TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/8 98/01/0278

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Veröffentlicht am 08.03.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des F B in O, vertreten durch Dr. Gertraud Hofer, Rechtsanwältin in 7400 Oberwart, Wiener Straße 2/2/11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. März 1998, Zl. 200.536/0-IV/10/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation albanischer Nationalität, der am 12. Oktober 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist und am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt hat, hat am 14. Oktober 1997 bei der Vernehmung durch das Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen folgendes angegeben:

"Am 01.10.1997 habe ich an einer Demonstration in Pristina teilgenommen; es handelte sich dabei um eine Studentendemonstration, um den freien Zugang zur Universität, der durch die Serben unterbunden ist, zu erreichen.

Weitere Gründe habe ich nicht anzuführen.

F.: Warum reisten Sie tatsächlich aus?

A.: Als Teilnehmer der Demonstration hatte ich Schwierigkeiten.

F.: Können Sie diese Schwierigkeiten genau beschreiben?

A.: (nach längerer Pause) Am 02.10.1997 fand in meinen Haus

eine Durchsuchung statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich bereits nach Pec zu meinen Onkel begeben.

Nachdem ich von der Hausdurchsuchung erfahren hatte, entschloß ich mich, das Land zu verlassen und fuhr wie bereits angegeben, nach Pristina.

Ich war Mitglied der Partei "LDK" und lege dazu auch einen Mitgliedsausweis sowie eine Bestätigung vom 09.10.1997 vor. Ich bin seit insgesamt 7 Jahren, also seit Parteigründung Mitglied.

Wir protestierten im Zuge der Demonstration gegen die Schließung der Universitäten; obwohl wir völlig gewaltlos unsere Meinung vertraten, kam es zu gewaltsamen Übergriffen seitens der Polizei. Unglücklicherweise versetzte man mir 2 Schläge, sodaß ich davonlief.

Da ich an der Organisation mitgewirkt habe, durchsuchte man am nächsten Tag mein Haus, da die Demonstration verboten war.

Während der Haudurchsuchung war meine gesamte Familie anwesend. Die Polizei teilte meiner Familie mit, daß man mich sucht, um mich vor Gericht zu bringen.

Während meines Aufenthaltes in Pristina fand am 06.10.1997 bei meinem Onkel in Pec ebenfalls eine Hausdurchsuchung statt. Ich erfuhr davon aufgrund eines Anrufes, den ich von Pristina aus getätigt habe.

Am 07.10.1997 wurde wiederum eine Hausdurchsuchung bei meinen Eltern durchgeführt und mein Vater sowie mein Bruder wurden zur Befragung mitgenommen und geschlagen.

F.: Hatten Sie vor dem geschilderten Vorfall bereits Probleme?

A.: Ich nahm zwar an Demonstrationen teil, hatte aber nie

Schwierigkeiten mit den Behörden/der Polizei.

Am 20.10.1994 erhielt ich einen Einberufungsbefehl, dem ich jedoch nicht nachkam; ich hatte diesbezüglich jedoch keinerlei Schwierigkeiten.

Mein Vater und mein Bruder wurden auch zu meiner Person befragt, trafen jedoch keine Angaben, weshalb man sie verprügelte, jedoch letztendlich freiließ.

Im Falle meiner Rückkehr, vermute ich, daß man mich ins Gefängnis steckt, da ich davon ausgehe, daß meine Rolle als Organisator mittlerweile bekannt ist.

Nunmehr wird mir die Niederschrift rückübersetzt und ich werde aufgefordert anzugeben, ob ich dem etwas hinzuzufügen habe.

Nach Rückübersetzung der Niederschrift gebe ich an, daß diese richtig und vollständig ist und ich dem nichts hinzuzufügen habe.

F.: Erfuhren Sie telefonisch seitens der Eltern von der Hausdurchsuchung am 02.10.1997?

A.: Bei der ersten Hausdurchsuchung war ich zuhause und lief erst davon, nachdem ich die Polizisten gesehen habe.

V.: Eingangs führten Sie aus, erst bei Ihrem Onkel von der Hausdurchsuchung am 02.10.1997 erfahren zu haben, da Sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Hause Ihrer Eltern befanden.

A.: Ich teilte von Anfang an mit, daß ich erst flüchtete, nachdem ich die Polizisten gesehen hatte. Dieser Irrtum dürfte aufgrund eines Mißverständnisses im Zuge der Übersetzung beruhen.

V.: Die Niederschrift wurde Ihnen rückübersetzt und Sie führten aus, daß diese richtig ist. Nehmen Sie dazu Stellung.

A.: Ich habe nicht so genau mitgedacht.

F.: Beschränkte sich der Kontakt zum Elternhaus lediglich auf Telefonate?

A.: Nein, mein Bruder kam zu meinen Onkel nach Pec und teilte mit die Vorfälle mit.

Während meines Aufenthaltes in Pristina hatte ich nur telefonischen Kontakt zu meinen Onkel. Die Bestätigung der Partei besorgte mein Onkel in Istog und schickte sie mit einem Busfahrer nach Pristina . Es war für meinen Onkel kein Problem die Bestätigung, die ich noch am selben Tag erhielt, zu erlangen. Die Polizei hat bei der Partei Erkundigungen bzgl. meiner Person eingezogen. Mein Vater ist Obmann der "LDK" in unserem Dorf.

An der Demonstration nahmen 400.000 bis 500.000 Demonstranten, die aus dem gesamten Kosovo angereist waren, teil.

Über Vorhalt, daß ho. gewaltsame Vorgangsweisen im Zuge von Auseinandersetzungen mit den Serben bekannt sind, gebe ich an, daß unsere Demonstration auf unserer Seite ausschließlich friedlich verlief.

Ich bleibe bei meinen Aussagen; diese entsprechen der Wahrheit.

Zur Organisation derartiger Demonstrationen braucht man im Kosovo nicht einmal 2 Tage, sondern vielmehr 2 Stunden. Ich selbst habe Flugblätter verteilt und Mundpropaganda gemacht. Jeder Student war an der Organisation beteiligt.

F.: Warum haben Sie sich nicht in einen anderen Landesteil begeben?

A.: Es gibt im Kosovo keine albanischen Polizisten. Es könnte sein, daß man mich im ganzen Land seitens der Polizei sucht."

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 hat das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen.

In der dagegen gerichteten Berufung erstattete der Beschwerdeführer kein weiteres Sachverhaltsvorbringen und brachte vor, daß eine Rückkehr in seine Heimat für ihn den "Selbstmord" bedeuten würde. Die Angehörigen der albanischen Nationalität müßten mit Repressalien, Gefängnisstrafen und dem Tod rechnen.

Mit Bescheid vom 27. März 1998 hat der Unabhängige Bundesasylsenat der Berufung nicht stattgegeben und den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde übernahm in der Begründung ihres Bescheides zulässigerweise (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045) die Tatsachenfeststellung, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Bescheides und ergänzte dies durch eigene Ausführungen. Sie stellte zusammengefaßt folgenden Sachverhalt fest (wobei die entsprechenden Ausführungen teilweise in der rechtlichen Beurteilung enthalten sind):

Der Beschwerdeführer sei Mitglied der LDK, einer zugelassenen und zumindest offiziell geduldeten Partei, die im Kosovo flächendeckend organisiert sei. Diese Partei habe unter den 1,8 Millionen ethnischen Albanern im Kosovo etwa 700.000 Mitglieder. Der Beschwerdeführer habe weder in dieser Partei noch in der Studentenbewegung eine verantwortliche Stellung innegehabt. Er habe am 1. Oktober 1997 gemeinsam mit etwa 20.000 Personen an einer Studentendemonstration in Pristina teilgenommen. An der Organisation dieser Demonstration habe er nicht mitgewirkt, er habe lediglich - wie alle teilnehmenden Studenten - die Nachricht verbreitet, daß eine Demonstration stattfinden werde. Im Haus des Beschwerdeführers habe eine Hausdurchsuchung stattgefunden, wobei nicht festgestellt werden könne, ob dies mit der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der LDK oder der Teilnahme an der Demonstration im Zusammenhang stehe. Am 20. Oktober 1994 habe der Beschwerdeführer einen Einberufungsbefehl erhalten, dem er nicht Folge geleistet habe. Deswegen habe er jedoch keine "Schwierigkeiten" gehabt.

Zu diesen Feststellungen gelangte die belangte Behörde aufgrund nachstehender Beweiswürdigung:

Die Angaben des Beschwerdeführers seien nur nach oftmaligem Nachfragen erfolgt. Ursprünglich habe sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, daß er an einer Demonstration teilgenommen und anschließend sein Heimatland verlassen habe. Auf Vorhalte von Widersprüchen habe er teilweise lediglich mit einem Lachen reagiert. Ein erheblicher Widerspruch bestehe darin, daß er einerseits angegeben habe, am 2. Oktober 1997 bereits bei seinem Onkel aufhältig gewesen zu sein, während in seinem Elternhaus eine Hausdurchsuchung stattgefunden hätte. Nachdem er von der Hausdurchsuchung erfahren hätte, hätte er sich entschlossen, zu fliehen. Nach Rückübersetzung diese Passage habe der Beschwerdeführer deren Richtigkeit und Vollständigkeit bestätigt. Im Zuge der weiteren Befragung habe er jedoch ausgeführt, bei der Hausdurchsuchung am 2. Oktober 1997 zu Hause gewesen und erst davongelaufen zu sein, als er die Polizisten gesehen hätte. Über Vorhalt dieses Widerspruches habe der Beschwerdeführer erklärt, nie etwas anderes behauptet zu haben und daß es sich wahrscheinlich um ein Mißverständnis im Zuge der Übersetzung gehandelt habe. Über Vorhalt, daß ihm dies im Zuge der Rückübersetzung hätte auffallen müssen, habe der Beschwerdeführer lächelnd erklärt, in diesem Zeitpunkt nicht so genau mitgedacht zu haben. Weiters habe der Beschwerdeführer die Anzahl der Demonstranten bei der Studentendemonstration mit 400.000 bis 500.000 angegeben, was schon im Hinblick auf die Größe Pristinas (110.000 Einwohner) nicht glaubwürdig sei. Tatsächlich habe die Anzahl der Demonstration lediglich 20.000 betragen. Aufgrund dieser völlig falschen Aussagen über die Anzahl der Demonstrationsteilnehmer sei auch nicht glaubwürdig, daß der Beschwerdeführer tatsächlich Mitorganisator der Demonstration gewesen sei.

Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Selbst wenn man den Beschwerdeführer konzediert, daß sein Lachen bei der Vernehmung auch durch die für ihn dabei herrschende Streßsituation ausgelöst worden sei könnte, ist es nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer aufgrund der dargestellten Widersprüche und Ungereimtheiten in seiner Aussage nicht in allen Punkten geglaubt hat.

Zur rechtlichen Beurteilung vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß weder die Mitgliedschaft bei der LDK noch die Teilnahme an einer Studentendemonstration die Flüchtlingseigenschaft begründen könnten. Die Hausdurchsuchung zur Ausforschung des Beschwerdeführers - sei es wegen der Mitgliedschaft bei der LDK oder wegen der Demonstrationsteilnahme - stelle ebenfalls keine asylrelevante Verfolgung dar.

Diese Beurteilung kann vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. insbesondere das zum Fall eines ethnischen Albaners aus dem Kosovo, der aufgrund seiner führenden Tätigkeit bei einer Studentendemonstration mißhandelt und am folgenden Tag verhaftet wurde, jedoch fliehen konnte, ergangene hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 98/01/0224).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Anwendung von § 4 Asylgesetz 1997 (Unzulässigkeit des Asylantrages wegen "Drittstaatsicherheit") wendet, ist ihm zu entgegnen, daß die belangte Behörde ihren Bescheid nicht auf diese Bestimmung gestützt hat.

Zu Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß der angefochtene Bescheid eine Fülle von grammatikalischen und stilistischen Fehlern aufweist, die seinen Gehalt teilweise nur schwer verständlich machen. Insbesondere gilt das für folgenden, auf Seite 8 des angefochtenen Bescheides enthaltenen Absatz:

"Des insbesonderen, die derartige Erscheinungen alle Bevölkerungsteile gleichermaßen treffen und geradezu beispielhaft die allgemein herrschende politische und soziale Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers zu spiegeln; genauso wie die Tatsache, daß nach dem eigenen Vorbringen des Asylwerbers, er 1994 einer Einberufung nicht Folge geleistet habe (wie amtsbekannt mind. 3/4 der ethnischen Albaner) und es in der Folge aus diesem Grund nicht einmal zu wirksamen Verfolgungshandlungen gekommen ist."

Dies begründet jedoch keinen Verfahrensmangel, weil die belangte Behörde - wie dargestellt zu Recht - auch auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen hat und im Zusammenhang mit dieser der oben dargestellte Inhalt des angefochtenen Bescheides ausreichend klar erkennbar ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010278.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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