Entscheidungsdatum
19.02.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G303 2195159-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, OB: XXXX, vom 01.02.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vom 20.02.2018 und Vorlageantrag vom 06.03.2018, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 20.02.2018 ersatzlos behoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 19.10.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, Zentrale Poststelle, einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag waren ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln sowie persönliche Stellungnahmen des BF zu seinen Erkrankungen angeschlossen.
Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" war, wurde dieser Antrag entsprechend dem Antragsformular des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung gewertet.
2. Im Rahmen des seitens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 17.01.2018, wurde nach erfolgter persönlicher Untersuchung des BF am 11.12.2017, zusammengefasst im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes
Pos. Nr.
GdB %
1
Parkinsonsyndrom Oberer RSW entspricht der leicht- bis mittelgradigen Symptomatik
04.09.01
40
2
Knieschädigung rechts Fixer RSW entspricht der schweren Funktionseinschränkung bei maßgeblichen degenerativen Veränderungen
02.05.22
40
3
Halswirbelsäulenschädigung Unterer RSW entspricht der mittelgradigen Funktionseinschränkung bei maßgeblichen degenerativen Veränderungen
02.01.02
30
4
Schulterschädigung beidseits Fixer RSW entspricht der beidseitigen mittelgradigen Funktionseinschränkung bei Zustand nach 2xiger Schulterluxation links und 4xiger Schulterluxation rechts (jeweils konservativ versorgt)
02.06.04
30
5
Chronischer Gastroösophagealer Reflux 1 Stufe über dem unteren RSW entspricht dem klinischen Bild
07.03.05
20
6
Blasenentleerungsstörung 1 Stufe über dem unteren RSW entspricht dem klinischen Bild der überaktiven Blase
08.01.06
20
Gesamtgrad der Behinderung 70 v.H.
Begründend wurde ausgeführt,
dass der Grad der Behinderung der Gesundheitsschädigung (GS) 1 von der GS 2 bis GS 4 um jeweils eine Stufe auf einen Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. angehoben werde, da erhebliche zusätzliche Beeinträchtigungen im Alltagsleben bestehen würden. Die GS 5 und GS 6 würden nicht weiter anheben, da keine erheblichen zusätzlichen Beeinträchtigungen vorliegen würden.
Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde festgehalten, dass auch beim Zusammenwirken der leicht- bis mittelgradigen Parkinsonsymptome (GS 1) mit der schweren Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks (GS 2) sowie der mittelgradigen Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule (GS 3) und der mittelgradigen Funktionseinschränkung beider Schultergelenke (GS 4) trotzdem eine ebene Wegstrecke von 300 Metern ohne Unterbrechung zurücklegbar und ein sicheres Ein- und Aussteigen sowie ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet sei.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.01.2018 wurde dem BF ein unbefristeter Behindertenpass übermittelt. Der Grad der Behinderung wurde mit 70 von Hundert eingetragen.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2018 wurde der Antrag vom 19.10.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das oben angeführte ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX. Dieses sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt worden. Danach würden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen.
In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.
5. Gegen den oben genannten Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 07.02.2017 (gemeint wohl 07.02.2018) mittels E-Mail binnen offener Frist Beschwerde ein. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF aufgrund der Erkrankung "Morbus Parkinson" einen unsicheren Gang habe, verbunden mit einer Stolpergefahr und erhöhten Sturzgefahr. Bei längeren Stehphasen von über fünf Minuten sowie beim Aufstehen und Weggehen habe der BF aufgrund seiner Kniegelenksschäden zunehmend Schmerzen, die bis zu einer Wegstrecke von 200 m andauern würden.
Aufgrund der "Reizblase und Inkontinenz" müsse der BF bis zu 15 bis 20 Mal am Tag die Toilette aufsuchen. Mindestens jeden zweiten Tag komme es zu sog. "Anfällen", sodass der BF innerhalb einer Stunde vier bis fünf Mal mit starkem Drang die Toilette aufsuchen müsse. In schlechten Phasen könne es auch passieren, dass sich die Blase stoßweise entleere, wenn nicht innerhalb kürzester Zeit die Toilette aufgesucht werden könne. Dann würde mehr Urin abgehen, als die Inkontinenzeinlage aufnehmen könne.
Ein sicherer Transport in Zügen sei nicht gegeben, da der BF auf dem Weg zur Toilette den ruckartigen Bewegungen des Zuges ausgesetzt und er deswegen einmal auf einen anderen Fahrgast gefallen sei. Ein sicheres Ein- und Aussteigen sei aufgrund des starken Anlaufschmerzes beim Aufstehen und Weggehen nicht möglich. Ein Gehen sei nur mit starkem Humpeln möglich. Aufgrund seiner Parkinsoneinschränkungen und der bestehenden Knieunsicherheiten könne der BF während der Fahrt nicht einen Sitzplatz suchen oder Gepäck verstauen, da die Rüttelbewegungen und Bremsvorgänge für ihn sehr gefährlich seien.
Bei der Benützung von Bussen, Straßenbahnen und U-Bahnen sei der BF den gefährlichen und ruckartigen Schwankungen ausgesetzt, wodurch ein sicherer Transport nicht gewährleistet sei. In Stoßzeiten seien öffentliche Verkehrsmittel stark überfüllt und der BF bekomme keinen sicheren Sitzplatz. Somit sei der BF starken Knieschmerzen durch das lange Stehen ausgesetzt und auch stark sturzgefährdet. Der BF könne sich aufgrund seiner Schulterluxationen auch nicht an den Deckenhaltegriffen festhalten. Auch gebe es in diesen öffentlichen Verkehrsmitteln keine Toiletten.
6. Im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens holte die belangte Behörde eine ärztliche Stellungnahme von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ein. In der Stellungnahme vom 20.02.2018 führte der Sachverständige zusammengefasst aus, dass alle in der Beschwerde beschriebenen Beschwerden des BF im Sachverständigengutachten vom 17.01.2018 bereits berücksichtigt worden seien. Neue Funktionseinschränkungen bzw. neue objektive fachärztliche Befunde oder Stellungnahmen seien vom BF nicht nachgereicht worden, weswegen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nach wie vor zumutbar sei.
Somit sei unter Verwendung entsprechender Haltevorrichtungen in Arm und Schulterhöhe in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Nutzung von entsprechenden Inkontinenzmaterial und entsprechender Gehhilfen auch beim Zusammenwirken der leicht bis mittelgradigen Funktionseinschränkungen des Morbus Parkinson mit Stolpergefahr und der mittelgradigen Funktionseinschränkung beider Schultergelenke und der schweren Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks und der Reizblase und Harninkontinenz entsprechend den geltenden Richtlinien eine ebene Wegstecke von 300 Metern zumutbar und ein sicheres Ein- und Aussteigen sowie ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet.
7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.02.2018 wies die belangte Behörde die Beschwerde ab, da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden.
8. Mit Schreiben vom 06.03.2018 erhob der BF fristgerecht einen Vorlageantrag. Darin wurde beantragt eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Der BF wiederholt und ergänzt seine Ausführungen zu seinen körperlichen Beschwerden, welche bereits im Rahmen der Beschwerdeerhebung vorgebracht wurden, und stellt seine Probleme im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sehr ausführlich dar. Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird weiters anhand von konkreten Beispielen dargelegt.
9. Die gegenständliche Beschwerde, die Beschwerdevorentscheidung, der Vorlageantrag und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 14.05.2018 vorgelegt.
10. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
10.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Univ.-Prof. Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 20.12.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 10.12.2018, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Diagnosen:
-
Parkinsonsyndrom seit 2014, progredienter Verlauf
-
Knieschädigung rechts
-
Halswirbelsäulenschädigung
-
Schulterschädigung beidseits
-
Chronischer gastroösophagealer Reflux
-
Blasenentleerungsstörung
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass im Vergleich zum medizinischen Vorgutachten und auch zur Stellungnahme, welche seitens der belangten Behörde eingeholt worden seien, eine geänderte Einschätzung bezüglich der Gehfähigkeit bzw. Benutzungsmöglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel erfolge. Es bestehe seit ca. 2014 ein Parkinsonsyndrom. Den Befunden und auch dem aktuellen Untersuchungsbefund sei zu entnehmen, dass sich die Symptomatik stets weiter verschlechtere trotz Therapie. Dies sei auch im Rahmen der Parkinsonerkrankung durchaus zu erwarten. Der BF zeige ein deutlich kleinschrittiges Gangbild mit erheblicher Stolper- und Sturzgefahr. Es bestehe auch bei der Untersuchung eine Tonuserhöhung und Reflexsteigerung an den unteren Extremitäten. Weiters sei die Gehfähigkeit durch Knieschmerzen rechts beeinträchtigt. Die Gehstrecke sei erheblich verkürzt, meist unter 300 Meter. Auch an den oberen Extremitäten sei der Muskeltonus im Sinne eines Rigors maßgeblich erhöht. Dadurch sei die Haltefähigkeit erheblich beeinflusst. Hinzu komme die Blasenentleerungsstörung mit Dranginkontinenz, auch das sei bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel problematisch. Aus Sicht der Gutachterin sei dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar.
11. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 03.01.2019 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
12. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist am XXXX geboren und im Besitz eines Behindertenpasses.
Er leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
-
Parkinsonsyndrom seit 2014 mit progredienten Verlauf
-
Knieschädigung rechts
-
Halswirbelsäulenschädigung
-
Schulterschädigung beidseits
-
Chronischer gastroösophagealer Reflux
-
Blasenentleerungsstörung mit Dranginkontinenz
Das Gangbild des BF ist deutlich kleinschrittig und es besteht erhebliche Stolper- und Sturzgefahr. Zudem ist die Gehfähigkeit durch die Knieschmerzen rechts beeinträchtigt. An den oberen Extremitäten ist der Muskeltonus im Sinne eines Rigors (Muskelstarre) maßgeblich erhöht, wodurch die Haltefähigkeit erheblich beeinflusst wird.
Der BF ist nicht in der Lage eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400 Metern selbständig zurückzulegen. Insgesamt ist der sichere Transport des BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde, dem Vorlageantrag und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Im seitens des erkennenden Gerichts eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachten von Univ.-Prof. Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 20.12.2018, welches auf einer persönlichen Untersuchung des BF basiert, wurde auf die Art der Leiden des BF und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Feststellungen diesbezüglich gründen sich darauf.
Insbesondere wurde darin auf die Symptomatik des Parkinsonsyndroms, welches sich trotz Therapie verschlechtert, eingegangen. Es wurden Ausführungen zur Gesamtmobilität und zum Gangbild getroffen und die seitens des BF vorgebrachte erhebliche Stolper- und Sturzgefahr attestiert. Aufgrund des Parkinsonleidens, aber auch aufgrund der Knieschmerzen, ist der BF nicht in der Lage, eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400 Metern selbständig zurückzulegen.
Aus Sicht des erkennenden Senates ist ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen insgesamt nicht gewährleistet, da einerseits, wie oben ausgeführt, eine erhebliche Stolper- und Sturzgefahr besteht und andererseits auch die Haltefähigkeit des BF eingeschränkt ist.
Der Inhalt dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Die Parteien erstatteten keinerlei Stellungnahme dazu. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten und wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung von Univ.-Prof. Dr. XXXX basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint und auch unstrittig ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
In der gegenständlichen Rechtssache verfügt der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Leiden, insbesondere aufgrund des Parkinsonsyndroms mit voranschreitendem Verlauf, nicht über die Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel insgesamt sicher zu benützen. So besteht bei der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln eine erhebliche Stolper- und Sturzgefahr. Auch die Fähigkeit Haltegriffe zu verwenden ist beim BF deutlich eingeschränkt. Der BF ist nicht in der Lage eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400m selbstständig zurückzulegen. Aus diesen Gründen ist dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.
Dem steht die demonstrative ("insbesondere") Aufzählung der Fälle in § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, in denen die Feststellung der genannten Unzumutbarkeit gerechtfertigt erscheint, nicht entgegen (vgl. VwGH 09.11.2016, Ra 2016/11/0137; 21.04.2016, Ra 2016/11/0018 zur demonstrativen Aufzählung).
Da der BF zudem Inhaber eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass jedenfalls vor.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2195159.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.05.2019