TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W207 2186427-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2186427-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Aigner Rechtsanwalts GmbH, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 04.01.2018, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 15.09.2017 beim Sozialministeriumsservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Antragsformular für den - auf den Beschwerdeführer zutreffenden - Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.11.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

2005 Z.n. Morbus Hodgkin Lymphom mit Chemotherapie, seit über 10 Jahren stabile Remission, 03/17 Z.n. Fract condyl med tib sin et caput fib sin, operative Verplattung, das rechte Auge seit Kindalter hochgradig schwachsichtig

Derzeitige Beschwerden:

Druckgefühl im linken Kniegelenk, ziehende Schmerzen bis zu den Zehen reichend, alle Zehen links bamstig

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

bei Bedarf Novalgin

Sozialanamnese:

verheiratet, 2 Kinder, Beruf: selbständig (Versicherungsagentur)

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

06.09.2017 ambulantes RZ Optimamed XXX, Dg.: Fract cond med tib sin et aput fib sin 08.03.2017, operative Verplattung 10.03.2017, St.p. Hodgkin Lymphom im Halsbereich, Chemotherapie, seit 10 Jahren stabile Remission, Status:....Knie links aktiv: 0-0-115, passiv:

0-0-120, endlagig schmerzhaft, bandstabil nachgereichter Visusbefund vom 17.10.2017, rechts Hbw, links 0,8 cc, Dg.: Astigmatismus, Amblyopie rechts, Strabismus conv. re, Cataract re, Pseudophakie links, leichter Nachstar li

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 176,00 cm Gewicht: 94,00 kg Blutdruck: 160/90

Klinischer Status - Fachstatus:

68-jähriger Mann kommt gehend in Begleitung seiner Frau in meine Ordination. Caput/Collum: rechts Strabismus convergens, links Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zähne saniert. Thorax symmetrisch, Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar. Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar. Durchblutung und grob neurologisch unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Extremitäten: Die Gelenke der OE und rechten UE altersentsprechend frei beweglich, linke UE: blande Narbe tibiakopfnahe nach OP, das Kniegelenk endlagig beuge- und streckgehemmt, bandfest, diskrete Krepitation, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich,

WS: HWS in allen Ebenen altersentsprechend frei beweglich, BWS/LWS:

Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts endlagig eingeschränkt, Finger-Bodenabstand: 10cm unter Kniehöhe. Das Gangbild diskret linkshinkend, normalschrittig und flüssig, Einbeinstand beidseits ohne Anhalten kurz möglich, Zehen- und Fersengang beidseits etwas erschwert durchführbar.

Status Psychicus:

bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage euthym, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hochgradige Fehlsichtigkeit rechts

11.02.02

30

2

Zustand nach Schien- und Wadenbeinkopfbruch links mit Funktionseinschränkung geringen Grades im Kniegelenk oberer Rahmensatz bei endlagiger Beuge- und Streckhemmung

02.05.18

20

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Unter Berücksichtigung der körperlichen Defizite ist es trotzdem möglich, eine kurze Wegstrecke und ein paar Stiegen, wenn erforderlich im Nachstellschritt, selbständig zu bewältigen, da ausreichend Kraft und Beweglichkeit in beiden Beinen zu verzeichnen ist. Daher ist ein sicheres Ein- und Aussteigen ohne Verwendung von Hilfsmittel möglich und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 15.09.2017 ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v. H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Ein bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Mit E-Mail vom 14.02.2018 erhob der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 04.01.2018, mit dem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen worden war, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, in der in inhaltlicher Hinsicht Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt wird:

"...

Gegen den Bescheid des Sozialministeriums, BASB Landesstelle NÖ, vom 04.01.2018 zu OB: XXXXXXXXXXXX, erhebt der Beschwerdeführer fristgerecht nachstehende

BESCHWERDE GEMÄSS ART 130 ABS 1 Z 1 UND 132 ABS 1 Z 1 B-VG

an das Bundesverwaltungsgericht und führt diese aus wie folgt:

Der gegenständliche Bescheid des Sozialministeriums, BASB Landesstelle NÖ, wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Mit angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde seinen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 15.09.2017 mit der Begründung ab, dass nur eine Behinderung eines Grades von 30 % vorliege. Die Ausstellung eines Behindertenpasses erfordere jedoch eine Behinderung im Grad von mindestens 50 %, welche nach Ansicht der belangten Behörde nicht gegeben sei. Dabei stützte sich die belangte Behörde auf das zum Bestandteil des Bescheides erklärte ärztliche Begutachtungsverfahren.

Aus dem zugrundeliegenden Sachverständigengutachten ist zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer aufgrund seiner hochgradigen Fehlsichtigkeit rechts eine Behinderung (Leiden 1 lt. SV-GA) im Grad von 30 % vorliegt. Daneben liegt beim Beschwerdeführer nach einem Schien- und Wadenbeinkopfbruch links eine Funktionseinschränkung geringen Grades im Kniegelenk im oberen Rahmensatz bei endlagiger Beuge- und Streckhemmung (Leiden 2 lt. SV-GA) vor. Diese Funktionseinschränkung stellt laut Sachverständigengutachten eine Behinderung im Grad von 20 % dar.

Die Sachverständige kam zum Ergebnis, dass insgesamt nur ein Grad einer Behinderung von 30 % vorliege, da die Fehlsichtigkeit durch die Funktionseinschränkung im Kniegelenk nicht erhöht werde, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung bestünde.

Zulässigkeit der Beschwerde:

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG ist zur Erhebung der Beschwerde gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde berechtigt, wer durch einen Bescheid in seinen Rechten verletzt ist.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem subjektiv öffentlichen Recht auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei Vorliegen der Voraussetzungen verletzt (§§ 40 ff Bundesbehindertengesetz; Einschätzungsverordnung). Der angefochtene Bescheid leidet unter anderem an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Daneben ist der Beschwerdeführer in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf ein faires Verfahren verletzt, da ihm kein rechtliches Gehör zum Sachverständigen-Gutachten gewährt wurde (Art 6 EMRK) und der angefochtene Bescheid an einer mangelhaften Begründung leidet (§§ 58, 60 AVG). Es wurden sohin Verfahrensvorschriften verletzt.

Es wird daher die Verletzung subjektiv öffentlicher einfachgesetzlicher und verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (Art 6 EMRK) geltend gemacht. Der Beschwerdeführer ist daher zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde berechtigt.

Der angefochtene Bescheid wurde am 04.01.2018 ausgestellt. Die gegenständliche, gemäß § 46 BBG binnen 6 Wochen erhobene Beschwerde ist somit fristgerecht.

Beschwerdegründe:

Als Beschwerdegründe werden geltend gemacht:

a) inhaltliche Rechtswidrigkeit

b) Verletzung von Verfahrensvorschriften

Ad a) inhaltliche Rechtswidrigkeit:

Gemäß § 40 Abs 1 Z 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz im Inland und einer Behinderung im Grad von mindestens 50 % auf Antrag ein Behindertenpass auszustellen, wenn ihr Grad der Behinderung bzw. ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist.

Die belangte Behörde verwies in der Begründung des angefochtenen Bescheids lediglich auf das Sachverständigen-Gutachten, weshalb dessen Inhalt als Inhalt des angefochtenen Bescheids anzusehen ist.

Beim Beschwerdeführer liegen laut Sachverständigen-Gutachten zwei Funktionsbeeinträchtigungen vor, und zwar eine hochgradige Fehlsichtigkeit rechts (Leiden 1 lt. SV-GA), welche mit einem Behinderungsgrad von 30 % von der Sachverständigen beurteilt wurde.

Daneben liegt aufgrund des Zustands des Beschwerdeführers nach einem Schien- und Wadenbeinkopfbruch links eine Funktionseinschränkung geringen Grades im Kniegelenk im oberen Rahmensatz bei endlagiger Beuge- und Streckhemmung (Leiden 2 lt. SV-GA) vor, welchen die Sachverständige mit einem Behinderungsgrad von 20 % beurteilte.

Insgesamt gelangte die Sachverständige zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 % weil das Leiden 1 das Leiden 2 nicht erhöhe und keine wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe.

Gemäß § 3 Abs 3 EinschätzungsV liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf die andere besonders nachteilig auswirkt. Dies ist im gegenständlichen Fall gegeben.

Aufgrund des Schien- und Wadenbeinkopfbruchs liegt beim Beschwerdeführer eine nachgewiesene Funktionseinschränkung im Kniegelenk vor. Daher ist der Beschwerdeführer in seinem Gang unsicher, wie die Sachverständige im vorliegenden Gutachten auch ausführte (siehe Untersuchungsbefund, Gesamtmobilität - Gangbild, letzter Absatz).

Der Sachverständigen lag überdies im Zuge der Untersuchung des Beschwerdeführers dessen Ambulanzkarte des Landesklinikums Wiener Neustadt vom 08.03.2017, dessen Erstes Rentengutachten der AUVA vom 08.03.2017 sowie der Bescheid der AUVA vom 26.09.2017 vor.

Dem Ersten Rentengutachten der AUVA ist dabei das Gangbild des Beschwerdeführers zu entnehmen (Seite 2 oben): Die linke Ober- und Unterschenkelmuskulatur ist abgeschwächt; die linke Knieregion ist verdickt. Der Barfußgang des Beschwerdeführers ist links hinkend. Der Zehenspitzengang ist links hinkend; der Fersengang ist links gar nicht durchführbar; der Einbeinstand ist links unsicher. Dem Ersten Rentengutachten sind die Einschränkungen des Beschwerdeführers nach dem gegenständlichen Bruch des linken Schien- und Wadenbeinkopfs daher deutlich zu entnehmen.

Dem Bescheid der AUVA vom 26.09.2017 ist aufgrund dieses Ersten Rentengutachtens eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers ab 01.08.2017 mit 20 % zu entnehmen, und zwar aufgrund des gegenständlichen Bruchs des linken Schien- und Wadenbeinkopfes. Durch diesen Bescheid wurde die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 40 Abs 1 Z 1 BBG bescheidmäßig festgestellt. Über diesen Bescheid setzte sich sowohl die Sachverständige als auch die belangte Behörde hinweg.

Das Erste Rentengutachten wird wie der Bescheid der AUVA im angefochtenen Bescheid nicht einmal erwähnt.

Der Bescheid der AUVA über die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers im Ausmaß von 20 % hätte aber auch in die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung des Beschwerdeführers Eingang finden müssen.

Bereits auf Grundlage dieses Bescheids der AUVA und des Ersten Rentengutachtens in Zusammenschau mit den Untersuchungsergebnissen der Sachverständigen hätte diese zum Ergebnis gelangen müssen, dass insgesamt ein Gesamtgrad der Behinderung von mindestens 50 % vorliegt.

Diese nachgewiesene Unsicherheit im Gang des Beschwerdeführers müsste dieser durch besondere Vorsicht ausgleichen. Gerade dies ist dem Beschwerdeführer aber durch die ebenso vorliegende hochgradige Fehlsichtigkeit nicht möglich. Im Gegenteil, seine Fähigkeit mögliche Gefahrenquellen - die durch die nunmehrige Funktionsbeeinträchtigung im Kniegelenk noch deutlich schwerwiegender zu beurteilen sind - zu erkennen, ist durch die hochgradige Fehlsichtigkeit stark eingeschränkt. Daher wirkt sich die hochgradige Fehlsichtigkeit rechts (Leiden 1) sehr wohl besonders nachteilig auf die Funktionseinschränkung im Kniegelenk (Leiden 2) aus, was die Sachverständige und in weiterer Folge die belangte Behörde verkannten. Sowohl die Sachverständige als auch die belangte Behörde hätten daher zum Ergebnis gelangen müssen, dass gemäß § 3 Abs 3 EinschätzungsV eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen und sodann insgesamt ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % vorliegt.

Daneben ist gemäß § 3 Abs 3 EinschätzungsV auch dann von einer wechselseitigen Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, auszugehen, wenn zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen. Auch eine derartige wesentliche Funktionsbeeinträchtigung liegt vor.

Wie bereits ausgeführt, führt das Zusammenspiel der Unsicherheit des Gangs des Beschwerdeführers durch die Funktionseinschränkung im Kniegelenk mit der hochgradigen Fehlsichtigkeit zu einer deutlich erhöhten Verletzungs- und Unfallgefahr des Beschwerdeführers. Dieser Zustand führt insgesamt zu einer wesentlichen Funktions-beeinträchtigung des Beschwerdeführers, da er nicht mehr in der Lage ist, mit der erforderlichen Sicherheit Stürze zu vermeiden. Auch das Vorliegen einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs 3 EinschätzungsV verkannten sowohl die Sachverständige als auch die belangte Behörde. Sowohl die Sachverständige als auch die belangte Behörde hätten daher zum Ergebnis gelangen müssen, dass insgesamt eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers und in weiterer Folge eine Behinderung im Grad von 50 % vorliegt.

Dabei entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen deren Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer Wechselbeziehungen maßgebend sind (VwGH, 11.11.2015, Ra 2014/11/0109). Auch diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verletzte die belangte Behörde, da sie sich nicht mit dem Zusammenspiel der Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers auseinandersetzte. Die belangte Behörde berücksichtigte nicht die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit und auch nicht die Wechselbeziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander.

Der angefochtene Bescheid ist daher aufgrund der Verletzung der Bestimmung § 40 BBG, der EinschätzungsV als auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs rechtswidrig.

Ad b) Verletzung von Verfahrensvorschriften:

-

Verletzung rechtliches Gehör:

Gemäß § 56 AVG hat der Entscheidung der Behörde ein Ermittlungsverfahren voranzugehen. Zu den Ergebnissen dieses Ermittlungsverfahrens muss den Parteien gemäß § 45 Abs 3 AVG die Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt werden (rechtliches Gehör).

Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid das Sachverständigen-Gutachten vom 10.11.2017 zugrunde. Dem Beschwerdeführer wurde dieses Sachverständigen-Gutachten erst im Zuge der Zustellung des angefochtenen Bescheids zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer hatte davor keine Gelegenheit zum Sachverständigen-Gutachten Stellung zu nehmen. Bei einer zuvor eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme hätte der Beschwerdeführer einen Gutachtensergänzungsantrag stellen können, um die Thematik der wechselseitigen Beeinflussungen der Funktionsbeeinträchtigungen mit der Sachverständigen genauer zu erörtern. In diesem Fall hätte die Sachverständige auch zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers sehr wohl Wechselwirkungen aufeinander haben und hätte zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 % gelangen müssen.

Damit wurde das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers gemäß § 45 Abs 3 AVG und Art 6 EMRK verletzt.

-

Mangelhafte Begründung:

Sowohl der angefochtene Bescheid als auch das diesem zugrundeliegende Sach- verständigen-Gutachten sind mangelhaft begründet. Es wird sowohl jede mangelhafte Begründung für sich als auch die mangelhafte Begründung in ihrer Gesamtheit als Beschwerdegrund geltend gemacht.

Zur mangelhaften Begründung des Sachverständigen-Gutachtens:

Gemäß § 4 Abs 2 EinschätzungsV hat das Gutachten unter anderem eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes als auch eine Begründung für die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung zu enthalten.

Das vorliegende Sachverständigen-Gutachten enthält keinerlei Begründung für die Einschätzung der Grade der Behinderungen des Beschwerdeführers mit 30 % für die hochgradige Fehlsichtigkeit und 20 % für den Zustand nach Schien- und Wadenbeinkopfbruch links mit Funktionseinschränkung geringen Grades im Kniegelenk im oberen Rahmensatz bei endlagiger Beuge- und Streckhemmung.

Daneben enthält das Sachverständigen-Gutachten bloß eine Scheinbegründung für die Angabe des Gesamtgrades der Behinderung, nämlich, dass das Leiden 1 (Fehlsichtigkeit) durch Leiden 2 (Funktionseinschränkung im Kniegelenk) nicht erhöht werde, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung bestünde. Auf die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen und deren tatsächlich sehr wohl bestehende Zusammenwirkung ging die Sachverständige gar nicht ein.

Das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Sachverständigen-Gutachten verstößt daher gegen § 4 Abs 2 EinschätzungsV und ist daher mangelhaft begründet (VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0012).

Zur mangelhaften Begründung des angefochtenen Bescheids:

Bescheide sind gemäß § 58 Abs 2 AVG zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich entsprochen wird. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 15.09.2017 wurde abgewiesen, daher wurde dem Antrag des Beschwerdeführers nicht vollinhaltlich entsprochen, was zu einer Pflicht zur Begründung des Bescheides führt.

Gemäß § 60 AVG hat die Behörde in Bescheiden dabei die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Erwägungen der Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Die belangte Behörde führte in den Sachverhaltsfeststellungen lediglich aus, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers laut eingeholtem Sachverständigen-Gutachten 30 % betrage und verwies darüber hinaus auf das Sachverständigen-Gutachten. Damit wurde die mangelhafte Begründung des Sachverständigen-Gutachtens auf den angefochtenen Bescheid übertragen.

Im Sachverständigen-Gutachten wurde feststellt, dass der Beschwerdeführer an einer hochgradigen Fehlsichtigkeit rechts leidet, welche einen Grad einer Behinderung von 30 % darstellt. Daneben leidet der Beschwerdeführer an einem Zustand nach einem Schien- und Wadenbeinkopfbruch links mit Funktionseinschränkung geringen Grades im Kniegelenk oberer Rahmensatz bei endlagiger Beuge- und Streckhemmung, welche einen Grad einer Behinderung von 20 % darstellt. Als Gesamtgrad der Behinderung stellte die Sachverständige 30 % fest.

Die belangte Behörde verwies lediglich auf diese Ausführungen im Sachverständigen-Gutachten. Eine eigene Begründung des Gesamtgrades der Behinderung nimmt die belangte Behörde im bekämpften Bescheid nicht vor. Bereits dieser bloße Verweis auf Beweisergebnisse stellt keine ordnungsgemäße Begründung dar (VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0012).

Gemäß § 3 Abs 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung dieses Gesamtgrades sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander zu berücksichtigen.

Beim Beschwerdeführer liegen laut Sachverständigen-Gutachten sowohl eine hochgradige Fehlsichtigkeit rechts als auch eine Funktionseinschränkung geringen Grades im Kniegelenk im oberen Rahmensatz bei endlagiger Beuge- und Streckhemmung nach einem Schien- und Wadenbeinkopfbruch links vor. Daher liegen beim Beschwerdeführer mehrere Funktionsbeeinträchtigungen gemäß § 3 Abs 1 EinschätzungsV vor.

Die Sachverständige bzw. in weiterer Folge die belangte Behörde nahmen jedoch keine ordnungsgemäße Beurteilung des Gesamtgrades der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen vor. Weder die Sachverständige noch die belangte Behörde setzten sich ordnungsgemäß mit den wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen auseinander. Dies Sachverständige setzte den Gesamtgrad der Behinderung einfach mit 30 % fest und führte dazu lediglich kurz aus, dass die Fehlsichtigkeit nicht durch die Funktionseinschränkung im Kniegelenk nicht erhöht werde, da "keine wechselseitige Leidensbeeinflussung" bestünde.

Die Sachverständige beurteilte die einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Wirkungen zueinander nicht, sodass jede Begründung fehlt. Dabei liegt es auf der Hand, dass eine hochgradige Fehlsichtigkeit, wie sie beim Beschwerdeführer vorliegt, sehr wohl einen Zusammenhang mit einer Funktionsbeeinträchtigung des Kniegelenks hat. Wenn der Beschwerdeführer aufgrund der Folgen des Schien- und Wadenbeinkopfbruchs in seiner Funktion des Kniegelenks beeinträchtigt ist, führt dies zu einer Unsicherheit des Gangs des Beschwerdeführers. Wenn sodann auch noch eine hochgradige Fehlsichtigkeit vorliegt, so ist der Beschwerdeführer zweifach beeinträchtigt, da er die Unsicherheit im Gang aufgrund der Funktionsbeeinträchtigung im Kniegelenk nicht durch besondere Vorsicht ausgleichen kann. Im Gegenteil, seine Fähigkeit mögliche Gefahrenquellen - die durch die nunmehrige Funktionsbeeinträchtigung im Kniegelenk noch deutlich schwerwiegender zu beurteilen sind - zu erkennen, ist durch die hochgradige Fehlsichtigkeit stark eingeschränkt. Dies verkannte die Sachverständige und unterließ jede Begründung ihrer Einschätzung eines Gesamtgrades einer Behinderung mit 30 %.

Nachdem die belangte Behörde lediglich auf die Ausführungen im Sachverständigen-Gutachten verwiesen, liegt dem angefochtenen Bescheid auch nur diese Begründung laut Sachverständigen-Gutachten zugrunde. Daher verkannte auch die belangte Behörde den Zusammenhang zwischen den beiden Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers und unterließ jede Begründung des Gesamtgrades der Behinderung mit 30 %.

Die kurzen Ausführungen im Sachverständigen-Gutachten sowie in weiterer Folge im angefochtenen Bescheid erfüllen jedoch nicht die Voraussetzungen für eine gemäß § 60 AVG ordnungsgemäße Begründung des angefochtenen Bescheids (VwGH, 04.12.2017, Ra 2017/11/0256).

Der angefochtene Bescheid verletzt daher Verfahrensvorschriften, da das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers (§ 45 Abs 3 AVG und Art 6 EMRK) und auch die Begründungspflicht der belangten Behörde (§§ 58, 60 AVG) verletzt wurde.

Der Beschwerdeführer stellt daher den

ANTRAG

das Bundesverwaltungsgericht möge

1. gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen;"

Dieser Beschwerde wurden keine neuen medizinischen Unterlagen beigelegt.

Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 19.02.2018 von der belangten Behörde vorgelegt.

Aufgrund des Inhaltes der eingebrachten Beschwerde holte das Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.10.2018 auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung ein. Nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 17.10.2018 wurde - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

SACHVERHALT:

Gegen den Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 04.01.2018, mit welchem der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wird, wird Beschwerde vorgebracht.

Im Beschwerdevorbringen der BF vom 12.02.2018, rechtsfreundlich vertreten durch Aigner Rechtsanwalts GmbH, Abl. 26-36, wird eingewendet, dass der BF bei Zustand nach Schien- und Wadenbeinkopfbruch links und geringgradiger Funktionseinschränkung im linken Kniegelenk in seinem Gang unsicher sei. Im ersten Rentengutachten der AUVA sei festgestellt worden, dass die Muskulatur abgeschwächt, das linke Knie verdickt sei, der Barfußgang links hinkend, Zehenspitzengang links hinkend, Fersengang links nicht durchführbar, Einbeinstand links unsicher. Laut Bescheid der AUVA vom 26.9.2017 liegt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % vor. Der Bescheid der AUVA mit der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 20 % hätte in die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung des BF Eingang finden müssen.

Die nachgewiesene Unsicherheit im Gang müsse mit besonderer Vorsicht ausgeglichen werden, es sei jedoch wegen der hochgradigen Fehlsichtigkeit nicht möglich. Mögliche

Gefahrenquellen zu erkennen sei stark eingeschränkt und dadurch wirke sich die hochgradige Fehlsichtigkeit rechts sehr wohl besonders nachteilig auf die Funktionseinschränkung im Kniegelenk aus, was verkannt worden sei. Es liege somit ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % vor.

Vorgeschichte:

08.03.2017 Unfall, Fraktur Schienbeinkopf und Fibulaköpfchen links, Osteosynthese Amblyopie rechts seit Kleinkindesalter, hochgradige Fehlsichtigkeit rechts, Visus links 0,8 mit Brille korrigiert, bei Zustand nach Operation eines Grauen Star 11/2016

Zwischenanamnese:

Keine Operation, kein stationärer Aufenthalt.

Ambulante Rehabilitation in XXX, 6 Wochen, 4 x/Woche, neuerliche ambulante Rehabilitation wurde bereits genehmigt.

Befunde:

Abl. 6-8, Bericht Unfallchirurgie XXX vom 8.3.2017 (Fraktur medialer Kondylus der linken Tibia und Fraktur des Fibulaköpfchens links, Verplattung)

Abl. 9-13, Bericht ambulante Rehabilitationszentrum XXX vom 6.9.2017 (Absolvierung der Phase 3 der ambulanten Rehabilitation wird empfohlen)

Abl. 15, zitierter Visusbefund vom 17. 10. 2017 (rechts Hbw, links 0,8cc, Diagnose: Astigmatismus, Amblyopie rechts, Strabismus convergens rechts, Katarakt rechts, Pseudophakie links, leichter Nachstar links)

Nachgereichte bzw. im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung vorgelegte Befunde:

Keine.

Sozialanamnese: Verheiratet, 2 erwachsene Kinder, lebt in Einfamilienhaus. Berufsanamnese: Versicherungsagentur, selbstständig

Medikamente: Novalgin bei Bedarf

Allergien: 0

Nikotin: 0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. G., XXX, regelmäßig Facharzt für Orthopädie, physikalische Therapie

Derzeitige Beschwerden:

"Beschwerden habe ich vor allem linken Kniegelenk, ausstrahlend in den Unterschenkel innenseitig, habe vor allem bei Temperaturwechsel starke Beschwerden, immer wieder Überwärmung. Vor allem bei Unebenheiten habe ich ein Problem, kann daher kaum in unebenem Gelände gehen. Gefühlsstörungen habe ich seit der Operation im Bereich der Zehen, 1. bis 3. Zehe immer bamstig, teilweise 4.-5. Zehe, Gefühlsstörungen im Bereich des Unterschenkels innenseitig. Rechts bin ich blind seit Kindheit, links wurde eine Operation des Grauen Star 11/2016 vorgenommen, trage eine Brille mit - 2,5 Dioptrien, zum Lesen benötige ich keine Brille, zweimal im Jahr bin ich in augenfachärztlicher Untersuchung. Bin mit dem Zug hergekommen, bin von Wien Mitte bis in die Ordination zu Fuß gegangen, eine Pause war notwendig.

2005 wurde Morbus Hodgkin festgestellt und behandelt, jetzt sind keine Kontrollen mehr erforderlich, diesbezüglich keine Beschwerden."

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut, BMI 31,6.

Größe 176 cm, Gewicht 98 kg, RR 195/100, 69 a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hörvermögen, rechts Strabismus convergens, rechts kein Sehvermögen, mit Brille ausgeglichenes Sehvermögen links.

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse:

Oberschenkel beidseits 53 cm, Unterschenkel beidseits 37 cm.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Bereich des linken Unterschenkels und der 1.-3. Zehe links als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk links: Narbe prätibial paramedian 8 cm, geringgradige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, stabil, endlagige Beugeschmerzen.

Kniegelenk rechts: unauffällig

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie rechts 0/0/130, links 0/0/125, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Ggr. Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 25 cm, Rotation und Seitneigen endlagig eingeschränkt

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild mit Schuhen nahezu unauffällig, Barfußgang im Untersuchungszimmer ohne Anhalten geringgradig links hinkend,

Schrittlänge nicht wesentlich verkürzt.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig, teilweise mit Hilfe, im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung

1) Hochgradige Fehlsichtigkeit rechts 11.02.02 30%

Fixer Richtsatzwert.

2) Zustand nach Schien- und Wadenbeinkopfbruch

links mit geringgradigen Funktionseinschränkungen im Kniegelenk 02.05.18 20%

Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden bei geringgradiger Einschränkung der Beweglichkeit.

ad 2) Einschätzung und Begründung des Gesamt- GdB, bedingt die Fehlsichtigkeit unter Berücksichtigung des Leidenszustandes an den unteren Extremitäten eine Einschränkung der Mobilität?

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 %.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da keine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Die Fehlsichtigkeit rechts bei gutem Sehvermögen links bewirkt unter Berücksichtigung der geringgradigen Funktionseinschränkungen des linken Kniegelenks keine Einschränkung der Mobilität.

ad 3) Stellungnahme zu den Einwendungen des BF Abl. 26-36, insbesondere zur beanspruchten Gangunsicherheit Abl. 31

Vorgebracht wird, dass der BF in seinem Gang unsicher sei.

Dem wird entgegengehalten, dass im Rahmen der klinischen Begutachtung keine Gangunsicherheit objektiviert werden konnte, vielmehr konnte ein nahezu unauffälliges Gehen festgestellt werden.

Es sei festgestellt worden, dass die Muskulatur abgeschwächt sei.

Es konnte jedoch eine seitengleiche Bemuskelung festgestellt werden.

Die nachgewiesene Unsicherheit im Gang müsse mit besonderer Vorsicht ausgeglichen werden, es sei jedoch wegen der hochgradigen Fehlsichtigkeit nicht möglich. Mögliche Gefahrenquellen zu erkennen sei stark eingeschränkt und dadurch wirke sich die hochgradige Fehlsichtigkeit rechts sehr wohl besonders nachteilig auf die Funktionseinschränkung im Kniegelenk aus, was verkannt worden sei.

Festzuhalten ist, dass aufgrund der seit Kleinkindesalter bestehenden hochgradigen Fehlsichtigkeit rechts eine Gewöhnung eingetreten ist und in Abl. 15 links ein Visus von 0,8 dokumentiert ist - mit Brille korrigiert. Entsprechend der EVO wird links kein Grad der Behinderung erreicht, sodass bei gutem Sehvermögen links eine starke Einschränkung des Erkennens von Gefahrenquellen nicht gegeben ist.

Im Bereich des linken Kniegelenks konnte eine geringgradige funktionelle Einschränkung mit endlagiger Beugehemmung bei stabilem Gelenk festgestellt werden, kein Hinweis für Ruptur des vorderen Kreuzbands bzw. Einschränkung der propriozeptiven Fähigkeiten, sodass eine maßgebliche Einschränkung der Gehleistung, insbesondere auf Unebenheiten, nicht objektivierbar ist. Ausreichende Stabilität und Beweglichkeit konnte festgestellt werden, insbesondere wird auf das nahezu unauffällige Gangbild verwiesen. Eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen geringgradiger funktioneller Einschränkung im linken Kniegelenk und hochgradiger Fehlsichtigkeit rechts bei gutem Sehvermögen links liegt nicht vor.

ad 4) Begründung einer anfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten Abl. 14-18 abweichenden Beurteilung

Keine abweichende Beurteilung.

ad 5) Stellungnahme, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist

Dauerzustand. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

ad 6) Wurden im Rahmen der nunmehrigen Begutachtungsbefunde vorgelegt, welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen?

Nein."

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2018 wurden die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Den Parteien des Verfahrens wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht abzugeben.

Die belangte Behörde erstattete innerhalb der ihr dafür gewährten Frist keine Stellungnahme.

Mit Schriftsatz vom 26.11.2018, eingelangt am 27.11.2018, erstattete der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme, in der in inhaltlicher Hinsicht Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt wird:

"...

Der Beschwerdeführer gibt zum Ergebnis der Beweisaufnahme, und zwar Sachverständigengutachten von Mag. DDr. G. vom 20.10.2018, der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers samt Verständigung und Fristsetzung von 14 Tagen per Web-ERV zugestellt am 13.11.2018, fristgerecht nachstehende

STELLUNGNAHME

ab und führt diese aus wie folgt:

Der Beschwerdeführer erlitt unter anderem am 08.03.2017 eine Fraktur des Schienbeinkopfes und des Fibulaköpfchens links (Gutachten Seite 2 oben).

Im Zuge der Untersuchung des Beschwerdeführers beschrieb dieser unter anderem nachstehende Beschwerden: Gefühlsstörungen in den linken Zehen seit der Operation, wobei die erste bis dritte Zehe immer und die vierte und fünfte Zehe teilweise "bamstig" sind. Weiters hat der Beschwerdeführer Gefühlsstörungen im linken Unterschenkel innenseitig. Daneben hat der Beschwerdeführer Probleme bei Unebenheiten und kann daher in unebenem Gelände kaum gehen (Gutachten Seite 3 oben).

Die Sachverständige stellte im Zuge der Untersuchung des Beschwerdeführers fest, dass

• der Zehenballengang und Fersengang beidseits nur mit Anhalten möglich ist;

• der Einbeinstand nur mit Anhalten möglich ist;

• das Kniegelenk links einen größeren Umfang hat als das rechte Kniegelenk;

• der Barfußgang links hinkend ist.

Daher stellte die Sachverständige selbst zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Frakturen nach dem Unfall am 08.03.2017 deutlich in der Nutzung seines linken Beins eingeschränkt ist.

Dennoch führte die Sachverständige unter Punkt 3 ihres Gutachtens aus, dass im Rahmen der klinischen Begutachtung keine Gangunsicherheit objektiviert werden hätte können und vielmehr ein nahezu unauffälliges Gehen festgestellt worden sei (Gutachten Seite 5).

Worauf die Sachverständige diese Einschätzung stützt, bleibt offen.

Womöglich gründet diese Einschätzung der Sachverständigen auf das Gangbild des Beschwerdeführers im Untersuchungszimmer. Doch in diesem Fall ist zu entgegnen, dass der Boden im Untersuchungszimmer der Sachverständigen wohl keine Unebenheiten aufweisen wird, deren Ausgleich dem Beschwerdeführer schwerfällt, wie er der Sachverständigen auch mitgeteilt hat (Gutachten Seite 3 oben).

Doch vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass die Sachverständige selbst ausführt, dass das Gangbild des Beschwerdeführers nur nahezu unauffällig ist. Die Verwendung des Wortes "nahezu" bedeutet jedoch zugleich, dass das Gangbild nicht gänzlich unauffällig ist. Es bestehen daher zweifelsfrei Einschränkungen!

Wenn jedoch das Gangbild im Untersuchungszimmer der Sachverständigen - ohne Unebenheiten - nicht völlig unauffällig ist, kann das Gangbild auf unebenem Boden nicht weniger unauffällig sein. Im Gegenteil, auf unebenem Boden fällt es dem Beschwerdeführer - wie dieser der Sachverständigen bekanntgab - schwer diese Unebenheiten auszugleichen. Diese Einschränkungen lies die Sachverständige jedoch gänzlich unberücksichtigt!

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde bereits in der Beschwerde beantragt und bleibt dieser Antrag - neben den weiteren Anträgen - vollinhaltlich aufrecht."

Dieser Stellungnahme wurden keine neuen medizinischen Unterlagen beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 15.09.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:

1. Hochgradige Fehlsichtigkeit rechts

2. Zustand nach Schien- und Wadenbeinkopfbruch links mit geringgradigen Funktionseinschränkungen im Kniegelenk

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß und der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.10.2018, die das bereits von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.11.2017 bestätigen, der Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer aktuell vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Grad der Behinderung von 30 v.H. vorliegt, gründet sich auf das oben wiedergegebene, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und auf den vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde und im Rahmen der Untersuchung am 17.10.2018 vorgelegten medizinischen Unterlagen basierende medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.10.2018, das das bereits von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.11.2017 bestätigt.

In beiden medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und nachvollziehbar eingegangen. Die diesbezüglich getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage der Einschätzungsverordnung, basierend auf den im Rahmen von persönlichen Untersuchungen erhobenen Befunde und unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von den medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden ausreichend konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 14.11.2017 und 20.10.2018 schlüsseln konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass im vorliegenden Fall eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet sei, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vorliege, da sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf die andere besonders nachteilig auswirke bzw. würden zwei Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden. Beim Beschwerdeführer wurde als führendes Leiden 1 "Hochgradige Fehlsichtigkeit rechts", eingestuft nach der Positionsnummer 11.02.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung (Erblindung oder Verlust eines Auges bei komplikationsloser Prothetischer Versorgung; 30 v.H.), festgestellt. Dabei handelt es sich um einen fixen Rahmensatz. Als Leiden 2 liegt ein "Zustand nach Schien- und Wadenbeinkopfbruch links mit geringgradigen Funktionseinschränkungen im Kniegelenk", eingestuft nach der Positionsnummer 02.05.18 der Anlage der Einschätzungsverordnung (Funktionseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades einseitig, Streckung/Beugung bis 0-0-90°; 20 v.H.), vor.

Im vorliegenden Fall wurde der obere Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.18 der Anlage der Einschätzungsverordnung bezüglich der vorliegenden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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