TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/28 L502 2147592-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2019
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Entscheidungsdatum

28.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L502 2147590-1/8E

L502 2147586-1/8E

L502 2147592-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Irak und vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2017, FZ. XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und seine Ehegattin, die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), sowie diese für ihre gemeinsame Tochter, die Drittbeschwerdeführerin (BF3), stellten nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 02.11.2014 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes Anträge auf internationalen Schutz.

2. Am gleichen Tag erfolgten die Erstbefragungen der Beschwerdeführer (BF) durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In weiterer Folge wurden die Verfahren zugelassen und an der Regionaldirektion OÖ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) weitergeführt.

3. Am 28.09.2015 wurden BF1 und BF2 vor dem BFA zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen und wurden ihnen länderkundliche Informationen der Behörde zum Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht.

Der BF1 legte dabei für sich und seine Angehörigen Identitätsnachweise (Personalausweis, Staatsbürgerschaftsnachweise) vor, die in die deutsche Sprache übersetzt und zum Akt genommen wurden.

Diese Dokumente wurden urkundentechnisch untersucht und für echt befunden.

4. Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 20.01.2017 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihnen eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

5. Mit 23.01.2017 brachten die BF beim BFA eine kurze Stellungnahme ein.

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 25.01.2017 wurde den BF von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

6. Gegen die ihnen durch Hinterlegung mit Wirksamkeit vom 26.01.2017 zugestellten Bescheide wurde mit Schriftsatz der Rechtsberater vom 03.02.2017 innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben. Unter einem wurden Vertretungsvollmachten zugunsten der Rechtsberater sowie eine Schulbesuchsbestätigung der BF3 vorgelegt.

7. Mit 14.02.2017 langten die Beschwerdevorlagen des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurden die gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

8. Am 03.08.2018 langte beim BVwG eine Kopie der Geburtsurkunde der BF3 ein.

9. Am 02.01.2019 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung in den Rechtssachen der BF durch, in der sie zu ihren Antragsgründen persönlich gehört wurden und Beweismittel vorlegten.

Die BF erteilten in der Verhandlung ihrem nunmehrigen Vertreter Vertretungsvollmacht.

Dem Vertreter wurden in der Verhandlung länderkundliche Informationen des BVwG zum Herkunftsstaat ausgefolgt und ihm antragsgemäß eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Die Frist verstrich ungenutzt.

10. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführer, deren Identitäten feststehen, sind irakische Staatsangehörige, Araber und Muslime, der BF1 gehört der schiitischen Glaubensgemeinschaft an, die BF2 der sunnitischen. Beide wurden in XXXX in der Provinz XXXX geboren und sind dort bei ihren Herkunftsfamilien aufgewachsen. BF1 und BF2 besuchten ebendort 12 Jahre lang die Schule, nach der Reifeprüfung absolvierte der BF1 erfolgreich ein Studium der Betriebswirtschaft in XXXX , anschließend den Wehrdienst und trat in weiterer Folge in XXXX eine Stelle an einer technischen Fachhochschule an, die BF2 war beruflich als Lehrerin für Mathematik an einer höheren Schule tätig. Sie schlossen 1994 die Ehe, aus der ein ca. 1994/1995 geborener Sohn und eine im Jahr 1999 geborene Tochter stammen.

Im Jahr 1998 verließen der BF1 und seine Angehörigen den Irak nach Libyen, wo sie sich mit einer Unterbrechung im Jahr 2001, als sie für einige Monate den Irak besuchten, bis 2014, zuletzt in XXXX , aufhielten. Der BF1 ging dort einer Erwerbstätigkeit nach.

Im Irak in XXXX halten sich ein Bruder und eine Schwester des BF1 mit ihren jeweiligen Angehörigen, der Bruder bezieht eine staatliche Rente und bewohnt mit seiner Familie eine Wohnung in einem Mietshaus, sowie zwei Brüder und vier Schwestern mit ihren jeweiligen Angehörigen auf. Die Eltern des BF1 und der BF2 sind verstorben.

Im Oktober 2014 verließen der BF1 und seine Angehörigen unter dem Eindruck der dortigen bürgerkriegsartigen Verhältnisse Libyen und reisten schlepperunterstützt auf dem See- und Landweg bis Österreich, wo sie am 02.11.2014 ihre Anträge stellten und sich seither aufhalten.

Der Sohn von BF1 und BF2 stellte in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz, erhielt subsidiären Schutz und geht dort einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach.

Die Beschwerdeführer sprechen Arabisch als Muttersprache. BF1 und BF2 erwarben durch ihre sozialen Kontakte in Österreich Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Die BF3 besuchte zwischen 2015 und 2017 einen Deutschunterricht an einer Handelsakademie und verfügt über gute Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1.

Der BF1 führte nach der Einreise entgeltliche Hilfstätigkeiten für ein Altenheim aus, ist jedoch wie seine Gattin und seine Tochter in Österreich bisher noch keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Alle Beschwerdeführer beziehen für ihren Lebensunterhalt seit der Einreise Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und wohnen in einer organisierten Unterkunft. Sie sind bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die BF3 nahm nach der Einreise wegen traumatisierender Erfahrungen während der Reise über das Mittelmeer für sechs Monate eine psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch. Sie führt eine Beziehung mit einem syrischen Staatsangehörigen, der in Österreich asylberechtigt, in einem Hotel beschäftigt und mit dem sie verlobt ist. Ein gemeinsamer Haushalt der beiden besteht nicht.

BF1 bis BF3 leiden aktuell unter keinen gravierenden Erkrankungen.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass BF1 und BF2 wegen ihrer ehelichen Verbindung als Schiit und Sunnitin im Irak einer Verfolgung durch Dritte ausgesetzt waren oder im Falle einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sind.

1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wären oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würden.

1.4.1. Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um XXXX sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit Oktober 2018 noch ca. 1,8 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 4,1 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. Schwerpunkte für Rückkehrende sind die Provinzen Ninava, Anbar, Salah al-Din und Kirkuk.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogen. Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an XXXX anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in XXXX und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 mußte der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk. Am 15.10.2017 wurden die in Kirkuk stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogen. der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus Kirkuk zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via XXXX möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum XXXX war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Seit 2016 kam es im Stadtgebiet von XXXX zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. So wurden am 13. und 15. Jänner 2018 von Selbstmordattentätern zwei Sprengstoffanschläge auf öffentliche Plätze in XXXX verübt, deren genaue Urheber nicht bekannt wurden. Für den Großraum XXXX sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet nur mehr wenige sicherheitsrelevante Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden. Am 06.06.2018 kam es im Stadtteil Sadr-City zu einem Anschlag unbekannter Täter auf eine Moschee, bei dem 18 Menschen starben und 90 verletzt wurden.

1.4.2. Für die Provinz Qadisiyah, darunter die Stadt XXXX , wurden im 3. Quartal des Jahres 2018 statistisch insgesamt 7 Konfliktvorfälle (Anm.: Gesamtsumme aus Fernangriffen, Kämpfen, Ausschreitungen, Gewalt gegen Zivilpersonen, strategische Entwicklungen), darunter einer mit einem Todesopfer, erfasst.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der BF, der bekämpften Bescheide, des Beschwerdeschriftsatzes, einer Stellungnahme und der vom BF1 vorgelegten Beweismittel, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, die Einsichtnahme in vom BVwG beigeschaffte länderkundliche Informationen sowie die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems die Beschwerdeführer betreffend.

2.2. Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer waren anhand der vorgelegten Identitätsnachweise feststellbar.

Die Feststellungen ihrer Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe und zur muslimischen Religionsgemeinschaft stützen sich auf den Umstand, dass diese von den BF beginnend mit ihrer Erstbefragung angeben wurden.

Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen konnten angesichts der vor dem BVwG gemachten Angaben und demonstrierten Kenntnisse getroffen werden.

Die Feststellungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer vor der Einreise nach Österreich und im Gefolge derselben ergaben sich aus einer Zusammenschau ihrer persönlichen Angaben im Verlauf des gg. Verfahrens sowie aus den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zum Reiseverlauf resultieren aus einer Zusammenschau der Aussagen der BF dazu.

2.3. Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung von BF1 und BF2 im Herkunftsstaat aus von ihnen behaupteten Gründen bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro gelangte das erkennende Gericht aufgrund folgender Erwägungen:

2.3.1. Anläßlich seiner Erstbefragung brachte der BF1 zu seinen Antragsgründen befragt vor, dass er vormals den Irak aus wirtschaftlichen Gründen und Libyen wegen der dort herrschenden kriegerischen Verhältnisse verlassen habe. Zu etwaigen Rückkehrbefürchtungen den Irak betreffend gab er an, er sei von seinen Schwiegereltern mit dem Tod bedroht worden, weil er Schiit sei und seine Gattin Sunnitin.

Anläßlich seiner Einvernahme vor dem BFA legte er dar, dass nach dem Sturz von Saddam Hussein die Frage der jeweiligen Konfession von Menschen eine Bedeutung gewann, die sie bis dahin nicht hatte. So hätten sich auch mit seinen Schwiegereltern Differenzen ergeben, weil er Schiit und seine Gattin Sunnitin sei. Diese hätten schließlich gemeint, dass seine Gattin ihn verlassen soll. Er habe deshalb weitere Besuche im Irak unterlassen und schließlich auch den Kontakt zu diesen abgebrochen.

Seine Gattin, die BF2, gab in ihrer Erstbefragung an, dass sie befürchte von ihren Eltern mit dem Tod bedroht zu werden, weil ihr Gatte Schiit sei. In ihrer Einvernahme meinte sie, ihre Brüder hätten ihr mit dem Tod gedroht, wenn sie ihren Gatten nicht verlasse.

Die gemeinsame Tochter, die BF3, gab in der Erstbefragung an, die Familie habe Libyen wegen des Krieges verlassen. Bei einer Rückkehr "in die Heimat" habe sie Angst vor dem Krieg und davor, dass sie und die Eltern getötet werden.

2.3.2. Die belangte Behörde gelangte auf der Grundlage dieses Vorbringens zur Feststellung, dass die Rückkehrbefürchtungen von BF1 und BF2 ihren Herkunftsstaat betreffend angesichts von Widersprüchen im Vorbringen sowie mangels Plausibilität nicht glaubhaft gewesen seien.

2.3.3.1. Für das BVwG stellte sich das Vorbringen von BF1 und BF2 zu ihren Rückkehrbefürchtungen - wie für die belangte Behörde - schon erstinstanzlich als widersprüchlich dar.

Es war im Lichte der niederschriftlichen Aussagen nicht nur evident, dass die behaupteten Verfolger einmal die Eltern und ein anderes Mal die Brüder der BF2 waren, sondern dass auch das potentielle Opfer der Bedrohung vorerst der BF1 selbst und später seine Gattin war.

Auch das Bedrohungsszenario als solches divergierte, zumal der BF1 zwar vor dem BFA vermeinte, seine Gattin sei aufgefordert worden ihn zu verlassen bzw. die Ehe mit ihm zu beenden und in den Irak zu ihrer Herkunftsfamilie zurückzukehren. Davon, dass diese Aufforderung mit einer Todesdrohung gegen jemanden verbunden gewesen sei, war jedoch bei ihm nicht mehr die Rede, während seine Gattin genau dies behauptete.

Wie die Bedrohung des BF1 bzw. der BF2 durch deren Eltern mit der Tatsache zu vereinbaren war, dass diese bereits seit 1999 bzw. 2004 verstorben waren, wie auch das BFA zutreffend konstatierte, blieb unklar.

2.3.3.2. In der Beschwerdeverhandlung wurde dieses Szenario nochmals mit den beiden BF erörtert.

Dabei verwunderte bereits eingangs, dass der BF1 in Widerspruch zu seinen erstinstanzlichen Aussagen und denen seiner Gattin vermeinte, er habe nie behauptet im Jahr 2001 mit seinen Angehörigen den Irak besucht zu haben bzw. dies auch nie getan. Dieser Behauptung stand jedoch der Akteninhalt entgegen, der den Beweis für die Aussage lieferte.

Darüber hinaus behauptete er vorerst, er habe in Libyen Drohbriefe seines älteren Bruders erhalten, änderte dies aber dann dahingehend ab, dass er solche von den Brüdern seiner Frau erhalten habe. Dies habe bereits nach dem Sturz von Saddam Hussein, also ab 2003, begonnen und sich bis 2015 oder 2016 fortgesetzt. In Summe seien es zwischen 30 und 50 Schreiben gewesen. Auch sein Bruder habe solche Schreiben von der Familie seiner Gattin erhalten. Versteht man diese Aussagen in einer Zusammenschau in der Weise, dass sowohl der BF1 selbst als auch sein Bruder Drohbriefe der Herkunftsfamilie seiner Gattin in so großer Zahl aus schon erstinstanzlich genanntem Grunde erhalten hätten, so erhellte für das Gericht nicht, weshalb diese wesentliche Tatsache - zutreffendenfalls - nicht schon erstinstanzlich ins Treffen geführt wurde. Dass der BF1 auf entsprechenden Vorhalt bloß vermeinte, er habe dies ebenso wie seine Gattin sehr wohl vor dem BFA erwähnt, half nichts im Hinblick auf den anderslautenden Inhalt der Niederschriften.

Die ebenso dazu befragte BF2 legte wiederum dar, dass die Probleme mit ihrer Familie erst 2011 begonnen hätten, es habe im Genaueren zwei Telefonanrufe ihrer Brüder aus dem Irak nach Libyen gegeben, in denen sie zur Rückkehr in den Irak aufgefordert und ihr gedroht worden sei. Nachdem sie ihre Telefone gesperrt hatten, habe es keine solchen Drohungen mittels Anrufen mehr gegeben. Ihr Gatte habe aber noch weitere Nachrichten über Facebook erhalten. Dass auch vor dem BVwG die Aussagen der beiden BF divergierten, belastete ihr Vorbringen mit weiteren Zweifeln.

Schließlich blieben die beiden BF in der Verhandlung auch eine plausible Erklärung dafür schuldig, weshalb es angesichts einer bereits seit 1994 bestehenden Ehe zwischen einem Schiit und einer Sunnitin, der auch zwei Kinder entsprangen, plötzlich viele Jahre später, der Darstellung des BF1 folgend ab 2003, jener der BF2 erst ab 2011, zu einer so massiven Ablehnung der Ehe durch die Herkunftsfamilie der BF2 hätte kommen sollen, dass der eigenen Tochter bzw. Schwester sogar mit dem Tod gedroht worden sei, wenn sie ihren Gatten nicht verlasse.

2.3.3.3. Dieses Bedrohungsszenario stellte sich daher angesichts der zahlreichen Widersprüche im Vorbringen der beiden BF sowie mangels Plausibilität dessen als bloßes gedankliches Konstrukt ohne Tatsachengehalt dar, das darüber hinwegtäuschen sollte, dass es - diesfalls aus nachvollziehbaren Gründen - zur Ausreise aus Libyen wegen der dortigen notorischen Ereignisse gekommen war und eine Rückkehr in den Irak weniger opportun erschien als eine Weiterreise in europäische Länder.

2.3.4. Aufgrund dieser Erwägungen war zur Feststellung oben unter

1.2. zu gelangen.

2.3.5. Die BF3 gab in ihrer Erstbefragung zu ihren Antragsgründen an, dass sie Angst "vor dem Krieg in der Heimat" habe, wobei zwar unklar blieb, ob sie damit Libyen, wo sie ja geboren wurde und aufgewachsen ist, oder den Irak meinte, dies jedoch dahingestellt bleiben konnte, denn ausgehend von den Feststellungen des Gerichts zu den Antragsgründen ihrer Eltern war eine Bedrohung der BF3 bei einer Rückkehr in den Irak jedenfalls nicht festzustellen.

2.4. Die Annahme, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch insoweit keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wären, als sie etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, stützt sich darauf, dass es sich bei BF1 wie auch BF2 und BF3 um grundsätzlich arbeitsfähige Menschen handelt, wobei insbesondere der BF1 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wieder für seinen Unterhalt und den seiner Familienangehörigen sorgen kann, zumal er bereits einer langjährigen beruflichen Tätigkeit nachging und sohin über berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Auch die BF2 verfügt über eine berufliche Ausbildung sowie Erfahrung. Die Möglichkeit einer verwandtschaftlichen Unterstützung stünde den Beschwerdeführern angesichts entsprechender Anknüpfungspunkte in ihrer Herkunftsregion erforderlichenfalls zur Verfügung. Dass diese unter akuten gravierenden Erkrankungen leiden, war nicht festzustellen.

2.5. Die länderkundlichen Feststellungen des Gerichts stützen sich auf seine Kenntnis von der notorischen allgemeinen Lage im Irak sowie den Inhalt der zuletzt von ihm eingesehenen länderkundlichen Informationen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes v. 12.02.2018; IOM Iraq - Displacement Tracking Matrix Round 106 v. Oktober 2018; ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project

v. 12.11.2018).

Von den Beschwerdeführern wurde weder vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG oder in einer schriftlichen Stellungnahme ein substantielles diesen Feststellungen entgegenstehendes Vorbringen erstattet.

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war im Lichte dessen nicht dergestalt einzuschätzen, dass schon mit der bloßen Anwesenheit für jeden Zurückkehrenden das reale Risiko verbunden wäre, Opfer eines Terroranschlags oder sonstiger gewaltsamer Auseinandersetzungen zu werden.

Als notorisch war anzusehen, dass im Irak aktuell kein landesweiter bewaffneter Konflikt ausgetragen wird, der eine gravierende Gefährdung indizieren würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die von BF1 und BF2 behauptete Rückkehrgefährdung im Irak war nicht als glaubhaft anzusehen.

Die belangte Behörde kam daher zu Recht zum Ergebnis, dass die beiden Beschwerdeführer nicht in der Lage waren mit ihrem Vorbringen glaubhaft darzulegen, dass sie der Gefahr einer individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wären.

Eine Asylgewährung an die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige BF3 im Rahmen des Familienverfahrens nach § 34 Abs. 2 AsylG kam mangels einer solchen an ihre Eltern nicht in Betracht.

1.3. Die Beschwerde war sohin zu Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

2.2. Entgegen seiner früheren ständigen Judikatur zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz, wo der Verwaltungsgerichtshof (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 EMRK abgestellt hat, bezieht sich dieser in seiner jüngsten Rechtsprechung (vgl. Ra 2018/01/0106-12 vom 6. November 2018) vielmehr auf die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Statusrichtlinie) und die dort für die Gewährung von subsidiärem Schutz normierten Voraussetzungen, weist dabei auf das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung des Asylgesetzes vor dem Hintergrund der Statusrichtlinie hin und hält dazu fest, dass zu den vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz alleine die nachfolgend dargestellte Rechtsprechung des EuGH maßgeblich ist.

Nach dieser Rechtsprechung hat ein Drittstaatsangehöriger "nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz ..., wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden" (vgl. zuletzt EuGH 24.4.2018, C-353/16, MP, Rn. 28, mwN).

Art. 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden" die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland (lit. b) und "eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit. c).

Zum Vorliegen eines ernsthaften Schadens nach Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie nahm der EuGH im Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13, M'Bodj, Stellung und führte dazu aus, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, nicht bedeutet, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH dagegen, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten, also von Akteuren iSd Art. 6 Statusrichtlinie, verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

Diesen Unterschied zwischen der Gewährung von subsidiärem Schutz einerseits und der Non-refoulement-Entscheidung andererseits hat der EuGH im zeitgleichen Urteil C-562/13, Abdida, nochmals klargestellt (vgl. Rn. 33).

In seinem Urteil vom 24. April 2018, C-353/16, MP, Rn. 45 und 46, hat der EuGH diese Sichtweise bestätigt. Er führte nochmals aus, dass der Schutz vor Ausweisung nach Art. 3 EMRK auch unter Berücksichtigung von Art. 4 der GRC (Non-refoulement) von der Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie zu unterscheiden ist:

"Zu den Auswirkungen, die es haben kann, dass im Herkunftsland des Betroffenen eine geeignete Infrastruktur zur Behandlung physischer oder psychischer Folgeschäden der von den Behörden dieses Landes verübten Folterhandlungen fehlt, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der in Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 genannte ernsthafte Schaden nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslandes sein darf. Die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung vorsätzlich verweigert würde, kann keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M-Bodj, C-542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 35 und 36)".

Zur Voraussetzung des Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie hat der EuGH festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt [...] ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn. 35).

Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hierbei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37).

Diesen Ausnahmecharakter hob der EuGH nochmals im Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakité, Rn. 30, wie folgt hervor:

"Außerdem wird das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nur zur Gewährung subsidiären Schutzes führen können, sofern die Auseinandersetzungen zwischen den regulären Streitkräften eines Staates und einer oder mehreren bewaffneten Gruppen oder zwischen zwei oder mehreren bewaffneten Gruppen ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden, weil der Grad willkürlicher Gewalt bei diesen Konflikten ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein".

Die spezifische Betroffenheit eines Antragstellers kann aber nach dieser Rechtsprechung (vgl. EuGH 30.1.2014, C-285/12, Diakité, Rn. 31) insoweit eine Rolle spielen, als "der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist".

2.3. Bereits in seinem Urteil vom 9. November 2010, C-57/09 und C-101/09, B und D, Rn. 118ff, hat der EuGH dargelegt, dass den Mitgliedstaaten die Gewährung einer anderen Form des nationalen Schutzes aus anderen Gründen als jenen, aus denen internationaler Schutz im Sinne des Art. 2 lit. a der Statusrichtlinie gewährt werden muss, wie etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen gemäß Art. 3 der Statusrichtlinie nur dann möglich ist, wenn diese andere Form des Schutzes nicht die Gefahr der Verwechslung mit der Rechtsstellung des Flüchtlings oder der Person mit Anspruch auf subsidiärem Schutz im Sinne der Statusrichtlinie birgt. Damit stellte der EuGH klar, dass die Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen nicht in den Anwendungsbereich der Statusrichtlinie fällt und es für die Gewährung nationalen Schutzes aus solchen Gründen einer Form bedarf, die die Gefahr der Verwechslung mit der Schutzgewährung im Sinne der Statusrichtlinie ausschließt.

Die Erlassung oder Beibehaltung günstigerer Bestimmungen durch einen Mitgliedstaat, die - unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - über den oben dargelegten Maßstab für die Gewährung von subsidiären Schutz hinausgehen, hat der EuGH in seinem Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13, M'Bodj, Rn. 43 bis 46, ausdrücklich als unionsrechts- bzw. richtlinienwidrig angesehen.

Nach dieser Rechtsprechung widerspricht es der Statusrichtlinie und ist es unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.

Jüngst hat der EuGH dies nochmals verdeutlicht, wenn er ausführt, "dass die in Art. 3 enthaltene Klarstellung, dass jede günstigere Norm mit der Richtlinie 2011/95 vereinbar sein muss, bedeutet, dass diese Norm die allgemeine Systematik oder die Ziele der Richtlinie nicht gefährden darf. Insbesondere sind Normen verboten, die die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen zuerkennen sollen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen" (vgl. EuGH 4.10.2018, C-652/16, Ahmedbekova, Rn. 71f, mit Verweis auf EuGH 18.12.2014, M'Bodj, C-542/13, vgl. dazu bereits auch VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040-0044, in Bezug auf das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005).

Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.

Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH obliegt die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie deren Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten, einschließlich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den Gerichten (vgl. etwa jüngst EuGH 7.8.2018, C-122/17, David Smith, Rn. 38, 39, mwN). Zur Erfüllung dieser Verpflichtung verlangt der Grundsatz der unionskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht. Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. jüngst EuGH 4.10.2018, C-384/17, Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic N&N, Rn. 57, 58, mwN). Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung umfasst jedoch auch die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist (vgl. jüngst EuGH 11.9.2018, C-68/17, IR, Rn. 64, mwN).

Zu einer derartigen richtlinienkonformen Auslegung hat der EuGH festgehalten, "auch wenn dieses Erfordernis der richtlinienkonformen Auslegung nicht so weit reichen kann, dass eine Richtlinie selbst und unabhängig von einem nationalen Umsetzungsakt Einzelnen Verpflichtungen auferlegt oder die strafrechtliche Verantwortlichkeit der ihren Bestimmungen Zuwiderhandelnden bestimmt oder verschärft, so ist doch anerkannt, dass der Staat grundsätzlich Einzelnen eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts entgegenhalten kann" (vgl. EuGH 5.7.2007 Kofoed, C-321/05, Rn. 45 mit Verweis auf seine Urteile Kolpinghuis Nijmegen, Rn. 12 bis 14, und Arcaro, Rn. 41 und 42).

2.4. Wie oben festgestellt wurde, konnten BF1 und BF2 nicht glaubhaft darlegen, dass sie aus von ihnen behaupteten Gründen im Herkunftsstaat durch von ihnen genannte Akteure nach einer Rückkehr von diesen verfolgt werden. Im Hinblick darauf war daher auch nicht auf das Vorliegen der Gefahr des Erleidens eines ernsthaften Schadens iSd Art. 15 lit b der Statusrichtlinie in Form von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch genannte Akteure zu schließen.

2.5. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Beschwerdeführer als Zivilpersonen infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts iSd Art. 15 lit. c war im Lichte der Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat vor dem Hintergrund ihres individuellen Vorbringens nicht festzustellen.

2.6. Folgerichtig waren auch die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Rahmen des Familienverfahrens gemäß § 34 Abs. 3 AsylG an die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige BF3 nicht gegeben.

2.7. Die Beschwerde waren sohin auch hinsichtlich Spruchpunkt II der bekämpften Bescheide als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG lautet:

(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 AsylG 2005 lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprü

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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