TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/21 L504 2210655-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L504 2210655-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, XXXX geb., StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018, Zl. 1166722507 - 171027141, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005 idgF, §§ 9, 18 BFA-VG, §§ 52 Abs 2 Z 2 u. Abs 9, 46, 55, 53 Abs 1 u. 2 Z 6 FPG idgF, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 05.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Aus dem unbestritten gebliebenen Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

"[...]

Sie stellten am 05.09.2017 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem Sie legal im österreichischen Bundesgebiet eingereist waren.

Im Rahmen Ihrer Erstbefragung haben Sie am 05.09.2017 bei der LPD XXXX bezüglich Ihrer Fluchtgründe nachfolgende Angaben gemacht:

"Seit dem Putschversuch vom 15.07.2016 habe ich Probleme mit der regierenden Macht. Man hat mich als FETÖ-Anhänger abgestempelt, weil ich der Regierung gegenüber in Opposition ging. Im August 2016 wurde ich festgenommen und 2 Tage lang von der Polizei festgehalten. Nach der Freilassung wurde ich ständig beobachtet. Ich wurde auch von der Gesellschaft auf Grund der willkürlichen Beschuldigung Anhänger einer Terrororganisation zu sein schlecht behandelt. Ich hatte keine Ruhe mehr. Das ist der Grund warum ich aus der Türkei ausgereist bin. Ich habe Angst festgenommen zu werden, weil alle FETÖ-Anhänger systematisch von der Regierung verfolgt werden. Bevor ich drankomme bin ich geflüchtet."

Im Zuge Ihrer Rückkehr nach Indien (gemeint wohl: "Türkei") befürchten Sie Ihren Angaben zufolge:

"Ich würde unschuldig festgenommen und verurteilt werden."

Das Bestehen konkreter Hinweise auf unmenschliche Behandlung, Strafe bzw. die Todesstrafe, oder auf andere Sanktionen verneinten Sie.

Bzgl. des bisherigen Verfahrensganges wird auf den Akteninhalt verwiesen!

In Ihrer Einvernahme zum Asylantrag beim Bundesamt f. Fremdenwesen

u. Asyl (BFA) am 12.10.2018, machten Sie folgende entscheidungsrelevanten Angaben:

"(...)

F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher? Haben Sie dazu Einwände?

A: Nein, ich verstehe den Dolmetscher sehr gut und habe keine Einwände.

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich, nehmen Sie Medikamente, sind Sie in ärztlicher Behandlung oder haben Sie Beschwerden?

A: Mir geht es gesundheitlich gut und ich nehme keine Medikamente.

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

A: Ja.

F: Gibt es Gründe, die gegen eine Befragung am heutigen Tage sprechen?

A: Nein.

F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?

A: Nein.

F: Werden Sie im Verfahren von jemanden vertreten oder besteht für jemanden eine Zustellvollmacht?

A: Nein. F: Stimmen die Angaben der Erstbefragung?

A: Ja die Angaben stimmen.

[...]

F: Wie heißen Sie, bitte nennen Sie Ihren vollständigen und richtigen Familiennamen und Vornamen und wann bzw. wo Sie geboren wurden?

A: Ich heiße XXXX, geb. XXXX in XXXX, Türkei.

Ich bin türkischer Staatsangehöriger. Nachgefragt gebe ich an, dass ich ausschließlich in der Türkei verfolgt werde.

F: Haben Sie Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können?

A: Ich habe keine Beweismittel mit.

[...]

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Ich bin Laze. Ich bin Muslim, Sunnit.

F: Welche Sprachen sprechen Sie?

A: Ich spreche Türkisch in Wort und Schrift. Sonst spreche ich keine Sprachen.

F: Sprechen Sie Deutsch?

A: Nein, ich konnte noch keinen Kurs besuchen, weil ich keine E-Card habe.

Anm: Der AST befindet sich nicht in der Grundversorgung.

F: Warum befinden Sie sich nicht in der Grundversorgung?

A: Ich wusste nichts davon.

Anm: Der AST wird darüber aufgeklärt, dass er nur durch Bezug der Grundversorgung derartige Leistungen in Anspruch nehmen kann.

A: Ich werde mich darum kümmern und zur XXXX gehen.

F: Welche Schulen haben Sie besucht?

A: Grundschule in 5 Jahre in XXXX

Hauptschule in 3 Jahre in XXXX

2 Jahre Gymnasium in XXXX ohne Maturaabschluss

F: Was haben Sie danach gemacht?

A: Danach habe ich als Hilfsarbeiter gearbeitet, danach in einer Metall- und Kupferfabrik, ich war auch als Staplerfahrer tätig bis zu meiner Einreise in Österreich.

F: Wann und wie sind Sie zuletzt ausgereist und wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Ich bin am 22.07.2017 legal mit einem Dienstpass (Anm befindet sich im Akt) mit dem Bus nach Bulgarien. Am 24.07.2017 reiste ich legal in Österreich ein.

Anm: Antragstellung am 05.09.2017

Anm: Reisepass in Original im Akt

F: Wie bekamen Sie diesen Pass?

A: Die Stadtverwaltung hat eine Reise unter dem Namen "XXXX" organisiert. Ich bin Mitglied bei dem Verein für XXXX. Die Gemeinde erstellte eine Liste der Anmeldungen und sie schickt dem Gouverneur (Landeshauptmann). Nachdem dieser die Liste bestätigt hat, gehen die Personen zur Sicherheitsdirektion und beantragen einen Dienstpass. Diese Dienstpässe sind dann für 6 Monate gültig. Schon bei Antragstellung werden die Staaten genannt, in denen wir XXXX haben würden. Das Gouverneuramt bewilligt die bestimmte Reiseroute. Problemlos können wir als Inhaber dieses Passes in jegliche Länder ein und ausreisen.

F: Erzählen Sie bitte über Ihre Tätigkeit im Zuge der Mitgliedschaft in genanntem Verein?

A: Ich war ein XXXX.

F: Wann wurden Sie Mitglied?

A: Ein Monat bevor ich die Türkei verließ, also im Juni 2017.

F: Wo lernten Sie denn das XXXX?

A: In der Schule begann ich und dann lernte ich weiter.

F: Was waren denn die Aufnahmekriterien in genanntem Verein?

A: Es gibt keine.

F: Man muss doch XXXX können um als XXXX zu fungieren?

A: Man muss nicht XXXX können, man kann im Zuge der Mitgliedschaft auch das XXXX lernen.

F: Wieso stellten Sie erst so spät - knapp 2 Monate nach Ihrer Einreise - den Asylantrag?

A: Ich wusste nicht wohin ich sollte.

F: Das hat derart lange gedauert?

A: Ich habe Asylwerber gefragt wo man einen Antrag stellen kann und dann bin ich hingegangen.

F: Das kann man innerhalb einer Tages erledigen. Es ist von einer schutzsuchenden Person zu erwarten, dass sie die erste Möglichkeit nutzt um einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Was sagen Sie dazu?

A: Ich hatte Angst, dass man mich zurückschicken würde. Zudem war der Pass noch gültig. Ich habe mir deshalb Zeit gelassen.

F: Wie lautet Ihr Familienstand?

A: Standesamtlich geschieden seit 2012. Meine Exfrau und die Mutter meiner Kinder XXXX, geb. XXXX whft in XXXX

F: Haben Sie Kinder?

A: Ja, ich habe eine Tochter und einen Sohn:

1 Tochter: XXXX, geb. XXXX

1 Sohn: XXXX, geb. XXXX alle whft bei meinen Eltern in XXXX, Türkei

Befragt gebe ich an, dass XXXX die Leibliche Mutter genannter Kinder ist. Weder sie noch ich haben weitere Kinder.

F: Warum leben Ihre Kinder nicht bei Ihrer Exfrau?

A: Sie wollte die Kinder nicht haben. Sie hat wieder geheiratet.

F: Haben Sie sonstige Obsorgeverpflichtungen?

A: Nein.

F: Bitte nennen Sie den Namen und die Geburtsdaten Ihres Vaters?

A: XXXX, geb. XXXX, whft in der Türkei in XXXX, türkischer Stbg, pensioniert

F: Wie heißt Ihre Mutter und wann ist Sie geboren?

A: XXXX, geb. XXXX, whft in der Türkei in XXXX, türkische Stbg, Hausfrau

F: Haben Sie Geschwister und wenn ja wie heißen Sie?

A: 3 Schwestern:

• XXXX, geb. XXXX

• XXXX, geb. XXXX, den Nachnamen kenne ich nicht, da sie vor kurzem heiratete

• XXXX, geb. XXXX, den Nachnamen kenne ich nicht, da sie vor kurzem heiratete

alle whft in XXXX, Türkei bis auf XXXX. Diese lebt in XXXX.

F: Welche Besitztümer haben Sie in der Türkei?

A: Ich habe gar nichts.

F: Wo haben Sie vor Ihrer Ausreise gewohnt bzw. wo war Ihr letzter Lebensmittelpunkt? Bitte nennen Sie die genaue Adresse.

A: XXXX, XXXX

F: Wessen Wohnung ist das?

A: Das ist die Wohnung meines Vaters. Dort lebte ich die letzten 17 bis 18 Jahre.

F: Haben Sie noch weitere Familienangehörige in der Türkei?

A: Ja viele Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Es ist eine große Familie.

F: Bestehen familiäre Probleme?

A: Nein.

F: Können Sie sich auf die gestellten Fragen konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher?

A: Ja.

F: Wurden Sie im Zuge Ihrer legalen Ausreise an der Grenze von Sicherheitspersonal kontrolliert?

A: Ja an der Grenze wurde ich natürlich kontrolliert.

F: Sind dabei Probleme aufgetreten?

A: Nein.

F: Waren Sie nach der genannten Ausreise aus der Türkei noch einmal in der Türkei?

A: Nein.

F: Waren Sie, Ihre Eltern, Ihre Geschwister oder nahe Angehörige politisch oder religiös in der Türkei tätig?

A: Nein.

F: Haben Sie oder Ihre Angehörigen je Probleme mit Behörden wie z.B. Gerichten etc. in Ihrem Heimatland gehabt?

A: Nein.

F: Haben Sie schon einmal in einem anderen Staat um internationalen Schutz angesucht?

A: Nein.

F: Wie sieht Ihr Leben in Österreich aus? Was machen Sie in der Freizeit?

A: Ich versuche die Stadt kennenzulernen und die Menschen. Die Stadt ist sehr lebenswert.

F: Wie finanzieren Sie sich den Aufenthalt in Österreich?

A: Ich arbeite schwarz.

F: Was machen Sie da genau?

A: Ich belade und entlade LKWs, arbeite in Gärten und suche im Internet nach Gelegenheitsarbeiten.

F: Haben Sie sonst noch Einnahmequellen?

A: Nein.

F: Machen Sie sonst noch etwas im Bundesgebiet?

A: Nein.

F: Besteht in Österreich ein Familienleben, eine familienähnliche Beziehung bzw. führen Sie eine Lebensgemeinschaft?

A: Nein.

F: Besteht in Österreich ein Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung?

A: Nein. Ich kämpfe alleine und versuche mich an die Gesetze zu halten.

F: Sie sind in Österreich allerdings nicht zum Arbeiten berechtigt. Die Schwarzarbeit stellt kein rechtmäßiges Verhalten dar.

A: Ich habe davon nichts gewusst.

Anm: Dem AST wird die Adresse der XXXX auf einen Zettel geschrieben und übergeben. Er wird über die rechtlichen Konsequenzen der Schwarzarbeit in Österreich aufgeklärt. Weiters wird ihm dazu geraten sich der Grundversorgung zu unterziehen.

A: Vielen Dank, ich werde mich darum kümmern.

F: Gehören Sie in Österreich einem Verein oder einer sonstigen Organisation an?

A: Nein.

F: Haben Sie sonst noch Verwandte bzw. Familienangehörige in Österreich oder in der EU?

A: Nur in Frankreich einen Cousin aber wir haben keinen Kontakt.

F: Wie viel Geld hatten Sie bei Ihrer Einreise und wieviel Geld haben Sie jetzt?

A: Ich hatte bei meiner Einreise 30 Euro nun habe ich 70.

F: Können Sie sich auf die gestellten Fragen konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher?

A: Ja.

FLUCHTGRUND:

F: Können Sie mir sagen, warum Sie Ihre Heimat verließen und in Österreich einen Asylantrag stellen? Nennen Sie ihre konkreten und ihre individuellen Fluchtgründe dafür?

A: Ich mag Tayyib Erdogan nicht. Nach dem 15.07.2016 gab es die FETÖ Geschichte. Seitdem wird jeder, der Erdogan nicht mag als FETÖ Anhänger beschuldigt. Ich bin aber kein FETÖ Anhänger. Erdogan hat ein System aufgebaut und eine Einrichtung gegründet namens BIMER, das ist eine Internet-Einrichtung, wo man die Leute anzeigen kann bei denen der Verdacht besteht, dass sie der Bewegung angehören würden. Das hat man bei mir auch gemacht, obwohl ich damit nichts zu tun habe. Einmal wurde ich festgenommen. Ich musste bei der Polizei aussagen, eine Nacht haben sie mich angehalten danach haben sie mich freigelassen. Danach hatte ich Angst, dass sie das immer wieder tun würden. Zurzeit ist es das schlimmste eingesperrt zu werden, weil man jahrelang unschuldig in Haft bleibt weil das Verfahren so lange dauert. Aus diesem Grund wollte ich meine Zukunft retten.

F: Haben Sie weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

A: Entweder du bist auf der Seite Erdogans oder du wirst eliminiert. Ich ziehe vor im Ausland zu leben.

F: Wenn Sie mit der FETÖ Bewegung nichts haben, warum sollte man Sie verhaften?

A: Man muss nicht unbedingt der Bewegung angehören um misshandelt zu werden. Es reicht wenn man gegen Erdogan ist. Eine Anschuldigung findet man immer.

F: Weshalb hat sie die Polizei denn damals angehalten?

A: jemand hat mich als FETÖ Anhänger angezeigt.

F: Und warum hat man Sie dann wieder freigelassen?

A: Am nächsten Tag nahm man mich wieder fest.

F: Also man nahm Sie zweimal fest?

A: Einmal mit Anhaltung, bei der zweiten Festnahme sind sie drauf gekommen dass sie mich bereits einvernommen haben. Daraufhin wurde ich freigelassen.

F: Was haben Sie denn bei der Polizei ausgesagt?

A: Ich sagte ich sei kein FETÖ Anhänger. Ich sagte auch, dass ich gegen die Politik Erdogans bin und gegen die Diktatur. Ich habe auch gesagt dass ich aus diesem Grund angezeigt wurde.

F: Wenn Sie Angst vor der Inhaftierung haben, warum sagen sie den Behörden denn so etwas?

A: Ich wollte der Polizei klarmachen dass ich kein FETÖ Sympatisant bin. Ich habe dort nichts beleidigendes über Erdogan gesagt, es war eine Rechtfertigung für die Anzeige.

F: Wann wurden Sie denn genau angehalten?

A: Im Juni oder Juli 2017.

F: Sie haben von sich aus Behördenkontakt gesucht und haben sich einen Dienst Reisepass ausstellen lassen. Eine staatliche Verfolgung kann in Ihrem Fall schon allein deshalb ausgeschlossen werden. Was sagen Sie dazu?

A: Ich hatte immer ein normales Leben und war immer unbescholten. Was sie sagen ist richtig. Aber wenn ich dort geblieben wäre, wäre ich sowohl seitens des Staates als auch seitens der Bevölkerung verfolgt worden. Jedes Mal wenn ich den Mund aufgemacht hätte, wäre ich sowohl von staatlicher Seite aus als auch von der Bevölkerung belästigt werden. Für Leute wie mich gibt es dort keine Zukunft.

F: Warum sollte man denn einen einfachen Hilfsarbeiter in der Türkei, der nie politisch aktiv war und sich durch Ihr Verhalten in der Türkei nie besonders exponierte, nun staatlicher Verfolgung ausgesetzt werden?

A: Ich war in der Politik sehr aktiv. Ich war Mitglied bei der Partei MHP, die nationalistische Bewegungspartei. Ich habe auch als Bürgermeister der Stadt Kutlukent im Jahr 2004 kandidiert. Nach dem 15.07.2016 habe ich auf der Seite der YSK (die oberste Wahlbehörde) mit meiner Identifikationsnummer nachgeschaut. Dort wurde ich als AKP Mitglied angeführt ohne mein Wissen. Ich bin aber ein MHP Anhänger und niemals ein AKP Anhänger. Dadurch haben sie mich auch gegen meine eigene Partei gestellt. Auch das habe ich erleben müssen.

F: Wieso sollte man sie nun verfolgen?

A: Sie müssen Mitglieder einer Partei auf die anderen hetzen um so Unruhe in den Parteien zu stiften. Die Anhänger der MHP sind also nun gegen mich.

F: Wieso bringen Sie das erst so spät im Asylverfahren ein? Sie wurden doch vorhin befragt ob Sie jemals politisch aktiv waren, was Sie verneinten!

A: Verzeihen Sie bitte, das ist schon sehr lange her.

F: Was befürchten Sie denn konkret im Falle der Rückkehr in die Türkei?

A: Ich würde festgenommen werden, das Verfahren würde mehrere Jahre lang dauern. Mein Leben wäre vorbei.

F: Haben Sie Beweise für Ihre Behauptungen?

A: Im Internet können Sie sehen, dass ich kandidierte mit meiner ID-Nummer, die im Reisepass angeführt ist.

F: Wurden Familienangehörige in der Türkei jemals bedroht?

A: Nein.

F: Hat man sich denn nie nach Ihnen erkundigt?

A: Ein Monat nach meiner Ausreise kamen sie zu meinen Eltern, die sagten ich sei ausgereist.

F: Was wollte die Polizei denn von Ihren Eltern?

A: Sie haben nur nach mir gefragt. Mehr haben sie nicht gemacht. Ich hatte mit der Polizei sonst nie etwas zu tun.

F: Die von Ihnen vorgebrachten Fluchtgründe sind sehr vage und nicht nachvollziehbar ausgefallen. Sie behaupten willkürlich der FETÖ Mitgliedschaft bezichtigt zu werden obwohl es dafür keine ausschlaggebenden Gründe gibt. Weiters behaupten sie zwar von der Polizei einmal angehalten worden, aber nach Ihrer Einvernahme wieder freigelassen worden zu sein. Danach suchten Sie initiativ den Behördenkontakt und stellten einen Antrag auf die Ausstellung einen Dienst-Reisepasses, dessen Ausstellung dann auch bewilligt wurde. Sie konnten also problemlos ausreisen. Ihre politische Aktivität kann aufgrund Ihres späten Einbringens im Asylverfahren nicht geglaubt werden. Zudem kann von dieser ebenso wenig auf eine politische Verfolgung geschlossen werden, zumal zu dieser in Bezug auf Ihre späte Ausreise im Jahr 2017 kein zeitlicher Konnex erkannt werden kann. Es ist also davon auszugehen, dass Ihr Asylantrag negativ beschieden wird und Sie sich zurück in die Türkei zu begeben haben. Was sagen Sie dazu?

A: Ich bin mir sicher, dass ich im Falle einer Rückkehr dieselben Probleme wieder erleben würde. Wenn ich keine Probleme in der Türkei hätte, würde ich niemals meine Familie zurücklassen und flüchten. Ich habe hier niemanden. Ich bin ganz alleine und habe ein schweres Leben in Österreich. Ich möchte aber in Zukunft keine Probleme haben und in Frieden leben können. Ich hatte ein geregeltes Leben und eine geregelte Arbeit. Ich habe alles zurückgelassen. Ich bin niemals straffällig geworden. Es gibt keinen anderen Grund warum ich im Ausland leben möchte. Ich möchte nicht willkürlich beschuldigt werden und in Angst leben. Nach der Rückkehr werde ich noch mehr ins Visier des Staates kommen.

F: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie ausreichend die Möglichkeit Ihr Vorbringen darzustellen?

A: Ja.

F: Möchten Sie die Länderfeststellung zu Ihrem Herkunftsstaat Türkei zur Kenntnis gebracht haben? Sie haben die Möglichkeit im Zuge des Parteiengehörs eine Stellungnahme abzugeben.

A: Nein.

F: Haben Sie noch Fragen oder wollen Sie noch etwas angeben?

A: Nein.

F: Konnten Sie sich bei dieser Einvernahme konzentrieren? Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

A: Ja.

F: Wünschen Sie eine Ausfertigung dieser Niederschrift?

A: Ja, bitte, wenn es möglich ist.

(...)"

Es wurden etwaige Tippfehler nachträglich korrigiert.

Mit Verfahrensanordnung vom heutigen Tag wurde Ihnen ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Anm. Rechtschreibfehler wurden nachträglich ausgebessert.

[...]"

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise.

Gemäß § 53 Absatz 1 iVm. Abs. 2 Z 6 Fremdenpolizeigesetz wird ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt. Das Einreiseverbot resultiere aus der Mittellosigkeit der bP und dem öffentlichen Interesse an Ordnung und Sicherheit.

Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes wird vorgebracht, dass die bP nunmehr eine Freundin habe, mit welcher sie in einem gemeinsamen Haushalt lebe und die sie demnächst heiraten wolle. Sie werde von ihrer nunmehrigen Lebensgefährtin finanziell unterstützt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde, Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Das Bundesamt traf auf Grund des Ermittlungsverfahrens folgende Feststellungen denen sich das BVwG anschließt:

"Zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht fest. Sie heißen XXXX, sind am XXXX in XXXX geboren und sind türkischer Staatsangehöriger.

Sie sind Angehöriger der türkischen Volksgruppe und bekennen sich zur sunnitisch-islamischen Glaubensrichtung.

Fest steht, dass Sie gesund sind.

Sie sind geschieden und haben zwei minderjährige Kinder, die bei Ihren Eltern in XXXX, Türkei, leben.

Fest steht, dass Sie am die Türkei am 22.07.2017 legal nach Bulgarien verließen. Danach reisten Sie am 24.07.2017 legal - in Besitz eines Dienstpasses - in das Bundesgebiet einreisten.

Zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Ihr Fluchtvorbringen, wonach Sie der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bezichtigt werden, ist nicht glaubhaft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in der Türkei aufgrund Ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würden.

Zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Sie sind arbeitswillig, im arbeitsfähigen Alter, gesund, verfügen über eine Schulbildung und Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter und somit über alle erforderlichen Voraussetzungen um Ihren Lebensunterhalt in der Türkei selbstständig zu bestreiten.

Sie verbrachten den Großteil Ihres Lebens in der Türkei und verfügen über ein umfangreiches familiäres Netzwerk im Herkunftsland, von dem Sie jederzeit Unterstützung in Anspruch nehmen können.

Sie sind dazu imstande, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung Ihrer Angehörigen den Lebensunterhalt in der Türkei zu sichern.

Es ist in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass Sie bei Ihrer Rückkehr in die Türkei nicht in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. Art 3 EMRK gelangen.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie haben in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige i. S. d. Art. 8 EMRK. Die bP lebt seit ca. drei Monaten mit ihrer nunmehrigen Freundin in einem gemeinsamen Haushalt und wird von ihr finanziell unterstützt bzw. wird ihr Aufenthalt in Österreich zur Gänze von ihrer Freundin finanziert.

Sie verfügen über keine nennenswerten Sprachkenntnisse in Deutsch.

Sie gehören in Österreich keinem Verein bzw. keiner sonstigen Organisation an.

Sie verfügen in Österreich über kein legales Einkommen und befinden sich nicht in der Grundversorgung.

Sie bestreiten Ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet durch die Schwarzarbeit.

Es besteht ein entsprechendes Privatleben.

zu den Gründen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, sowie das Erlassen eines Einreiseverbots:

Sie sind als mittellos zu erachten, zumal Sie den Besitz der Mittel zu Ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen.

Sie gehen im Bundesgebiet Beschäftigungen nach, die Sie nach dem AuslBG nicht ausüben dürfen.

Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet stellt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Zur Lage in Ihrem Herkunftsland: [...]"

Das Bundesamt traf im angefochtenen Bescheid Feststellungen zum Herkunftsstaat Türkei auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 21.03.2018. Im Wesentlichen ergibt sich für diesen Fall zusammengefasst daraus Folgendes:

Mehr als 15 Millionen türkische BürgerInnen, so wird geschätzt, haben einen kurdischen Hintergrund und sprechen einen der kurdischen Dialekte. Wenngleich es zu Diskriminierungen kommen kann, ergibt sich auf Grund der Berichtslage nicht, dass Kurden mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären.

Die Versorgungslage ist in der Türkei grds. gesichert und ist Kurden - so wie der übrigen Bevölkerung - auch eine Teilnahme am Erwerbsleben möglich.

Die Sicherheit ist für die Bevölkerung im Allgemeinen gewährleistet und die staatlichen Schutzmechanismen hinreichend funktionsfähig. Es kann nicht festgestellt werden, dass in der Türkei aktuell eine Lage herrschen würde, wonach diese für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

2. Beweiswürdigung

Einleitend ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP vollen Beweis iSd § 15 AVG über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können.

Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht an.

Das Bundesamt würdigte die Ermittlungsergebnisse folgendermaßen:

"[...]

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Mittels Vorlage eines Originalen türkischen Reisepasses war Ihre Identität festzustellen.

Die Feststellungen zu Ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit basieren auf diesbezüglich glaubhaften Angaben.

Die Feststellungen hinsichtlich Ihres Gesundheitszustandes ergeben sich aus dem persönlichen Eindruck, welchen der entscheidungsbefugte Organwalter im Rahmen der Einvernahme gewinnen konnte, sowie Ihren Angaben, wonach Sie an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten laborieren.

Die Feststellungen hinsichtlich Ihres Familienstandes und Ihrer Kinder gehen aus Ihren Angaben hervor.

Die Feststellungen hinsichtlich ihres geänderten Privatlebens, nämlich der gemeinsame Haushalt mit einer weiteren Person, geht aus den Angaben in der Beschwerde hervor.

Die Feststellungen zur Reisebewegung und legalen Einreise wurden mittels Vorlage Ihres türkischen Dienstpasses getroffen. Das Einreisedatum im Bundesgebiet geht aus Ihren Angaben hervor.

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:

Der Asylwerber hat im Verfahren "glaubhaft" zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art.1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (§3 AsylG 2005).

Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 30.11.2000, 2000/01/0356).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründeten Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. ZB VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Sie behaupteten vor dem BFA, dass Anzeige gegen Sie aufgrund einer behaupteten FETÖ-Mitgliedschaft erstattet wurde, worauf man Sie festnahm um Sie anschließend einzuvernehmen. Nach der Einvernahme hätte man Sie freigelassen. Wer die Anzeige erstattete wüssten Sie nicht. Aus Furcht vor einer erneuten Verhaftung hätten Sie sodann die Flucht ergriffen.

Eine Furcht vor Verfolgung vermochten Sie allein schon aufgrund der mangelnden Plausibilität Ihres Vorbringens in Bezug auf den ausgestellten Dienstpass nicht wohl begründen. So ist es nicht nachvollziehbar, warum Sie initiativ den Behördenkontakt in der Türkei suchten um einen Antrag auf die Ausstellung eines Dienstpasses zu stellen, obwohl Sie eine Verfolgung seitens des türkischen Staates befürchteten. Der Umstand, dass Ihnen nach gründlicher Überprüfung Ihrer Person durch staatliche Einrichtungen die Ausstellung eines Dienstpasses zugesagt wurde, verdeutlicht, dass Sie in der Türkei keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt waren oder eine solche zu befürchten hätten.

Weiters verblieben Ihre Angaben rund um die vermeintliche Festnahme durch türkische Exekutivkräfte nicht glaubhaft. So behaupteten Sie zunächst lediglich einmal festgenommen und einvernommen worden zu sein, änderten die Anzahl der Festnahmen dann im weiteren Verlauf der Einvernahme auf eine zweite um, nachdem man Sie nach dem Grund Ihrer Freilassung fragte. Die kontinuierliche Steigerung Ihrer Angaben macht es der Behörde jedoch nicht möglich, Ihr Vorbringen als glaubhaft zu werten. Auch der VwGH geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 7.6.2000, 2000/01/0250).

Ihre mangelnde Glaubwürdigkeit bauten Sie im Verlauf der Einvernahme weiter aus, indem Sie nach einem entsprechenden Vorhalt, eine langjährige und intensive politische Aktivität in der Türkei behaupteten, obwohl Sie diese zuvor noch verneint hatten. So hatten Sie hinsichtlich Ihrer Arbeitstätigkeit in der Türkei erklärt, lediglich als Hilfsarbeiter tätig gewesen zu sein:

"F: Was haben Sie danach gemacht?

A: Danach habe ich als Hilfsarbeiter gearbeitet, danach in einer Metall- und Kupferfabrik, ich war auch als Staplerfahrer tätig bis zu meiner Einreise in Österreich.

(...)

F: Waren Sie, Ihre Eltern, Ihre Geschwister oder nahe Angehörige politisch oder religiös in der Türkei tätig?

A: Nein.

(...)

F: Warum sollte man denn einen einfachen Hilfsarbeiter in der Türkei, der nie politisch aktiv war und sich durch Ihr Verhalten in der Türkei nie besonders exponierten, nun staatlicher Verfolgung ausgesetzt werden?

A: Ich war in der Politik sehr aktiv. Ich war Mitglied bei der Partei MHP, die nationalistische Bewegungspartei. Ich habe auch als Bürgermeister der Stadt XXXX im Jahr 2004 kandidiert. Nach dem 15.07.2016 habe ich auf der Seite der YSK (die oberste Wahlbehörde) mit meiner Identifikationsnummer nachgeschaut. Dort wurde ich als AKP Mitglied angeführt ohne mein Wissen. Ich bin aber ein MHP Anhänger und niemals ein AKP Anhänger. Dadurch haben sie mich auch gegen meine eigene Partei gestellt. Auch das habe ich erleben müssen."

Somit verblieb auch Ihre behauptete politische Aktivität aufgrund der kontinuierlichen Steigerung Ihrer Angaben nicht glaubhaft. Ohnehin wäre auch bei Glaubhaftmachung dieses Umstandes nichts für Sie gewonnen, zumal aus der von Ihnen beschriebenen Tätigkeit auf keinen asylrelevanten Kontext in Bezug auf die von Ihnen dargelegte Furcht vor Verfolgung geschlossen werden kann. Darüber hinaus steht Ihre behauptete politische Aktivität in keinem zeitlichen Konnex zu Ihrer legalen Ausreise aus der Türkei, weshalb Sie diesbezüglich eine wohlbegründete Furcht allein schon mangels aktueller Geschehnisse bezogen auf den Ausreisezeitpunkt nicht glaubhaft machen konnten. Dennoch ist aufgrund Ihres Verhaltens im Zuge der Einvernahme deutlich auf Ihr Bestreben zu schließen, durch die Steigerung Ihres Vorbringens Ihre Asylausgangssituation zu verbessern, was Ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit nicht zu Gute kommt.

Es verblieb nicht nachvollziehbar, warum die türkische Regierung ein erhöhtes Interesse an einem einfachen Hilfsarbeiter wie Ihnen haben sollte und diesem trotz des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung einen Dienstpass ausstellen lassen sollte. Verwiesen wird dabei auf das aktuelle Länderinformationsblatt, wonach bereits kurz nach dem Putschversuch etwa 49.000 türkische Reisepässe für ungültig erklärt wurden. Personen, die mit entsprechenden Repressalien zu rechnen hätten seien vor allem Wissenschaftler, Universitätslehrkräfte und Staatsbedienstete. Jenen Personen, gegen die türkische Behörden bei Verdacht auf Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung strafrechtlich vorgehen, kann die Ausreise untersagt werden. Sie selbst geben an, nie etwas mit der Gülen Bewegung zu tun gehabt zu haben und geht aus Ihrer dargelegten Biographie auch kein FETÖ-naher Bezug hervor, weshalb auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die türkische Regierung einen derartigen Bezug zu Ihrer Person herstellen sollte.

Weiters ist Ihnen entgegenzuhalten, dass Sie keine Ihre Behauptungen unterstützenden Bescheinigungsmittel in Vorlage brachten, was ebenfalls gegen Ihre Glaubwürdigkeit spricht. Gerade bei den von Ihnen geschilderten Vorkommnissen (Anzeige, Verhaftung, Parteimitgliedschaft, etc.) handelt es sich wohl auch um in der Türkei verifizierbare Ereignisse. Angesichts der vorliegenden Sachlage erscheint eine Beischaffung von Unterlagen - etwa von der genannten Anzeige, Polizeiberichten, Haftbestätigungen etc. - jedenfalls möglich. Bei tatsächlichem Zutreffen dieses Vorbringens könnte doch vorausgesetzt werden, dass Sie entsprechende Unterlagen, welche Ihr Vorbringen belegen können, in Vorlage gebracht hätten, wie es auch von anderen Antragstellern aus Ihrem Heimatland praktiziert wird. Laut höchstgerichtlicher Judikatur hat ein Asylwerber das Bestehen einer aktuellen, durch staatlich Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (u.a. VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; 17.07.1997, 97/18/0336; 05.04.1995, 93/18/0289). Das einzig von Ihnen in Vorlage gebrachte Beweismittel in Form eines Dienstpasses ist jedenfalls kein Bescheinigungsmittel, welches zweckdienlich für die Glaubhaftmachung Ihres dargelegten Fluchtvorbringens wäre, sondern Ihre persönliche Glaubwürdigkeit sogar untergräbt.

In einer Gesamtbetrachtung verblieb Ihr Vorbringen vage und nicht substantiiert. Dabei fielen Ihre Schilderungen äußerst kurz, unkonkret, nicht nachvollziehbar und in wesentlichen Punkten vor allem hinsichtlich Ihres Dienstpasses widersprüchlich aus, weshalb Ihr Vorbringen als nicht glaubhaft zu werten war.

Abschließend ist hervorzuheben, dass Sie den gegenständlichen Asylantrag nicht bei erster Möglichkeit stellten, wie es von einer schutzbedürftigen Person zu erwarten wäre, sondern erst nach einem etwa sechswöchigen Aufenthalt im Bundesgebiet, was auf kein besonderes Interesse an der Asylantragstellung schließen lässt. Ihre diesbezügliche Erklärung, Ihr Pass wäre noch gültig gewesen, weshalb Sie sich mit der Asylantragstellung Zeit gelassen hätten, lässt in Verbindung mit Ihren Ausführungen zum Privatleben auf Ihr Bestreben schließen, sich durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz ein zumindest vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erschleichen, um durch die rechtswidrige Verrichtung der Schwarzarbeit im Bundesgebiet Ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Es konnten keinerlei Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei einer Verfolgungsgefährdung i. S. d. Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wären. Aus Ihrem Gesamtvorbringen ergibt es sich, dass Sie gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig sind. Sie verbrachten den Großteil Ihres Lebens in der Türkei, sind mit den Gepflogenheiten in der Türkei bestens vertraut und beherrschen die türkische Sprache in Wort und Schrift. Es ist Ihnen somit zuzutrauen in Ihrer Heimat, Ihrem vertrauten sozialen und familiären Umfeld, Ihrer vertrauten Kultur und ohne jegliche sprachliche Barrieren, jederzeit wieder Fuß zu fassen.

Aus dem Ermittlungsverfahren ergeben sich auch keine Gründe, die der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit im Heimatland entgegenstehen würden. Sie verfügen über ein familiäres Netzwerk im Herkunftsland, zumal gemäß Ihren Angaben Ihre Eltern, drei Schwestern und zahlreiche Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen in der Türkei leben. Das Bestehen familiärer Probleme haben Sie verneint, weshalb auch der Schluss zulässig ist, dass Ihnen Ihre Angehörigen die Unterstützung nicht versagen würden. Es ist Ihnen daher zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung, sowie der Unterstützung Ihrer Angehörigen zukünftig den Lebensunterhalt in der Türkei zu sichern!

Da Ihnen im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, und Sie über alle nötigen Voraussetzungen verfügen um Ihr Leben eigenständig zu meistern, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Dass Sie über die notwendige Selbständigkeit verfügen, um in der Lage zu sein einer Beschäftigung nachzugehen, ergibt sich aus Ihrer bisherigen Arbeitstätigkeit im Herkunftsland.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Entsprechend Ihrer eigenen Angaben haben Sie in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige i. S. d. Art. 8 EMRK. Aus diesem Grund kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Sie in Österreich über ein entsprechendes Familienleben verfügen.

Aufgrund der Ausführungen in der Beschwerde, wonach sie mit einer Frau in einem gemeinsamen Haushalt leben, diese sie finanziell unterstützt, kann von einem nennenswerten Privatleben ausgegangen werden.

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, sowie die Erlassung des Einreiseverbots:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, besonders Ihren Angaben im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 12.10.2018. Der Umstand Ihrer Mittellosigkeit, sowie die negative Zukunftsprognose, die sich aus Ihrem bisherigen persönlichen Verhalten im Bundesgebiet (Schwarzarbeit) ergibt, rechtfertigen die Annahme, dass Ihr Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Betreffend die Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu Ihrem Herkunftsland basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können. Diese Länderfeststellungen wurden Ihnen zur Einsichtnahme u. Abgabe einer Stellungnahme angeboten, darauf haben Sie verzichtet.

[...]".

Seitens des BVwG wird eingangs angemerkt, dass gerade beim Antrag auf internationalen Schutz der persönlichen Aussage zur eigenen Gefährdungssituation im Herkunftsstaat als Beweismittel und zentralem Punkt in diesem Verfahren besondere Bedeutung zukommt, handelt es sich doch behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse bzw. eigene sinnliche Wahrnehmungen des Antragstellers / der Antragstellerin über die berichtet wird. Diese entziehen sich zumeist - insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen - weitgehend einer Überprüfbarkeit und liegen diese idR alleine in der persönlichen Sphäre der bP.

Im Wesentlichen geht es für die Entscheider darum, zu beurteilen, ob es im konkreten Fall glaubhaft ist, dass die diesbezüglichen Aussagen der bP auf einem tatsächlichen persönlichen Erleben beruhen oder ob sich die Partei dabei der Lüge bedient bzw. die Aussagen nicht erlebnisbegründet sind.

Im Allgemeinen erfolgt eine (vorsätzliche) Falschaussage nicht ohne Motiv (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, Rz 246ff). Im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz kann eine derartige Motivationslage, die den Wahrheitswillen eines Antragstellers/einer Antragstellerin zu beeinflussen geeignet ist, darin liegen, dass sie ihrer Überzeugung nach - uU auch durch Suggestion Dritter beeinflusst - dadurch gesteigerte Erfolgsaussichten erwarten, um den beantragten Status als Asylberechtigter oder als subsidiär Schutzberechtigter und damit einen Aufenthaltstitel samt Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder staatlicher Versorgung zu erlangen (sog. "Folgenberücksichtigung", siehe oben zitierte Quelle).

Als Beurteilungskritierien für die Glaubhaftmachung nennt der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise:

Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007). Aus dem Wesen der Glaubhaftmachung ergibt sich auch, dass die Ermittlungspflicht der Behörde durch die vorgebrachten Tatsachen und angebotenen Beweise eingeschränkt ist (VwGH 29.3.1990, 89/17/0136; 25.4.1990, 90/08/0067). Es ist Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen. (VwGH 30. 11. 2000, 2000/01/0356).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubhaft anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (vgl. zB. VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Auch auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren ist bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung Bedacht zu nehmen. Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre [VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua], gesundheitliche [VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601; 14.6.2005, 2005/02/0043], oder finanzielle [vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099] Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht und Darlegungslast des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Wenn Sachverhaltselemente im Ausland ihre Wurzeln haben, ist die Mitwirkungspflicht und Offenlegungspflicht der Partei in dem Maße höher, als die Pflicht der Behörde zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes wegen des Fehlens der ihr sonst zu Gebote stehenden Ermittlungsmöglichkeiten geringer wird. Tritt in solchen Fällen die Mitwirkungspflicht der Partei in den Vordergrund, so liegt es vornehmlich an ihr, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhalte beizuschaffen (VwGH 12.07.1990, Zahl 89/16/0069).

Das BVwG geht - wie schon das Bundesamt - auf Grund des Ermit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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