TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/21 W105 2159391-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W105 2159391-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2017, Zl. 1070666804-150562397, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 26.05.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 28.05.2015 gab der Antragsteller an, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem zu sein. Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates gab der Antragsteller an, er habe zum Militär gehen und das Land als Soldat verteidigen wollen. Er habe seine Tazkira bei den Behörden abgegeben und sei er von den Taliban belästigt und mit dem Tode bedroht worden.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2015 gab der Antragsteller an, verheiratet zu sein und einen Sohn zu haben sowie stamme er aus der Provinz Kapisa. Er sei dort geboren und aufgewachsen, habe nie die Schule besucht und habe sich seit seiner Kindheit um die familiären Obstplantagen gekümmert. Er habe das Obst geerntet und verkauft. Er habe seine Bewerbung an die Nationalarmee abgegeben und davon hätten die Taliban erfahren. Seine Reise nach Europa habe 14.000 Dollar gekostet.

Die Taliban hätten gesagt, dass er entweder das Land verlassen solle oder mit ihnen zusammenarbeiten. Er habe nicht zu seinem Obstgarten gehen können und sich auch nicht frei bewegen können. Sein Vater sei von den Taliban belästigt worden und hätten sie ihn nicht in Ruhe gelassen, deshalb sei er zur Polizei gegangen und arbeite er jetzt bei der Polizei. Er habe sich bei der Distriktsbehörde um eine Anstellung beim Militär beworben. Bevor er eine Antwort bekommen habe, hätten die Taliban davon erfahren. Er habe dort seine Tazkira abgegeben. Die Taliban seien drei- bis viermal zu ihm gekommen. Im Weiteren gab der Antragsteller konkret zu Protokoll:

"F: Hatten Sie jemals persönlichen Kontakt zu den Taliban?

A: Eine Person von den Taliban namens XXXX kam mit 3 mir unbekannten Personen zu mir und sagte zu mir, ich solle mit ihnen kämpfen, ansonsten müsse ich das Land verlassen.

F: Wann war dieser Vorfall?

A: Es war 8.00 Uhr am Abend. Es war ca. 13 Tage nach meiner Bewerbung.

F: War dies der einzige persönliche Kontakt zu den Taliban?

A: Es gab noch zwei weitere Male. Unbekannte Leute von den Taliban kamen zu mir.

F: Wohin kamen die Taliban?

A: Das erste Mal war ich vom Garten nach Hause unterwegs als XXXX mit 2 weiteren unbekannten Personen auf einen Motorrad kam.

Die zwei weiteren Male war ich unterwegs vom Garten nach Hause.

F: Insgesamt wurden Sie dreimal angesprochen?

A: Ja.

F: Wann waren die weiteren zwei Mal?

A: Das zweite Mal war 3 oder 4 Tage nach dem ersten Vorfall. Der dritte Kontakt war 2 -3 Tage nach dem zweiten Mal.

Vorhalt: Vorhin gaben Sie an, nach 20 Tagen nach der Bewerbung zum ersten Mal von den Taliban abgesprochen worden zu sein. Jetzt sagen Sie, nach 13 Tagen wäre der Vorfall gewesen. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

A: Die ersten 10 Tage wussten die Taliban nicht von meiner Bewerbung. Zwischen dem 13. und dem 20. Tag kamen sie insgesamt 3x zu mir. Ich habe mir die Zeiten nicht aufgeschrieben.

F: Woher wissen Sie, dass die Taliban nach dem 10. Tag über Ihre Bewerbung Bescheid wussten?

A: Ich schätze das, weil sie in diesen 10 Tagen nicht gekommen sind. Ich habe das angenommen, sonst wären sie schon früher gekommen.

F: Haben Sie bei den afghanischen Behörden Schutz gesucht?

A: Die Regierung konnte nichts machen, sie hatte keine Macht. Wenn ich gegangen wäre, wäre auch meine Familie in Gefahr.

F: Ihr Vater und Ihr Onkel arbeiten bei der Polizei. Hätten diese Sie nicht schützen können?

A: Sie waren damals noch nicht bei der Polizei. Sie sind nach mir dort hingegangen.

F: Seit wann sind Ihr Vater und Ihr Onkel bei der Polizei?

A: Mein Vater ist ca. seit 8 Monaten bei der Polizei und mein Onkel ist ca. seit 1 Jahr bei der Polizei. Die beiden sind nach meiner Ausreise zur Polizei gegangen.

F: Woher hat Ihr Vater Ihre Tazkira bekommen?

A: Der Kommandant hat die Tazkira meinem Vater gegeben.

F: Haben Ihr Vater oder Ihre Onkel Probleme mit den Taliban?

A: Ich glaube, mein XXXX wurde im Kampf gegen die Taliban verletzt. Er bekam Splitter in sein Bein. Er und mein Vater können nicht nach Hause gehen. Die Taliban lassen die Kinder und Frauen in Ruhe.

Die Taliban haben mit den normalen Menschen keine Probleme.

F: Das heißt, die anderen Dorfbewohner haben keine Probleme mit den Taliban?

A: Man muss das machen, was die Taliban verlangen. Wenn man einer normalen Arbeit nachgeht, sagen die Taliban nichts. Aber wenn man zum Militär geht oder in der Regierung arbeitet, dann bekommt man Probleme mit dem Taliban.

F: Warum haben Sie nicht die Bewerbung beim Militär zurückgezogen und haben die Arbeit auf der Obstplantage weitergeführt?

A: Ich wollte zum Militär, mein Vater und andere Leute haben mich gezwungen, das Land zu verlassen.

F: Wer hat Sie gezwungen, das Land zu verlassen?

A: Mein Vater, meine Stiefmutter, alle meine Onkel haben mich gezwungen, das Land zu verlassen.

F: Wie wurden Sie gezwungen, das Land zu verlassen?

A: Die Taliban sagten ihnen auch, also meinem Vater, dass er seinen Sohn davon abhalten soll, ansonsten würde er auch Probleme bekommen. Mein Vater sagte zu mir, dass im Falle, dass ich zum Militär gehen würde, würde er mit den Taliban Probleme bekommen.

F: Warum wollten Sie nicht mit den Taliban zusammenarbeiten?

A: Wenn man zu den Taliban geht, dann kann man nicht von der Regierung in Ruhe leben. Und umgekehrt, wenn man für die Regierung arbeitet, dann werden die Taliban nicht Ruhe geben.

F: Warum gingen Sie in keinen anderen Teil Afghanistans?

A: Es ist schwierig, wo anders in Afghanistan Fuß zu fassen und alleine zurecht zu kommen.

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Mein Vater ist auch bei der Polizei, wenn ich jetzt gehe, muss ich entweder auch zur Polizei, ansonsten habe ich keine Ruhe und kann nicht in Ruhe leben.

F: Was spricht dagegen, dass Sie zur Polizei gehen?

A: Ich habe keine andere Wahl, ich würde dann zur Polizei gehen müssen.

F: Was spricht dagegen, dass Sie zur Polizei gehen? Sie würden in Sicherheit leben können und für die Regierung arbeiten, weswegen Sie auch zum Militär gehen wollten.

A: Jetzt habe ich viel Geld ausgegeben, dass ich nach Europa gekommen, jetzt möchte ich nicht zurück. 14 000 $ ist nicht wenig Geld. Und unterwegs habe ich viele Schwierigkeiten auf mich genommen.

F: Haben Sie Verwandte in Österreich? Wenn ja, welche und wo wohnen diese? Wie gestaltet sich der Kontakt zu diesen?

A: Nein.

F: Haben Sie Deutschkurse besucht bzw. positive Prüfungen abgelegt?

A: Ich habe zwei Alphabetisierungskurse besucht. Jetzt gerade besuche ich auch einen Deutschkurs.

Bestätigungen werden zum Akt genommen.

F: Wie sehen Ihre sozialen Kontakte/Aktivitäten in Österreich aus?

A: Ich besuche den Deutschkurs, ich gehe Fußball spielen, ich gehe ins Fitnesscenter.

Ich habe wenige Freunde in Österreich.

Anmerkung: AW spricht und versteht kein Wort Deutsch.

Nachweis über die Freiwilligentätigkeit wird zum Akt genommen.

F: Wie sah Ihr Sozialleben in Afghanistan aus?

A: Ich hatte ein gutes soziales Leben. Es gab viele Verwandten von mir und auch Freunde im Dorf. Unsere finanzielle Lage war gut, wir hatten eigene Gärten und waren sehr glücklich.

F: Was wollen Sie in Österreich arbeiten?

A: Zuerst möchte ich Deutsch lernen und dann in irgendeiner Firma arbeiten, egal was. Und ich möchte den Führerschein machen und als Fahrer arbeiten. Wenn ich hier als Flüchtling akzeptiert werde, werde ich sicher einer Arbeit nachgehen.

AW wird darauf hingewiesen, dass er dringend Deutsch lernen muss, ansonsten wird er keine Chancen am Arbeitsmarkt haben.

A: Deutschkurse sind sehr teuer, die kann ich mir nicht leisten. Es gibt keine Möglichkeit, den Deutschkurs zu besuchen, wenn es so teuer ist. Ich kann die Kursgebühr nicht bezahlen.

AW wird darauf hingewiesen, dass auch ein gewisses Maß an Eigeninitiative nötig ist.

F: Was erwarten Sie sich in Österreich?

A: Ich möchte hier arbeiten, ich möchte als Flüchtling anerkennt werden. Ich möchte zu keinem Sozialfall werden.

F: Sind Sie in einem Verein aktiv tätig? Wenn ja, wo und wie lange? Ist die Vorlage einer Bestätigung möglich?

A: Nein.

F: Gehen Sie einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach? Wenn ja, wo und wie lange? Ist die Vorlage einer Bestätigung möglich?

A: Nein.

F: Sind Sie in Österreich mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

A: Ja.

Eine Frau hat sich bei der Polizei über mich beschwert und eine Anzeige erstattet. Sie behauptet, dass ich Ihre Brust angegriffen hätte. Ich sagte der Polizei, dass überall Kameras sind, sie sollen das beweisen. Wenn es stimmt, dann bin ich bereit, meine Strafe anzunehmen. Sie hat Ihre Anzeige gegen mich zurückgezogen. Ich bekam einen Brief, dass das Verfahren gegen mich eingestellt wurde.

Das war das einzige.

F: Mir liegt noch ein Eintrag wegen Körperverletzung vor. Was sagen Sie dazu?

A: Nein, ich habe mit niemand gestritten.

F: Sind Sie je von einer gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

F: Sind Sie je von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder eine (einstweiligen) gerichtlichen Verfügung in Österreich betroffen gewesen?

A: Nein.

F: Haben Sie Privatbesitz in Österreich?

A: Nein."

Im Rahmen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens legte der Antragsteller eine sogenannte Tazkira, ein Schreiben der Taliban sowie zwei Teilnahmebestätigungen hinsichtlich seiner Bemühungen zur Integration sowie einen Nachweis über eine Freiwilligentätigkeit vor.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß I 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

4. Die belangte Behörde führte aus, dass nicht habe festgestellt werden können, dass dem Antragsteller im Falle der Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung durch Taliban drohe. Weiters drohe dem Antragsteller generell keine Verfolgung aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention. Es könne weiters nicht festgestellt werden, dass er durch Rückkehr nach Afghanistan in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Er spreche nicht Deutsch und bestreite er seinen Unterhalt durch die Grundversorgung.

Zur Allgemeinsituation wurden umfangreiche Feststellungen aufgrund des vorliegenden und herangezogenen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation getätigt.

Dem Vorbringen des Antragstellers zu seinen Ausreisegründen bzw. zu einer bestehenden Bedrohung durch die Taliban wurde kein Glauben geschenkt, vor allem mit der zentralen Begründung, dass der Antragsteller lediglich in der Lage war, während der gesamten Einvernahme nur vage und kurze sowie wenig detaillierte Angaben zu wichtigen Sachverhaltskreisen zu tätigen. Erst auf explizite Nachfrage auf einen persönlichen Kontakt mit den Taliban bezog sich der Antragsteller auf eine erfolgte "Heimsuchung" durch mehrere Personen, wobei er eine davon persönlich gekannt habe. Überdies würden die Angaben im vorgelegten "Drohschreiben" der Taliban in Widerspruch zum Fluchtvorbringen stehen; insoweit als der Antragsteller selbst angegeben hätte, dass die Taliban von ihm verlangt hätten, mit ihnen zusammenzuarbeiten oder das Land zu verlassen. Umgekehrt gehe es im erwähnten Schreiben darum, den Antragsteller festzunehmen und zu töten, weil er als Spion für die Amerikaner und Franzosen tätig sei.

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes ausgeführt, dass der Antragsteller aufgrund seiner Bewerbung zur Nationalarmee und seiner Weigerung mit den Taliban zusammenzuarbeiten über einen längeren Zeitraum hinweg mehrfach massiv bedroht und aufgefordert worden sei, das Land zu verlassen. Der Staat sei nicht fähig, ihn vor dieser Verfolgung zu schützen. Im Weiteren gehöre der Antragsteller zu der sozialen Gruppe jener Personen, die von regierungsfeindlichen Kräften als verwestlicht betrachtet werden. Im Weiteren bezog sich der Antragsteller auf einzelne Berichte hinsichtlich der Verletzung der Sicherheitslage durch aufständische Gruppierungen sowie verwies der Antragsteller auf die schlechte Situation für Rückkehrer in Hinblick auf die Sesshaftwerdung und Neuansiedlung. Auf die prekäre Situation vulnerabler Rückkehrer in Hinblick auf die schlechte Sicherheitslage sowie die beschränkten Aufnahmekapazitäten in den Städten wurde des Weiteren hingewiesen. Des Weiteren würden die Taliban über ein landesweites Spitzelnetzwerk verfügen und sei es ihnen dahingehend möglich, jede Person überall aufzufinden. Ohne konkreten Bezug zum gegenständlichen Fall wurde der Beschwerde ein Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Datum 30.09.2016 zur aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan beigefügt.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie die UNHCR-Guidelines-Afghanistan 30.08.2018 in das Verfahren eingeführt.

6. Am 14.02.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm und der ein Dolmetscher für die Sprache Pashtu beigezogen wurde. Das BFA verzichtete anlässlich der Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Das Beschwerderechtsgespräch stellte sich wie nachstehend dar:

"Beginn der Befragung

BF: Da Paschtu nicht meine Muttersprache ist, könnte das ein Problem sein.

R: Im Rahmen der Ersteinvernahme wurde als Muttersprache Paschtu angegeben. Was ist die Sprache, die Sie von Ihren Eltern gelernt haben.

BF: Meine Muttersprache ist Paschtu.

R: Wie habe ich das zu verstehen.

BF: Ich hatte eine Einvernahme in Linz, da habe ich die Dolmetscherin nicht gut verstanden.

D: Anmerkung: Ich bin mir 100% sicher, dass er mich gut in der Sprache Paschtu versteht.

R: Sprechen Sie auch Dari?

BF: Nein.

R: Können Sie nun die Verwirrung aufklären, warum Sie eingangs gemeint haben, dass Paschtu nicht Ihre Hauptsprache wäre.

BF: Ich habe damit gemeint, dass die Muttersprache des D nicht Paschtu wäre, und es deshalb zu einem Problem kommen könnte.

D: Ich kann Paschtu vergleichsweise besser als der BF sich artikuliert. Meine Muttersprache ist tatsächlich Dari.

R: Wenn Sie der Meinung sind, dass der D Sie nicht gut versteht, dann weisen Sie darauf hin.

BF: Bis jetzt geht es ganz gut, schauen wir mal.

I. Zum aktuellen Zustand des BF:

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

BF: Nein, keine Medikamente, ich habe keine gesundheitlichen Probleme.

II. Zum Verfahren vor dem BFA bzw. den Organen des öffentlichen

Sicherheitsdienstes:

R: Sie wurden bereits beim BFA bzw. vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizei) niederschriftlich einvernommen. Haben Sie dort immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?

BF: Ich habe die Wahrheit angegeben und halte alles aufrecht.

R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das BFA im Zuge Ihrer Einvernahme mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?

BF: Es wurde zwar beides Mal rückübersetzt, aber bei meiner zweiten Einvernahme vor dem BFA war eine usbekisch sprachige Dolmetscherin, ich habe bei der Rückübersetzung nicht alles verstanden. Diese hatte als Muttersprache die usbekische Sprache und konnte nicht gut Paschtu.

R: Das Protokoll ist sehr umfangreich und lässt sich aus dem Duktus logisch nicht erkennen, dass es zu Missverständnissen gekommen wäre.

BF: Ich denke, ich habe deshalb eine negative Antwort bekommen, weil nicht gut übersetzt wurde.

BFV: Ich möchte mit dem BF klären, ob er mit dem D tatsächlich keine Probleme hat.

Die BFV und der BF sowie die Vertrauensperson verlassen um 09:24 Uhr den Saal.

Die BFV und der BF sowie die Vertrauensperson betreten um 09:31 Uhr den Saal

BFV: Der BF hätte gerne einen D der Paschtu als Muttersprache hat, weil er meint, dass er nicht alles versteht.

BF an D: Bis jetzt habe ich das verstanden, wenn Sie mir versprechen, dass Sie weiter so sprechen, dann ja.

R: Es wird heute keinen D Wechsel geben. Ich begründe das damit, dass der heute anwesende D tagtäglich an diesem Gericht Farsi, Dari und Paschtu dolmetscht und es noch nie Probleme gegeben hätte, der D ist amtsbekannt.

BF an D: Versuchen Sie bitte Ihr Bestes zu geben, dass ich Sie verstehen kann.

BFV an BF: Wenn Sie etwas nicht verstehen sollten, sagen Sie es sofort.

BF: Ja, so machen wir es.

III. Zur persönlichen Situation des BF:

a) in Österreich:

R: Leben Sie in Österreich alleine oder leben Sie mit jemandem zusammen? Wie ist Ihre aktuelle Wohnsituation? Leben Sie in einer Flüchtlingspension?

BF: Ich wohne in einem Heim. Ich habe normale Freundinnen, aber nicht in dem Sinne, dass wir miteinander schlafen.

R: Sprechen Sie auch schon ein wenig Deutsch? Welches Sprachniveau haben Sie? Besuchen Sie Sprachkurse oder sonstige Kurse, Schule, Vereine oder Universität?

BF auf Deutsch: Ich habe schon einmal die A1 Prüfung gemacht, ich habe sie nicht bestanden. Ich habe es am 9.02.2019 probiert (der BF in durchschnittlich verständlichem Deutsch).

R: Habe Sie in Österreich familiäre Bindungen?

BF: Nein.

R: Wie sieht Ihr Kontakt zu Ihren Familienangehörigen in der Heimat aus?

BF: Letztes Mal vor ca. 15 Tagen hatte ich mit der Familie Kontakt, bei mir ist die Kassa knapp, aber, wenn ich Kontakt aufnehme, dann über Telefon.

R: Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?

BF: Nein, weil ich bis jetzt nicht arbeiten darf.

R: Sind Sie in Österreich bisher strafrechtlich verurteilt worden?

BF: Nein, ich bin nicht verurteilt.

R: Mir liegt vor, dass Sie nach dem SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten bedingt verurteilt worden sind. Stimmt das nicht?

BF: Ich habe niemals damit gedealt. Ich habe nichts zu tun gehabt, ich habe mich im Zimmer gelangweilt.

R: Es geht darum, dass Sie verurteilt wurden. Stimmt das?

BF: Nein, ich bin wieder davon befreit worden. Ich bin nicht,....Bei mir waren nur 2g und das war nur für mich persönlich.

R: Waren Sie vor Gericht und wurden Sie verurteilt? Mir liegt das vor.

BF: Ich habe einen Brief vom Gericht bekommen, darin stand, dass ich nicht verurteilt worden wäre.

R an BFV: Was sagen Sie dazu?

BFV an BF: Haben Sie den Brief, dass es eingestellt wurde?

BF: Es stimmt, man hat mich mit 2g erwischt. Ich war auch gleichzeitig im Gerichtssaal aber ich bin nicht verurteilt worden, weil es nur 2g zur persönlichen Verwendung war.

R erklärt den Unterschied zwischen einer Verurteilung und einer nicht zwingenden Inhaftierung.

BF: Ich war im Gericht. Ich bin ganz hinten gesessen, in der letzten

Reihe. Der Richter hat mich gefragt: Außer dem Ladungsbrief, habe ich noch was bekommen? Ich habe gesagt: Nein, deswegen bin ich heute da. Der Richter hat mir gesagt, wenn ich so etwas noch einmal machen würde, dann kommen diese zwei Monte dazu.

R: Das bedeutet, Sie sind strafrechtlich verurteilt worden, wenn gleich bedingt.

b) im Herkunftsstaat:

R: Im angefochtenen Bescheid des BFA wurde u.a. bereits festgestellt, dass Sie aus Afghanistan stammen. Geben Sie bitte nochmals an, welcher Volksgruppe und Religionsgemeinschaft Sie angehören? Welche Sprachen sprechen Sie?

BF: Ich stamme aus der Provinz Kapisa, dem Distrikt XXXX , dem Dorf XXXX . Meine Muttersprache ist Paschtu, ich bin sunnitischer Moslem.

R: Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Leben in Afghanistan: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

BF: Ich bin dort geboren und aufgewachsen.

R: Haben Sie in Ihrem Heimatland die Schule besucht, wenn ja, wie lange? Welche weitere Ausbildung haben Sie? Wo, wie lange?

BF: Ich habe nie die Schule besucht, wegen dem Krieg, in XXXX herrschte fast immer Krieg.

R: Welchen Beruf haben Sie in Ihrem Heimatland ausgeübt und wo war das und wie lange?

BF: Ich war in unserem Dorf in der Landwirtschaft tätig, ich habe auf unseren eigenen Grundstücken gearbeitet. In unserem Dorf gab es auch keine Schule. Wie Ich auch weiß hat in XXXX fast immer Krieg geherrscht.

R: Was können Sie mir über die wirtschaftliche Lage Ihrer Familie im Herkunftsort berichten? Wie groß ist die Landwirtschaft?

BF: Wir konnten damit leben. Weil wir haben selber Grundstücke gehabt. Wir haben Trauben und Granatäpfel angebaut.

R: Was hat Ihre Flucht gekostet und wer hat die Flucht finanziert?

BF: Ich habe insgesamt 12.000 Dollar ausgegeben.

R: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an?

BF: Ich habe damals angefangen beim Militär zu arbeiten. Ich habe meine Tazkira abgegeben, ich meine damit meine Bewerbung dorthin geschickt.

R: Haben Sie sich in Afghanistan, jemals außerhalb Ihrer Heimatprovinz, zum Beispiel in Kabul-Stadt, Herat oder in Mazar-e Sharif gewohnt oder sich aufgehalten?

BF: Nein. Ich habe nur in XXXX gelebt.

R: Wann genau sind Sie aus Ihrem Herkunftsstaat Afghanistan ausgereist?

BF: Ich habe am 13.04.2015 Afghanistan zu verlassen, da habe ich die Reise angetreten.

R: Können Sie lesen und schreiben?

BF: Nein.

IV. Fluchtgründe des BF:

R: Können Sie nun schildern, warum Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Der Grund war, dass ich meine Tazkira für den Militärdienst hingeschickt habe, da hat das Problem angefangen. Nach 13 Tagen sind die Taliban dann zu uns gekommen. Es waren drei Leute, einen kannte ich namens XXXX . Nach diesem Ereignis, 20 oder 22 Tage danach sind sie nochmal zu uns gekommen, aber an dem Tag war ich zufällig nicht zuhause. Aus diesem Grund haben die mit meiner Familie gesprochen, als ich aber zu Hause war, haben mir die Familienmitglieder erzählt, dass sie gekommen waren. Deshalb war die Familie der Meinung, dass es besser wäre, wenn ich Afghanistan verlassen würde. Ehrlich gesagt, ich wollte Selber nicht, es hat der Rat der Familie eine Rolle gespielt.

R: Können Sie näheres über Ihre Bewerbung beim Militär berichten?

BF: Ich habe in der Bewerbung geschrieben, dass es mein Interesse wäre beim Militär zu arbeiten.

R: Wohin haben Sie den Brief geschickt?

BF: Ich habe diese Bewerbung im Gemeinderat im Bezirk/Distrikt abgegeben.

R: Zuvor haben Sie angegeben, dass Sie nicht lesen und schreiben können. Ihre Aussage ist daher nicht nachvollziehbar.

BF: Ich habe nicht was geschrieben, ich habe mündlich mit ihnen gesprochen, nur meine Tazkira habe ich abgegeben.

R: Gerade eben habe ich gefragt, wohin Sie den Brief geschickt haben. Sie haben Geantwortet: Sie hätten die Bewerbung "abgegeben" im Gemeinderat. Darin steckt, dass Sie tatsächlich physisch ein Schriftstück "abgegeben/weitergegebene" haben. Was stimmt nun?

BF: Ich habe damit gemeint, ich habe die Tazkira abgegeben, den Wunsch für die Arbeit dort mündlich geäußert und selber gesprochen. In dieser Zeit habe ich eine Nacht bei meinem Onkel ms übernachtet, da haben dann die Taliban auch gewusst, das sich beim Militär einen Job suchen würde.

R: Hat man Ihnen persönlich gedroht?

BF: Ja, ich bin bedroht worden. Sie haben sogar statt mir einen anderen XXXX dessen Vater XXXX war, mitgenommen, aber als sie wussten, dass der Name meines Vaters anders ist, haben sie ihn freigelassen, weil sie ja mich suchten.

R: Ihr Vater und Ihr Onkel arbeiten für die Polizei. Ist das richtig?

BF: Nur mein Vater hat bei der Polizei gearbeitet, aber mein Onkel ms hat privat für sie gearbeitet.

R: Für die Polizei?

BF: Ja, mein Onkel ms hat auch mit der Polizei gearbeitet.

R: Sie haben vor dem BFA diesbezüglich angegeben: "Mein Vater ist seit ca 8 Monaten bei der Polizei und mein Onkel ist ca ein Jahr bei der Polizei. Die beiden sind nach meiner Ausreise zur Polizei gegangen."

BF: Das stimmt, aber inzwischen ist mein Onkel getötet worden.

R: Wie oft sind Sie von den Taliban aufgesucht oder gesucht worden? Unabhängig davon ob Sie zu Hause waren oder nicht.

BF: Drei Mal insgesamt.

R: Können Sie über den ersten Vorfall genau und im Detail berichten?

BF: XXXX war mit den zwei anderen beim ersten Mal bei uns, die beiden anderen kannte ich nicht. Ich habe diesen einen deshalb gekannt, weil er aus unserem Ort stammte. Mein Vater arbeitet auch nicht bei der Polizei, weil er Fußprobleme hat. (Der BF zeigt mit der rechten Hand auf den rechten Fuß). Sogar aus diesem Grund hat er mich gebeten einige Arten von Salben zu schicken.

R: Was für Probleme hat Ihr Vater?

BF: Ich weiß nicht was mit ihm passiert ist, aber er hat Probleme, deshalb hat er mich gebeten ihm Salben zu schicken. Er ist verletzt worden durch einen Schuss, ich weiß aber nicht von wem.

R: Können Sie in diesem Zusammenhang etwas über den Onkel erzählen, der auch bei der Polizei war?

BF: Er war als Ortspolizist tätig, sein Name ist XXXX .

R: Was ist über den Onkel noch zu berichten? Ich meine damit sein Schicksal.

BF: Er ist in einem Posten dieser Polizei tätig gewesen. Es gab eine Operation von der Seite der Polizei, ich meine eine staatliche Operation, bei dieser Operation ist er getötet worden. Er ist im Ort XXXX getötet worden.

R: Können Sie etwa angeben, wann er ums Leben gekommen ist?

BF: Ca. ist er seit 6 oder 7 Monaten tot. Wenn ich Kontakt habe mit meiner Familie, spreche ich mit meinem Vater.

R: War er, der Onkel, zuvor, bevor er getötet wurde, schon in Kämpfe verwickelt?

BF: Ja, ein anders Mal ist er bei einer Operation verletzt worden. Bei seiner letzten Operation ist er getötet worden. Ich habe etwa 160 Euro pro Monat, da kann ich nicht immer Kontakt zur Familie herstellen, weil ich knapp bei Kasse bin.

R: Wissen Sie etwas darüber an welchem Körperteil der Onkel zuvor verletzt wurde?

BF: Bei dem Mal wo er verletzt wurde, hat er Teile einer Rakete in seinen Körper bekommen, ich weiß nicht an welchem Körperteil.

R: Vor der Erstbehörde wussten Sie, dass er Splitter in sein Bein abbekommen hat. Wieso sagen Sie heute, Sie wüssten es nicht?

BF: Ich habe deshalb bei der Einvernahme eine Erinnerung gehabt, weil ich das frisch in Österreich war. Und zu der Zeit wo mein Onkel verletzt wurde, war ich selber in Afghanistan, daher wusste ich es.

R: Das ist für mich nicht nachvollziehbar, wenn Sie es damals gewusst haben und jetzt sagen, dass Sie sich nicht erinnern können.

BF: Ja, aber das stimmt doch, ich habe nichts Falsches gesagt. Bei der Einvernahme habe ich gesagt, dass er verletzt wurde heute sage ich, dass er getötet wurde.

R: Aber wo er verletzt wurde, dass vergisst man doch nicht.

BF: Man kann vieles vergessen, ich hatte nichts zu tun, ich habe mich immer gelangweilt, ich wollte etwas machen, das spielt schon eine Rolle dafür, dass man alles vergisst.

R: Zurück zu Ihrer Bewerbung: An wen genau haben Sie sich bei der Bezirksbehörde genau gewandt?

BF: Ich habe in diesem Büro meine Tazkira jemanden namens XXXX gegeben, man hat ihn Kommandant genannt.

BFV: Mein Mandant hat an dieser Stelle in der Einvernahme auch gesagt, dass er sich mündlich beworben hätte und er habe gesagt, dass er Soldat werden möchte.

R: Gibt es eine besondere Motivation warum sich Ihr Vater zur Polizei gemeldet hat?

BF: Mein Vater war ein mittelmäßiges Mitglied unseres Dorfes, nicht ganz oben. Trotzdem, die Gemeinde wollte, dass mein Vater dort arbeitet.

R: Eine andere Motivation Ihres Vaters gab es nicht?

BF: Was meinen Sie damit? Aus welchem Grund soll er arbeiten? Ja, er wollte vielleicht unserer Heimat dienen.

R: Habe ich richtig verstanden, dass Ihr Vater nicht der Wichtigste im Dorf war aber die Gemeinde wollte, dass er für die Polizei arbeitet?

BF: Genau das meine ich.

R: Vor dem BFA haben Sie es etwas anders dargestellt: Da haben Sie gesagt, dass er zur Polizei gegangen ist, weil er von den Taliban belästigt worden wäre. Das ist eine ganz andere Situation. Wenn jemand sagt: Geh dort hin. Oder wenn man beschließt mit der Polizei zu arbeiten, um nicht mehr belästigt zu werden.

BF: Das stimmt, weil sie suchten mich auf, wie ich sagte, wegen der Bewerbung für die Arbeit beim Militär. Sie haben auch meinem Vater gedroht, dass er entweder mit ihnen zusammen arbeiten würde oder sie würden ihn köpfen. Wie ich weiß, weil ich aus Afghanistan komme, als Sohn kann man dem Vater nicht viele Fragen stellen. Man kann nicht auf Augenhöhe kommunizieren.

R: Hat es vor der Entscheidung Ihres Vaters, sich der Polizei anzuschließen, und vor Ihrer eigenen Entscheidung sich dem Militär anzuschließen, Kontakte mit den Taliban gegeben?

BF: Vorher haben wir normal, wie die anderen leben, gelebt, das heißt wir haben mit ihnen nichts zu tun gehabt. Wenn man nichts gegen sie macht, hat man keine Probleme. Wenn Sie versuchen sich auf die Seite des Staates zu schlagen, dann haben Sie Probleme.

R: Vor dem BFA haben Sie aber gesagt, dass die Taliban gekommen wären und einen Teil der Ernten für sich genommen hätten, und sei der Vater, offenbar immer wieder, von den Taliban belästigt worden, weshalb er sich dann der Polizei angeschlossen hat.

BFV: Könnten Sie es dem BF im Zusammenhang vorlesen?

R liest wörtlich aus dem Protokoll der Einvernahme vor.

BF: Heute sage ich auch, dass sie einen Teil unsere Ernte mitgenommen haben, das ist kein Problem.

R: Das haben Sie heute nicht gesagt, ich habe ausdrücklich gefragt ob es Probleme mit den Taliban gab. Schon vorher, bevor Sie beide sich für den Staatsdienst interessierten.

BF: Es kann sein, dass ich es etwas anderes damals gesagt habe oder die Dolmetscherin es falsch verstanden hat. Sie haben aber jedenfalls auch einen Teil der Ernte genommen.

BFV: Bitte beruhigen Sie sich. Überlegen Sie was Sie antworten, der D übersetzt es genau.

R: Sind Sie damals etwa auf die Idee gekommen sich an einem anderen Ort in Afghanistan niederzulassen ohne Probleme mit den Taliban zu haben?

BF: Ich muss ehrlich sagen 60 % von Afghanistan ist in den Händen der Taliban nur 40 % ist unter der Macht der Regierung. Es gab Zeiten, dass wir überhaupt keinen Weg hatten aus dem Dorf herauszukommen, sie waren rundherum. Wir konnten nirgends hinfahren.

R: Jetzt ist davon auszugehen, dass Sie als völlig ungebildete und ungelernte Kraft, für das Militär nur untergeordnete Dienste hätten leisten können. Glauben Sie, dass Sie für die Taliban in ganz Afghanistan von so großer Wichtigkeit wären, dass man überall nach Ihnen suchen würde?

BF: solange sie sich beim Militär melden, haben Sie für immer ein Problem mit den Taliban, obwohl die Arbeit noch nicht angefangen hat. Sie haben in jeder Provinz ihre Leute. In Kabul hat man einen großen Kommandanten getötet.

R: Genau so schätze ich das auch ein, dass es hinsichtlich eines Verfolgungsrisikos auf eine gewisse Wichtigkeit ankommt.

BF: Ich war ca 18 als ich Afghanistan verlassen habe, jetzt bin ich

22. In einem Land wo Krieg herrscht muss man sich auf eine Seite schlagen, die Seite der Taliban war für mich eine Gefahr. Ich schwöre bei Gott, wenn es für mich dort keine Gefahr gegeben hätte, dann würde ich heute zurückgehen nach Afghanistan. Meine Frau ist noch in Afghanistan und auch mein Kind, seit ca 4 Jahren habe ich nicht wirklich eine Ahnung von ihnen, das ist kein angenehmes Leben.

R: Wer betreibt derzeit die elterliche Landwirtschaft?

BF: Er hat, glaube ich alles verkauft, weil 14.000 Dollar für die Reise ausgegeben wurden, so viel Geld hatte er nicht. Ich meine damit meinen Vater. Obwohl er damals nicht gesagt hat woher das Geld kam, jetzt weiß ich, dass er die Grundstücke verkauft hat.

R: Wovon lebt Ihre Frau mit Ihrem Kind?

BF: Mein Vater hilft ihnen. Sie leben mit meinem Vater.

R: Wo wohnt Ihr Vater derzeit?

BF: Noch immer in XXXX.

R: In dem Haus, oder hat er es auch verkauft?

BF: Nein, sie müssen jetzt in einem Mietshaus leben. Er kann jetzt leider auch nicht arbeiten. (der BF zeigt wieder auf seinen Fuß). Ich muss ehrlich sagen, aus wirtschaftlichen Gründen bin ich nicht nach Österreich gekommen. Es gab eine Gefahr und darum musste ich gehen.

R: Ich habe zu ihrem Verfahren keine weiteren Fragen. Wollen Sie noch etwas angeben?

BF: Ja, das einzige was ich sagen kann ist, das sich seit vier Jahren hier lebe. Ich lebe hier ich kann nichts machen, weder arbeiten, noch habe ich eine Erlaubnis dafür, seit vier Jahren habe ich weder meine Frau noch mein Kind gesehen.

R: Was könnten Sie denn arbeiten?

BF: Egal was, nur ich muss beschäftig sein, für mich spielt es keine Rolle.

R gibt BFV die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

BFV: Seit wann arbeitet Ihr Vater nicht mehr für die Polizei?

BF: Das genaue Datum weiß ich nicht, ich habe es vor zwei oder drei Monaten mitbekommen, dass er nicht mehr bei der Polizei arbeitet.

BFV: Wer hat es Ihnen erzählt, wurde der Grund genannt?

BF: Ich habe das von meinem Vater mitbekommen, er hat es selber erzählt. Er hat auch gesagt, er kann nicht arbeiten, weil er verletzt worden ist, aus diesem Grund arbeitet er jetzt nicht mehr.

BFV: Hat er etwas Näheres erzählt wo und wann er verletzt wurde?

BF: Er ist in Kardjan verletzt worden. Das ist auch ein Dorf.

BFV: Wobei wurde er verletzt?

BF: Wir können nicht so viel miteinander reden, wenn ich die Karte hineingebe habe ich immer Angst, dass das Geld aus ist, darum reden wir nicht so viel miteinander. Das hat wirtschaftliche Gründe, wir können nicht so viel miteinander sprechen.

BFV: Wissen Sie, wenn Ihr Vater nicht arbeitet, wovon er die Familie erhält?

BF: Ich weiß nicht genau, was er zurzeit mit diesem Problem macht. Ich kann ihm auch nicht helfen. Ich würde es gerne kann aber nicht. Ich hoffe, dass ich arbeiten darf, dann würde ich ihm gerne helfen.

BFV: Bei der Bewerbung bei der Behörde für das Militär, haben Sie sich erkundigt, welche Tätigkeit für Sie in Frage käme?

BF: Nur einfacher Soldat, mehr ging es so wie so nicht, ich hätte etwas auf meinen Schulter bekommen, gemeint ist der Rang des Offiziers, ich hätte niemals so etwas bekommen.

BFV: Was hätten Sie konkret dort gemacht?

BF: Ich habe meine Bewerbung nur als einfache Soldat gemacht. Es gibt eine Möglichkeit: Man fängt ganz unten an und geht dann ein paar Stufen hinauf.

BFV: Haben Sie auch gefragt, wo Sie eingesetzt hätten werden sollen?

BF: Sie haben mir gesagt, ich muss zwei bis drei Monate eine Ausbildung machen. Erst dann bekomme ich einen Brief wo steht wo mein Dienstort wäre, vorher hätte ich es nicht wissen können, in Afghanistan gibt es 24 Provinzen.

BFV: Als Sie zum ersten Mal von den Taliban aufgesucht wurden, dem Bekannten XXXX und den anderen. Wer hat konkret mit Ihnen gesprochen und was ist gesagt worden?

BF: Der Sinn des Besuches war nur die Drohung. Ich habe ihnen auch gesagt, dass ich meine Tazkira in das Distrikts Boro gegeben habe. Ich war mir auch sicher, wenn ich als Soldat arbeiten würde gebe es die Möglichkeit, dass ich getötet werde, trotzdem wollte ich dort arbeiten.

BFV: Was wurde zu Ihnen gesagt?

BF: Eine Drohung, sie haben uns gedroht, ich war nicht zu Hause. Am Abend habe ich von der Familie mitbekommen, dass sie gekommen sind und einer von Ihnen XXXX war.

R: Ich habe es so verstanden, dass Sie bei der Bedrohung durch XXXX persönlich anwesend waren und weiters haben Sie angegeben, dass man Sie aufgefordert hätte mit diesen Leuten zu kämpfen.

BF: Ich habe niemals gesagt, dass ich zu Hause gewesen bin, das ist sicher ein Fehler der Dolmetscherin, dass es falsch weiter gegeben wurde, ich habe es nicht so gesagt, dass ich zu Hause war.

BFV: Hatten Sie jemals persönlich Kontakt zu den Taliban oder war das immer nur über die Familie?

BF: Nein, wenn ich mit ihnen direkt gesprochen hätte, wäre ich heute nicht bei Ihnen gewesen, ich meine ich wäre getötet worden. Ich habe nicht persönlich mit ihnen gesprochen. So weit man weiß von der Seite der Taliban, wenn jemand versucht mit dem Staat zu arbeiten, wird man als Abtrünniger abgestempelt.

BFV: Woher, denken Sie, haben die Taliban erfahren, dass Sie sich beworben haben?

BF: Es ist ein Dorf, fast weiß jeder etwas über jeden. In einem Dorf weiß man sehr schnell vieles von den anderen.

BFV: Wie viele ha Obstplantagen hatten Sie?

BF: Ich habe gesagt, dass wir viele Grundstücke gehabt haben, ca. zwischen acht und zehn Jirib.

R: Zu diesem Drohbrief: Wie sind Sie an diesen gelangt?

BF: Sie haben uns einen Brief geschickt. Ich weiß nicht genau, welches Familienmitglied das an dem Tag erhalten hat. Ich denke, dass mein jüngerer Bruder, damals zwischen 10 und 15 Jahren, ihn bekommen hat.

R: Kennen Sie den Inhalt des Briefes?

BF: Ich habe den Brief bekommen und Ihnen weiter gegeben.

R: Kennen Sie den Inhalt?

BF: Soweit ich weiß, der Brief liegt bei Ihnen.

R: Kennen Sie den Inhalt des Briefes?

BF: Woher hätte ich das lesen können? Ich habe ihn nur weiter gegeben. Ich weiß aber, dass der Brief von den Taliban stammt. Darin stehen Namen und Daten.

Der Inhalt des Briefes wird vom R wiedergegeben (AS141).

R: Der Brief wurde offenbar in Kabul aufgegeben und nicht in XXXX , von einem XXXX (AS129). Kennen Sie diesen?

BF: Der Name meines Vaters ist XXXX kenne ich nicht.

BFV: Keine weiteren Fragen.

R: Möchten Sie abschließend noch etwas sagen?

BF: Ich habe auch nicht mehr zu sagen, außer der Bitte, dass ich seit vier Jahren hier lebe ohne Entscheidung.

R: Der Dolmetscher wird Ihnen jetzt die gesamte Verhandlungsschrift rückübersetzen. Bitte passen Sie gut auf, ob alle Ihre Angaben korrekt protokolliert wurden. Sollten Sie einen Fehler bemerken oder sonst einen Einwand haben, sagen Sie das bitte.

BF: Ich bitte um eine Rückübersetzung.

Die vorläufige Fassung der bisherigen Niederschrift wird durch den D dem BF rückübersetzt.

Der BF legt vor: mehrere Bestätigungen zu ehrenamtlicher Tätigkeit, sowie Kursbesuchsbestätigungen. Wird als Beilage zum Akt genommen.

Ende der Befragung.

R teilt BF mit, dass eine Entscheidung auf Grundlage der mündlichen Verhandlung sowie der sonstigen Aktenlage schriftlich erfolgen und dem BF zugestellt werde.

Der R schließt die Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Afghanistans und führt den von ihm im Verfahren angegebenen Namen. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Der Antragsteller verfügt über keinerlei Schulbildung, ist Analphabet und verfügt jedoch über eine längerjährige berufliche Erfahrung in der Landwirtschaft sowie dem Vertrieb landwirtschaftlicher Produkte.

Der Antragsteller leidet unter keinerlei psychischen oder physischen Beeinträchtigungen.

Der Antragsteller hat während seines Aufenthaltes in Österreich mehrere Integrationsbemühungen unternommen, darunter Kursteilnahmen an Sprachkursen sowie leistete er Freiwilligenarbeit.

Zu den geltend gemachten Fluchtgründen wird vom erkennenden Gericht Folgendes festgehalten:

Der Antragsteller war in der Vergangenheit in Afghanistan keinerlei Verfolgung ausgesetzt. Es kann auch nicht erkannt werden, dass der Antragsteller pro futuro im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer solchen ausgesetzt wäre.

Die seitens des Antragstellers im durchgeführten Ermittlungsverfahrens ins Treffen geführten Umstände im Herkunftsstaat, die zu seiner Ausreise geführt haben, können nicht als positiv gesicherter Sachverhalt festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte er auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer (asylrelevanten) Verfolgung ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist jung, arbeitsfähig, gesund und steht nicht wegen schwerwiegender Krankheitsbilder in ärztlicher Behandlung.

Der Antragsteller verfügt an seinem letzten Wohnort bzw. seiner Herkunftsregion über eine Mehrzahl familiärer Anknüpfungspunkte in Form enger Familienangehöriger.

Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer der in Afghanistan gesprochenen Sprache (Paschtu) vertraut. Er ist in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen. Angesichts seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung, ist es ihm zumutbar sich dort bei Rückkehr eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten zu sichern.

Der Beschwerdeführer konnte auch bisher durch einfache Arbeiten für sich sorgen. Ihm wäre daher auch der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat möglich. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Im Ergebnis ist aufgrund der bisherigen Berufserfahrung von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat ein Kind. Seine Familie hält sich am Herkunftsort auf. Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandte im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich allein. Seine Bindung zu Afghanistan ist aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgewachsen und sozialisiert wurde insbesondere unter dem Aspekt seiner Sozialisierung in einem afghanischen Familienverband, des langjährigen Aufenthalts in einem muslimisch geprägten Land, seiner Muttersprache Paschtu und der daraus abgeleiteten Verbundenheit mit der afghanischen Kultur - deutlich intensiver als jene zu Österreich.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Er ist in Österreich nicht legal beschäftigt.

Zur Lage in Afghanistan wird zentral nachstehende Qu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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