TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/14 W144 2174112-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2019
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Entscheidungsdatum

14.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
IntG §11
IntG §9
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W144 2174112-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX geb., StA. von Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst, ARGE Rechtsberatung, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Dem Beschwerdeführer wird gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 1 AsylG idgF ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein nunmehr volljähriger, männlicher, lediger Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und des schiitischen Glaubens, verließ seinen eigenen Angaben bei der Erstbefragung zufolge im Juli 2015 sein Heimatland und begab sich schlepperunterstützt über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und (vermutlich) Ungarn nach Österreich, wo er als damals unbegleiteter Minderjähriger am 24.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Zur Person des BF liegen keine Eurodac-Treffermeldungen vor.

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf seiner Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die LPD Burgenland vom 26.08.2015 gab der damals minderjährige BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er in keinem anderen Land um Asyl angesucht habe. In Griechenland habe er sich in einem Flüchtlingslager aufgehalten, er sei dort ca. zehn Tage lang gewesen, mehr könne er dazu nicht sagen, er wolle nicht dorthin zurückkehren. Sein Heimatland habe er wegen der Taliban verlassen. In seinem Dorf sei ein Militärstützpunkt der Regierung gewesen, den er mit Nahrung versorgt habe. Als die Taliban dies erfahren hätten, hätten sie ihn und seine Familie töten wollen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 25.09.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der BF im Wesentlichen an, dass er am XXXX in der Provinz Ghazni geboren und dort mit seinen Eltern im Familienhaus aufgewachsen sei. Sein Vater und seine Mutter hätten eine eigene Landwirtschaft betrieben, der Vater sei vor ca. neun oder zehn Jahren bei einer Minenexplosion gestorben. Ca. 7 oder 8 Monate nach seinem Vater sei auch seine Mutter (eines natürlichen Todes) gestorben. Nach dem Tod seiner Mutter habe sich sein Onkel um ihn gekümmert. Er habe drei Brüder und eine Schwester. Ein Bruder lebe illegal im Iran, die anderen beiden Brüder beim Onkel, die Schwester sei verheiratet. Die Familie lebe derzeit von der Landwirtschaft des Onkels. Er selbst sei ledig, jedoch seit 3 1/2 Jahren verlobt.

In seinem Heimatdorf habe die Regierung aufgrund der schlechten Sicherheitslage lokale Sicherheitskräfte, die als " XXXX " bekannt seien, stationieren wollen. Die Taliban hätten die Einwohner gewarnt, diese XXXX nicht zu unterstützen. Die Regierung habe dort einen Posten dieser XXXX eingerichtet und sei es bei ihnen so Tradition, dass man einmal im Jahr zu einer bestimmten Zeit die Gräber besuche, wo auch etwas Süßes gekocht und an die Armen und an die Bewohner verteilt werde. Der Koch habe ihn gebeten, diesen Sicherheitskräften auch etwas zu essen zu bringen, da der BF ein Fahrrad besessen habe. An diesem Festtag seien viele Menschen versammelt gewesen und hätten ihn in offensichtlich Spione der Taliban verfolgt, um festzustellen, was er gemacht habe. Die Taliban hätten in der Folge gewusst, dass seine Familie den XXXX Essen gebracht habe. Abends sei an die Türe geklopft worden, sein Cousin habe geöffnet, jedoch zuvor gesehen, dass mehrere Taliban auf Motorrädern vor der Tür gestanden seien. Er habe gemerkt, dass diese wegen ihm gekommen seien, weil er den XXXX Essen gebracht habe. Durch den Hintereingang des Hauses habe er fliehen können. In der Folge habe er sich einige Tage lang in einer Moschee aufgehalten. Seine Onkel seien zu ihm gekommen und hätten ihm erzählt, dass die Taliban morgens und abends erneut nach ihm gesucht hätten. Die Bewohner seien von den Taliban aufgefordert worden, den Aufenthaltsort des BF mitzuteilen, wenn Sie diesen erfahren würden. Aus diesem Grund, hätten ihm seine Onkel erklärt, dass er nicht dauerhaft im Land bleiben könne. Sein Onkel habe auch gesagt, dass er Angst habe, dass seine restliche Familie in die Sache hineingezogen werden würde. Der Onkel habe ihm geraten, er solle sich in Sicherheit bringen und die Heimat verlassen. Es wäre sein Fehler gewesen, dass er den XXXX Essen gebracht habe und er müsse nun die Konsequenzen tragen. Dies habe sich im Jahr 2015 zugetragen, Genaueres wisse er nicht. Der Stützpunkt der XXXX sei ca. 20 Minuten mit dem Fahrrad entfernt von seinem Dorf gelegen. Er habe den XXXX Essen gebracht, da er gemeint habe, dass dies eine gute Tat sei, die von Gott belohnt werden würde, und er habe nicht gedacht, dass dies ein so großes Problem werden würde. In der Folge erstattete der BF detaillierte Angaben zur ausgewählten Fragen des BFA zu den Modalitäten des Vorstelligwerdens der Taliban.

Zu seinem Privat und Familienleben gab der BF an, dass er seit August 2015 im Bundesgebiet sei, dass er keinen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich oder sonst in einem Mitgliedstaat habe, dass er eine Lehre besuche sowie einen Deutschkurs und zudem würde er Sport betreiben. Er lebe von seinem eigenen Verdienst aus der Lehre, er bekomme ca. 500,- bis € 550,- im Monat, er erhalte keine Grundversorgung. Er sei niemandem gegenüber unterhaltspflichtig und er wohne privat in XXXX , wobei er die Miete selbst zahle. Er habe bereits das Sprachniveau "A2" erlangt und beginne demnächst einen Sprachkurs "B1". Ein Jahr lang habe er die HTL besucht. Er mache hier eine Lehre, lerne einen Beruf und würde gerne ein Teil der Gesellschaft sein.

Unter einem legte der BF nachstehende Unterlagen vor:

* Lehrvertrag zwischen XXXX GmbH und XXXX vom 21.08.2017

* Mangellehrberufsliste für jugendliche Asylwerber

* Zeitplan B1 Kurrse XXXX

* Rechnung Universität XXXX "Deutsch als Fremdsprache Aufbaustufe I (B1)" vom 18.09.2017

* Schulbesuchsbestätigung HTL XXXX vom 16.11.2016

* Teilnahmebestätigung XXXX Deutschtraining für Anfänger, Niveau A1, vom 23.11.2016

* Teilnahmebestätigung XXXX Kurs A1, unterzeichnet XXXX

* Semesterbestätigung Wintersemester 2016/2017 HTL XXXX vom 10.02.2017

* Bestätigung BFI A1.2 Deutsch Grundstufe vom 03.11.2016 samt Einladung und Anmeldebestätigung

* ÖSD Zertifikat A2 vom 04.08.2017

* Teilnahmebestäigung Niveau B1 vom 18.09.2017

* Bestätigung HTL XXXX über Teilnahme am Lehrgang Übergangsstufe für Jugendliche ohne Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch vom 30.06.2017

* Bestätitungsbewilligung des AMS vom 02.08.2017

* Beurtielung des Arbeitgebers für XXXX von XXXX GmbH, ohne Datum

* Empfehlungsschreiben der Dorfgemeinschaft XXXX , unzerzeichnet XXXX , ohne Datum

* Empfehlungsschreiben von XXXX vom 13.01.2017

* Empfehlungsschreiben von XXXX und XXXX , ohne Datum

* Empfehlungsschreiben von XXXX , vom 10.09.2017

* Empfehlungsschreiben von XXXX , vom 11.09.2017

* Empfehlungsschreiben von XXXX , Verein 7 Zwerge, vom 05.09.2017

* Empfehlungsschreiben von XXXX , FH XXXX , vom 23.09.2016

* Empfehlungsschreiben von XXXX , Geschäftsführerin XXXX , vom 20.09.2016

Mit Bescheid vom 29.09.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit "14 ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung" festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde zusammengefasst zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass dem Vorbringen des BF zu den behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei und sich auch sonst bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben hätten. In Bezug auf Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass hinsichtlich der Heimat-Provinz Ghanzni des BF derzeit eine relevante Gefährdungslage vorliege, weshalb ihm eine Rückkehr in seine Heimat Provinz nicht zugemutet werden könne. Infrage komme jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative bezogen auf die Stadt Kabul. Kabul könne über einen Flughafen sicher erreicht werden und sind die allgemeinen Lebensverhältnisse nicht dergestalt, dass der BF in eine ausweglose Lebenssituation geraten würde, zumal er in Afghanistan nahe Verwandte habe, gesund und arbeitsfähig sei. Auch wenn der BF in Kabul kein soziales Netz habe, so könne er dort auch ohne Anknüpfungspunkte durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit seine grundlegenden Bedürfnisse decken. Zu Spruchpunkt III. wurde erwogen, dass mangels Familienbezugs in Österreich kein schützenswertes Familienleben vorliege. Im Hinblick auf das Privatleben des BF führte das BFA nach einer Abwägung der relevanten Aspekte (Dauer des Aufenthalts, Spracherwerb, Beschäftigung-Lehre, Freizeitaktivitäten, Freundeskreis, Dauer des Verfahrens, Bindungen zum Herkunftsstaat, etc.) aus, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegen würden als seine Interessen am Verbleib in Österreich, weshalb nicht unverhältnismäßig in das Recht auf Achtung des Privatlebens eingegriffen werde.

Der Bescheid wurde dem BF am 04.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht im Wege seiner damaligen Rechtsvertretung Beschwerde, in welcher im Wesentlichen gerügt wurde, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde unrichtig sei, wenn etwa ausgeführt werde, dass die Situation in Kabul ausreichend sicher sei, da in Kabul immer wieder Attacken erfolgen würden und auch im hochgesicherten Diplomatenviertel keine Sicherheit gegeben sei. Die Sicherheitslage verschlechtere sich fortwährend und ergebe sich aus den Länderberichten, dass Sicherheits- und Verteidigungskräfte nicht ausreichend rekrutiert werden könnten. Afghanistan sei somit nicht schutzfähig. Zudem stufe die Behörde das Vorbringen des BF zur individuellen Bedrohungssituation unglaubwürdig ein, führe jedoch in einer willkürlichen Beweiswürdigung lediglich reine Vermutungen aus. Schließlich habe der BF auch angegeben, dass er als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara einem erhöhten Gefährdungsrisiko ausgesetzt sei. Die Behörde lege in ihrer Entscheidung jedoch nicht die Volksgruppe der Hazara zugrunde, sondern jene der Pashtunen. Der BF wäre im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan schließlich auch Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt.

Am 05.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF zu seinem Fluchtgrund, zu seinen Lebensumständen in Österreich sowie in Afghanistan befragt, und eine innerstaatliche Fluchtalternative in einer der großen Städte wie Mazar-e-Sharif, Herat oder allenfalls auch Kabul (vor dem Hintergrund der Berichte: LIB der BFA-Staatendokumentation zu Afghanistan vom Juni 2018, Stand November 2018, sowie UNHCR-Guidelines vom August 2018) erörtert und vorgehalten wurde, dass keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür erkannt werden könne, dass der BF wegen einer einmaligen Essensausgabe an die XXXX , die nach menschlichem Ermessen wohl nur lokal bekannt geworden sei, erfahren hätten, einer Bedrohung ausgesetzt sein würde. Der BF entgegnete, dass er diesbezüglich vier Einwände habe, erstens hätten die Taliban in Afghanistan große Informationsnetzwerke, sodass er den Rest seines Lebens doch in Angst würde leben müssen. Der zweite Grund sei, dass er nicht den enormen Aufwand auf sich genommen hätte, um hierher zu flüchten, wenn er in Afghanistan hätte leben können. Der dritte Grund sei, dass er in eine islamische Familie geboren worden sei, dass er jedoch seitdem er in Europa sei, nicht mehr wisse, ob der Islam eine wahrhafte Religion sei und er überlege, einen anderen Weg zu gehen. Schließlich sei der vierte Grund, dass er in Österreich mittlerweile eine Familie gefunden habe, bei der er lebe, er habe zudem eine Freundin in Österreich, er könne sich hier frei bewegen, er arbeitete in einer Firma in einem Mangelberufsbereich und wolle in Österreich bleiben.

In der Verhandlung wurden nachstehende, diverse Unterlagen betreffend die Integration des BF vorgelegt:

* Vielzahl von ausführlichen privaten Empfehlungsschreiben (24 Stück von über 30 Personen)

* Bestätigung vom 29.11.2018 über eine ehrenamtliche Mitarbeit im Verein " XXXX " (Kinderbetreuungsgruppe) samt Farbfotos

* Bestätigung vom 27.11.2018 über eine ehrenamtliche Mitarbeit beim Verein " XXXX " in XXXX

* Beurteilung des Arbeitgebers XXXX vom 23.11.2018

* Berufsschulunterrichtsbestätigung vom 05.07.2018 der XXXX Fachberufsschule XXXX

* Positives Jahreszeugnis der genannten Schule, Schuljahr 2017/2018

* Teilnahmebestätigung des österr. Integrationsfonds "Werte- und Orientierungskurs" vom 22.08.2018

* ÖSD Zeugnis zur Integrationsprüfung samt Sprachniveau B1 vom 31.10.2018 samt Detailergebnissen

* Lagebericht zu Afghanistan Juli/August 2018

* Situationsbericht über die afghan. Hazara vom 15.11.2018

* GA des Ludwig-Boltzmann-Institutes über die Beschäftigung von Asylsuchenden in mangelberufen und die Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen (Dr. Nowak im Auftrag von Rudolf Anschober)

In einer am 28.12.2018 eingelangten schriftlichen Stellungnahme zu den in der Verhandlung eingebrachten Länderinformationen führte der BF aus, dass laut UNHCR in den aktuellen Richtlinien Kabul generell als keine interne Flucht oder Schutzalternative angesehen werde. In Betracht kämen die Städte Herat oder Mazar-e-Sharif, jedoch bestehe auch in diesen Städten keine ausreichende Sicherheits-und Versorgungslage. So weise UNHCR auf die extrem hohe Anzahl von Binnenvertriebenen in diesen Provinzhauptstädten hin, die zu zunehmender Konkurrenz um Ressourcen führe. Laut einer Akkord Anfragebeantwortung zur Lage in Herat Stadt und Mazar-e-Sharif vom 13.9.2018 ergibt sich, dass aufgrund der anhaltenden Dürre in Mazar-e-Sharif aktuell große Wasserknappheit bestehe, was vor allem negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft und deren erträge habe. Es käme aufgrund der Dürre zu einer Landflucht in die genannten Städte, wobei die Vertriebenen sich in informellen Siedlungen und behelfsmäßigen Zelten ansiedeln würden. Es lägen keine Informationen bezüglich der Leistbarkeit und den Zugang zu Wohnraum vor. Weiters lägen auch keine Feststellungen zur aktuellen Arbeitslosenrate und zum Zugang zum Arbeitsmarkt vor. In weiterer Folge wurde wiederholend auf die Dürre in Afghanistan hingewiesen und den damit einhergehenden verstärkten Migrationsdruck in die großen Städte. Aufgrund dieses enormen Zuzugs in die Städte seien auch die Möglichkeiten als Tagelöhner Geld zu verdienen äußerst beschränkt, da es aus diesem Grund auch zu einer Senkung der Löhne gekommen sei. Schließlich werde Afghanistan immer wieder von Anschlägen erschüttert, und würden oftmals die Binnenvertriebenen für die Verschlechterung der Sicherheitslage verantwortlich gemacht. Nach der Judikatur des VwGH müsse eine innerstaatliche Fluchtalternative auch zumutbar seien. Aufgrund der prekären Versorgungssituation, die sich aus den Länderberichten ergebe könne vom BF nicht erwartet werden, sich vernünftigerweise dort niederzulassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der ledige und nunmehr volljährige BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitischen Glauben. Der BF stammt aus der Provinz Ghazni. Die Eltern des BF sind bereits (ca. seit dem Jahr 2008) verstorben, er lebte in der Folge bei seinem Onkel, der eine Landwirtschaft betrieb. Seit August 2008 hat der BF keinen Kontakt mehr zu seinem Onkel, er weiß nicht, wo seine Verwandten derzeit aufhältig sind.

Der BF verließ sein Heimatland aus den von ihm dargelegten Gründen, konkret deshalb, da er ins Visier der Taliban geraten ist, weil er lokalen Sicherheitskräften der sogenannten " XXXX "-Miliz, die außerhalb seines Dorfes stationiert war, anlässlich eines traditionellen Festes eine Süßspeise vorbeigebracht hatte. In der Folge wurde der BF von den Taliban aus diesem Grunde gesucht und wurde der BF von seinem Onkel aufgefordert, sein Heimatland zu verlassen, nicht zuletzt deshalb, damit nicht die Familie des Onkels selbst in diese Sache hineingezogen werden würde.

Im Fall der Rückkehr des BF in eine der großen Provinzhauptstädte Afghanistans, wie etwa konkret Herat oder Mazar-e-Sharif können keine Indizien dafür erkannt werden, dass der BF landesweit von den Taliban aufgrund dieses einmaligen Vorbeibringens einer Süßspeise zu Sicherheitskräften mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gesucht und bedroht werden würde.

Der BF ist arbeitsfähig und im Wesentlichen, abgesehen von Schlafproblemen, gesund; er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF hat bereits die ÖSD-Integrationsprüfung (Sprachkompetenz B1 und Werte- und Orientierungskurs gem. §5 Integrationsgesetz) am 31.10.2018 erfolgreich abgelegt.

Im Schuljahr 2016/2017 besuchte der BF an der HTL XXXX den Lehrgang "Übergangsstufe für Jugendliche ohne Kenntnis der Unterrichtsspreache Deutsch".

Mit Bescheid des AMS vom 02.08.2017 wurde dem BF eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Installations-/Gebäudetechnkiker- Gas-, Sanitärtechnik, (Lehrling) erteilt, und absolviert seit 07.08.2017 eine entsprechende Lehre bei einer XXXX Installations-GMBH. Der BF befindet sich im 2. Lehrjahr und ist aufgrund seines daraus erzielten Einkommens selbsterhaltungsfähig. Er bezeiht keine öffentlichen Unterstützungsleistungen.

Er hat vor etwa 2 1/2 Jahren Aufnahme bei einem österreichischen Ehepaar mit 3 Kindern gefunden, in deren Familienverband er in einem Haus in XXXX /Tirol lebt. Die Kinder des Paares leben in Innsbruck, bezeichnen den BF jedoch als "voll und ganz zur Familie gehörig". Der BF beteiligt sich zudem aktiv und intensiv am Gemeindeleben (Dorfputz, Maifest, Herbstfest, Gemeinschaftshennenstall, Konzertveranstaltungen, Kochabende mit Freunden, etc.) und ist in der dörflichen Gemeinschaft als hilfsbereiter, engagierter Mensch bekannt, der sich mittlerweile einen auffallend großen österreichischen Freundeskreis aufgebaut hat. Weiters ist er ehrenamtlich bei einer Kinderbetreuungsgruppe ( XXXX ) tätig und engagiert sich ehrenamtlich bei Kursen von Migranten für Migranten im Rahmen des Vereins XXXX .

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

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Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

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Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

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Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

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Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

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Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

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Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

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Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

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Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

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Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

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Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

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Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

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Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

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Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

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Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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