TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/8 98/01/0185

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Veröffentlicht am 08.03.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

ABGB §154;
ABGB §28;
StbG 1985 §42 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der A B in D, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 23. Februar 1998, Zl. Ia 371-11/95, betreffend Feststellung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Februar 1998 hat die Vorarlberger Landesregierung gemäß § 42 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), festgestellt, daß die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze.

Die am 29. März 1941 geborene Beschwerdeführerin habe am 11. Oktober 1995 die Feststellung ihrer österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt. Sie sei als eheliches Kind des Johann und der Barbara Vogrin geboren worden. Ihr Vater sei am 23. April 1911 als uneheliches Kind der Maria Vogrin in Wien geboren worden. Maria Vogrin habe zwar seit 1906 in Wien gelebt, jedoch dort kein Heimatrecht besessen. Der Besitz des Heimatrechtes einer österreichischen Gemeinde sei nicht hervorgekommen. Mit Wirksamkeit vom 29. Oktober 1992 sei Maria Vogrin die Wiener Landesbürgerschaft verliehen worden. Ihr Kind, der Vater der Beschwerdeführerin, sei über ihren Antrag von der Miteinbürgerung ausgenommen worden.

Die Beschwerdeführerin wäre gemäß § 1 lit. b Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetz 1949 ab 27. April 1945 österreichische Staatsbürgerin, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Geburt bei Weitergeltung des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 285 (Staatsbürgerschaftsgesetz 1925) nach dem 13. März 1938 die Bundesbürgerschaft durch Rechtsnachfolge nach einem österreichischen Bundesbürger erworben hätte. Gemäß § 5 Abs. 1 erster Halbsatz erster Fall Staatsbürgerschaftsgesetz 1925 hätten minderjährige eheliche Kindern die Landesbürgerschaft (und damit gemäß § 13 leg. cit. die Bundesbürgerschaft) im Wege der Abstammung nur nach dem Vater erlangen können. Die Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin hänge somit davon ab, ob ihr Vater am 13. März 1938 die Bundesbürgerschaft besessen habe. Da die Verleihung der Landesbürgerschaft an die Großmutter der Beschwerdeführerin nicht auf den Vater der Beschwerdeführerin erstreckt worden sei, habe dieser durch den Verleihungsakt weder die Landesbürgerschaft noch die Bundesbürgerschaft erworben. Da auch sonst keine Umstände hervorgekommen seien, wonach der Vater der Beschwerdeführerin bis zum 13. März 1938 die Bundesbürgerschaft erworben hätte, habe auch die Beschwerdeführerin die Bundesbürgerschaft nicht durch Abstammung erworben. Da auch keine Umstände hervorgekommen seien, wonach die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft zu einem späteren Zeitpunkt erworben habe, sei festzustellen gewesen, daß die Beschwerdeführerin nicht österreichische Staatsbürgerin sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde bekämpft nicht die - unbedenkliche - Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin nach den in der Beschwerde zitierten gesetzlichen Bestimmungen nur dann österreichische Staatsbürgerin wäre, wenn ihr Vater am 13. März 1938 die österreichische Bundesbürgerschaft besessen hätte.

Die Beschwerde wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, daß der eheliche Vater der Beschwerdeführerin anläßlich der Verleihung der Wiener Landesbürgerschaft an dessen uneheliche Mutter mit Wirksamkeit von 29. Oktober 1924 nicht auch Landesbürger (und damit Bundesbürger) geworden sei.

Bis zur Erlassung des am 1. Oktober 1925 in Kraft getretenen Staatsbürgerschaftsgesetzes 1925, BGBl. Nr. 285, somit auch im Zeitpunkt der Verleihung der Wiener Landesbürgerschaft an die Großmutter der Beschwerdeführerin, stellten das ABGB und zahlreiche Hofkanzleidekrete die maßgeblichen Rechtsquellen für das Staatsbürgerschaftsrecht dar (siehe insbesondere die Darstellung der Entwicklung des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts bei Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft I (1989), Seite 32 ff, insbesondere Seite 49). Nach dieser Rechtslage erwarben uneheliche Kinder durch Abstammung die Staatsbürgerschaft der Mutter. Grundsätzlich vollzog ein minderjähriges uneheliches Kind die staatsbürgerschaftsrechtlichen Veränderungen seiner Mutter mit (Thienel, a.a.O., Seite 39 f). Die Einbürgerung des Vaters (bzw. der unehelichen Mutter) ohne gleichzeitige Einbürgerung des minderjährigen Kindes war jedoch möglich (vgl. die im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Erkenntnisse vom 13. März 1911, Budw. 8099/A, und vom 11. Dezember 1912, Budw. 9265/A).

Die Beschwerde bringt vor, daß diese Erkenntnisse für den vorliegenden Fall nicht aussagekräftig seien. Anders als in den diesen Erkenntnissen zugrundeliegenden Fällen habe es sich beim Vater der Beschwerdeführerin nicht um einen zugezogenen Ausländer, sondern um einen im Inland lebenden Staatenlosen gehandelt. Die Erkenntnisse träfen überdies nur Aussagen über die Möglichkeit der Ausschließung eines minderjährigen Kindes von der Miteinbürgerung aus in der Person des Kindes gelegenen Gründen, nicht jedoch über den Verzicht auf die Miteinbürgerung.

Entgegen dieser Ansicht sind die zitierten Erkenntnisse sehr wohl für den vorliegenden Fall maßgeblich. Der Vater der Beschwerdeführerin war nach seinen eigenen Angaben (siehe Aktenseite 51 und Aktenseite 81 sowie die Angaben des Vaters der Beschwerdeführerin im angeschlossenen Akt betreffend dessen Einbürgerung) im Zeitpunkt der Einbürgerung seiner Mutter, die ihn nicht selbst aufgezogen hat, nicht staatenlos, sondern jugoslawischer Staatsbürger und nicht in Österreich, sondern in Jugoslawien aufhältig, wo er in der Folge auch den Militärdienst geleistet hat. Im zitierten Erkenntnis vom 13. März 1911 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß der Ausschluß eines Kindes von der gleichzeitigen Einbürgerung auch durch Verfügung des Vaters (und somit auch der unehelichen Mutter) möglich sei.

Eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer derartigen Verfügung, die im übrigen an der staatsbürgerschaftsrechtlichen Stellung des Vaters der Beschwerdeführerin nichts geändert hat, war - und ist - nicht erforderlich (vgl. zur Rechtslage vor Neufassung von § 154 ABGB mit BGBl. Nr. 403/1977, Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechtes II, Wien, 1924, S. 225).

Inwiefern die - im übrigen auch nach geltendem Recht (durch Unterlassung einer Antragstellung gemäß § 17 StbG) bestehende - Möglichkeit, auf die Miteinbürgerung von Kindern zu verzichten, in einem "Spannungsverhältnis" zu den "Verfassungsprinzipien des Gleichheitsgrundsatzes und des Determinierungsgebotes des Art. 18" stehen soll, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen.

Die Beschwerdeführerin vermeint weiters, daß aus dem Inhalt der Urkunde über die Verleihung der Landesbürgerschaft an ihre Großmutter hervorgehe, daß die Behörde den Verzicht auf die Miteinbürgerung des Vaters der Beschwerdeführerin nicht angenommen habe. In der Urkunde sei die Rubrik "und ihren minderjährigen ehelichen Kindern" durchgestrichen. Der folgende Text laute jedoch:

"Sie und ihre vorgenannten Familienmitglieder sind von diesem Tag an österreichische Bundesbürger und in Wien heimatberechtigt". Entgegen dieser Ansicht ist die Textpassage, daß die Landesbürgerschaft an die Großmutter der Beschwerdeführerin und die vorgenannten Familienmitglieder verliehen werde, eindeutig so zu verstehen, daß mangels Nennung von Familienangehörigen im vorstehenden Text nur die Großmutter, jedoch keine Angehörigen eingebürgert werden.

Der Vater der Beschwerdeführerin ist somit nicht am 29. Oktober 1924 gemeinsam mit seiner unehelichen Mutter Bundesbürger geworden.

Die Beschwerde wirft der belangten Behörde insoweit einen Verfahrensfehler vor, als keine Ermittlungsschritte im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihrem Vater sei 1960 das Heimatrecht bescheinigt worden, gesetzt worden seien. Ein Heimatschein mit unrichtigem Geburtsdatum sei vom Magistrat der Stadt Wien bereits im Jahr 1960 an die österreichische Botschaft in Caracas gesendet worden.

Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde sehr wohl Schritte zur Aufklärung dieses Vorbringens gesetzt hat. Sie hat insbesondere beim Magistrat der Stadt Wien angefragt, ob sich aus den dortigen Unterlagen das Vorbringen der Beschwerdeführerin verifizieren lasse, und hat den Verleihungsakt betreffend die Großmutter der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 1924 sowie die Verwaltungsakten betreffend die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Vater der Beschwerdeführerin beigeschafft. Daraus ergibt sich im wesentlichen, daß der Vater der Beschwerdeführerin, der damals jugoslawischer Staatsangehöriger war, bereits im Jahr 1950 um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht hat. Eine positive Erledigung dieses Verfahrens konnte nicht erfolgen, weil der Antragsteller noch im selben Jahr nach Venezuela ausgewandert ist. In der Folge wurde dem Vater der Beschwerdeführerin die venezolanische Staatsbürgerschaft verliehen (was im übrigen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 iVm § 15 Staatsbürgerschaftsgesetz 1925 bzw. § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 ohne ausdrückliche Bewilligung der Beibehaltung zum Verlust einer allenfalls bestehenden österreichischen Staatsbürgerschaft geführt hätte), welche er bis zum Jahr 1971, in welchem ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, inne hatte.

Daß die belangte Behörde im Hinblick auf dieses eindeutige Ermittlungsergebnis ohne weitere Erhebungen zu dem Schluß kam, die Beschwerdeführerin habe die österreichische Staatsbürgerschaft nicht durch Abstammung erworben, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal aus dem vorgebrachten Umstand, daß ein Heimatschein auf eine Person mit dem Namen des Vaters der Beschwerdeführerin, aber mit einem anderen Geburtsdatum ausgestellt worden sei, keinesfalls zwingend auf die - am 13. März 1938 bestehende - Staatsbürgerschaft des Vaters der Beschwerdeführerin geschlossen werden kann.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 8. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010185.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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