Entscheidungsdatum
07.03.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W144 2178505-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.03.2019 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF iVm § 2 Abs. 1 Z 15 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass damit XXXX kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) ist ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört zur Volksgruppe der Tadschiken vom Stamm der XXXX , stammt aus dem Dorf XXXX (bzw. XXXX ) in der Provinz XXXX und stellte am 03.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Anlässlich seiner Erstbefragung am 03.11.2015 durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich gab der BF an, dass sein Stiefonkel, der bei den Taliban sei, gewollt habe, dass er einen Anschlag verüben solle. Der BF sei mehrmals verprügelt worden und habe schließlich im Zuge seiner Flucht auch noch seinen Cousin, der ihn an der Flucht hindern wollte, verletzt. Sein Onkel suche nun nach ihm und wolle ihm etwas antun.
Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 23.09.2016 gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen zu Protokoll, dass er als Verwaltungsbeamter bei der Provinzialbehörde gearbeitet habe. Konkret habe er im Gebäude, in dem der Gouverneur untergebracht gewesen sei, gearbeitet, jedoch nicht direkt beim Gouverneur, sondern in einem Nebenbüro. Er habe dort Reinigungsarbeiten und Hilfsdienste verrichtet. Er habe Afghanistan aus Angst vor seinem Stiefonkel, dessen Sohn und den Taliban verlassen. Sein Onkel habe von ihm verlangt, dass er sich den Taliban anschließe. Da er bei der Provinzialbehörde gearbeitet habe, hätte er ihm und den Taliban Informationen geben oder für die Taliban eine Bombe in das Gebäude hineinschmuggeln sollen. Er sei von seinem Onkel auch geschlagen worden und hätte seine Mutter den Onkel gebeten, den BF in Ruhe zu lassen. Der BF sei auch mit einer Peitsche misshandelt worden und habe dadurch Verletzungen an der Nase und oberhalb seiner Augen erlitten. Das Problem sei eskaliert, als der besagte Onkel von seiner Arbeit bei der Behörde erfahren habe. Anfangs seien die Belästigungen nicht so ernst gewesen, zum Schluss sei es ärger geworden. Es habe einen Vorfall gegeben, bei dem er geschlagen worden sei, vorher sei er nur mündlich bedroht worden. Dieser Vorfall habe sich einige Tage vor seiner Ausreise zugetragen, das genaue Datum wisse er nicht. Er sei damals unterwegs gewesen und von den Taliban angehalten worden. Diese hätten ihn zu einem Haus gebracht, wo sich sein Onkel sowie dessen Sohn (der Cousin des BF) und eine weitere Person, ein Freund des Cousins aufgehalten hätten. Er sei in ein Zimmer gebracht worden, wo er geschlagen worden sei. In diesem Zimmer seien der Stiefonkel, sein Cousin und dessen Freund gewesen. Wieviele Taliban zudem noch draußen gewesen seien, wisse er nicht, er sei mit verbundenen Augen in das Haus gebracht worden. Anfangs sei mit ihm noch freundlich geredet worden, sein Onkel habe ihm nur zwei Ohrfeigen gegeben. Erst als er sich geweigert habe, zusammenzuarbeiten, sei er geschlagen worden. Geendet habe der Vorfall damit, dass er weggelaufen sei. Dies sei derart erfolgt, dass die Personen aus dem Raum gegangen seien, lediglich sein Cousin sei dageblieben und sei in der Folge zum Rauchen hinausgegangen. Der BF habe einen Stein aufgenommen, mit dem er seinen Cousin auf den Hinterkopf geschlagen habe. In der Folge habe der BF davonlaufen können. Anschließend sei er nach Hause gelaufen, habe sich von dort nach XXXX begeben, wo er einige Tage aufhältig gewesen sei, und sei in der Folge über Kabul, wo er mehrere Monate aufhältig gewesen sei, ausgereist.
Unter einem legte der BF eine afghan. Tazkira (Personalausweis, Geburtsurkunde), sowie einen Dienstausweis (im Scheckkartenformat) der Direktion des Local Governments der Provinz XXXX , gültig vom XXXX .2014 bis XXXX .2015, jeweils im Original vor.
Am 19.07.2017 wurde der BF erneut seitens des BFA einvernommen, wobei er sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen wiederholte und Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen (- der BF ist mit einer ho. als Flüchtling anerkannten afghan. Staatsangehörigen verheiratet und hat mit dieser ein mj. Kind) und seiner Integration in Österreich erstattete.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erklärte jedoch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Hinblick auf sein Familienleben im Bundesgebiet auf Dauer unzulässig ist und gewährte dem BF eine Aufenthaltsberechtigung gem. § 55 Abs. 2 AsylG (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde zur Versagung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen zur konkreten Bedrohungssituation - aus näheren Erwägungen - nicht glaubwürdig erscheine.
Gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheids erhob der BF fristgerecht Beschwerde und machte - neben Ausführungen zur Allgemeinsituation in Afghanistan - im Wesentlichen geltend, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft geblieben sei:
So habe sich der BF hinsichtlich des angegebenen Berufes nicht widersprochen, sondern handle es sich bei den Angaben, dass er einerseits Landarbeiter und andererseits Verwaltungsbeamter gewesen sei, um jeweils zwei richtige, einander nicht widersprechende Angaben.
Weiters habe der BF das ursprünglich falsch protokollierte Geburtsdatum von sich aus korrigiert, bevor noch die Untersuchung zur Altersfeststellung erfolgt sei. Der BF habe somit aus eigenem angegeben, dass er bereits volljährig sei.
Auch habe der BF keine widersprüchlichen Angaben zum Zeitpunkt der Verfolgungshandlungen gemacht. Wenn er vorgebracht habe, dass sich der Vorfall seiner Misshandlung einige Tage vor seiner Ausreise aus dem Heimatdorf abgespielt hätte bzw. am selben Tag der Flucht, sei dies so zu sehen, dass mit der Ausreise nicht die Ausreise bzw. Wegreise aus dem Heimatdorf, sondern die Weiterreise nach Kabul gemeint gewesen sei. Es liege damit lediglich ein Missverständnis vor.
Wenn dem BF vorgeworfen werde, er habe widersprüchliche Angaben zum Ort seiner Misshandlung, bzw. wo er Cousin sei mit dem Stein niedergeschlagen habe, gemacht, so könne auch dies aufgeklärt werden: Zunächst seien u.a. der BF und der Cousin in einem Raum gewesen, danach hätten alle diesen Raum verlassen und sei der Cousin vor die Türe getreten um zu rauchen; bei dieser Gelegenheit habe der BF seinen Cousin niedergeschlagen. Der BF habe seine Fluchtgründe im Kern stets gleichlautend geschildert. Es handle sich lediglich um Abweichungen im Detail.
Weiters werde dem BF vorgehalten, dass nicht schlüssig sei, dass die Verfolgung mit seiner Arbeit in Zusammenhang stehen würde, da seine ID-Karte (Dienstausweis) nur bis zum XXXX .2015 gültig gewesen sei, sich der Vorfall jedoch im Zeitraum Juli/August 2015 ereignet habe. Dazu sei zu sagen, dass der BF auch mit der abgelaufenen ID Karte noch bei der Behörde hätte arbeiten können. Der Vorfall der Misshandlung habe sich aber im April oder Mai 2015 ereignet, es sei eine falsche Annahme der belangten Behörde, dass dieser Vorfall im Juli oder August 2015 stattgefunden haben müsste. Der BF habe sich nämlich nach dieser Misshandlung noch 2 bis 3 Monate im Kabul aufgehalten, bevor er Afghanistan verlassen habe.
Es sei somit eine reine Mutmaßung der Behörde, dass die Richtigkeit der vorgelegten ID Karte nicht gegeben sei. Die belangte Behörde habe auch keine Ermittlungen über die Echtheit der Karte angestellt.
Mit Schriftsatz vom 13.02.2019 zog der BF seine Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes II. (subsidiärer Schutz) zurück.
Am 05.03.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der BF seine Fluchtgründe schilderte und zu diesen weitergehend befragt wurde. Unter einem wurden in der Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan sowie die UNHCR-Guidelines vom 30.08.2018 vorgehalten und kursorisch erörtert.
Zu Beginn der Verhandlung erklärte der BF nachgefragt, dass es zur falschen Protokollierung seines Geburtsdatums deshalb gekommen sei, da er das Umrechnen vom afghanischen in den europäischen Kalender nicht so gut beherrsche. Als er draufgekommen sei, habe er sein Geburtsdatum richtiggestellt. Zum zentralen Thema seines Fluchtvorbringens hat der BF Folgendes zu Protokoll gegeben bzw. auf Fragen wie folgt geantwortet:
"R: Wie sind Sie dann zu diesem Job gekommen, den Sie dann angenommen haben?
BF: Diesen Job habe ich durch die Beziehungen meines Vaters zu seinen Freunden bekommen. Mein Vater kannte den Leiter. Mein Vater kannte den Leiter auch, und zwar flüchtig aber mein Vater war befreundet mit einem Freund des Leiters.
[ ... ]
R: Was war das überhaupt für eine Stelle, bei der Sie gearbeitet haben? Was war das für ein Arbeitgeber?
BF: Ich habe im Büro des Leiters als Haushälter gearbeitet. Ich habe seinen Tisch geputzt, sein Zimmer. Er hat mir manche Dokumente gegeben. Diese musste ich zur einer oder anderen Stelle bringen. Ich habe auch seine Besucher im Büro versorgt. Ich habe ihnen Tee gemacht, Süßigkeiten gebracht.
R: Von wann bis wann haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt? Wissen Sie das noch?
BF: Knapp ein Jahr lang habe ich diese Tätigkeit ausgeübt.
R: Können Sie das zeitlich eingrenzen, von wann bis wann oder wissen Sie das nicht mehr?
BF: Nein, an den Zeitraum kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe bereits in meiner Einvernahme angegeben, dass ich knapp ein Jahr lang dort gearbeitet habe und ich gab auch an, dass ich bis zum vierten Monat dort gearbeitet habe.
R: Für wen, für welche Person haben Sie dort gearbeitet?
BF: XXXX . Das ist der Vor- und Nachname.
[ ... ]
BF: Er war der Chef vom Büro vom XXXX Gouverneur.
[ ... ]
BF: Nein, der Gouverneur war wer anderer.
R: Erklären Sie mir, wie haben Ihre Probleme in Afghanistan begonnen? Was waren das für Probleme? Erzählen Sie mir bitte Ihre Probleme von Beginn an, chronologisch und detailliert.
[ ... ]
BF: Nach drei Monaten meiner Arbeitstätigkeit begannen die Probleme mit meinem Halbonkel mütterlicherseits. Er gehörte einer Talibangruppe an. Die ersten drei Monate meiner Arbeitstätigkeit bin ich in XXXX geblieben. Drei Monate lang war ich dort und dann begann ich wieder nach Hause zu fahren. Unser Haus liegt in XXXX . Meine Familie hat dort gelebt. Nach drei Monaten bin ich jeden Tag nach Hause gefahren. Der Weg führt durch das Dorf XXXX . Wir sind über das Dorf XXXX nach XXXX gefahren. Dort hat meine Familie gelebt. Zuerst wusste Halbonkel mütterlicherseits nicht über meine Tätigkeit Bescheid. Bis zu dem Zeitpunkt war mein Leben gut. Währenddessen bin ich immer wieder zwischen der Arbeit und dem Heimatdorf gereist und ich hatte keine Probleme. Dann hat mein Halbonkel mütterlicherseits über meine Tätigkeit herausgefunden. Dann bin ich bedroht worden. Dann bin ich auch von ihnen erwischt und gefoltert worden. Dann ist mir die Flucht gelungen. Von XXXX bin ich nach XXXX gefahren, bin eine Weile dort geblieben und bin dann nach Kabul gefahren und dann von Kabul nach Europa.
R: Sie haben gesagt, Sie sind dann bedroht worden, erwischt worden und gefoltert worden. Was waren das für Bedrohungen? Wann sind Sie erwischt und gefoltert worden? Erzählen Sie mir bitte darüber alles, was Sie angeben können.
BF: Die Taliban haben die Autos im Dorf XXXX kontrolliert. Das haben sie immer gemacht. Es war ganz normal für mich. Dort haben sie mich gefasst. Sie haben mich aus dem Auto mitgenommen und ließen andere vorbeifahren. Sie haben mich in ein Haus mitgenommen. In dem Haus bin ich gefoltert worden und auch schlussendlich von dort geflohen.
R: Können Sie das irgendwie zeitlich einordnen und können Sie mir erzählen, in welcher Weise Sie gefoltert wurden? Das waren dramatische Umstände, die Sie näher schildern können müssten.
BF: Ich bin öfters vom Sohn meines Halbonkels mütterlicherseits gefoltert worden. Er hat mich zusammen mit einem Freund zusammengeschlagen. Anfangs bin ich auch ein paar Mal von meinem Onkel selbst geohrfeigt worden. Sie hatten kein gutes Verhältnis zu meiner Familie aufgrund der Kontakte meines Vaters zu Regierungsleuten.
R: Jetzt sagen Sie, Sie wurden mehrmals zusammengeschlagen. Wann, wie? Wie haben sich die Dinge entwickelt und aus welchem Grund wurden Sie geschlagen? Es ist nicht nachvollziehbar, in welchem Kontext das eingebettet ist. Wie haben die Dinge angefangen und was waren das für Umstände?
BF: Ich kann Ihnen mehr darüber schildern, weil ich derjenige bin, der gefoltert und zusammengeschlagen worden ist.
Ich bin in einem Haus festgehalten worden. Ich bin ein Beamter der Regierung gewesen. Beamte der Regierung sind Feinde für sie, wie eine Feindschaft zwischen Fleisch und Messer. Warum hätte ich für die Regierung gearbeitet? Warum bin ich nicht zu ihnen gekommen, nachdem sie mich aufgefordert hätten, sagten sie.
[ ... ]
R: Sie haben gar nichts darüber erzählt, dass irgendjemand Sie zu etwas aufgefordert hätte. Sie haben gesagt, die ersten drei Monate war Ihr Leben gut. Dann hätten die Probleme begonnen. Erzählen Sie mir doch, wie sich die Dinge entwickelt haben.
BF: Ja. Anfangs bin ich aufgefordert worden, mich ihnen anzuschließen. Ich habe mich geweigert und ich habe diese Aufforderung bzw. die Sache nicht ernstgenommen. Soll ich Ihnen jetzt die Folterumstände schildern?
[ ... ]
R: Ja, zum Beispiel.
BF: Als ich ins Zimmer gebracht wurde, als ich den Raum betreten habe, wurde mir meine Augenbinde abgenommen und auch meine Ausweiskarte. Als ich ja, sagte, wurde ich unmittelbar von meinem Onkel mütterlicherseits links und rechts am Gesicht geschlagen. Ich fragte ihn, warum er das tut. Ich habe ihn mit einem aggressiven Ton gefragt, mit ernstem Blick. Nach Stellung dieser Frage durch mich wurde ich von seinem Sohn mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dann hat er mich gefragt, ob ich für ihn arbeiten würde. Ich habe mich geweigert. Dann bin ich gefoltert worden. Sein Sohn hat mich öfters zusammengeschlagen. Der Sohn meines Onkels war ein Verrückter, ein Kiffer. Dann wurde ich mehrmals gefoltert. Ich lag am Boden. Ich wurde mit einer Peitsche zusammengeschlagen und er hat auf mich eingetreten. Bei dieser Misshandlung habe ich eine Verletzung am Kopf erlitten. Die Narbe sieht man, auch die am rechten Auge und auch bei der Nase. Es war mir schwindlig.
R: Wie ist es dann weitergegangen? Sie wurden geschlagen und mit einer Peitsche misshandelt. Was war in der Folge?
[ ... ]
BF: Danach lag ich am Boden und die Personen haben den Raum verlassen.
R: Was war weiter?
BF: Nachdem sie den Raum verlassen hatten, kam der Sohn meines Onkels wieder in den Raum und brachte mir Essen, etwa ein paar Stunden nachdem sie den Raum verlassen hatten. Danach bin ich von dort geflohen. Ich bin nach XXXX gekommen.
R: Erzählen Sie mir, wie Ihnen die Flucht gelungen ist.
BF: Nachdem mein Cousin mir Essen brachte, ging er aus dem Raum wieder hinaus. Außerhalb des Raumes wollte er Chars rauchen. Währenddessen habe ich meinen Onkel gehört, dass sie weggehen würden und mein Cousin solle dableiben. Mein Onkel und seine Gefolgsleute sind mit den Autos aus dem Haus weggefahren. Nachdem sie weg waren, nachdem mein Cousin Chars geraucht hat, habe ich mit einem Stein wuchtig auf den Kopf meines Cousins geschlagen. Dann bin ich über die hintere Mauer des Hauses hinaufgeklettert. Die Mauer ist nicht sehr hoch. Trotzdem bin ich über die Mauer barfuß weggelaufen und nach XXXX zu meiner Mutter gegangen, um sie in Kenntnis zu setzen.
R: Haben Sie zum Zeitpunkt der Schläge noch dort gearbeitet, in dem Büro des Büroleiters?
BF: Ja, ich wurde entführt, als ich von der Arbeit nach Hause unterwegs war.
R: Sie sind dann nach Hause zu Ihrer Mutter gegangen? Wie lange waren Sie dann noch im Heimatdorf? Wie hat sich der weitere Weg gestaltet?
BF: Am selben Tag habe ich das Heimatdorf verlassen und bin nach XXXX gegangen.
R: Wie lange waren Sie dann noch in XXXX und wann sind Sie dann weiter?
BF: In XXXX bin ich ein paar Tage geblieben, aber genauer kann ich mich nicht erinnern. Dann fuhr ich nach Kabul.
R: Wie lange waren Sie ungefähr in Kabul?
BF: In Kabul war ich ungefähr drei Monate lang.
R: Sie haben vorhin gesagt, dass Sie öfters zusammengeschlagen worden wären? Wie kann man das verstehen? Gab es noch weitere Vorfälle neben dem, wo Sie im Haus waren und den Sie gerade geschildert haben? Oder sind die Misshandlungen alle in diesem Zeitraum zu sehen?
BF: Ja, in dem Zeitraum, als ich in dem Raum festgehalten wurde.
[ ... ]
R: Bei der Erstbefragung ist vermerkt, der Stiefonkel hat sie mehrmals verschleppt und verprügelt. Können Sie dazu etwas sagen? Sind Sie mehrmals verschleppt und verprügelt worden oder war das das einzige Mal?
BF: Ich meinte diese Misshandlungen, die ich gerade erzählt habe.
R: Sind Sie nach dem Vorfall noch einmal zur Arbeit gegangen? Haben Sie dort weitergearbeitet?
BF: Nein.
[ ... ]
R: Wenn Sie heute nach Afghanistan zurückkehren würden und sich zum Beispiel in Mazar-e Sherif oder Herat ansiedeln würden, glauben Sie, dass Sie noch immer Probleme mit dem Onkel und dem Cousin hätten?
BF: 100%, weil sie unsere Verwandten sind. Dadurch, dass wir Verwandte sind, könnten sie mich leicht ausfindig machen.
R: Wie soll das rein praktisch funktionieren, dass man Sie dort finden könnte?
BF: Wenn sie mich heute nicht finden könnten, dann würden sie mich spätestens in einem Monat oder zwei Monaten finden, weil wir Verwandte sind, weil er mein Onkel mütterlicherseits ist. Durch familiäre Kontakte könnte er mich finden.
[ ... ]"
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, stammt aus der Provinz XXXX , Dorf XXXX ( XXXX ), gehört der Volksgruppe der Tadschiken und dem sunnitischen Glauben an. Er ist mittlerweile im Bundesgebiet mit einer asylberichtigten afghanischen Staatsangehörigen verheiratet und hat mit dieser ein gemeinsames Kind, dem im Zuge des Familienverfahrens seiner Ehegattin Asyl durch "Erstreckung" gewährt worden ist.
Der BF hat in Afghanistan 6 Jahre Schulbildung genossen, hat im Anschluss an die Schule als Landarbeiter im Elternhaus gearbeitet und war schließlich vom Mai 2014 bis April/Mai 2015 als "quasi Sekretär" und Helfer bei einem Büroleiter der Provinzialbehörde tätig, wo er Reinigungs-, Sekretariats- und Hilfstätigkeiten verrichtet hat. Ein Stiefonkel mütterlicherseits des BF sowie dessen Sohn (der Cousin des BF) sind Angehörige der Taliban und versuchten den BF, nachdem sie erfahren hatten, dass dieser bei der Provinzialbehörde tätig ist, dafür zu gewinnen, ebenfalls bei den Taliban mitzuarbeiten bzw. mitzukämpfen, was der BF abgelehnt hat. Als sich der BF eines Tages auf den Nachhauseweg befunden hat, wurde das Fahrzeug des BF angehalten, und dieser mit verbundenen Augen in ein Haus verschleppt, wo sich in einem Zimmer der Onkel des BF, sein Cousin und ein Freund des Cousins aufgehalten haben. Dem BF wurde vorgeworfen, dass er für die Regierung arbeite, sowie dass er sich nicht den Taliban anschließen wolle und wurde der BF zunächst vom Stiefonkel geohrfeigt und nach weiterer Weigerung der Zusammenarbeit vom Cousin mehrmals zusammengeschlagen, wobei der BF auch dergestalt misshandelt wurde, dass er, nachdem er schon am Boden gelegen war, mit einer Peitsche und mit Fußtritten misshandelt wurde. Nach mehreren Stunden wurde dem BF schließlich Essen gebracht, der Stiefonkel teilte dem Cousin des BF mit, dass er im Haus bleiben solle, die anderen würden sich wegbegeben. Als der Sohn des Stiefonkels aus dem Haus trat, um Marihuana zu rauchen, ergriff der BF einen Stein und schlug damit den Cousin durch einen wuchtigen Schlag auf den Hinterkopf nieder. In der Folge konnte der BF barfuß über eine Mauer in sein Heimatdorf flüchten, von wo aus er sich umgehend nach XXXX begab, wo er einige Tage aufhältig war, bis er nach Kabul gereist ist. In Kabul hielt sich der BF noch weitere 2 bis 3 Monate auf, bis er schließlich sein Heimatland verließ. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan befürchtet der BF, dass er von seinem Stiefonkel bzw. dessen Sohn aufgefunden werden könnte, wobei ein Auffinden aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses umso wahrscheinlicher erscheine.
Zur allgemeinen politischen, menschenrechtlichen Situation sowie zur Sicherheitslage im Herkunftsland des BF wird festgestellt:
KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
Quellen: - sämtliche im Akt, im LIB aufgelistet
KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).
Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).
Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).
Quellen: - sämtliche im Akt, im LIB aufgelistet
KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).
Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).
Quellen: - sämtliche im Akt, im LIB aufgelistet
KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
Quellen: - sämtliche im Akt, im LIB aufgelistet
KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Zivile Opfer
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Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018). (UNAMA 10.10.2018)Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert: davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
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(UNAMA 10.10.2018) Quellen:
AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): Before Election Day Three: Looking at Kandahar's upcoming vote, https://www.afghanistan-analysts.org/before-election-day-three-looking-at-kandahars-upcoming-vote/, Zugriff 29.10.2018
AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018a): Election Day One (Evening Update): Voter determination and technical shambles, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-one-evening-update-voter-determination-and-technical-shambles/ Zugriff 22.10.2018
AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018b): Election Day Two:
A triumph of administrative chaos, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-two-a-triumph-of-administrative-chaos/, Zugriff 22.10.2018
AAN - Afghanistan Analysts Network (20.10.2018): Election Day One: A rural-urban divide emerging,
https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-one-a-rural-urban-divide-emerging/, Zugriff 22.10.2018
AFP - Agence France Presse (20.10.2018): Nearly 170 casualties as violence rocks chaotic Afghan elections, https://www.afp.com/en/news/15/nearly-170-casualties-violence-rocks-chaotic-afghan-elections-doc-1a599v9, Zugriff 22.10.2018
AJ - Al Jazeera (19.10.2018): Afghanistan: Kandahar elections delayed by a week after killings, https://www.aljazeera.com/news/2018/10/afghan-election-polls-kandahar-delayed-week-181019082632025.html Zugriff 22.10.2018
CNN - Cable News Network (27.10.2018): Kandahar goes to the polls in Afghan parliamentary vote delayed by violence, https://edition.cnn.com/2018/10/27/asia/afghan-elections-kandahar-intl/index.html, Zugriff 29.10.2018
LS - La Stampa (21.10.2018): Ancora sangue sul secondo giorno di voto in Afghanistan,
http://www.lastampa.it/2018/10/21/esteri/ancora-sangue-sul-secondo-giorno-di-voto-in-afghanistan-quhK2AP00HBuCKGBEHU8TN/pagina.html, Zugriff 22.10.2018
RN - Rainews (21.10.2018): Chiusi I seggi in Afghanistan, 4 milioni al voto nonostante gli attacchi dei Talebani, http://www.rainews.it/dl/rainews/articoli/Chiusi-i-seggi-in-Afghanistan-4-milioni-al-voto-nonostante-gli-attacchi-52f120d0-cda8-4c1c-b469-363549cb767c.html, Zugriff 22.10.2018
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018),
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 25.10.2018
KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)
Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.
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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).
Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).
Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).
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(UNAMA 15.7.2018)
Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).
Wahlen
Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Millionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).
Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).
Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).
Quellen: - sämtliche im Akt, im LIB aufgelistet
KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)
Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018
Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).
IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018
Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).
Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab
Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).
Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).
Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).
IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018
Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).
IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018
Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).
Quellen: - sämtliche im Akt, im LIB aufgelistet
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganis