Entscheidungsdatum
12.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L518 2205325-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Steininger als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über
das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF,§§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG,BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "bP" bzw. "BF" bezeichnet), ist ein männlicher Staatsangehöriger der Republik Georgien und brachte nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union (BRD) und in weiterer Folge nach Österreich am 15.7.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nunmehr belangte Behörde (in weiterer Folge "bB") einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden:
Im Zuge der am 15.7.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Klagenfurt erfolgten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF die im Spruch bezeichneten Personaldaten bekannt. Seine Frau, seine beiden minderjährigen Kinder und ein Bruder leben im Heimatland. Ein Weiterer Bruder lebt in der Türkei.
Da er in Deutschland keine Sicherheit gespürt habe, sei der BF nach Österreich weitergereist.
Zum Ausreisegrund befragt, führte die bP ins Treffen in Georgien als Polizeiinformant fungiert und mehrere Personen ins Gefängnis gebracht zu haben. Da diese Personen nunmehr wieder auf freien Fuß seien habe der BF Todesängste und hätten bereits zwei Personen sein Haus belagert.
Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde folglich zugelassen und wurde der BF am 7.8.2018 durch einen Organwalter der EAST West niederschriftlich einvernommen:
"...
LA: Werden Sie im Asylverfahren durch einen Rechtsanwalt oder durch eine andere Person oder eine Organisation vertreten?
VP: Nein.
LA: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage heute die gestellten Fragen zu beantworten?
VP: Ja.
LA: Leiden Sie an irgendwelchen Krankheiten, benötigen Sie Medikamente?
VP: Nein.
LA: Sie wurden zu diesem Antrag auf int. Schutz bereits am 15.07.2018 von der Polizei in Klagenfurt erstbefragt. Entsprechen die dabei von Ihnen gemachten Angaben der Wahrheit bzw. möchten Sie dazu noch Korrekturen oder Ergänzungen anführen?
VP: Alles was ich erzählt habe dort, hat der Wahrheit entsprochen, ich möchte nichts berichtigen.
LA: Haben Sie in Österreich Verwandte oder andere Personen zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?
VP: Nein.
LA: Welche Staaten haben Sie durchreist, bis Sie von Georgien schlussendlich nach Österreich gelangt sind?
VP: In der Türkei habe ich Verwandtschaft, die haben mir ein Ticket gekauft. Dann nach Kiew, Ukraine und dann mit einem Bus hierher. Und zu Fuß - 7 Tage lang war ich auf der Straße.
LA: Sind Sie in Deutschland auch gewesen?
VP: Von der Ukraine bin ich nach Deutschland und dann nach Österreich.
[...]
LA: Haben Sie Ihr Heimatland schon öfters verlassen?
VP: Ja.
[...]
LA: Ich meine die Jahre zuvor?
VP: Ich bin zum ersten Mal hier in Europa, ich habe Georgien noch nie verlassen.
LA: Ist Ihnen bewusst, dass wir Ihren Reisepass mit den Ein- und Ausreisestempel haben?
VP: Ja, ich war in der Ukraine und habe dort gearbeitet und habe nichts verdient. Dort kann man 3 Monate lang ohne Visum bleiben, genauso in der Türkei.
LA: Waren Sie auch schon in der Slowakei?
VP: Ich weiß es nicht. Ich bin zum ersten Mal hier und kenne mich nicht aus. In Wien habe ich am Bahnhof geschlafen, da hab ich einen getroffen, der hat mir gesagt, dass ich hier herfahren soll.
LA: Waren Sie 2016 und 2017 alleine oder mit Ihrer Familie in der Ukraine?
VP: Immer alleine.
LA: Aus welchem Grund waren Sie dort?
VP: Ich habe dort gearbeitet. Es wurde mir kein Geld bezahlt und ich wurde hinausgeworfen. Ich habe dort Verwandtschaft.
LA: Was haben Sie für eine Ausbildung und welchen Schulabschluss besitzen Sie?
VP: 9 Klassen Hauptschule.
LA: Was für einen Beruf übten Sie in Georgien aus?
VP: Ich habe keinen Beruf. Ich habe ein kleines Geschäft betrieben, das wurde mir kaputt gemacht und ich habe mein Geld verloren. Danach habe ich für die Polizei als verdeckter Ermittler gearbeitet.
LA: Bei der Polizei haben Sie angegeben Fischer gewesen zu sein - warum sagen Sie das jetzt nicht?
VP: Ich war damals 15 Jahre alt.
LA: Haben Sie mit Arbeiten im Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt finanzieren können?
VP: Ja.
LA: Wie viel haben Sie im Herkunftsstaat durchschnittlich pro Monat verdient?
VP: Ich habe durchschnittlich 500-600 Lari verdient - das sind ca. 150-200 Euro.
LA: Wo haben Sie Herkunftsstaat gewohnt?
VP: Im Dorf XXXX - in der Nähe von XXXX .
LA: Wie war die Wohnsituation?
VP: Ich habe dort keinen Wohnsitz. Wir mieten dort ein Zimmer in einem Haus - unsere ganze Familie lebt dort in einem Zimmer.
LA: Könnten Sie dort wieder wohnen, wenn Sie in den Georgien zurückkehren würden?
VP: Ja, kein Problem.
LA: Sind die Angaben über Ihre Verwandten aus der Erstbefragung korrekt aufgenommen worden?
VP: Ja.
LA: Welches Land war Ihr Reiseziel als Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?
VP: Österreich. Alle sagen Österreich ist gut. In Österreich würde ich keine Probleme bekommen.
LA: Stellten Sie je zuvor in einem anderen Land einen Asylantrag?
VP: Nein, ich wollte in Deutschland einen Antrag stellen, aber die Polizei hat mich verscheucht. In Prag habe ich im Bahnhofsgebäude geschlafen. Da kam die Polizei. Ich habe denen gesagt, dass ich kein Geld und keine Bleibe habe und haben gesagt ich solle verschwinden, Sie wollen mich nicht haben.
LA: Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen?
VP: Ich habe für die Polizei gearbeitet - die haben mir wenig Geld dafür gegeben. Danach haben Bekannte davon erfahren und haben mich deswegen verprügelt.
LA: Sind Sie damit einverstanden, dass die ho. Behörde unter Wahrung Ihrer Anonymität in Ihrem Heimatstaat Ermittlungen zu Ihren Angaben tätigt, um die Echtheit zu überprüfen?
VP: Ja.
LA: Können Sie diesbezüglich irgendwelche Beweismittel vorlegen?
VP: Nein, woher soll ich etwas haben.
LA: Was sind das für Personen gewesen, die Sie verprügelt hätten?
VP: Die Kerle von dort. Kriminelle.
LA: Woher kennen Sie diese Personen?
VP: Ich kenne sie nicht, ich habe für die Polizei ermittelt, die haben dann davon erfahren. Diese Personen mögen so etwas nicht. 60 % der Bevölkerung sind kriminell. Sie wollten nicht, dass ich für die Polizei ermittle.
LA: Können Sie diese Personen mit Namen nennen?
VP: Ich würde dort Probleme bekommen, wenn ich die Namen dieser konkreten Personen hier nennen würde.
LA: Sie wurden belehrt, dass Ihre Angaben streng vertraulich behandelt werden und nicht weitergegeben werden.
VP: Ja.
LA: Um Ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen müssen Sie das bekannt geben.
VP: Die erste Person heißt XXXX - er ist zweimal vorbestraft - er ist zweimal gesessen. XXXX - er ist jetzt in der Ukraine und ist dort gesessen. Von XXXX kenne ich nur den Nachnamen - er kommt aus XXXX , Georgien, er war 20 Jahre hinter Gittern. Das ist eine Bande.
LA: Weshalb wurde XXXX verurteilt?
VP: Ich weiß es nicht.
LA: Welche Informationen haben Sie der Polizei über XXXX bekanntgegeben?
VP: Ich habe die Polizei verständigt, dass diese Person angeblich einem Minderjährigen Heroin gegeben hat.
LA: Woher haben Sie diese Information?
VP: Ich habe das selbst gesehen, weil ich als verdeckter Ermittler tätig war.
LA: An welchem Tag haben Sie das beobachtet?
VP: Ich kann mich nicht erinnern. Es war vor 5-6 Monaten
LA: Von wann bis wann ist diese Person in Georgien in Haft gewesen?
VP: Er war für 3 Monate inhaftiert, dann hat er jemanden geschmiert
-
Sie wissen ja, wie das in Georgien ist - jetzt ist er wieder auf freien Fuß. Er will von mir 5.000 Lari. Er hat mich 2 Mal verprügelt
-
es waren insgesamt 5 Personen, die mich verprügelt haben.
LA: An welchen Daten war das genau?
VP: Ich weiß es nicht - vor ca. 3 Monaten - das Datum kann ich nicht genau sagen - auch den Monat nicht.
LA: Von wann bis wann ist XXXX in Haft gewesen?
VP: Ich kann mich nicht erinnern - woher soll ich das wissen. In Georgien habe ich alles aufgeschrieben.
LA: Wie heißt Ihre Verbindungsperson bei der Polizei?
VP: In Georgien habe ich ein Papier unterschrieben, dass ich alles vertraulich mache - ich darf keine Informationen nach außen liefern.
LA: Sie können hier alles sagen - es wird streng vertraulich behandelt.
VP: Gut dann nenne ich den Namen: XXXX und XXXX .
LA: In welcher Dienststelle arbeiten diese Personen?
VP: XXXX ist der Leiter der Kriminalpolizei, der andere sein Stellvertreter.
LA: Für welches Gebiet sind die zuständig?
VP: Für die Stadt XXXX , eine kleine Stadt am Schwarzen Meer.
LA: Weshalb wurde XXXX verurteilt?
VP: Versuchter Mord - das Verbrechen wurde in der Ukraine begangen - dort wurde er auch verurteilt. Jetzt ist er auch in der Ukraine.
LA: Welche Informationen haben Sie der Polizei über XXXX bekanntgegeben?
VP: Er ist aus der Ukraine nach Georgien gekommen und hat viele Kriminelle zu sich gerufen. Jeder musste an ihn 20 Lari bezahlen.
LA: Das ist die Information, die Sie der Polizei gegeben haben?
VP: Ja, das ist verboten.
LA: Ist XXXX deshalb in Georgien inhaftiert worden?
VP: Dafür wurde er ein Jahr hinter Gitter gebracht.
LA: Wie viel sind 20 Lari in Euro?
VP: Ungefähr 7 Euro.
LA: XXXX hat von Kriminellen umgerechnet 7 Euro verlangt, Sie haben das der Polizei gemeldet und deshalb wurde er für ein Jahr inhaftiert, richtig?
VP: Das ist kriminell und das ist verboten.
LA: Finden Sie das Strafmaß nicht etwas hoch?
VP: Nein, das ist nicht viel.
LA: Von wann bis wann genau ist XXXX in Georgien in Haft gewesen?
VP: 2015-2016.
LA: Können Sie das nicht genauer angeben?
VP: Ich kann mich nicht erinnern.
LA: Woher haben Sie die Informationen gehabt, die zu der Inhaftierung geführt haben?
VP: Ich war dabei, wie er alle Kriminellen versammelt hat. Ich selbst habe auch 20 Lari gegeben, weil er nicht gewusst hat, dass ich für die Polizei arbeite.
LA: Wann war diese Versammlung genau?
VP: 2015, das Monat kann ich nicht sagen.
LA: Wo hat diese Versammlung genau stattgefunden?
VP: In XXXX , das ist direkt am Strand - sehr gute Lage.
LA: Aus was für einen Grund hat er das Geld verlangt?
VP: Das ist sozusagen gemeinsame Beute. Ein krimineller Pate aus Moskau hat XXXX das geraten. Dieser heißt XXXX .
LA: Weshalb wurde XXXX inhaftiert?
VP: Er wurde für Mord in Moskau verurteilt - er ist dafür 12 Jahre gesessen und ist danach nach Georgien gekommen. Er hatte Waffen in Besitz - ich habe das der Polizei gesagt und dafür hat er in Georgien 5 Jahre bekommen. Er wurde zuhause festgenommen.
LA: Woher haben Sie diese Informationen?
VP: Nachdem er in Russland freigelassen wurde und nach Georgien gekommen ist, hat er alle Kriminellen zu sich geholt, weil er krank war. Jeder hat Geld für seine Genesung freiwillig gegeben.
Ich war auch dort - ich habe selbst die Waffen gesehen und habe sofort die Polizei verständigt. Munition und Waffen.
LA: Was waren das für Waffen?
VP: Kalaschnikows und kurze abgeschnittene Waffe, das macht man so in Russland.
LA: Von wann bis wann ist diese Person in Georgien in Haft gewesen?
VP: Nachdem er 4 und 2 Monate inhaftiert wurde, ist er frei gelassen worden. Vor 3-4 Monaten wurde er entlassen, 2014 wurde er inhaftiert.
LA: Sind das alle Personen, die wegen Ihnen inhaftiert worden wären?
VP: Ja.
LA: Wann haben Sie als verdeckter Ermittler zu arbeiten begonnen?
VP: Von 2012 bis vor 6 Monaten. Weil alle davon erfahren haben - ich weiß, dass sie mich töten würden. Alle Kriminellen haben davon erfahren.
LA: Woher würden diese Personen wissen, dass Sie sie verraten hätten?
VP: Durch einen Anruf bei der Polizei. In der Nacht habe ich gesehen wie einer einem Minderjährigen Heroin verkauft hatte und ich habe sofort die Polizei angerufen. Die Kriminellen wollten damit herausfinden, wer ein verdeckter Ermittler ist. Diese Situation wurde absichtlich so gestellt.
LA: Wann ist das genau gewesen?
VP: An das Datum kann ich mich nicht erinnern.
LA: Wie lange ist das etwa her?
VP: In der Nacht... Vor 4 Monaten.
LA: Hat es konkrete Bedrohungen durch Personen aus dieser kriminellen Vereinigung gegeben?
VP: Ja.
LA: Gehören die drei Personen zu derselben kriminellen Vereinigung?
VP: Selbstverständlich - der dritte ist 60 Jahre alt und ist ihr Pate. Sie tun alles was er sagt. Ich habe Nüsse verkauft - das war vor 7 Monate. Sie haben mir das Geld weggenommen. Ich habe 2 Tonnen Nüsse gekauft - Sie haben mir alles weggenommen und 6.700 Lari haben Sie mir auch weggenommen.
LA: Wo haben Sie die 2 Tonnen Nüsse gelagert?
VP: Bei mir zuhause, in einem kleinen Lagerhaus. Sie sagten zu mir, wenn ich die Sache mit den Nüssen der Polizei erzähle, dann würden sie mich und meine Familie töten.
LA: Wissen diese Personen, wo Sie privat wohnen?
VP: Ja, selbstverständlich - die wissen alles. Georgien ist klein - jeder kennt jeden - überall sind diese Kriminellen.
LA: Wann genau wäre dieser Vorfall gewesen mit den Nüssen und dem Geld?
VP: Vor 4 Monaten. Ich habe Geld bei der Bank geliehen bekommen und mein Nachbar auch. Und dieses Geld kann ich nicht zurückzahlen.
LA: Sie haben also Schulden bei der Bank?
VP: Viele Schulden - sehr viele, insgesamt 10.000 Lari. 5.000-6.000 Euro ungefähr.
LA: Warum haben Sie angefangen, für die Polizei zu arbeiten?
VP: Polizei hat mir Geld versprochen, aber keines bezahlt. Sie ließen mich einfach fallen.
LA: Sie haben ohne Bezahlung 6 Jahre für die Polizei gearbeitet?
VP: Sie haben mir doch 150 Lari bezahlt und mir Zigaretten und Essen gegeben - Sie haben nicht alle meine Schulden bezahlt, wie sie versprochen hatten.
LA: Woher hatten Sie die hohen Schulden?
VP: Wegen der 2 Tonnen Nüssen. Die kosten 12.000 Lari.
LA: Was waren das für Nüsse?
VP: Ich weiß nicht, wie die auf Russisch heißen - angeblich Walnüsse.
LA: Von wem wurden Sie genau bedroht?
VP: Die drei genannten und 2 unbekannte.
LA: Wie hat die Bedrohung stattgefunden?
VP: Sie sind gekommen - ich war im Lagerhaus bei den Nüssen - alle drei mit Messern bewaffnet. Sie haben Nüsse und Geld weggenommen und gesagt, ich solle schweigen, sonst passiert mir und meiner Familie was.
LA: War das bei Ihrer Wohnadresse oder ist das Lagerhaus woanders?
VP: 200 Meter davon entfernt.
LA: Ist Ihre Familie dort in Gefahr Ihrer Meinung nach?
VP: Nein, sie wohnen nicht mehr dort, sondern bei Verwandten an einem anderen Ort. Meine Frau hat mich gestern angerufen, sie hat XXXX aus der Entfernung gesehen - er hat nichts gesagt.
LA: Kennen diese Personen Ihre Familie?
VP: Ja.
LA: Woher kennt Ihre Frau diese Personen?
VP: Meine Frau war anwesend, wie die Personen beim Lagerhaus waren.
LA: Warum Sie Ihre Familie alleine in dieser Gefahr zurücklassen?
VP: Ich habe sie nicht in Gefahr gelassen - sie sind bei Verwandten. XXXX will 5.000 Lari und wird uns dann in Ruhe lassen. Dieses Geld werde ich verdienen und ihn bezahlen.
LA: Verstehe ich Sie richtig - Sie wollen das Geld jetzt hier in West-Europa verdienen und dann wieder nach Georgien zurückkehren?
VP: Ja, so wird es wohl werden - das sind ungefähr 2000 Euro. Sie haben mich verprügelt und ich habe hinten im Nacken eine Schramme davon.
LA: Wann genau haben Sie beschlossen Georgien zu verlassen?
VP: Vor ca. 3 Monaten, als ich verprügelt worden bin - nicht ganz 3 Monate. Sie haben mich so stark verprügelt, dass ich 2 Tage lang nur im Bett gelegen bin und geschlafen habe. Zu zehnt haben Sie mich verprügelt.
LA: Haben Sie sich an die Sicherheitsbörden in Ihrem Herkunftsstaat gewandt nach diesem Vorfall?
VP: Nein, ich wurde bedroht von denen - sie drohten meine Familie zu töten, wenn ich jemanden informiere, deshalb habe ich niemanden informiert.
LA: Sie haben zuvor gesagt, Ihre Familie wäre nicht in Gefahr?
VP: Jetzt nicht mehr - jetzt warten die Kriminellen, weil ich ihnen gesagt habe, dass ich das Geld zahlen werde
LA: Wie gedenken Sie dieses Geld zu verdienen?
VP: Ich weiß es nicht - wenn Sie mir helfen einen Job zu bekommen... Ich war in der Ukraine und habe dort gearbeitet und dann wurde ich angerufen, dass Kriminelle nach mir suchen. Deshalb bin ich geflüchtet.
LA: Sie sind also aus der Ukraine und nicht aus Georgien geflüchtet?
VP: Zuerst aus Georgien und dann aus der Ukraine, sie suchen nach mir.
LA: Wo wohnt Ihre Familie jetzt genau?
VP: Im Dorf XXXX .
LA: An welcher Adresse genau?
VP: Es gibt keine Adresse dort.
LA: Bei wem wohnen sie dort?
VP: Bei meinem Onkel.
LA: Wie ist sein Name?
VP: XXXX .
LA: Wer wohnt dort noch?
VP: Meine Tante und deren 2 Söhne - also meine Cousins.
LA: Könnten Sie nicht eigentlich nach Georgien zurück und dort das Geld verdienen?
VP: Nein, sie würden mich dort töten.
LA: Haben Sie sich schon einmal an die Polizei wegen Hilfe gewandt?
VP: Nein, die Personen haben es mir verboten und gesagt sie würden mich verbrennen.
LA: Sie haben bei der Polizei ausgesagt, dass Sie sich in Deutschland nicht sicher gefühlt hätten - erst hier in Österreich - können Sie das begründen?
VP: Weil ich zur Polizei in Deutschland gesagt habe, dass ich seit 7 Tagen nichts gegessen habe und die mich dann nicht haben wollten und weggeschickt haben. Hier in Österreich habe ich was zu essen bekommen.
LA: Sie haben mit der Ladung zu der heutigen Befragung auch die Länderfeststellungen zu Georgien ausgehändigt bekommen. Möchten Sie eine Stellungnahme dazu abgeben?
VP: Ich will gar nichts sagen. Ich habe keine Ahnung was da drinnen steht, es ist alles in Deutsch.
LA: Waren Sie in Ihrem Herkunftsstaat jemals selbst in Haft?
VP: Ja.
LA: Weswegen?
VP: 6-7 Monate lang, als verdeckter Ermittler - ich habe dort gearbeitet.
LA: Von wann bis wann war das genau?
VP: Ich kann das nicht genau sagen - ich bin mit dem Auto verunglückt und war 10 Tage lang bewusstlos und kann mich nicht mehr erinnern.
LA: Können Sie sagen in welchem Jahr das war?
VP: 2006 oder 2007.
LA: Sie waren also nie in Haft wegen eigener Straftaten, sondern nur als verdeckter Ermittler.
VP: Ja, ich habe nie etwas verbrochen.
LA: Bestehen gegen Sie aktuelle Fahndungsmaßnahmen wie Aufenthaltsermittlung, Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbriefe oder ähnliches in Georgien?
VP: Nein.
LA: Was würde konkret mit Ihnen passieren, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?
VP: Ich würde Probleme bekommen - sie würden mich zu 100 % töten.
LA: Wenn Sie tot wären, würden die Kriminellen aber kein Geld bekommen, das macht keinen Sinn, oder?
VP: Denen ist das egal, die töten mich trotzdem. Die sind ganz brutal. Wenn der Pate zu denen sagt, macht das, dann tun sie es auch.
LA: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?
VP: Nein.
LA: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?
VP: Nein.
LA: Was haben Sie hier in Österreich schon gemacht um sich zu integrieren?
VP: Nein. Ich kenne mich hier noch nicht aus.
LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?
VP: Ich habe alles erzählt, danke dass Sie mir hier zu Essen geben - alles ist hier gut.
LA: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Angaben vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu machen?
VP: Ja, ich habe über mein Problem berichtet - derzeit kann ich nur danke sagen.
LA: Sie haben nur die heute angeführten Fluchtgründe, ansonsten haben Sie keine anderen Probleme zuhause - keine Probleme wegen Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit oder ähnliches, richtig?
VP: Nur die Probleme, die ich heute angegeben habe.
..."
I.2. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18
(1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.
I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus(Wiedergabe an dem angefochtenen Bescheid):
"...
Bei der Erstbefragung am 15.07.2018 gaben Sie zum Fluchtgrund, wie bereits zuvor angeführt, an, dass Sie in Georgien als Informant für die dortige Polizei tätig gewesen wären. Mehrere Personen wären wegen Ihrer Informationen an die Polizei wegen Mordes im Gefängnis gewesen. Nun wären einige entlassen worden und würden Ihnen bei einer Rückkehr nach dem Leben trachten. Laut Ihren Angaben wären schon zwei von diesen Personen bei Ihnen zuhause gewesen und hätten Ihr Haus belagert.
Bezüglich der von Ihnen behaupteten Bedrohungslage durch Privatpersonen in Ihrem Herkunftsstaat konnte Ihren Angaben keinesfalls Glauben geschenkt werden. Dies vor allem, da Ihre Angaben größtenteils nicht plausibel und äußerst widersprüchlich sind.
Insgesamt waren Ihre Angaben viel zu spekulativ, um eine reale Bedrohungslage zu begründen. Es ist durchaus möglich, dass Sie tatsächlich Probleme mit Privatpersonen im Georgien hätten, allerdings kann Ihrer Darstellung zu einer lebensbedrohenden Verfolgung kein Glauben geschenkt werden.
Diese Feststellungen werden wie folgt begründet:
In der Erstbefragung haben Sie angegeben: "Es gibt mehrere Personen, die aus dem Gefängnis entlassen wurden, welche ich bei der Polizei damals verraten habe, wie ich Informant war. Ich habe Todesängste. Zwei von denen haben schon mein Haus belagert. Ich habe Angst, dass mich einer von denen umbringt, da sie wegen Mord im Gefängnis waren."
Vor dem BFA haben Sie hingegen in der Befragung Folgendes angegeben:
"Ich habe für die Polizei gearbeitet - die haben mir wenig Geld dafür gegeben. Danach haben Bekannte davon erfahren und haben mich deswegen verprügelt."
Sie wurden später konkret gefragt von wem Sie genau bedroht worden sind - Sie antworteten: "Die drei Genannten und 2 Unbekannte."
Dann wurden Sie gefragt, wie diese Bedrohung stattfand - Sie antworteten: "Sie sind gekommen - ich war im Lagerhaus bei den Nüssen - alle drei mit Messern bewaffnet. Sie haben Nüsse und Geld weggenommen und gesagt, ich solle schweigen, sonst passiert mir und meiner Familie was."
Später in derselben Befragung gaben Sie plötzlich Folgendes an: "Vor ca. 3 Monaten, als ich verprügelt worden bin - nicht ganz 3 Monate. Sie haben mich so stark verprügelt, dass ich 2 Tage lang nur im Bett gelegen bin und geschlafen habe. Zu zehnt haben Sie mich verprügelt."
Sie konnten somit die behauptete Bedrohung nicht konsistent widergeben und haben zwei, drei, fünf und schlussendlich sogar zehn ("zu zehnt") Personen angegeben, die gegen Sie Gewalt angewandt hätten bzw. haben Sie zuvor bei der Polizei noch gar keine Gewaltanwendung erwähnt sondern lediglich behauptet, dass zwei Personen Ihr Haus belagert hätten. Es konnte Ihnen daher diesbezüglich keinesfalls Glauben geschenkt werden.
Weitere grobe Widersprüche machten Sie bezüglich Ihrer Tätigkeit als verdeckter Ermittler für die Polizei - hierzu mehrere Auszüge aus dem Protokoll:
[...]
LA: Was für einen Beruf übten Sie in Georgien aus?
VP: Ich habe keinen Beruf. Ich habe ein kleines Geschäft betrieben, das wurde mir kaputt gemacht und ich habe mein Geld verloren. Danach habe ich für die Polizei als verdeckter Ermittler gearbeitet.
LA: Bei der Polizei haben Sie angegeben Fischer gewesen zu sein - warum sagen Sie das jetzt nicht?
VP: Ich war damals 15 Jahre alt.
LA: Haben Sie mit Arbeiten im Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt finanzieren können?
VP: Ja.
LA: Wie viel haben Sie im Herkunftsstaat durchschnittlich pro Monat verdient?
VP: Ich habe durchschnittlich 500-600 Lari verdient - das sind ca. 150-200 Euro.
[...]
LA: Wann haben Sie als verdeckter Ermittler zu arbeiten begonnen?
VP: Von 2012 bis vor 6 Monaten. Weil alle davon erfahren haben - ich weiß, dass sie mich töten würden. Alle Kriminellen haben davon erfahren.
[...]
LA: Wann genau wäre dieser Vorfall gewesen mit den Nüssen und dem Geld?
VP: Vor 4 Monaten. Ich habe Geld bei der Bank geliehen bekommen und mein Nachbar auch. Und dieses Geld kann ich nicht zurückzahlen.
[...]
LA: Warum haben Sie angefangen, für die Polizei zu arbeiten?
VP: Polizei hat mir Geld versprochen, aber keines bezahlt. Sie ließen mich einfach fallen.
LA: Sie haben ohne Bezahlung 6 Jahre für die Polizei gearbeitet?
VP: Sie haben mir doch 150 Lari bezahlt und mir Zigaretten und Essen gegeben - Sie haben nicht alle meine Schulden bezahlt, wie sie versprochen hatten.
LA: Woher hatten Sie die hohen Schulden?
VP: Wegen der 2 Tonnen Nüssen. Die kosten 12.000 Lari.
[...]
LA: Waren Sie in Ihrem Herkunftsstaat jemals selbst in Haft?
VP: Ja.
LA: Weswegen?
VP: 6-7 Monate lang, als verdeckter Ermittler - ich habe dort gearbeitet.
LA: Von wann bis wann war das genau?
VP: Ich kann das nicht genau sagen - ich bin mit dem Auto verunglückt und war 10 Tage lang bewusstlos und kann mich nicht mehr erinnern.
LA: Können Sie sagen in welchem Jahr das war?
VP: 2006 oder 2007.
LA: Sie waren also nie in Haft wegen eigener Straftaten, sondern nur als verdeckter Ermittler.
VP: Ja, ich habe nie etwas verbrochen.
[...]
Zu Beginn der Befragung haben Sie chronologisch angegeben, dass Sie zuerst ein kleines Geschäft gehabt hätten, das wäre Ihnen kaputt gemacht worden und Sie hätten Ihr Geld verloren - erst dann hätten Sie bei der Polizei als verdeckter Ermittler angefangen. Sie haben bei der Befragung später angegeben, dass Sie seit 2012 bis vor 6 Monaten als verdeckter Ermittler für die Polizei gearbeitet hätten. Später behaupteten Sie bereits 2006 oder 2007 für die Behörden gearbeitet zu haben. Zudem gaben Sie an, dass die Polizei versprochen hätte Ihre Schulden zu bezahlen. Diese wären aber erst nach dem Vorfall entstanden, wo die bedrohenden Personen zu Ihnen gekommen wären und Ihnen Ihre Nüsse und Ihr Geld genommen hätten. Sie wurden gefragt, wann dieser Vorfall mit den Nüssen und dem Geld gewesen wäre, Sie gaben an, dass dies vor ca. 4 Monaten gewesen wäre. Somit hätten Sie da schon nicht mehr für die Polizei gearbeitet, da Sie selbst gesagt haben, dass Sie bis vor 6 Monaten für die Polizei gearbeitet hätten. Es ist klarerweise auch nicht möglich, dass die Polizei Ihnen zu Beginn oder während Ihrer Tätigkeit als verdeckter Ermittler versprochen hätte, diese Schulden zu begleichen, da Sie zu dieser Zeit die Schulden noch gar nicht gehabt hätten.
Somit konnte Ihnen auch zu Ihrer behaupteten Tätigkeit als verdeckter Ermittler keinesfalls Glauben geschenkt werden.
Sie haben dann weiter in der Befragung angegeben, dass für Ihre zurückgelassene Familie keine Gefahr besteht, weil Sie den bedrohenden Personen zugesichert haben, ihnen 5.000 Lari zu bezahlen. Nunmehr würden Sie versuchen in Mitteleuropa dieses Geld zu verdienen und dann zurückzukehren. Gegen Ende der Befragung meinten Sie zwar, dass Sie selbst bei einer Rückkehr "zu 100 %" getötet werden würden, konnten dies aber nicht plausibel begründen. Auf den Vorhalt, dass Ihre Tötung für die bedrohenden Personen bedeuten würde, dass diese überhaupt kein Geld bekommen würden, meinten Sie lediglich: "Denen ist das egal, die töten mich trotzdem. Die sind ganz brutal. [...]"
Noch einmal explizit nachgefragt am Ende der Befragung gaben Sie an, dass dies alle Ihre Probleme wären - Sie hätten keine Probleme wegen Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit oder Ähnlichem. Darüber hinaus, selbst wenn man ihr Vorbringen bezüglich einer Bedrohungslage durch diese Privatperson als glaubhaft erachten würde, so würde es sich um ein Kriminaldelikt handeln, für das die Polizei in Georgien zuständig wäre. Aus den Feststellungen über die Lage in Georgien geht klar hervor, dass diese willens und fähig ist, Ihnen ausreichend Schutz zu gewähren; das Sicherheits- und Justizsystem ist funktionsfähig. Sollten Sie der Meinung sein, dass die Polizei nicht dem Gesetz entsprechend handelt, steht es ihnen frei, sich an eine Rechtsschutzeinrichtung oder an die Staatsanwaltschaft direkt zu wenden. Sie haben aber laut eigenen Angaben auch bisher gar nicht versucht den Schutz der kosovarischen Sicherheitskräfte in Anspruch zu nehmen. Sie haben lediglich behauptet, dass Ihnen von den bedrohenden Personen genau das verboten worden wäre und Sie deshalb die Polizei nicht hätten kontaktieren können. Allerdings müssten Sie jedoch aufgrund Ihres behaupteten Nahverhältnisses zu der Kriminalpolizei sehr wohl die Möglichkeit gehabt haben, diese zu informieren und um Hilfe zu ersuchen, ohne dass dies den bedrohenden Personen bekannt werden würde.
Ein zusätzliches Indiz dafür, dass Sie nicht aufgrund von Lebensgefahr aus Georgien geflohen sind, ist, dass eine tatsächlich verfolgte oder bedrohte Person wohl unmittelbar nach Erreichen eines ersten sicheren Landes einen Asylantrag stellen und nicht noch zuvor weitere Länder durchreisen würde. Sie sind laut eigenen Angaben zuvor zumindest in der Türkei, der Ukraine und Deutschland gewesen. Ihrer Einschätzung, dass Sie sich in Deutschland nicht sicher fühlen hätten können, kann überdies nicht nachempfunden werden. Verschwiegen haben Sie außerdem, dass Sie zuvor auch schon in der Slowakei gewesen sind, wie ein Reisestempel in Ihrem Reisepass eindeutig belegt. Auf konkrete Nachfrage haben Sie dazu lediglich "Ich weiß es nicht" angegeben. Wie Sie von der Ukraine nach Deutschland gekommen wären, konnten Sie auch nicht erklären.
Auf konkrete Nachfrage haben Sie zugegeben, dass Sie Georgien bereits öfters verlassen hatten und in der Ukraine aufhältig waren, um dort zu arbeiten. Sie haben auch in der Einvernahme zugegeben, dass Sie nun hier in Mitteleuropa versuchen würden Geld (2.000 Euro und mehr) zu verdienen, bevor Sie wieder nach Georgien zurückkehren würden. Es wird daher auch vom BFA davon ausgegangen, dass Sie nicht aufgrund von einer Bedrohungslage aus Georgien geflüchtet sind, sondern nach Mitteleuropa gereist sind, um hier aufhältig zu bleiben und Ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern.
Diese Tatsachen legen nahe, dass gegenständlicher Asylantrag eben nicht zur Erlangung von Schutz vor asylrelevanter Verfolgung gestellt wurde.
Sie haben mit ihrem Vorbringen keinerlei politisch, ethnisch, religiös, oder geschlechtsspezifisch begründete staatliche oder staatlich geduldete Verfolgung glaubhaft gemacht, somit kann dieses Vorbringen zu keiner Asylgewährung führen.
Es ist daher vielmehr offensichtlich, dass Sie nun versuchen, im Wege einer Asylantragstellung ihren Aufenthalt zu legalisieren, um einer drohenden Abschiebung zuvorzukommen, eine Aufenthaltsberechtigung zu bekommen und die fremdenpolizeilichen Vorschriften und Maßnahmen zu umgehen. Somit steht fest, dass gegenständlicher Asylantrag eben nicht zur Erlangung von Schutz vor asylrelevanter Verfolgung gestellt wurde und daher unbegründet ist.
Sie gaben nichts an was den Schluss zuließe, dass Sie Georgien aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen Ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen Ihrer politischen Überzeugung verlassen hätten. Eine explizite Nachfrage zu den Verfolgungsgründen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention verneinten Sie jeweils. Auch in der freien Erzählung Ihrer Fluchtgründe gaben Sie nichts Diesbezügliches an.
Insgesamt kann keinesfalls von einer glaubhaften besonderen Bedrohungslage gesprochen werden, die in den Wirkungsbereich der asylrechtlichen Bestimmungen fallen würde.
Andere Umstände brachten Sie nicht vor und ergaben sich auch nicht.
..."
I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.
1. Politische Lage
Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).
Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).
Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).
Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).
Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).
Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).
Quellen:
* Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):
Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians
In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018
* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,
http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018
* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,
http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018
2. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).
Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sow