ihre Freundin mit Vor- und Zuname und wann wurde sie geboren?
BF2: Sie heißt XXXX und ist am XXXX geboren.
R: Wo ist sie geboren?
BF2: In Afghanistan. Nachgefragt: In XXXX , genauer weiß ich es nicht. Ich weiß über XXXX nichts.
R: Ich wollte nur wissen, wo Ihre Freundin genau geboren ist.
BF2: Sie meint, in der XXXX . Nachgefragt: In welchem Dorf weiß ich nicht.
R: Welche größere Stadt ist in der Nähe des Geburtsdorfes Ihrer Freundin?
BF2: XXXX , glaube ich.
R: Was heißt glaube ich?
BF2: Ich habe sie nicht über ihr Dorf gefragt. Ich habe kein Interesse daran.
R: Haben Sie kein Interesse daran, woher ihre Freundin kommt?
BF2: Ich habe kein Interesse, was Afghanistan anbelangt.
R: Wie kommen Sie dann darauf, dass Ihre Freundin in der Nähe von XXXX geboren ist bzw. gelebt haben soll?
BF2: Weil sie es einmal erwähnt hat.
R: Was hat sie da konkret erwähnt in diesem Zusammenhang?
BF2: Wir haben über etwas gesprochen und da war ein Freund bei mir. Er behauptete, dass er auch aus XXXX stammen würde und meine Freundin ebenfalls. Ich habe dann meine Freundin gefragt, von wo genau sie stammen würde. Sie sagte, von der Nähe von XXXX .
R (Frage auf Deutsch): Gehen Sie in Österreich arbeiten?
BF2 (auf Deutsch): Noch nicht.
R (Frage auf Deutsch): Haben Sie beim AMS um Arbeit gesucht?
BF2 (auf Deutsch): Ja, einmal. Der Betreuer hat gesagt, ich muss einen Pflichtschulabschluss machen.
BFV legt eine Einstellzusage vom XXXX vor, welche als Beilage C in Kopie zum Akt genommen wird. Außerdem eine Bestätigung vom XXXX , wonach der BF2 einen Pflichtschulabschlusskurs besucht, welche als Beilage D in Kopie zum Akt genommen wird. Außerdem eine Bestätigung des BFI, wonach dieser einen entsprechendes Aufnahmegespräch für den Pflichtschulabschlusskurs absolviert bzw. teilgenommen hat vom XXXX , welches als Beilage E in Kopie zum Akt genommen wird.
R: Wissen Sie, ob Ihr Arbeitgeber um eine arbeitsrechtliche Bewilligung für Sie angesucht hat?
BF2: Ja.
R: Dann hat er einen Bescheid bekommen.
BF2: Ja.
R: Was ist da drinnen gestanden?
BF2: Das ist beim Chef. Ich habe das nicht. Er hat meine Unterlagen zum AMS gebracht. Alles befindet sich bei ihm.
R: Hat er schon eine Antwort erhalten vom AMS?
BF2: Das AMS hat gesagt, dass sehr viele Leute, die einen positiven Asylbescheid haben, warten würden. Diesen würde sehr viel Geld bezahlt werden und diese wären vorrangig.
R: Haben Sie jetzt einen negativen oder positiven Bescheid bekommen?
BF2: Einen negativen.
R: Antworten Sie bitte konkret auf die Fragen.
R: Wie bestreiten Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt?
BF2: Von der Caritas und auch meine Schwester arbeitet.
R: Gibt Ihnen die Schwester Geld?
BF2: Die Miete bezahlt meine Schwester. Das, was die Caritas zahlt, geben wir für Lebensmittel aus.
R (Frage auf Deutsch): Sind Sie in einem Verein, einer Organisation, der Kirche oder sowas tätig?
BF2 (auf Deutsch): Verstehe ich nicht.
D wiederholt die Frage auf Dari.
BF2: Das erste Jahr habe ich meinen Freund XXXX kennengelernt. Mit ihm sind wir zur Freikirche gegangen. Ich bin ein paar Mal mit ihm in die Kirche gegangen. Dann habe ich eine Frau, die von der Gruppe Zeugen Jehovas stammt, kennengelernt. Sechs Monate habe ich mit ihr Bibel gelernt. Aber ich habe kein Interesse an den Zeugen Jehovas. Dann kehrte ich zurück zur Freikirche.
R: Wie heißt die Freikirche?
BF2 schreibt Namen der Freikirche auf einen Zettel. Dieser wird als Beilage F in Original zum Protokoll genommen.
R unterbricht die Verhandlung um 10:10 Uhr. Fortsetzung um 10:23 Uhr.
R (Frage auf Deutsch): Wie heißt Ihre Kirche?
BF2 auf Deutsch: XXXX .
BFV merkt an: Sie hat mit dem Pastor XXXX gesprochen. Dieser gibt an, dass sie keinen Namen als solchen haben, allerdings heißen sie " XXXX " in XXXX .
R (Frage auf Deutsch): Ist Ihr Bruder XXXX auch bei der Freikirche?
BF2 (auf Deutsch): Er kommt ab und zu.
R (Frage auf Deutsch): Wer außer Ihnen ist von Ihren Familienangehörigen noch bei der Freikirche?
BF2 (auf Deutsch): XXXX .
D wiederholt die Frage in Dari.
BF2: Sonst niemand. Nur mein Bruder hat zwei oder drei Mal die Kirche besucht. Ein anderer Freund von mir ist auch dort.
Nachgefragt: Er heißt XXXX (BF2 schreibt diesen Namen auf ein Blatt, welches als Beiblatt G zum Akt genommen wird).
R: Wissen Sie, welchen Aufenthaltsstatus XXXX hat?
BF2: Er hat einen grauen Pass.
R (Frage auf Deutsch): Seit wann besuchen Sie diese Freikirche?
BF2 (auf Deutsch): Seit drei Monaten.
R: Wie lange waren Sie bei den Zeugen Jehovas?
BF2: Sechs Monate.
R: Wo waren Sie vor den Zeugen Jehovas?
BF2: Zuerst die Kirche über XXXX , dann zu den Zeugen Jehovas und dann zurück zur Kirche.
R: Wie lange waren Sie, bevor Sie zu den Zeugen Jehovas gekommen sind, bei der Freikirche?
BF2: Ca. zwei Monate.
R: Haben Sie in Afghanistan jemals einer Religion angehört?
BF2: Ich war Moslem.
R: Welche Richtung?
BF2: Sunnite.
R: Haben Sie die Religion praktiziert?
BF2: Ich war 16 Jahre alt, als ich hierhergekommen bin. Ich habe darüber nicht viel gelesen.
R: Welche Schul- und Berufsausbildung haben Sie?
BF2: 11 Jahre habe ich die Schule besucht und zwei Jahre habe ich an Privatkurse für Computer und Handys besucht.
R: Wie haben Sie in Afghanistan Ihren Lebensunterhalt bestritten?
BF2: Mein Vater hat mich unterstützt. Später hatten wir selbst ein Geschäft.
R: Ab wann hatten Sie selbst ein eigenes Geschäft?
BF2: Ca. zweieinhalb Jahre in Afghanistan.
R wiederholt die Frage.
BF2: Vom XXXX bis ich hierhergekommen bin.
R: Wann sind Sie aus Afghanistan ausgereist?
BF2: Das weiß ich nicht genau.
R: Ungefähr, wenn Sie es nicht genau wissen.
BF2: Im XXXX . Den genauen Tag weiß ich nicht.
R: Wie viele Leute haben in dem Geschäft gearbeitet?
BF2: Mein Bruder und ich.
R: Hat Ihr Bruder von Beginn an mit Ihnen in diesem Geschäft gearbeitet?
BF2: Ja.
R: Haben Sie eine Religion in Afghanistan ausgeübt?
BF2: Ich war Moslem, aber ich habe nicht immer gebetet. Nur im Monat Ramadan.
R: Wie haben Sie Ihre Religion ausgeübt?
BF2: In Afghanistan habe ich keinen Alkohol getrunken. Ich habe kein Schweinefleisch gegessen.
R wiederholt die Frage.
BF2: Ich habe nur gefastet und im Ramadan auch gebetet.
R: Was heißt das genau?
BF2: Ich weiß es auch nicht. Der Koran ist in Arabischer Sprache.
R: Sind Sie in Afghanistan in eine Moschee gegangen?
BF2: Ja. Nur im Monat Ramadan.
R: Sonst war es möglich, in keine Moschee zu gehen?
BF2: Ja, schon, aber meine Familie bzw. mein Vater hat immer gesagt, ich soll in die Moschee gehen.
R: Habe ich Sie richtig verstanden: Sie sind außer zu Ramadan nicht in eine Moschee gegangen.
BF2: Ja.
R: Haben Sie außer im Monat Ramadan jemals gebetet?
BF2: Nein.
R: Haben Sie das die ganze Zeit so praktiziert?
BF2: Ich bin XXXX hierhergekommen. Ich bin gerade 17 geworden.
R: In Afghanistan waren Sie fast ein erwachsener Mann. Haben Sie das die ganze Zeit so praktiziert?
BF2: Ja.
R: Ihr Bruder, der heute da ist, auch?
BF2: Ja. Aber er hat öfter die Moschee besucht im Vergleich zu mir.
R: Wann hat er die Moschee besucht?
BF2: Wenn ich im Geschäft war, hat er mich im Geschäft gelassen und 4 bis 5 Mal seine Gebete in der Moschee verrichtet.
R: Hat er das bis zur Ausreise aus Afghanistan gemacht?
BF2: Ja.
R: Was ist der Inhalt Ihrer Religion gewesen, also der sunnitischen Religion?
BF2: Darüber weiß ich nichts Genaues. Ich bin als Moslem geboren.
R: Sagt Ihnen der Koran etwas?
BF2: Ja. In der Sure Toba, in Vers 111. Da steht, wenn ein Moslem einen Ungläubigen umbringt, wird er im anderen Leben mehr belohnt.
R: Wissen Sie, was im Alten Testament steht?
BF2: Es besteht aus 29 Büchern.
R: Sie sagen, wenn ein Moslem einen Ungläubigen umbringt, wird er mehr belohnt. Ich möchte wissen, was diesbezüglich im Alten Testament steht.
BF2: Ich habe es soweit noch nicht gelesen. Ich bin dabei, zu lesen. Die Bibel zu lesen ist nicht so einfach.
R: Haben Sie sich, bevor Sie zu einer christlichen Kirche bzw. Gemeinde gegangen sind, mit dem Christentum auseinandergesetzt?
BF2: Ich habe mit meinem Freund gelesen. Der kam zu mir. Er hat mir das erklärt.
R: Haben Sie sich, bevor Ihr Freund zu Ihnen gekommen ist, jemals mit dem Christentum auseinandergesetzt?
BF2: Nein.
R: Warum nicht?
BF2: Wir durften das nicht.
R: Sie waren ja dann schon in Österreich.
BF2: Ich weiß es nicht. Ich habe mich nicht damit auseinandergesetzt, bis ich meinen Freund kennengelernt habe. Dann habe ich mich dafür interessiert.
R: Was war der Grund, warum Sie sich dafür interessiert haben, als Sie Ihren Freund kennengelernt haben?
BF2: Weil mein Freund mir im Koran die Sure Al Hazab im Vers 50 gezeigt hat. In diesem sagt Gott zum Propheten Mohammed, er dürfe mehrere Frauen haben, mit seinen Untertanten (Sklavinnen) schlafen, mit seinen Cousinen schlafen.
R: War Ihnen das erst bekannt, nachdem Sie nach Österreich gekommen sind, dass das so ist?
BF2: Ich wusste, dass es erlaubt war, sieben Frauen zu haben. Umgekehrt, eine Frau darf nicht sieben Ehemänner haben.
R: War Ihnen das im Wesentlichen vorher schon bekannt, bevor Ihnen Ihr Freund diese Sure erzählt hat?
BF2: Ja, das war mir bekannt. Da hat sich eine Frage für mich ergeben und von der Aussage meines Freundes hat sich dann die Antwort ergeben.
R: Der Umstand dessen, was Ihnen Ihr Freund gesagt hat, war Ihnen schon in Afghanistan bekannt.
BF2: Insofern, dass jeder Mann sieben Frauen heiraten darf.
R: Haben Sie sich, bevor Sie Ihren Freund kennengelernt haben, schon mit dem Christentum oder einer anderen Religion auseinandergesetzt?
BF2: Als ich hierhergekommen bin, konnte ich nicht genug Deutsch, um eine andere Religion kennenzulernen.
R: Haben Sie sich, nachdem Sie sagen, Sie können besser Deutsch, mit anderen Religionen als dem Christentum auch auseinandergesetzt?
BF2: Bis jetzt nicht.
R: Warum nicht?
BF2: Weil ich für das Christentum Interesse gefunden habe. Seitdem ich hier bin, fühle ich mich wie im Mutterleib, in Sicherheit.
R: Was ist für Sie so interessant, dass Sie sich mit dem Christentum auseinandersetzten?
BF2: Mein Freund hat mir immer gesagt, dass wir nicht sterben werden.
R: Es geht nicht um Ihren Freund, sondern um Sie.
BF2: Wie gesagt, seitdem ich hier bin und mit den Menschen Kontakt habe, sind sie freundlich zu mir und ich bin glücklich. In jederlei Hinsicht.
R: Das ist immer noch nicht die Antwort auf meine Frage. Ich will wissen, warum Sie sich mit dem Christentum auseinandersetzten bzw. Interesse zeigen. Abgesehen davon, dass Sie darüber mit Ihrem Freund sprechen.
BF2: Weil man mir gesagt hat, dass wir keinen Tod haben werden und wir ewig leben. Ich habe mich damit auseinandergesetzt, um herauszufinden, wie und warum das möglich ist. Danach habe ich begonnen, die Bibel zu lesen. Wir glauben an vier Bücher, aber in Afghanistan dürfen wir nichts außer den Koran lesen.
R: Wie wissen Sie, dass das Christentum und insbesondere die Freikirche christliche Gemeinde für Sie die Richtige ist?
BF2: Seine Religion zu wählen ist freiwillig. Jeder kann frei seine Religion auswählen. Dort erfahre ich sehr viel Liebe.
R: Ich will wissen, wie Sie wissen, dass das Christentum, insbesondere die Freikirche christliche Gemeinde für Sie die Richtige ist.
BF2: Das lese ich ja gerade.
R: Wissen Sie, wie viele christliche Kirchen bzw. christliche Strömungen bzw. Freikirchen es gibt?
BF2: Über 1300 oder 1600.
R: Wie wissen Sie, dass die Freikirche christliche Gemeinde für Sie von diesen 1300 bis 1600 die Richtige ist?
BF2: Weil ich mit anderen Zweigen bzw. Strömungen noch nicht in Kontakt getreten bin, abgesehen von den Zeugen Jehovas. Das habe ich nicht gewählt. Sonst habe ich keine Information darüber.
R: Wollen Sie bei der Freikirche christliche Gemeinde bleiben?
BF2: Ja.
R: Wie wissen Sie, dass das die Richtige für Sie ist?
BF2: Weil ich das gerade studiere, lese.
R: Lesen können Sie alle. Ich möchte nur wissen, warum gerade diese für Sie die Richtige ist, und nicht die übrigen 1300 bis 1600.
BF2: Ich habe bei den Zeugen Jehovas gelernt, dass Jesus ein Engel war. Der ist zur Erde gekommen. Wenn ich mit ihnen lerne, dann heißt das, nein, Gott selbst ist zur Erde gekommen. Aus diesem Grund lerne ich weiter, um zu wissen, warum er heruntergekommen ist.
R: Setzten Sie sich jetzt erst mit dieser Religion auseinander, oder sind Sie Mitglied dieser Religion?
BF2: Ich bin am Recherchieren.
R: Was heißt das?
BF2: Ich möchte eine Religion aussuchen, die die Richtige ist für mich.
R: Wie erkennen Sie, dass eine Religion die Richtige für Sie ist?
BF2: Mein Herz hat diese Religion ausgesucht. Es geht nicht, dass ich die ganze Zeit mich darum kümmere, welche Religionen besser sind und welche ich mir aussuchen soll. Diese Religion hat mir gefallen. In meinem Leben ist nicht nur Religion für mich das Wichtigste.
R: Was ist das Wichtigste für Sie im Leben?
BF2: Arbeit. Lernen und ein besserer Beruf.
R: Seit wann besuchen Sie diese Freikirche?
BF2: Seit ca. drei Monaten.
R: Wie viele Mitglieder hat diese Freikirche?
BF2: 26 bis 28 Personen, weil unser Dorf sehr klein ist. In XXXX gibt es ca. 100 Häuser.
R: Es gibt eine relativ große Stadt daneben.
BF2: XXXX ist 12 Km entfernt.
R: Wie oft gehen Sie in diese Kirche?
BF2: Jeden Sonntag. Wenn ich nicht wichtigeres vorhabe oder keinen Termin habe.
R: Was ist das Wichtige, was Sie sonst vorhaben?
BF2: Wenn ich eine Arbeitserlaubnis habe und Samstag, Sonntag arbeiten muss, ist es wichtig, dass ich arbeiten gehe. Dann kann ich meine Arbeit nicht vernachlässigen.
R: Was steht zum siebenten Tag in der Bibel? Was hat Gott dazu gesagt?
BF2: Das Jesus Christus vom Schlaf aufgewacht ist.
R: Sie sagten, dass Sie nicht sterben werden. Was heißt das?
BF2: Alle sagen, wenn wir sterben, werden wir zu Geist und steigen in den Himmel. Das lese ich gerade um herauszufinden, aus welchem Grund. Den Grund dafür habe ich noch nicht herausgefunden.
R: Wo lesen Sie das?
BF2: Ich habe mit Johannes begonnen.
R: Dort lesen Sie das?
BF2: Ich muss es herausfinden, wo das ist.
R: Warum sind Sie von den Zeugen Jehovas weggegangen?
BF2: Ich habe zwei, drei Fragen gestellt und die Antworten auf diese waren für mich nicht glaubhaft.
R: Welche zwei, drei Fragen haben Sie gestellt und welche Antworten haben Sie bekommen?
BF2: Eine Sache war, dass ich Bilder von Engeln gesehen habe. In diesen Bildern waren alle Engel als Männer abgebildet. Ich fragte dann, ob alle Engel männlich seien. Die Antwort war nein, es sind sowohl Männer als auch Frauen. Ich fragte dann wiederum, warum ich in diesen Bildern nur Männer sehe. Sie haben weiterhin dieselbe Antwort gegeben, dass Frauen und Männer Engel seien. Gezeigt haben sie mir aber nur abgebildete Männer als Engel.
R: Was war die zweite Frage, die Sie stellten?
BF2: Wir feiern Geburtstag und sie machen das nicht.
R: Was war dazu Ihre Frage?
BF2: Die Antwort auf die Frage, warum man keinen Geburtstag feiern würde, lautete, dass Jesus das auch nicht getan hätte. Deshalb würden wir das auch nicht tun. Aber das steht nicht in der Bibel.
R: Wird bei Sunniten der Geburtstag gefeiert?
BF2: Ja.
R: Und die dritte Frage?
BF2: Habe ich vergessen.
R: Waren das die einzigen Gründe, wieso Sie von den Zeugen Jehovas weggegangen sind?
BF2: Es gab noch andere Einschränkungen.
R: Haben Sie diese anderen Einschränkungen gestört?
BF2: Ich hatte kein Interesse.
R wiederholt die Frage.
BF2: Ja.
R: Welche Einschränkungen waren das konkret?
BF2: Erstens war der Geburtstag. Man hat mir gesagt, ich muss zu den Versammlungen kommen, weil das das Wichtigste ist.
R: Sind Sie freiwillig zu den Versammlungen gegangen?
BF2: Sechs Monate habe ich es freiwillig gemacht. Dann wollte ich es nicht mehr.
R: Warum dann nicht mehr?
BF2: Ich habe ihnen diese Frage gestellt. Sie sind nach Hause zu mir gekommen und haben mit mir gelernt. Danach wollte ich es nicht mehr.
R: Warum nicht?
BF2: Weil der Nachbar sich belästigt gefühlt hat. Er hat sich mehrmals beschwert, weil wir so viel Besuch haben.
R: Wie oft sind die Zeugen Jehovas zu Ihnen gekommen pro Woche?
BF2: Einmal in der Woche.
R: Welcher Nachbar war das, der sich beschwert hat?
BF2: Der Nachbar unter uns.
R: Wie heißt der?
BF2: XXXX . Wir sagen XXXX zu ihm. Den Nachnamen kenne ich nicht.
R: Waren Sie da so laut, dass sich der Nachbar belästigt gefühlt hat?
BF2: Sie haben die Zeugen Jehovas nicht gemocht. Sie haben gesagt, es sei Sinnlos. Es würde nichts bringen.
R: Ist das Ihr Vermieter?
BF2: Nein.
R: Haben Sie sich dann woanders getroffen?
BF2: Einen Monat bin ich sechs bis sieben Kilometer entfernt von zuhause zu der Versammlung gegangen.
R: Zu Fuß?
BF2: Ich bin mit dem Zug gefahren.
R: Gibt es in Ihrem Dorf eine Kirche, eine sichtbare Kirche?
BF2: Ja.
R: Welcher Glaubensrichtung gehört diese Kirche an?
BF2: Da war ich noch nicht.
R: Müssen Sie auch nicht.
BF2: Die katholische Kirche.
R: Wieso hat Sie die katholische Kirche nicht interessiert?
BF2: Darüber habe ich nichts gelesen. Ich habe keine Informationen.
R: Gibt es in Ihrem Dorf noch andere Religionen, Protestanten...?
BF2: Gibt es schon, aber mit denen habe ich keinen Kontakt. Ich kenne sie nicht. Ich weiß nicht, welcher Religion sie angehören.
R: Haben Sie mit diesen Religionen jemals Kontakt aufgenommen, indem Sie sich interessiert haben, was diese glauben?
BF2: Nein. Unser Nachbar über uns ist Albaner, die sind Moslems. Auf einer Seite leben Türken, die sind ebenfalls Moslems. Unser Nachbar linker Hand ist Katholik und er ist kaum zuhause.
R: Wie viele Gebote kennt Ihre Kirche?
BF2: Ich habe sie nicht gefragt.
R: Sind Sie getauftes Mitglied?
BF2: Noch nicht.
R: Was heißt noch nicht?
BF2: Ich möchte herausfinden, ob es die richtige Religion ist. Ich war bei der Freikirche, dann bin ich zu den Zeugen Jehovas und jetzt bin ich zurück.
R: Was machen Sie, um herauszufinden, ob es die richtige Religion für Sie ist?
BF2: Ich werde die Bibel lesen, also das Lesen fortsetzten.
R: Und außer das Sie die Bibel lesen?
BF2: Ich werde über andere Religionen auch Fragen stellen. Es kann sein, dass man mir diese nicht beantworten kann.
R: Über welche Religionen?
BF2: z.B. über die Buddhisten, Juden, Teufelanbeter.
R: Haben Sie diese Frage schon gestellt?
BF2: Bis jetzt noch nicht. Ich bin mit ihnen noch nicht in Kontakt getreten.
R: Was heißt, Sie sind mit ihnen noch nicht in Kontakt getreten?
BF2: Weil in unserem Dorf diese Religionen nicht existieren.
R: Wie wollen Sie dann mit denen in Kontakt treten?
BF2: Kann sein, dass ich woanders mit denen in Kontakt treten.
R wiederholt die Frage.
BF2: Ich habe noch nie Mitglieder dieser Religion gesehen. Ich habe nur Katholiken gesehen. Darüber habe ich die Katholiken noch nichts gefragt, weil ich nicht weiß, was der Unterschied zwischen Katholiken und der Religion, für die ich mich interessiere, ist.
R: Nehmen Sie an diesem Gemeindeleben der freien Christen auch anderwertig teil? Außer, dass Sie am Sonntag in die Kirche gehen.
BF2: Ja. Manchmal gehe ich mit meinem Freund am Montag in die Kirche. Ich bin erst seit drei Monaten dabei.
R: Von was hängt das ab, ob Sie am Montag in die Kirche gehen?
BF2: Wenn ich keine Termine habe.
R: Was haben Sie ansonsten für Termine am Montag, die Sie hindern, in die Kirche zu gehen?
BF2: zB Zahnarzttermin oder Fitnessstudiobesuche.
R: Wann ist am Montag die Kirche, um wieviel Uhr?
BF2: 16 bis 17 Uhr. Aber da sind nur wir zwei, mein Freund und ich. Wir lernen bei XXXX . Es kann auch sein, dass mein Freund keine Zeit hat. Dann kann ich auch nicht gehen.
R: Wieso können Sie nicht gehen, wenn Ihr Freund keine Zeit hat?
BF2: Wenn er kommt, gehen wir gemeinsam und lernen gemeinsam.
R: Wie heißt der Vorsteher dieser Gemeinde?
BF2: XXXX .
R (Frage auf Deutsch): Können Sie mir Ihren Alltag beschreiben? Vom Aufstehen bis zum Bett gehen.
BF2 (auf Deutsch): "Ich stehe jeden Tag um 06:00 Uhr auf und duschen und vorbereiten zum Schule. Ich bin bis 14:00 Uhr in Schule. Eine Stunde muss ich warten beim Bus oder Zug. Dann fahre ich nach Hause und essen, meine Aufgaben machen und wieder schlafen. Und wieder aufstehen um 19:00 Uhr am Abend. Bis 21:00 Uhr mit mein Schwester oder mit mein Bruder sitzen zusammen und vielleicht Film schauen und wieder schlafen. Samstag bin ich frei und Sonntag bis 12:00 Uhr gehe ich in die Kirche".
R (Frage auf Deutsch): Sind Sie ansonsten noch in einem Verein oder einer Organisation tätig?
BF2 (auf Deutsch): Verstehe ich nicht.
D wiederholt die Frage in Dari.
BF2: Nein. Ich besuche nur die Schule. Zehn Monate habe ich die Fahrschule gelernt. Ich habe auch die Unterlagen.
R: Haben Sie den Führerschein?
BF2: Nein, ich darf nicht. 2017 dürfte ich das eigentlich. 10 Monate habe ich die Schule besucht. Dann habe ich mich vorbereitet für die Prüfung. Dann durfte ich die Prüfung nicht machen.
R: Warum nicht?
BF2: Sie haben mir gesagt, dass das Gesetz sich geändert hätte. Ich habe eine Bestätigung bekommen, sobald ich einen positiven Asylbescheid bekomme, kann ich nochmal hin und darf die Prüfung ablegen.
Der Ausbildungsauftrag vom XXXX wird als Beilage H in Kopie zum Akt genommen bzw. die Zahlungsbestätigung in Kopie I zum Akt genommen.