TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/4 L519 2115279-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2019
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Entscheidungsdatum

04.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §19
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L519 2115281-1/19E

L519 2115282-1/17E

L519 2115279-1/23E

Schriftliche Ausfertigung des am 5.9.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.9.2015, Zl. XXXX nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 3.11.2015 und am 5.9.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9 BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.9.2015, Zl. XXXX nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 3.11.2015 und am 5.9.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9 BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.9.2015, Zl. XXXX nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 3.11.2015 und am 5.9.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9 BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als BF1 bis BF3 bezeichnet), sind Staatsangehörige von Armenien. Sie brachten nach unrechtmäßiger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 22.12.2014 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. der belangten Behörde brachten die BF im Wesentlichen Folgendes vor:

Der BF3 habe am 26.9.2014 in der Bar seines Freundes Levon an einem Raufhandel teilgenommen. Der BF habe seinem Freund, von dem Schutzgeld verlangt wurde, helfen wollen. Als die Gegner immer mehr wurden, sei er geflüchtet. Am 30.9.2014 sei der BF mit seinem Freund Levon mit dem Auto unterwegs gewesen, als auf sie geschossen wurde. der Freund sei getroffen und vom BF3 in ein Spital gebracht worden. Die Ärzte hätten die Polizei verständigt, welche den BF3 vom Spital aus mitnahm. Bereits auf der Fahrt zur Polizeistation sei der BF3 erniedrigt und beschimpft worden. Auf der Polizeistation sei der BF3 befragt worden, ehe er am 2.10.2014 wieder freigelassen wurde. Der BF3 habe die nächsten 20 Tage bei Verwandten verbracht. In dieser Zeit sei bei den BF1 und BF2 nach dem BF3 gefragt worden.

Die BF1 und BF2 gaben an, Armenien wegen der Probleme des BF3 verlassen zu haben.

I.3. Die Anträge der BF1 bis BF3 auf internationalen Schutz wurden mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status von Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurden nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF1 bis BF3 nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit jeweils 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen festgelegt.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der BF in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu im Wesentlichen Folgendes aus:

Der BF3 habe bei der Erstbefragung zusammengefasst angegeben, dass sein Freund Levon in Erewan eine Bar besitzt, die der BF3 immer wieder besucht habe. Am 26.9.2014 habe es dort eine Rauferei gegeben, an der auch der BF3 beteiligt war, da er seinen Freund schützen wollte. Die Gegner seien in der Überzahl gewesen und immer mehr geworden. Deshalb sei der BF3 über den Hinterausgang geflüchtet. Am 30.9.2014 sei der BF3 mit seinem Freund mit dem Auto unterwegs gewesen, als auf sie geschossen wurde. Der Freund sei am Fuß verletzt worden. Er sei ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Polizei sei dorthin gekommen und habe den BF3 mitgenommen. Er sei bereits im Polizeiauto geschlagen worden und anschließend auch auf der Polizeidienststelle. Er sei 3 Tage von der Polizei festgehalten und dann wieder frei gelassen worden. Nach der Freilassung sei der BF3 in einem Dorf für ca. 20 Tage untergetaucht. Laut den BF1 und BF2 hätten diese anonyme Anrufe erhalten, der BF3 solle nicht nach Hause zurückkehren. Bei den Verfolgern handle es sich um Söhne bzw. Verwandte der mächtigen Funktionäre von Armenien. Der BF3 habe keine Chance gegen sie, weshalb er gemeinsam mit seinen Eltern geflüchtet sei. Diese Leute hätten vom Freund des BF 3 Schutzgeld verlangt, wie es in Armenien üblich sei. Der Freund habe das aber abgelehnt. Der Raufhandel sei aus diesem Grund entstanden. Wer den Raufhandel im Lokal begonnen hat, könne der BF3 nicht sagen, da er zu diesem Zeitpunkt auf der Toilette gewesen sei.

Bei der Einvernahme am 8.6.2015 gab der BF3 an, dass sein Freund, von dem er nur den Vornamen wisse, in Probleme geraten sei. Der BF3 habe keine Probleme gehabt. Der Freund habe in seinem Lokal in Erewan eine Auseinandersetzung gehabt. Er sei zusammengeschlagen worden und sei dann mit dem BF3 von dieser Rauferei weggelaufen. Das sei am 26.9.2014 passiert. 4 Tage später habe der BF3 erfahren, dass sein Freund Schutzgeld zahlen sollte, dies aber verweigerte. Der Freund habe dem BF3 auch gesagt, dass er nicht mehr in seinen Club gehen werde. Dies klinge völlig unglaubwürdig, da der Club dem Freund gehörte. Ebenso sei nicht glaubhaft, dass der BF3 nur mit seinem Freund aus dem Lokal gelaufen ist. Er gab auch an, dass das Lokal seinem Freund gehörte. Da müssten erstens mehr Freunde im Lokal gewesen sein und zweitens müsste der Freund Angestellte gehabt haben, die ihm geholfen hätten.

Der Freund sei während einer Autofahrt angeschossen worden. Der BF3 habe ihn ins Krankenhaus gebracht. Dann sei die Polizei ins Spital gekommen und habe den BF3 mitgenommen. Während der Fahrt sei er erniedrigt und beschimpft worden. Ihm seien sogar Handschellen angelegt worden. Man habe dem BF3 gesagt, dass er Waffen habe und Menschen umbringe. Der BF3 sei dann verhört worden und habe das Geschehene geschildert.

Glaubwürdig sei, dass die Polizei nach so einem Vorfall ins Krankenhaus fährt. Die weiteren Angaben des BF3 zur Amtshandlung seien allerdings fragwürdig.

Der BF3 gab an, dass Leute in Zivil bei seinen Eltern gewesen seien. Wer diese Leute waren, wisse er nicht, sie würden ihn töten wollen. Auch dies sei kaum vorstellbar.

Die ganze Fluchtgeschichte klinge unglaubwürdig, der BF3 habe nichts wirklich Handfestes vorbringen können. Es sei nicht glaubhaft, dass Polizeibeamte den BF3 in das Polizeigebäude mitnehmen und auf die geschilderte Art und Weise verhören. Glaubhaft wäre, dass die Polizei den BF3 mitgenommen hat, um ihn als Zeugen einzuvernehmen. Es sei auch unbegreiflich, dass der Freund des BF3 nicht einvernommen wurde; wenn er nur am Fuß verletzt war, habe er doch aussagen können. Davon habe der BF3 kein Wort erzählt. Dass den BF3 dann noch Leute in Zivil bei seinen Eltern suchen, um ihn zu töten, klinge völlig unglaubwürdig. Wenn diese Leute, wie der BF3 angab, nur von seinem Freund Schutzgeld erpressen wollten und diese Leute den Freund angeschossen haben, stellt sich die Frage, was diese Leute vom BF3 gewollt haben sollen.

Vielleicht wollten diese Leute nur Kontakt zum Freund des BF3. Da der BF3 keinen Kontakt mehr zu seinem Freund hat, wisse er ja gar nicht, was in Armenien in der Zwischenzeit passiert ist. Vielleicht sei die Sache bereits bereinigt. Höchstwahrscheinlich habe der Freund schon Schutzgeld bezahlt, aber vielleicht sei der Freund auch schon tot.

Aber in allen Fällen habe der BF3 nichts mehr zu befürchten. Beim geschilderten Vorfall gehe es nur um die Schutzgeldzahlungen des Freundes. Was diese Leute vom BF3 wollen sollten, wisse dieser selbst nicht. Auch, dass der BF3 mit seinem Freund nicht einmal mehr telefonisch Kontakt habe, sei kaum denkbar.

Die Geschichte mit der Schutzgelderpressung klinge einigermaßen plausibel, aber die Angaben des BF3 bezüglich dieser Leute, die ihn jetzt umbringen wollen, klingen völlig aus der Luft gegriffen. Es sei auch nicht denkbar, dass der BF3 in den Nachrichten hörte, dass sein Freund nicht gestorben sei.

Es scheine, dass die Geschichte erfunden ist und die BF in Wahrheit aus gesundheitlichen Gründen ausgereist sind, da der BF1 Dialysepatient ist.

Außerdem seien die Angaben des BF3 nicht vereinbar mit denen der Eltern. Der BF1 gab z.B. an, gar nicht zu wissen, welche Probleme der BF3 habe. Er wisse nichts und könne sich an nichts erinnern. Der BF1 gab lediglich bei der Erstbefragung an, dass der BF3 Probleme mit Söhnen von Oligarchen und mit der Polizei habe. Der BF1 gab aber öfters an, dass er krank sei und sich sein Leben in Österreich verlängern könne.

Die BF2 habe bei der Erstbefragung angegeben, dass der BF3 von mehreren verfolgt würde. Sie wisse aber nicht genau, ob das Zivilisten oder nur die Polizei gewesen sei. Es habe ständig anonyme Anrufe gegeben, bei denen nach dem BF3 gefragt worden sei. Am 26.9.2014 sei ein Vorfall mit dem BF3 gewesen, dieser habe aber nichts Näheres erzählt. Seither habe die ganze Familie Probleme. Im November 2014 hätten Unbekannte in der Wohnung nach dem BF3 gesucht. Es sei zu Beschimpfungen gekommen, der BF1 sei zu Boden gestoßen worden. Dieser sei Dialysepatient, sodass nur die Flucht aus Armenien geblieben sei. Beim BFA gab die BF2 an, dass der BF3 Probleme habe und Unbekannte da gewesen wären, die auch die BF2 und den BF1 bedroht hätten. Sie hätten nach dem BF3 gefragt.

Der BF1 sei auch geschlagen worden. Die BF2 sei ebenfalls angegriffen worden. Davon habe der BF1 bei seiner Einvernahme kein Wort erzählt. Weiter gab die BF2 total widersprüchlich an, dass sie so laut geschrien habe, dass diese Männer gar nicht dazu gekommen seien, sie zu fragen.

Soweit die BF2 ihr Fluchtvorbringen auf das des BF3 stützt, sei es bereits diesem nicht gelungen, seine Fluchtgeschichte glaubhaft darzulegen.

Der BF1 gab zum Fluchtgrund bei der Erstbefragung an, der BF3 habe Streit mit Söhnen von Oligarchen und mit Polizisten. Er sei immer wieder bedroht, für 3 Tage festgenommen und dann wieder freigelassen worden. 2 oder 3 Unbekannte seien zum BF1 ins Krankenhaus, wo er zur Dialyse war, gekommen und hätten ihn nach dem Aufenthaltsort des BF3 gefragt. Beim BFA gab der BF1 zusammengefasst an, die Probleme des BF3 nicht zu kennen. Dieser sage ihm nichts, weil er krank sei. Er gab weiter an, dass Männer bei ihm im Spital gewesen wären und ihn mit dem Umbringen bedroht haben, weil er den Aufenthaltsort des BF3 nicht bekanntgab.

Die Angaben des BF1 seien nicht glaubhaft. Die BF2 hat beim BFA angegeben, dass der BF1 von diesen Leuten geschlagen wurde. dass dieser nichts davon angab, lasse den Schluss zu, dass die BF2 das Vorbringen steigern wollte. Wenn es so passiert wäre, hätte der BF1 davon erzählt. Der BF3 gab an, Probleme wegen eines Freundes namens Levon gehabt zu haben. Der BF1 sprach hingegen von Problemen mit Oligarchen und Polizei, welche der BF3 nicht angab.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen ist und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die BF ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiter keine Hinweise auf Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stellen die Rückkehrentscheidungen auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft sei: die Einvernahmen seien mangelhaft. Der BF3 sei nicht eingehend zu seinen Verfolgern befragt worden. Er sei bei der Einvernahme eingeschüchtert und misstrauisch gewesen. Die Verfolger des BF3 hätten Kontakt zu höchsten Regierungskreisen, insbesondere zum Finanzminister und zu einem Mitglied der republikanischen Regierungspartei.

Die Länderfeststellungen seien mangelhaft und nicht aktuell und teilweise falsch. Eine entsprechende medizinische Versorgung des BF1 sei nicht gewährleistet. Nähere Nachforschungen dazu seien unterblieben.

Die Ermittlungen zum Gesundheitszustand der BF seien ebenfalls mangelhaft. Fachärztliche Gutachten seien nicht eingeholt und die vorgelegten Befunde nicht entsprechend gewürdigt worden.

Der BF1 sei Dialysepatient, habe eine schwere koronare Gefäßerkrankung und sei erwerbsunfähig. Er brauche ständig Medikamente und müsse jeden 2. Tag zur Dialyse. Er habe nur eine kleine Pension in Armenien gehabt, von der er nicht leben konnte. Die Behandlung sei nur durch Unterstützung des BF3 möglich gewesen. In Österreich habe sich der Zustand durch die gute Betreuung gebessert.

Die Beweiswürdigung sei ebenfalls mangelhaft. Der BF3 werde in Armenien aufgrund seiner ihm unterstellten politischen Gesinnung verfolgt.

Beantragt werde auch die unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers.

I.5. Für den 3.11.2015, den 3.12.2015 und den 5.9.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

I.6. Hinsichtlich des Verfahrensgangs im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die Beschwerdeführer:

Bei den BF handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen. Die BF1 und BF2 sind die Eltern des BF3.

Die BF haben familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und eine -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherte Existenzgrundlage. In Armenien lebt zumindest eine Tochter der BF1 und BF2 mit ihrer Familie.

Die BF besitzen in Armenien eine derzeit leerstehende Haushälfte von den verstorbenen Eltern des BF1.

Die BF haben in Österreich keine über ihre Kernfamilie hinausgehenden Verwandten und leben auch sonst mit keiner ihnen nahestehenden Person zusammen.

Der BF1 hat eine koronare Dreigefäßerkrankung, eine ischämische Kardiomyopathie mit hochgradig reduzierter Linksventrikelfunktion, hypertensive Nephropathie mit seit 2012 dialysepflichtiger Niereninsuffienz und sekundären Hyperparathyreodismus. Dem BF1 wurden in Österreich 3 Stents gesetzt.

Die BF2 hat Gastritis und mittelgradiges Asthma bronchiale.

Der BF3 ist gesund.

Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit Jänner 2015 im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung und haben Deutschkurse besucht. Der BF3 hat die A1-Prüfung abgelegt, BF1 und BF2 haben keine Deutschprüfungen abgelegt. Die BF2 hat einen Werte- und Orientierungskurs besucht. Der BF3 engagiert sich innerhalb des RK und der Kirche.

Die BF sind bislang strafrechtlich unbescholten.

Die Identität der BF steht nicht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien:

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hat etwas über 3 Millionen Einwohner (2016). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 26.9.2018).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Die Verfassungsreform sieht einen Übergang vom derzeitigen semi-präsidentiellen System zu einer parlamentarischen Demokratie vor. Diese Änderung wurde mit 63 % der Stimmen gebilligt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 3.2018a).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 8.5.2018). Paschinyan versprach vor der Abstimmung einen entschlossenen Kampf gegen Korruption und politische Verfolgung (WZ 8.5.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen "Mein Schritt" erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei "Blühendes Armenien" (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei "Leuchtendes Armenien" unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 16.10.2018

* ARMENPRESS - Armenian News Agency (10.12.2018): My Step - 70.44%, Prosperous Armenia - 8.27%, Bright Armenia - 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 10.12.2018

* BBC News (8.5.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 16.10.2018

* CIA - Central Intelligence Agency (26.9.2018): The World Factbook, Armenia;

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 16.10.2018

* EN - EurasiaNet.org (3.4.2017): Armenia: Voters Opt for More of the Same, http://www.eurasianet.org/node/83066, Zugriff 16.10.2018

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017:

Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 10.12.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/

Radiohttps://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms,

https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, Zugriff 10.12.2018

* WZ - Wiener Zeitung (8.5.2018): Oppositionsführer Paschinian wird Regierungschef,

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/963598_Oppositionsfuehrer-Paschinian-wird-Regierungschef.html, Zugriff 16.10.2018

Sicherheitslage

Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 15.10.2018). Im Jahr 2017 gab es mehrere Verletzungen des Waffenstillstands entlang der Konfliktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verletzten führten (gov.uk 16.10.2018; vgl. CFR 15.10.2018).

Der Konflikt um die aserbaidschanische Region Bergkarabach sowie sieben angrenzende aserbaidschanische Provinzen bleibt ungelöst. Die Konfliktgebiete sind teilweise stark vermint. Entlang der Konfliktlinie und entlang der armenisch-aserbaidschanischen Staatsgrenze kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen mit Toten und Verletzten. Die Spannungen nehmen periodisch zu. Die Grenzübergänge ins aserbaidschanische Kerngebiet sind geschlossen (EDA 16.10.2018).

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).

Quellen:

* CFR - Council on Foreign Relations (15.10.2018): Nagorno-Karabakh Conflict,

https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker#!/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 16.10.2018

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (16.10.2018): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html, Zugriff 16.10.2018

* Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures, Zugriff 16.10.2018

* UK Gov (16.10.2018): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia, Zugriff 16.10.201

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte: die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wird weiterhin durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert, auch wenn durch Gesetzesänderungen im Rahmen der "Judicial Reforms Strategy 2012-2016" gewisse Fortschritte, insbesondere bei der richterlichen Unabhängigkeit, zu verzeichnen sind. Die neue Verfassung hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Einige Beamte in leitenden Funktionen der Justiz haben keine juristische Ausbildung. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - soll in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet sein. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es hingegen insoweit Fortschritte, als die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 17.4.2018).

Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 1.2018).

Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Das Kassationsgericht nimmt eine dominante Stellung ein. Es diktiert den Ausgang aller wichtigen Fälle der niederen Gerichtsbarkeit. Diese Kontrolle seitens des Kassationsgerichts bleibt das dominante Problem, das die Unabhängigkeit der Justiz beeinflusst. Richter unterliegen weiterhin politischem Druck von allen Ebenen der Exekutive, speziell seitens der Rechtsvollzugsorgane. Richter haben keine lebenslange Amtszeit, wodurch sie der Kündigung ausgesetzt sind und keine wirksamen Rechtsmittel besitzen. Vormalige Entlassungen von Richtern wegen ihrer unabhängigen Entscheidungen haben immer noch eine einschüchternde Wirkung auf die Justiz als Ganzes. Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber der Justiz fehlt weitgehend die Unabhängigkeit, um dieses Recht durchzusetzen. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor, aber Verdächtigen wird dieses Recht in der Regel nicht zugestanden. Während der Gerichtsverhandlungen informieren die Behörden die Angeklagten ausführlich über die gegen sie erhobenen Anschuldigungen und das Gesetz verlangt, dass bei Bedarf fremdsprachige Dolmetscher für nicht-armenisch Sprechende zur Verfügung gestellt werden (USDOS 20.4.2018).

Obwohl die Bürger Zugang zu Gerichten haben, um Klagen auf Schadenersatz wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen einzureichen, werden die Gerichte weithin als korrupt wahrgenommen. Die Bürger haben auch die Möglichkeit, vor dem Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechtsakten anzufechten, die ihre Grundrechte und -freiheiten verletzen. Nach Ansicht von Juristen halten sich die Gerichte der unteren Instanzen nicht an die Präzedenzfälle des Kassationsgerichts, des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte oder des Verfassungsgerichts. Während zivil- und verwaltungsrechtliche Gerichtsverfahren zwar mit einem höheren Maß an Unabhängigkeit geführt werden, besteht bei Strafverfahren ein Mangel an Unabhängigkeit, wodurch es zu einer allgemeinen Diskreditierung des Justizsystems kommt (USDOS 20.4.2018).

Der Machtmissbrauch unter armenischen Beamten ist nach wie vor grassierend und unkontrolliert. Ein solcher Missbrauch manifestiert sich zum Teil in der Verankerung von Korruption in staatlichen Institutionen. In den letzten zwei Jahren gab es jedoch mehrere Fälle von Verhaftungen und Strafverfolgung von Beamten und sogar Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden wegen korruptionsbezogener Verbrechen und Machtmissbrauch, was einen Trend bestätigt, der zumindest darauf abzielt, die Schwere und Anzahl der flagranteren Amtsmissbräuche zu begrenzen und zu verringern (BS 2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Armenia Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427376/488336_en.pdf, Zugriff 16.10.2018

* FH - Freedom House Ä(1.2018): Freedom in the World 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442337.html, Zugriff 16.10.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 16.10.2018

Sicherheitsbehörden

Die Polizei und der Nationale Sicherheitsdienst (NSD) sind direkt der Regierung unterstellt. Ein Innenministerium gibt es nicht. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt: So ist für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Hin und wieder treten aber Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 17.4.2018).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Laut einigen Beobachtern setzt die Polizei überlange Untersuchungshaft als Mittel ein, um die Angeklagten dazu zu bringen, ihre Schuld einzugestehen oder selbstbelastende Beweise vorzubringen (USDOS 20.4.2018).

Die Rechenschaftspflicht der Polizei angesichts des übermäßigen Einsatzes von Gewalt gegen weitgehend friedliche Demonstranten, die im Juli 2016 in Jerewan gegen die Regierung demonstrierten, war begrenzt, als Hunderte von Personen verletzt und willkürlich verhaftet wurden. Dutzende von Demonstranten wurden wegen angeblicher Verletzung der öffentlichen Ordnung und anderer Straftaten strafrechtlich verfolgt. Die strafrechtliche Untersuchung von Vorwürfen des Machtmissbrauchs durch Polizeibeamte führte zu keiner Strafanzeige (AI 22.2.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424997.html Zugriff 16.10.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 16.10.2018

Folter und unmenschliche Behandlung

Armenien ist Signatarstaat des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Die Anwendung von Folter ist nach Art. 26 der Verfassung verboten. Das armenische Strafgesetzbuch wurde mittlerweile um eine Definition und die Kriminalisierung von Folter ergänzt (in Übereinstimmung mit der UN-Konvention gegen Folter). Allerdings fehlen bisher weitere Ergänzungen des Strafgesetzbuches, um Folter vorzubeugen und Straflosigkeit zu verhindern. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass systematisch Folter praktiziert wird. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 17.4.2018).

Menschenrechtsorganisationen berichten aber immer wieder glaubwürdig von Fällen, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll, etwa um Geständnisse zu erhalten. Betroffene beschweren sich nur selten, weil sie Repressalien befürchten (AA 17.4.2018, vgl. USDOS 20.4.2018). Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden. Nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern führen Ermittlungen wegen mutmaßlicher polizeilicher Misshandlungen kaum zu strafrechtlichen Sanktionen gegen Strafverfolgungsbeamte. Menschenrechtsanwälte verwiesen auf voreingenommene Justiz- und Ermittlungspraktiken in Folterfällen und auf die Praxis, Ermittlungen über mögliche falsche Anschuldigungen einzuleiten, wenn ein Opfer von Folter den Missbrauch anzeigt (USDOS 20.4.2018).

Das Anti-Folter-Ausschuss der Vereinten Nationen (CAT) zeigte sich weiterhin besorgt ob der Berichte, dass erzwungene Geständnisse in der Praxis immer noch als Beweismittel vor Gericht verwendet werden, und wegen der Vorwürfe hinsichtlich der Folter- und Misshandlung durch Organe der Strafverfolgung, der Mängel bei der wirksamen Untersuchung und Verfolgung diesbezüglicher Beschwerden, insbesondere durch den Sonderermittlungsdienst, sowie die Diskrepanz zwischen der Anzahl der aufgezeichneten Beschwerden über Folter und der besonders geringen Anzahl der daraus resultierenden Untersuchungen und Verfolgungen (CAT 26.1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* CAT - UN Committee Against Torture (26.1.2017): Concluding observations on the fourth periodic report of Armenia [CAT/C/ARM/CO/4],

https://www.ecoi.net/en/file/local/1151639/1930_1485421506_g1701892.pdf, Zugriff 8.11.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 8.11.2018

Korruption

Zu den gravierenden Demokratiedefiziten kommt die grassierende Korruption, vor allem im staatlichen Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit. Die Korruption wird, neben dem Oligarchentum, als größtes Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung und den Aufbau einer Zivilgesellschaft Armeniens gesehen. Zwar entspricht die Gesetzgebung zur Bekämpfung der Korruption im Wesentlichen internationalen Standards; zuletzt wurde im Juni 2017 ein "Anti-Korruption"-Gesetzespaket verabschiedet. Ein wachsendes Bewusstsein ist festzustellen, aber es mangelt an der konsequenten Umsetzung (AA 17.4.2018).

Es gab zahlreiche Medienberichte über systemische Regierungskorruption in Bereichen wie Bauwesen, öffentliche Verwaltung, Justiz, Beschaffungspraktiken und Bereitstellung von Zuschüssen durch den Staat (einschließlich der Präsidialverwaltung), Gesundheitswesen, Steuern, Strafverfolgung, Bildung und Militär. Vorwürfe gab es auch wegen Veruntreuung staatlicher Gelder, der Beteiligung von Regierungsbeamten an fragwürdigen Geschäftsaktivitäten sowie von Steuer- und Zollprivilegien für regierungsnahe Unternehmen (USDOS 20.4.2018).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 107 von 180 Staaten (2016: Platz 113 von 176) und erhielt einen Wert von 35 auf einer Skala von 100 [100 ist der beste, 0 der schlechteste Wert] bezüglich der Korruption im öffentlichen Sektor (TI 2017).

Ein Bericht der armenischen Generalstaatsanwaltschaft besagt, dass die Zahl der von den Strafverfolgungsbehörden des Landes in der ersten Jahreshälfte 2018 eingeleiteten Korruptionsuntersuchungen mehr als doppelt so hoch ist wie in der ersten Jahreshälfte 2017. Im ersten Halbjahr 2018 wurden 786 Verfahren eingeleitet, von denen 579 zu Strafverfahren führten. Die Zunahme wird auf eine stärkere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Strafverfolgungsbehörden und die größere Rolle der Gesellschaft bei der Meldung von Korruptionsfällen zurückgeführt (Hetq 7.9.2018).

Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* Haypress (13.7.2018): Armenien: Paschinjans Regierung holt 42 Mio. Dollar an Steuerhinterziehung zurück, https://haypressnews.wordpress.com/2018/07/13/armenien-paschinjans-regierung-holt-42-mio-dollar-an-steuerhinterziehung-zurueck/, Zugriff 9.11.2018

* JAMnews (24.7.2018): Armenia's fight against corruption: a JAMnews series on the first steps of the new Armenia, https://jam-news.net/armenias-fight-against-corruption-a-jamnews-series-on-the-first-steps-of-new-armenia/, Zugriff 9.11.2018

* Hetq (7.9.2018): Armenia: Criminal Investigations of Corruption More than Double, https://hetq.am/en/article/92788, Zugriff 9.11.2018

* TI - Transparency International (2017): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/country/ARM, Zugriff 9.11.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 9.11.2018

NGOs und Menschrechtsaktvisten

Der NGO-Sektor ist zwar konsolidiert und recht gut entwickelt, jedoch von der breiteren Gesellschaft losgelöst. Eine völlig neue Entwicklung ist der Aufstieg des zivilen Aktivismus einer neuen Art:

fallbezogen, weitgehend spontan, meist von Jugendlichen betrieben und von sozialen Medien angetrieben. Der Einfluss der Zivilgesellschaft wird im Allgemeinen dadurch eingeschränkt, dass es dem Staat nicht gelingt, sie in einen konstruktiven Dialog einzubinden oder ihr eine Rolle in der öffentlichen Debatte oder bei der Formulierung von Politik einzuräumen. Sowohl bei der Anzahl als auch bei der Tätigkeit der zivilgesellschaftlichen Gruppen wurden weitere Fortschritte erzielt, wobei eine größere Bandbreite von zivilen und nicht-staatlichen Organisationen (NGOs), die sich mit einem breiten Spektrum von Themen befassen, vertreten ist (BS 2018).

Die armenische Zivilgesellschaft ist frei von übermäßigen finanziellen und administrativen Beschränkungen, denen Pendants in vielen post-sowjetischen Staaten ausgesetzt sind. Trotz dieses positiven regionalen Ansehens sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen eher schwach in ihrer Fähigkeit, die Politik über formale Kanäle zu beeinflussen. Die größten Herausforderungen für NGOs sind schwache Kapazitäten und finanzielle Nachhaltigkeit. Inländische Organisationen sind stark von ausländischen Zuwendungen abhängig, obwohl viele von ihnen eine Diversifizierung der Finanzierungsquellen anstreben. Nach eingehenden Konsultationen mit der Zivilgesellschaft verabschiedete die Nationalversammlung Ende 2016 ein neues Gesetz über NGOs und änderte mehrere Rechtsvorschriften über öffentliche Organisationen und Stiftungen. Unter anderem erleichterte die Gesetzgebung die Registrierungsprozesse und Möglichkeit unternehmerischer Aktivitäten zu entfalten, was der Zivilgesellschaft helfen dürfte, ihre finanzielle Nachhaltigkeit zu verbessern (FH 11.4.2018).

Quellen:

* BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Armenia Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427376/488336_en.pdf, Zugriff 9.11.2018

* FH - Freedom House (11.4.2018): Nations in Transit 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1429159.html, Zugriff 9.11.2018

Ombudsperson

Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte "Ombudsperson für Menschenrechte" muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 17.4.2018). Die Ombudsperson bietet Personen Schutz, deren Menschenrechte und Freiheiten von staatlichen oder lokalen Behörden verletzt wurden. Auf breiterer Ebene schützt und fördert die Ombudsperson die Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Einzelpersonen (und juristischen Personen), indem sie die Menschenrechtssituation im Land beobachtet, individuelle Beschwerden bearbeitet und sich an der Verbesserung des nationalen Rechtsrahmens im Einklang mit international anerkannten Menschenrechtsstandards beteiligt. 2015 wurde das Mandat der Ombudsperson auf den Privatsektor ausgedehnt und ein neues Verfassungsgesetz über Ombudsperson im Einklang mit den Verfassungsänderungen ausgearbeitet. Nach dem neuen Gesetz ist die Ombudsperson für private Unternehmen im Bereich Gesundheit, Bildung und Kultur zuständig. Mit der Umsetzung des neuen Gesetzes im September 2016 ist die Ombudsperson direkt in den Prozess der Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen eingebunden und verfügt über einen ständigen Vertreter in der Nationalversammlung (ENNHRI 19.12.2017).

Mit den im März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurde der Zuständigkeitsbereich des Büros der Bürgerbeauftragten erweitert. Es kann Gesetzesvorschläge einbringen, Rechtsvorschriften aus Menschenrechtssicht überprüfen, förmliche Gutachten durchführen und Empfehlungen zu Rechts- und Rechtsvollzugsmängeln abgeben. Experten zufolge reichten jedoch der Grad der Ermächtigung und die Ressourcen des Büros der Ombudsperson nicht aus, um das neue Mandat des Büros umzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* ENNHRI - European Network of National Human Rights Institutions (19.12.2017): The Human Rights Defender of the Republic of Armenia, http://ennhri.org/The-Human-Rights-Defender-of-the-Republic-of-Armenia, Zugriff 9.11.2018

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 9.11.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Presse und Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings nachvollziehbar von Fällen willkürlicher Festnahmen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige der Sicherheitsbehörden in Einzelfällen ihre Machtposition in privaten Streitigkeiten ausnutzen (AA 17.4.2018).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierung; mangelnde Unabhängigkeit der Justiz; fehlende faire Gerichtsverfahren; Gewalt gegen Journalisten; Einmischung in die Freiheit der Medien, wobei die staatliche Justizbehörde zur Bestrafung kritischer Inhalte herangezogen wurde; physisches Einschreiten von Sicherheitskräften bei Versammlungen; Beschränkungen der politischen Partizipation; systemische Regierungskorruption; mangelnder Schutz von Mitgliedern sexueller Minderheiten und schlimmste Formen der Kinderarbeit, wobei die Regierung nur minimale Anstrengungen zur Abhilfe unternimmt. Die Regierung führt nur flüchtige Untersuchungen zu Berichten über Missbrauch durch Beamte durch. Strafverfolgungsbeamte machen sich oft ungestraft Vergehen schuldig, manchmal auf direkte Anweisung von Vorgesetzten (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 15.11.2018

Bewegungsfreiheit

Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 17.4.2018).

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Allerdings müssen die BürgerInnen ein Ausreisevisum erlangen, um das Land vorübergehend oder auf Dauer zu verlassen. Das Ausreisevisum kann innerhalb eines Tages routinemäßig erhalten werden und kostet 1.000 Dram [ca. 1 Euro] für ein Jahr (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 16.11.2018

Grundversorgung und Wirtschaft

Für 2018 wird in Armenien ein Wirtschaftswachstum von 5% erwartet. Im Vergleich zu den Vorjahren ist es ein etwas moderaterer Wert. 2017 stieg das armenische BIP um 7,5 %, was mit der Überwindung der Wirtschaftskrise Russlands, des wichtigsten Partners Armeniens, zusammenhängt. Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle, vor allem in Exporten des Landes. Der 8.5.2018 schlug ein neues Kapitel in der jüngeren Geschichte Armeniens auf. Der neue armenische Premierminister Pashinyan erklärte den Kampf gegen die alle Bereiche umfassende Korruption. Seine weiteren Ziele sind die Verbesserung der Lebensbedingungen der in großen Teilen verarmten Bevölkerung und der Wirtschaftsaufschwung (WKO 23.7.2018).

Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, ergab 2017 für Armenien einen Wert von 0.757 [Statistischer Bestwert ist 1] (im Vergleich der HDI von Österreich beträgt 0.908). Damit belegte Armenien, dessen Wert sich seit 1990 kontinuierlich verbesserte, Platz 83 von 189 Staaten (UNDP 15.7.2018).

Das Durchschnittseinkommen betrug 2017 177.817 Dram [ca. 323 Euro] , während die monatliche Durchschnittspension 2017 40.634 Dram [ca. 74 Euro] ausmachte. Das Mindesteinkommen beträgt 55.000 Dram [100 Euro], die Mindestpension 16.000 Dram [29 Euro] (ArmStat 2018).

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Gruppen bei. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Angaben des nationalen Statistikamtes für das Jahr 2016 zufolge leben 29,4 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2015: 29,8 %) (AA 17.4.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (17.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (2018):

Armenia in Figures - Living Standards And Social Sphere, https://www.armstat.am/file/article/armenia_2018_5.pdf, Zugriff 19.11.2018

* UNDP - United Nations Development Programme (15.7.2018): Human Development Indices and Indicators: 2018 Statistical Update, Briefing note for countries on the 2018 Statistical Update, Armenia, http://hdr.undp.org/sites/all/themes/hdr_theme/country-notes/ARM.pdf, Zugriff 19.11.2018

* WKO - Wirtschftskammer Österreich (23.7.2018): Die armenische Wirtschaft,

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-armenische-wirtschaft.html, Zugriff 19.11.2018

Sozialbeihilfen

Sozialwesen

Das Sozialsystem in Armenien ist wie folgt aufgebaut:

* Staatliches Sozialhilfeprogramm, z.B. Unterstützung von Familien, einmalige Geburtenzuschüsse, sowie Kindergeld bis zum Alter von zwei Jahren

* Sozialhilfeprogramme für Personen mit Behinderung, Veteranen, Kinder, insbesondere medizinische und soziale Rehabilitationshilfe, Altersheime, Waisenhäuser, Internate

* staatliches Sozialversicherungsprogramm, welches aus Alters- und Behindertenrente, sowie Zuschüssen bei vorübergehender Behinderung und Schwangerschaft.

* Privilegien für Personen, die im Jahr 1999 signifikante Notlagen durchlebten, vor allem für Veteranen des Zweiten Weltkriegs.

Alle armenischen Staatsbürger sind berechtigt, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.

Anmeldeverfahren: RückkehrerInnen können in einem der 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (10 in Jerewan und 41 in der anderen Regionen) Sozialhilfe beantragen oder online ein Formular einreichen: http://www.ssss.am/arm/e-reception/send-application/

Pensionssystem

Das Renteneintrittsalter in Armenien liegt bei 63 Jahren. Eine Sozialrente wird ab 65 Jahre gewährt. Bei beschwerlicher oder gefährlicher Arbeit kann das Eintrittsalter niedriger liegen. Das staatliche Rentenversicherungssystem, basierend auf einer gesetzlichen Sozialversicherung, ist in folgende Elemente gegliedert:

?Altersrente

?Verlängerte Dienstrente

?Behindertenrente

?Rente für Familien, die den Einkommensträger verloren haben

Um eine armenische Rente in Anspruch nehmen zu können muss der/die Rückkehrende in Armenien registriert sein. Anmeldungen für die staatliche Rente können ebenfalls auf der Website des staatlichen Sozialversicherungsservice des Ministeriums für Arbeit und Soziales eingereicht werden (IOM 2018).

Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätsp

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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