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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art30 Abs6Leitsatz
Zurückweisung der Beschwerde der FPÖ gegen die Zurückweisung desNominierungsvorschlages des Freiheitlichen Parlamentsklubs für dieWahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft durch die Präsidentin desNationalrates mangels Bescheidcharakters; keineVerwaltungsangelegenheit sondern Akt eines Organs der GesetzgebungSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Hauptausschuss des Nationalrates hat in seiner Sitzung am 22. Mai 2007 über den gemäß Art148g Abs2 B-VG zu erstattenden Gesamtvorschlag für die Wahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft an den Nationalrat beraten. Für die Erstattung des Gesamtvorschlages wurden vier Nominierungsvorschläge eingebracht. Der Nominierungsvorschlag des Freiheitlichen Parlamentsklubs lautend auf Mag. Hilmar Kabas wurde von der Obfrau des Hauptausschusses des Nationalrates zurückgewiesen.
2. Mit ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) - Die Freiheitlichen gegen diese von ihr als Bescheid gewertete Zurückweisung des Nominierungsvorschlages durch die Obfrau des Hauptausschusses des Nationalrates. Gemäß Art148g Abs2 B-VG habe sie als an Mandaten drittstärkste Partei das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Namhaftmachung (Nominierung) eines Mitgliedes für den Gesamtvorschlag des Hauptausschusses des Nationalrates an den Nationalrat zur von diesem vorzunehmenden Wahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft. Die Obfrau des Hauptausschusses des Nationalrates habe durch die Zurückweisung des Nominierungsvorschlages dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht verletzt. Zudem verstoße der angefochtene Akt gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter. Die Beschwerdeführerin begehrt die Aufhebung des angefochtenen Rechtsaktes seinem gesamten Umfange nach.
3. Die Obfrau des Hauptausschusses des Nationalrates als belangte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie im Wesentlichen beantragt, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Die Obfrau des Hauptausschusses des Nationalrates sei nicht Verwaltungsbehörde und könne daher auch nicht belangte Behörde im Sinne von Art144 B-VG sein. Zudem seien die Begriffe "Bescheid" und "Verwaltungsbehörde" in engstem Zusammenhang zu sehen, sodass es an der Bescheidqualität des bekämpften Aktes fehle. Da der angefochtene Rechtsakt somit nicht als Verwaltungsakt zu werten sei, hätten der Gegenschrift auch keine Verwaltungsakten angeschlossen werden können.
4. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes eine Stellungnahme zur Frage der rechtlichen Qualifikation bzw. der Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Aktes abgegeben. Es gelangt dabei zu dem Schluss, dass der angefochtene Akt der Obfrau des Hauptausschusses des Nationalrates schon deswegen nicht als "Bescheid einer Verwaltungsbehörde" im Sinne von Art144 B-VG qualifiziert werden könne, weil die Obfrau weder im organisatorischen noch im funktionellen Sinne ein Verwaltungsorgan sei. Die Beurteilung der Frage, welcher Partei in Fällen des Mandatsgleichstandes das Recht auf Nominierung eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft zukommt, sei von der Obfrau des Hauptausschusses im Rahmen ihrer Vorsitzführung zu beurteilen gewesen. Die der Obfrau im Rahmen der Vorsitzführung obliegenden Aufgaben seien aber nur ein prozeduraler Teilaspekt der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der auf der Tagesordnung stehenden Verhandlungsgegenstände durch den Ausschuss selbst. Dabei könne im Übrigen auch kein Wille der Obfrau des Hauptausschusses festgestellt werden, diese - rein parlamentarische - Angelegenheit in Form eines (mündlichen) Bescheides zu erledigen.
5. Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift der belangten Partei sowie die Stellungnahme des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst repliziert und eine weitere Äußerung erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über "Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate".
2. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde ist sohin, dass die Entscheidung der Obfrau des Hauptausschusses, den Nominierungsvorschlag des Freiheitlichen Parlamentsklubs lautend auf Mag. Hilmar Kabas zurückzuweisen, einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde bildet.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Erledigung dann als Bescheid zu qualifizieren, wenn sie von einer Verwaltungsbehörde gegenüber individuell bestimmten Personen erlassen wird und eine konkrete Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat, ob sie nun unter Einhaltung der von den Verwaltungsvorschriften für die Bescheiderlassung aufgestellten Voraussetzungen erlassen worden ist oder nicht (zB VfSlg. 8744/1980, 9244/1981, 9444/1982, 11.077/1986, 11.415/1987, 12.321/1990, 12.753/1991, 14.152/1995). Aus der Erledigung muss deutlich der objektiv erkennbare Wille einer Verwaltungsbehörde hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (zB VfSlg. 10.119/1984).
4. Die Voraussetzung des Vorliegens eines verwaltungsbehördlichen Aktes liegt hier schon alleine deshalb nicht vor, weil die Obfrau des Hauptausschusses des Nationalrates keine Verwaltungsbehörde, sondern ein Organ der Gesetzgebung ist. Organe der Gesetzgebung haben jedoch nur dann die Befugnis zur Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten mit Bescheid, wenn das bundesverfassungsrechtlich vorgesehen ist, so etwa nach Art30 Abs6 B-VG (zB Bescheide in bezugsrechtlichen Angelegenheiten der Abgeordneten, s. VfSlg. 16.292/2001, 16.370/2001).
5. Die Erstattung eines Gesamtvorschlages für die Wahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft gemäß Art148g B-VG durch den Hauptausschuss bildet keine solche "Verwaltungsangelegenheit" im Bereich der Organe der Gesetzgebung des Bundes. Demgemäß kann auch die Zurückweisung des Nominierungsvorschlages des Freiheitlichen Parlamentsklubs durch die Obfrau des Hauptausschusses keine solche Verwaltungsangelegenheit bilden. Sie erfolgte vielmehr im Rahmen der der Präsidentin des Nationalrates obliegenden Vorsitzführung im Hauptausschuss, demnach in Ausübung der Funktion eines Organs der Gesetzgebung (vgl. VfSlg. 11.882/1988, 13.450/1993). Sowohl die Erstattung des Gesamtvorschlages als auch die Zurückweisung des Nominierungsvorschlages stellen unselbständige Teilakte im Verfahren der Wahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft dar, welche nicht der Vollziehung, sondern der Kontrolle der Vollziehung zuzuordnen sind (Adamovich/Funk/Holzinger, Staatsrecht, Band 2, 1998, Rz 21.031).
6. Da das Organ, welches die Zurückweisung des Vorschlages verfügt hat, nicht als Verwaltungsbehörde tätig wurde, fehlt es an einer Voraussetzung für das Vorliegen eines Bescheides. Bei diesem Ergebnis war nicht zu untersuchen, ob der Gesamtvorschlag aus anderen Gründen keinen Bescheid im Sinne des Art144 B-VG bildet.
Die Beschwerde war daher schon aus dem Grund des fehlenden Bescheidcharakters der Zurückweisung des Nominierungsvorschlages des Freiheitlichen Parlamentsklubs lautend auf Mag. Hilmar Kabas als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass dabei noch auf das Vorliegen der sonstigen Prozessvoraussetzungen einzugehen war.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Volksanwaltschaft, Wahlen, Nationalrat, BescheidbegriffEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B1174.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009