Entscheidungsdatum
22.01.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L524 2146495-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, Herkunftsstaat Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2017, Zl. 1083617801/151140954, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.01.2019 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein staatenloser Palästinenser aus dem Irak, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 22.08.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er vor, dass er Araber und sunnitischer Moslem sei und aus Bagdad stamme. Er sei ledig und habe zuletzt als Kellner gearbeitet. Sein Vater sei 1991 verstorben. Im Irak würden noch seine Mutter und seine Schwester leben. Den Entschluss zur Ausreise habe er vor ca. zwei Monaten gefasst und am 11.08.2015 sei er legal unter Verwendung seines palästinensischen Reisepasses mit dem Flugzeug von Bagdad ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an, dass er vor ca. zwei Monaten von Milizen bedroht worden sei, weil er Palästinenser sei und sie ihn als Verräter betrachten würden. Er habe dort keine Rechte und niemanden, der ihn beschütze.
2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 16.08.2016 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er habe in den bisherigen Befragungen die Wahrheit gesagt und die Dolmetscher gut verstanden. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Der Beschwerdeführer sei in Bagdad geboren und dort im Elternhaus aufgewachsen. Alle fünf Jahre habe er eine neue Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht und diese 2003 mit Matura abgeschlossen. Danach sei er wegen des Krieges und des Regierungssturzes zwei Jahre arbeitslos gewesen. Ab 2005 bis Mai 2015 habe er in verschiedenen Restaurants und Hotels in Bagdad als Kellner und gelegentlich als Dolmetscher für Touristen gearbeitet. Zuletzt habe er von 2014 bis 14.05.2015 in einem Coffeeshop im Stadtviertel XXXX in Bagdad gearbeitet. In diesem Stadtviertel habe er auch gewohnt. Im Juli 2015 habe er sich zur Ausreise aus dem Irak entschlossen. Im Irak würden noch seine Mutter und seine Schwester leben. Brüder habe er nicht und sein Vater sei bereits verstorben. Außerdem würden noch sechs Tanten und ein Onkel mit ihren Familien in Bagdad leben. Sie seien alle Palästinenser.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, dass die schiitische Miliz Asaeb Ahl Al Haq die Palästinenser im Irak nicht in Ruhe lasse und je nach Laune Menschen einfach festnehme. Sie hätten ihn gefragt, warum er Tätowierungen habe und gesagt, dass er nach Palästina zurückkehren solle. Die Palästinenser würden von ihnen beschimpft werden und ihren Kindern würden sie erlauben, den Palästinensern Ohrfeigen zu geben. Andere Gründe habe er nicht. Im Irak müsse man mit Demütigungen leben. Im Jänner 2015 habe eine Person der Miliz mit einem palästinensischen Kunden im Coffeeshop gestritten und der Beschwerdeführer habe sich eingemischt und den Mann aus dem Coffeeshop werfen wollen. Der Mann habe den Beschwerdeführer mit dem Tod bedroht und draußen in die Luft geschossen. Er habe auch gesagt, dass er die Schwester des Beschwerdeführers vergewaltigen würde. Nach diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer ca. zwei Monate zu Hause gewesen und habe der Person Geld bezahlt, woraufhin ihn dieser in Ruhe gelassen habe. Seiner Schwester habe er nichts getan. Auf die Frage, weshalb er Geld bezahlt habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass der Mann nach ihm gefragt und gesucht habe. In dieser Zeit habe sich der Beschwerdeführer aber bei seiner Tante in einem anderen Stadtviertel aufgehalten.
3. Mit Bescheid des BFA vom 10.01.2017, Zl. 1083617801/151140954, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.
5. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.01.2019 schilderte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund. Den Parteien wurden auch Berichte zur Lage im Irak ausgehändigt, hinsichtlich derer sie auf die Abgabe einer Stellungahme verzichteten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist staatenloser Palästinenser, Araber und sunnitischer Moslem. Er wurde 1990 in Bagdad geboren und lebte dort im Stadtviertel XXXX bis zu seiner Ausreise aus dem Irak im Jahr 2015. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits 1991 verstorben. Im Irak leben noch die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers. Die Schwester hat eine Ausbildung als Sportlehrerin. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers leben gemeinsam in einer Wohnung. Sie erhalten Unterstützung von der UN und von Privatpersonen. Es lebt auch zumindest ein Onkel des Beschwerdeführers noch im Irak.
Der Beschwerdeführer hat im Irak sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und fünf Jahre ein College für Kunst besucht. Der Beschwerdeführer hat auch maturiert. Nach dem Schulabschluss ca. im Jahr 2007 war der Beschwerdeführer ca. zwei Jahre arbeitslos. Danach hat er als Kellner in verschiedenen Restaurants in Bagdad gearbeitet und gelegentlich auch als Dolmetscher für Touristen. Für etwa zwei Monate hat der Beschwerdeführer auch in der Provinz Alnasserya gearbeitet. Danach kehrte der Beschwerdeführer nach Bagdad zurück, wo er in seinem Wohnviertel XXXX in einem Kaffeehaus gearbeitet hat.
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines palästinensischen Reisepasses, der in Ramallah ausgestellt wurde. Der Beschwerdeführer hielt sich vom 18.02. bis 22.02.2014 in der Türkei auf. Für die Ausreise aus dem Irak und die Einreise in den Irak wurde ihm vom General Directorate for Nationality ein Ausreise- und Einreisevisum ausgestellt.
Der Beschwerdeführer verließ am 11.08.2015 legal den Irak. Ihm wurde dafür vom General Directorate for Nationality ein Ausreise- und Einreisevisum ausgestellt.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 20.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass er von einem Mitglied der Miliz Asaeb Ahl al Haq bedroht worden sei, weil er Palästinenser sei, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt.
Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet, führt keine Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandte in Österreich. Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer hat von März 2016 bis August 2016 gemeinnützige Hilfstätigkeiten als Asylwerber in einer Gemeinde im Ausmaß von insgesamt 34 Stunden geleistet. Im Mai, Juli, September und Oktober 2018 war der Beschwerdeführer jeweils 22 Stunden in einer Stadt gemeinnützig beschäftigt. Der Beschwerdeführer hat 2015 am Kurs "Deutsch für Asylwerber" teilgenommen. Ab Dezember 2016 hat er einen Deutschkurs A1, Teil 1 besucht. Von Mai bis Juli 2017 hat er einen Deutschkurs A1, Teil 1 für Asylwerber und von September bis November 2017 einen Deutschkurs A1, Teil 2 für Asylwerber besucht. Der Beschwerdeführer war von Juni bis Juli 2017 und von Dezember 2017 bis Mai 2018 Betreuer eines Kindes in einem Projekt, das minderjährige Asylwerber sowie subsidiär Schutzberechtigte auf den Schulalltag oder den Kindergarten vorbereitet. Im Rahmen dieses Projekts hat der Beschwerdeführer auch an einem eintägigen Weiterbildungsseminar zum Thema "Gewaltfreie Kommunikation" teilgenommen.
Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:
Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.
Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.
Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.
Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.
Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.
Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.
Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.
Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage von IS aufgetaucht sind), anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst.
Die verbleibenden IS- und andere extremistische Kämpfer sowie der zunehmende Einfluss der PMF sind die akutesten Probleme, die die gegenwärtige Sicherheitslage im gesamten Irak beeinflussen. Am 15. Januar 2018 griff der IS einen Markt im Zentrum von Bagdad an, wobei mindestens 38 Menschen getötet und 105 verletzt wurden. In der irakischen Region Kirkuk wurden 25 Menschen im Vorfeld der nationalen Wahlen vom IS getötet. Der IS behauptet, seit Dezember 2017 58 Angriffe in der Region durchgeführt zu haben. In der Region Kurdistan tötete der IS im Juni 2018 12 Mitglieder einer Familie. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.
Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabean-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.
Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Sunniten, einschließlich IDPs, berichten weiterhin, dass sie von PMF-Gruppen belästigt und beschuldigt werden, den IS zu unterstützen sowie körperlich verletzt werden. Sunniten berichten ein ähnliches Verhalten, wenn auch in geringerem Maße von der ISF in manchen Gebieten. Das US-Außenministerium und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von regierungsnahen Streitkräften, die sunnitische Männer anzugreifen versuchen, die von IS-kontrollierten Gebieten fliehen und verhindern, dass Sunniten die von der Regierung kontrollierten Gebiete verlassen. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. DFAT geht davon aus, dass Sunniten außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt sind. DFAT geht davon aus, dass die Sunniten in Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt sind. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen. (Australian Government - Department of Foreign Affais and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)
Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.
Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.
Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)
In Bagdad wurden im 2. Quartal 2018 insgesamt 54 Vorfälle (Kämpfe, Errichtungen von Hauptquartieren oder Basen, Gewalt gegen Zivilpersonen, Ausschreitungen/Proteste, gewaltlose strategische Entwicklungen, gewaltlose Gebietseinnahme, Fernangriffe) mit 65 Toten erfasst und an folgenden Orten lokalisiert: Bagdad, Bagdad - 9 Nissan, Bagdad - Adhamiya, Bagdad - Al Rashid, Bagdad - Kadhimiya, Bagdad - Karadah, Bagdad - Karkh, Bagdad - Rusafa, Bagdad - Sadr City. ACLED empfiehlt, die Zahlen zu Todesopfern mit äußerster Vorsicht zu verwenden. Im Vergleich zu Bagdad kam es in fünf Provinzen zu mehr Vorfällen und in sechs Provinzen zu deutlich mehr Todesopfern (zB 317 in Kirkuk (auch: At-Ta'mim), 247 in Ninewa, 187 in Diyala, 166 in Salah al-Din). (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), zusammengestellt von ACCORD, 5. September 2018)
In Bagdad herrscht Aufbruchsstimmung. Nach Jahren des Kriegs gegen den IS atmet die Stadt sichtlich durch. Die Jugend genießt es, dass das Nachtleben wieder an Fahrt gewinnt. Die Wasserpfeifencafés sind jeden Abend gefüllt. In einigen Stadtteilen gibt es sogar wieder Bars, die Alkohol ausschenken und in denen man Rockkonzerten lauschen und tanzen kann. "Wir hatten jahrelang keine Möglichkeit auszugehen, jetzt wollen wir unser Leben genießen!", erzählt mir ein junger Mann in einem der Cafés in der Omar-Bin-Yasir-Straße. Er und seine Freunde haben jüngst eine Jugendorganisation gegründet, die "Vereinigung der freien Jugend des Irak". Mit dieser wollen sie sich auch aktiv dafür einsetzen, dass man jene Freiheit leben kann, die man leben will. "Bagdad muss wieder ein Ort werden, in dem wir uns wohl fühlen, in dem auch junge Frauen frei leben können und in dem die Religiösen nicht mehr das ganze Leben bestimmen."
Die Stadt hat vieles zu bieten und mittlerweile sieht man auch wieder Frauen in der Nacht auf der Straße, viele davon ohne Kopftuch. Einige zeigen sich sogar in den Cafés. Wer Bescheid weiß findet sogar versteckte Schwulenclubs. Ständig bedroht von gewaltsamen Übergriffen durch bigotte Milizen, versuchen diese nicht aufzufallen. Es gibt sie aber wieder. Auch für Kulturinteressierte hat Bagdad durchaus etwas zu bieten. Im Gegensatz zu den irakischen Kleinstädten ist Bagdad eine wirkliche Weltstadt mit einem kulturellen Angebot, mit Kinos, Theatern und einer ganzen Straße, die für ihre Buchläden bekannt ist. Die nach dem klassischen arabischen Dichter Abu at-Tayyib al-Mutanabbi benannte Mutanabbi-Staße, die 2007 noch Tatort eines blutigen Anschlags wurde, ist wieder in vollem Betrieb. An Freitagen finden hier Gedichtrezitationen unter freiem Himmel statt, ansonsten werden Bücher aller Art verkauft. Von klassischer arabischer Lyrik über moderne Romane bis zu religiöser Literatur ist hier alles zu finden. (derstandard.at, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018)
Palästinensische Flüchtlinge, die mehrheitlich 1948 aus dem Mandatsgebiet Palästina, das Israel wurde bzw. aus den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten und 1991 aus den Golfstaaten flüchteten und sich im Irak ansiedelten, sowie deren Nachkommen wurden von der irakischen Regierung nie offiziell als Flüchtlinge anerkannt. Entsprechend verschiedener Übereinkommen, insbesondere des "Casablanca Protokolls" der Arabischen Liga von 1965, kam ihnen aber ein Aufenthaltsrecht zu und waren sie in sozio-ökonomischer Hinsicht irakischen Staatsbürgern nahezu gleichgestellt.
Palästinensische Flüchtlinge sind im Irak weder offiziell als Flüchtlinge anerkannt, noch können sie die irakische Staatsbürgerschaft erlangen. Seit 2008 werden sie von den irakischen Behörden registriert und erhalten eigene Identitätsdokumente, die sie als palästinensische Flüchtlinge erkennbar machen. Palästinenser, die bereits 1948 aus dem Mandatsgebiet von Palästina, das Israel wurde, vertrieben wurden sowie deren Nachfahren erhalten eine rote Identitätskarte. Palästinenser, die 1967 oder darauf folgend im Irak angekommen sind sowie deren Nachfahren erhalten eine gelbe Identitätskarte. Palästinenser haben grundsätzlich Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und zum privaten Arbeitsmarkt. Darüber hinaus waren jene Palästinenser, die bereits 1948 vertrieben wurden, - mit Ausnahme des Rechts auf Staatsbürgerschaft - irakischen Staatsbürger per Gesetz gleichgestellt und besaßen das Recht zu arbeiten, Besitz zu erwerben und Reisedokumente zu erlangen. Die Ausübung dieser gesetzlich festgelegten Rechte ist jedoch seit 2003 in der Praxis oft eingeschränkt. So werden die genannten Identitätsdokumente bei Checkpoints oft nicht anerkannt. Überdies kommt es - beispielsweise im Hinblick auf den Arbeitsmarktzugang - zu erheblichen Diskriminierungen.
Palästinenser, die 1948 geflüchtet und vom ständigen Ausschuss des Innenministeriums registriert sind (sowie deren Nachfahren), haben ein Recht auf Ausstellung eines palästinensischen Reisedokuments. Andere Palästinenser können sich einen palästinensischen Reisepass von der palästinensischen Botschaft in Bagdad ausstellen lassen. Um den Irak legal zu verlassen wird darüber hinaus ein Ausreisevisum benötigt. Die illegale Ausreise ist für Flüchtlinge strafbar und kann mit Konfiskation des gesamten Besitzes geahndet werden. Im neuen Passgesetz aus 2015 ist darüber hinaus vorgesehen, dass Personen, die den Irak über andere Stellen als die offiziellen Grenzübergänge verlassen oder über solche Stellen in den Irak einreisen mit einer Gefängnisstrafe von mindestens drei Jahren zu bestrafen sind. Darüber hinaus sieht das irakische Strafgesetz eine Gefängnisstrafe von 15 Jahren für die Fälschung von offiziellen Dokumenten oder die Benutzung von gefälschten offiziellen Dokumenten vor. Palästinenser haben grundsätzlich das Recht, wieder in den Irak einzureisen, sofern sie Reisedokumente sowie ein Aus- und Einreisevisum besitzen (selbst wenn diese abgelaufen sind). Die Praxis variiert allerdings stark bei Wiedereinreisen nach längeren Auslandsaufenthalten (mehr als 6 Monate). Ein Großteil der palästinensischen Flüchtlinge im Irak lebt in Bagdad im Stadtteil Al-Baladiyat, wo die Regierung einst gratis Wohngebäude zur Verfügung stellte. (UNHCR-Kurzinformation zur Situation von Palästinensern im Irak, 27.04.2018)
Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich und beträgt im Oktober 2018 nun 1.866.594 Personen (311.099 Familien). Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an und betrug mit Oktober 2018
4.113.624 Personen (685.604 Familien). Ein Vergleich mit dem letzten Bericht vom September 2018 zeigt eine Steigerung der Rückkehrer um 1 Prozent. Die meisten Personen kehrten in das Gouvernement Ninewa (61 %) zurück, gefolgt von Anbar (11 %) und Kirkuk (10 %). Die Zahl der IDP's sank ebenso um 1 Prozent. Auch hier wurde der größte Rückgang in Ninewa verzeichnet, gefolgt von Bagdad und Salah al-Din. Insgesamt kehrten ca. 1,6 Millionen Personen in das Gouvernement Ninewa zurück, davon entfallen ca. 945.000 Personen auf Mossul, gefolgt von 320.274 nach Telafar. Etwa 1,3 Millionen Personen kehrten indas Gouvernement Anbar zurück, wobei 528.210 nach Falluja, 460.062 nach Ramadi und 182.850 nach Heet zurückkehrten. In das Gouvernement Salah al-Din kehrten 575.676 Personen zurück. Hier entfielen auf Tikrit 171.336 Personen. (Displacement Tracking Matrix, Round 106, October 2018)
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, den Verwaltungsakten. Hinsichtlich der Daten zum Schulabschluss konnten keine näheren Feststellungen getroffen werden. Die Angaben in der Einvernahme vor dem BFA, wonach der Beschwerdeführer im Jahr 2003 die Schule mit Matura abgeschlossen habe, erscheinen nicht plausibel, da der Beschwerdeführer in diesem Jahr erst 13 Jahre alt war. Es sind daher die Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich wahrscheinlicher, wonach der Beschwerdeführer ca. 2007 die Schule abgeschlossen hat.
Die Feststellungen betreffend die Teilnahme an Deutschkursen, die Leistung von gemeinnützige Hilfstätigkeiten als Asylwerber in einer Gemeinde und in einer Stadt, die Teilnahme an einem Projekt zur Vorbereitung von minderjährigen Asylwerbern sowie subsidiär Schutzberechtigte auf den Schulalltag und den Kindergarten sowie den Besuch eines eintägigen Seminars stützen sich auf die diesbezüglichen vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigungen.
Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 21.01.2019.
Die Feststellungen über seinen Aufenthalt in der Türkei im Februar 2014, die Ausstellung eines Ausreise- und Einreisevisum hierfür, die neuerliche legale Ausreise aus dem Irak am 11.08.2015 und die Ausstellung eines Ausreise- und Einreisevisum hierfür ergeben sich aus den im Reisepass befindlichen Visa sowie Aus- und Einreisestempel.
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:
In der mündlichen Verhandlung war es erforderlich, den Beschwerdeführer mehrfach und durch unterschiedliche Fragestellung zur Schilderung eines konkreten Fluchtgrundes zu bewegen, weshalb der Eindruck gewonnen wurde, dass die schließlich geschilderten Vorfälle in Wahrheit nicht stattgefunden haben.
Dafür dass der Beschwerdeführer den Irak nicht aus einer individuell gegen ihn gerichteten Verfolgung verlassen hat, spricht schon das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er 2003 beschlossen habe den Irak zu verlassen, er aber damals kein Geld und keinen Pass gehabt hätte. Der Beschwerdeführer hat den Irak im Jahr 2015 verlassen. Als er in der mündlichen Verhandlung gefragt wurde, weshalb er sich nun in diesem Jahr zur Ausreise entschlossen habe, meinte der Beschwerdeführer, dass er genug Geld für das Visum und die Tickets gesammelt habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Diese Erklärung des Beschwerdeführers spricht dafür, dass es keinen konkret gegen ihn gerichteten Vorfall gegeben hat, der ihn zur Ausreise veranlasste.
Dieser bereits zu Beginn der Befragung nach den Fluchtgründen gewonnene Eindruck wird auch durch die Antwort auf die Aufforderung, den konkreten Fluchtgrund zu erzählen, verstärkt. Der Beschwerdeführer gab nämlich an, dass sein konkreter Fluchtgrund die Lage im Irak und die Miliz Asaeb Ahl al Haq sei. Zu dieser Miliz machte der Beschwerdeführer zunächst längere allgemeine Ausführungen und gab erst später an, dass ihn eine Person der Miliz in seiner Ehre bedroht habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese allgemeinen Schilderungen zum konkreten Fluchtgrund legen die Annahme nahe, dass es keine konkrete Bedrohung dem Beschwerdeführer gegenüber gab.
Zu dem behaupteten Vorfall mit der Person der Miliz konnte der Beschwerdeführer nicht einmal annähernd angeben, wann sich dieser ereignet habe. So meinte er auf diese Frage, dass der Vorfall 2015 gewesen sei. Das genaue Datum habe er vergessen, da er im "Camp" als Asylwerber sei und Stress habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Unvermögen des Beschwerdeführers, den angeblich fluchtauslösenden Vorfall zeitlich angeben zu können, spricht dagegen, dass es diesen Vorfall überhaupt gab. Dem Beschwerdeführer war es auch schon in der Einvernahme vor dem BFA unmöglich, ein konkretes Datum zu nennen, obwohl diese Einvernahme der Ausreise aus dem Irak noch zeitlich näher lag als die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Vor dem BFA gab er an, dass der Vorfall im Jänner 2015 passiert sei (AS 83). Da der Beschwerdeführer schon vor dem BFA nicht in der Lage war, den Fluchtgrund konkret zu datieren, ist es nicht glaubhaft, dass sich der Vorfall tatsächlich ereignet hat. Der Beschwerdeführer konnte lediglich den Ort des Vorfalls vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend benennen, nämlich das Kaffeehaus " XXXX " (AS 80 und Seite 8 des Verhandlungsprotokolls), doch spricht dies nicht dafür, dass sich der Vorfall tatsächlich und dort ereignet hat, sondern vielmehr dafür, dass der Beschwerdeführer in diesem Kaffeehaus tatsächlich als Kellner gearbeitet hat, weshalb er sich auch den Namen des Kaffeehauses merken konnte.
Hinsichtlich des Vorfalls im Kaffeehaus meinte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, er sei danach noch ca. vier oder fünf Monate im Irak geblieben. Dies würde somit bei einer Ausreise am 11.08.2015 (laut Stempel im Pass) ergeben, dass sich der Vorfall im März oder April 2015 ereignet hat (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Dies widerspricht somit den Angaben vor dem BFA, wonach sich der Vorfall im Jänner 2015 ereignet hätte (AS 83), weshalb es auch auf Grund dieser unterschiedlichen Angaben nicht glaubhaft ist, dass sich der behauptete Vorfall tatsächlich ereignet hat.
Der Beschwerdeführer konnte den Ablauf des von ihm behaupteten Vorfalls im Kaffeehaus mit der Person der Miliz auch nicht vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht gleichbleibend schildern, weshalb auch aus diesem Grund nicht glaubhaft ist, dass sich dieser Vorfall tatsächlich ereignet hat. So gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an, dass die Person der Miliz mit einem palästinensischen Kunden einen Streit gehabt habe, sich der Beschwerdeführer eingemischt habe und den Milizangehörigen aus dem Kaffeehaus geschmissen habe. Der Beschwerdeführer sei von ihm mit dem Tode bedroht worden und dass er die Schwester des Beschwerdeführers vergewaltigen würden. Vor dem Kaffeehaus habe der Mann dann in die Luft geschossen (AS 83). Demgegenüber schilderte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er von dem Mann der Miliz im Kaffeehaus gestoßen und mit der Waffe auf den Kopf geschlagen worden sei. Die Wunde habe er in einer Apotheke behandeln lassen (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls).
Der Beschwerdeführer konnte auch nicht plausibel erklären, weshalb er den in der Einvernahme vor dem BFA noch geschilderten Schuss vor dem Kaffeehaus in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erwähnte. Er meinte dazu nur, es hätte geheißen, dass er auf die Fragen antworten soll (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dies erklärt aber nicht, weshalb er, als er aufgefordert wurde, den Vorfall im Kaffeehaus zu schildern, den Schuss vor dem Kaffeehaus nicht erwähnte, zumal er auf ebendiese Aufforderung auch jene Ereignisse schilderte, die sich unmittelbar nach dem Vorfall ereigneten, nämlich die Wundversorgung in der Apotheke und das Vorfinden des Drohbriefes (Seiten 8 und 9 des Verhandlungsprotokolls).
Außerdem konnte der Beschwerdeführer auch nicht überzeugend darlegen, weshalb er die vor dem Bundesverwaltungsgericht behaupteten Übergriffe im Kaffeehaus vor dem BFA noch nicht geschildert hat. Der Beschwerdeführer begründete dies damit, dass er auch bei den anderen Einvernahmen gewisse Sachen nicht erwähnt hätte, da er eine anstrengende Reise hinter sich gehabt hätte. Er versuchte auch, seine widersprüchlichen Angaben als nicht so gravierend darzustellen, da er auch behaupten hätte können, Syrer zu sein. Er sei aber ehrlich gewesen und habe sein Reisedokument vorgelegt (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer seine Identität nicht verschleiert hat, ändert nichts daran, dass er zu seinem Fluchtvorbringen vor dem BFA andere Angaben als vor dem Bundesverwaltungsgericht machte. Die Einvernahme vor dem BFA war erst ein Jahr nach der Einreise des Beschwerdeführers in Österreich. Eine anstrengende Reise vermag die unterschiedliche Darstellung der antragsbegründenden Ereignisse daher nicht zu erklären.
Zudem steigerte der Beschwerdeführer auch sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Hier behauptete er nun, dass er, nachdem er von der Apotheke nach Hause gegangen sei, dort einen Drohbrief vorgefunden habe. In diesem sei gestanden, dass jeder der Miliz den Beschwerdeführer töten dürfe (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Diese Steigerung des Fluchtvorbringens spricht nicht dafür, dass sich dies alles auch ereignet hat. Auch hinsichtlich dieses Teils des Vorbringens konnte der Beschwerdeführer nicht überzeugend dartun, weshalb er den Erhalt des Drohbriefs nicht schon vor dem BFA erwähnte. Er meinte schlicht, er hätte es vergessen und machte die anstrengende Reise dafür verantwortlich. Es überzeugt nicht, dass etwas derart Gravierendes wie ein Drohbrief, in dem mit der Ermordung gedroht wird, einfach "vergessen" wird und auch eine anstrengende Reise kann keine derartigen Auswirkungen haben, dass ein Jahr nach Ende dieser Reise der Erhalt eines Drohbriefs nicht erwähnt wird.
Zu dem Mann der Miliz gab der Beschwerdeführer auch an, dass sie sich gegenseitig nicht gekannt hätten. Unter diesen Umständen ist es daher nicht nachvollziehbar, dass der Mann dem Beschwerdeführer mit der Vergewaltigung seiner Schwester gedroht haben soll, da er nicht wissen konnte, dass der Beschwerdeführer eine Schwester hat. Seine Erklärung hierfür, woher der Mann von der Existenz einer Schwester hätte wissen sollen, ist dann auch nicht im Geringsten überzeugend. Der Beschwerdeführer meinte nämlich, dass der Mann dies von den Leuten, die im Kaffeehaus gesessen seien, gewusst hätte. Der Beschwerdeführer schilderte jedoch - als er nach dem Vorfall im Kaffeehaus gefragt wurde - nichts dahingehend, dass der Mann die anderen Leute im Kaffeehaus nach Geschwistern des Beschwerdeführers gefragt hätte (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch unter diesem Blickwinkel erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft.
Der Beschwerdeführer behauptete vor dem BFA, dass er von dem Mann zu Hause gesucht worden sei, aber er sei zu diesem Zeitpunkt bei seiner Tante in einem anderen Stadtviertel gewesen. Dann habe er dem Mann Geld gezahlt und er habe den Beschwerdeführer in Ruhe gelassen (AS 83). Dass der Beschwerdeführer von dem Mann gesucht worden sei, brachte er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr vor. Hier sprach er nur davon, dass er dem Mann Geld gezahlt habe (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Diese divergierenden Angaben sprechen ebenso gegen eine Glaubhaftmachung.
Der Beschwerdeführer gab auch an, dass ihm, abgesehen von dem Vorfall im Kaffeehaus, der entweder im Jänner 2015 oder im März/April 2015 gewesen wäre, nichts mehr passiert sei. Die Ausreise des Beschwerdeführers erfolgte am 11.08.2015. Es ist daher auch unter diesen zeitlichen Aspekten nämlich, dass die Ausreise mehrere Monate nach dem behaupteten Vorfall erfolgte, nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer wegen des Vorfalls im Kaffeehaus den Irak verlassen hätte.
Schließlich können die Schilderungen zu dem Vorfall im Kaffeehaus auch nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers zu seiner beruflichen Tätigkeit in Einklang gebracht werden. Im Zusammenhang mit der Schilderung seines Fluchtgrundes gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nach dem Vorfall im Kaffeehaus noch vier oder fünf Monate im Irak aufgehalten habe und in dieser Zeit nicht mehr gearbeitet habe (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Als er jedoch zu Beginn der mündlichen Verhandlung nach seiner beruflichen Tätigkeit gefragt wurde, gab er an, dass er bis einen Tag vor seiner Ausreise gearbeitet hätte (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese Widersprüche sprechen gegen einen Wahrheitsgehalt des Vorbringens des Beschwerdeführers.
Vor dem BFA erwähnte der Beschwerdeführer noch, dass er von den Milizen gefragt worden sei, weshalb er Tätowierungen habe und dass er nach Palästina zurückgehen solle (AS 82). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erwähnte nichts mehr wegen seiner Tätowierungen. Es ist daher auch nicht glaubhaft, dass er deswegen Probleme gehabt hätte. Insbesondere schilderte der Beschwerdeführer weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem BFA und auch nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht irgendein Verfolgungsszenario wegen seiner Tätowierungen. Auch dass die Milizen ihren Kindern erlauben würden, die Palästinenser zu schlagen (AS 82), behauptete der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Auch dieses Vorbringen ist daher nicht glaubhaft.
Schließlich bleibt noch zu erwähnen, dass die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers nach wie vor in Bagdad, wenn auch in einem anderen Bezirk als vor der Ausreise des Beschwerdeführers, leben und es daher nicht erhellte, weshalb der Beschwerdeführer alleine aufgrund seiner Zugehörigkeit zur palästinensischen Volksgruppe einer Verfolgung im Irak durch schiitische Milizen ausgesetzt sei.
Aufgrund der insgesamt aufgezeigten Unplausibilitäten und Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers, der unkonkreten Angaben zu seinem zentralen Fluchtvorbringen, des gesteigerten Vorbringens sowie des geschilderten Aussageverhaltens des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.
Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:
* Fact Sheet Irak Nr. 70
* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018
* DTM Round 106, October 2018
* ACCORD: Irak, 2. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 05.09.2018
* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018
* DerStandard, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018
* UNHCR-Kurzinformation zur Situation von Palästinensern im Irak, 27.04.2018
* ACCORD: Lage von Palästinensern, 10.02.2016
* UNHCR: Relevant COI on the Situation of Palestinian Refugees in Baghdad, 30.03.2017
* Musings on Iraq, Review of Security Trend in Iraq 2018, 15.01.2019
Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer trat den getroffenen Feststellungen nicht entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).
Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.
Auch aus den länderkundlichen Informationen zur allgemeinen Lage von Angehörigen der im Irak lebenden palästinensischen Volksgruppe, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt werden, ließen sich keine stichhaltigen Hinweise darauf entnehmen, dass der Beschwerdeführer schon alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Bevölkerungsgruppe bei einer Rückkehr der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Dritte ausgesetzt wäre. Aus dem Beschwerdeschriftsatz ließ sich diesbezüglich ebenfalls nichts Stichhaltiges gewinnen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe allein sowie deren schlechte allgemeine Situation nicht geeignet ist, eine Asylgewährung zu rechtfertigen (VwGH vom 23.05.1995, 94/20/0816). Von einer extremen Gefährdungslage im Irak, dass gleichsam jeder Palästinenser, der sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, allein aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit einer Verfolgung aus Gründen der GFK ausgesetzt ist, kann aber aufgrund der Länderfeststellungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesprochen werden. Die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Glaubhaftmachung einer konkret gegen den Beschwerdeführer gerichteten drohenden Verfolgung kann sohin nicht allein durch seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Palästinenser ersetzt werden.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine Gruppenverfolgung droht. Aus den Feststellungen zur Lage im Irak geht hervor, dass die Sunniten im Irak ca. 24 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Eine Verfolgung sämtlicher Angehöriger des sunnitischen Islams im Irak kann angesichts der Quellenlage nicht nachvollzogen werden. Es kommt zwar zu Diskriminierungen und Belästigungen, etwa an Kontrollpunkten, doch besteht keine Verfolgung sämtlicher Angehöriger des sunnitischen Islams im Irak. Der Beschwerdeführer hat auch keine konkrete Bedrohungssituation wegen seiner Religionszugehörigkeit konkret behauptet. Der Beschwerdeführer hat demnach nicht bereits aufgrund seiner sunnitischen Glaubensrichtung eine individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten.
Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als "Verfolgung" iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350 unter Hinweis auf Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie)). Der Beschwerdeführer erstattete kein derartiges Vorbringen in Zusammenhang mit einer Diskriminierung, die als Verfolgung zu werten wäre.
Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100). Insbesondere ist aus dem ausschließlich vor dem BFA erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er gefragt worden sei, warum er Tätowierungen habe, keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung anzunehmen.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.
Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.
Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).
Es ist dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.
Der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.
Es widerspricht der Statusrichtlinie und es ist unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von