TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/6 G303 2186546-1

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Veröffentlicht am 06.03.2019
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Entscheidungsdatum

06.03.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2186546-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landestelle Kärnten mit

Schreiben vom 20.12.2017 ausgestellten Behindertenpass, OB: XXXX, wegen dem ausgewiesenen Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) von

Hundert, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 17.11.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" ein. Dem Antrag waren ein Konvolut an medizinischen Unterlagen und eine Kopie der Meldebestätigung des BF angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 18.12.2017 wird, nach persönlicher Untersuchung des BF am 14.12.2017, von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Malignome, Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung je nach Funktionsstörung Unterer Rahmensatz bei Zustand nach radikaler Prostatektomie mit Lymphadenektomie, sowie Revision bei Nachblutung 10.2017 bei Vorliegen eines Adenokarzinoms der Prostata, mitberücksichtigt ist die leichte Lymphabflussstörung in der Leistenregion mit angegebener Besserung Laufende Heilungsbewährung

13.01.03

50

2

Endokrine Störung, Endokrine Störungen leichten Grades Schilddrüsenentfernung 2014, Schilddrüsenunterfunktion mit Hormontherapie, gut einstellbar Unterer Rahmensatz

09.01.01

10

3

Männliche Geschlechtsorgane, Männliche Geschlechtsorgane - Fehlbildung, Funktionseinschränkung, Verlust eines Hodens, Zustand nach Ablatio testis links 09/1986 Vorgegebener Rahmensatzwert

08.02.03

10

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

50 v.H.

Führend sei die Gesundheitsschädigung (GS) 1; die weiteren GS würden den Gesamtgrad der Behinderung nicht steigern, da eine wechselseitige Beeinflussung fehlen würde und es sich um geringfügige Funktionsstörungen handelt.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20.12.2017 wurde an den BF der beantragte Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt.

4. In der fristgerecht, mit E-Mail vom 16.01.2018, eingebrachten Beschwerde moniert der BF, dass die im Sachverständigengutachten festgestellten ziehenden Schmerzen im Bereich beider Leisten - Lymphstauungen - in den letzten Wochen intensiver geworden seien. Der BF sei diesbezüglich bei einer Physiotherapeutin in Behandlung. Des Weiteren sei er im Klinikum Klagenfurt für eine Lymphdrainage-Therapie auf einer Warteliste und bekomme vom Hausarzt zusätzlich eine Zuweisung für die Lymphklinik in Wolfsberg. Längeres Sitzen und Autofahren verursache beim BF momentan größere Anschwellungen im Leistenbereich durch den vorhandenen Lymphstau. Die schmerzhaften beidseitigen Lymphstauungen rechtfertigen aus Sicht des BF einen höheren Grad der Behinderung.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt, wo sie am 20.02.2018 einlangten.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

6.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, vom 23.05.2018 (gemeint wohl 26.05.2018), wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 26.05.2018, im zusammengefassten Ergebnis folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Zustand nach radikaler Prostatektomie mit Lymphadenektomie und Revision bei Nachblutung bei Vorliegen eines Adenokarzinomes der Prostata (10/2017), mitberücksichtigt ist die Lymphabflussstörung in der Leistenregion, laufende Heilungsbewährung Unterer Rahmenwert des vorgegebenen Rahmensatzes, derzeit besteht keine weitere Behandlungsnotwendigkeit, es liegt auch keine Inkontinenz vor.

13.01.03

50

2

Zustand nach Schilddrüsenentfernung (2014) mit laufender Hormontherapie Diese ist gut eingestellt somit unterer Rahmenwert des analogen Rahmensatzes

09.01.01

10

3

Zustand nach Verlust des Hodens links (Operation (1986) Vorgegebener Rahmensatz und Rahmenwert nach abgelaufener Heilungsbewährung

08.02.03

10

4

Geringe Lymphschwellung über dem rechten Sprunggelenk Mittlerer Rahmenwert, Unterer Rahmensatz, keine Einschränkung der Gelenksbeweglichkeit des Sprunggelenkes

05.08.01

20

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

50 v.H.

Führend sei die GS 1, weil sie die Schwerwiegendste sei. Die anderen Gesundheitsschädigungen würden einerseits nicht in einer schwerwiegenden, direkten, ungünstigen Wechselwirkung zu der führenden Gesundheitsschädigung stehen und seien anderseits nur gering ausgeprägt, weshalb sie nicht steigern.

Im Vergleich zum Vorgutachten sei die Gesundheitsschädigung 4 zusätzlich gelistet worden. Da jedoch keine wesentliche Gelenksbeeinträchtigung vorhanden sei, sei die Einschätzung zu gering um zu einer Steigerung des Gesamtgrades der Behinderung zu führen. Abgesehen davon entspreche die Einschätzung aus dem Vorgutachten den Leiden des BF und sei konform mit der Einschätzungsverordnung. Die Gesundheitsschädigungen 1 bis 3 und der Gesamtgrad der Behinderung würden unverändert bleiben.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 26.06.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

7.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Inhaber eines bis zum 01.10.2022 befristeten Behindertenpasses.

Der BF hat einen Wohnsitz im Inland.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

-

Zustand nach radikaler Prostatektomie mit Lymphadenektomie und Revision aufgrund einer Nachblutung bei Vorliegen eines Adenokarzinomes der Prostata mit Lymphabflussstörung in der Leistenregion (Grad der Behinderung 50 %)

-

Zustand nach Schilddrüsenentfernung mit laufender, gut eingestellter Hormontherapie (Grad der Behinderung 10 %)

-

Zustand nach Verlust des Hodens links (Grad der Behinderung 10 %)

Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes des BF steht der Zustand nach der radikalen Prostatektomie mit einer Lymphabflussstörung in der Leistenregion. Zwischen dieser Gesundheitsschädigung und den weiters festgestellten Gesundheitsschädigungen, welche gering ausgeprägt sind, besteht keine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung.

Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.).

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellung zum Besitz eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der Beschwerde sowie aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zum Wohnsitz ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben des BF im verfahrenseinleitenden Antrag.

Der Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert wurde aufgrund des vom erkennenden Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 26.05.2018 objektiviert. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen, deren Ausmaß und Wechselwirkungen zu einander ergeben sich daraus. Die Einschätzungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen bezüglich der Höhe des Grades der Behinderung erfolgten entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt und nachvollziehbar.

Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde die geringe Lymphschwellung über dem rechten Sprunggelenk als neue Gesundheitsschädigung (GS 4) aufgenommen und eingeschätzt. Auf Grund der gesetzlich normierten Neuerungsbeschränkung konnte dieses gänzlich neu vorgebrachte Leiden im gegenständlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden. Zusätzlich wird dazu auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung unter Punkt II.3. verwiesen.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, 1353/78).

Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).

Der Inhalt des Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF noch von der belangten Behörde erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.

Der Umstand, dass das Gutachten mit 23.05.2018 datiert ist, obwohl der BF erst am 26.05.2018 seitens der Sachverständigen persönlich begutachtet wurde, führt nicht zu dessen Unschlüssigkeit, da es sich eindeutig um einen Tippfehler handelt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen - mit Ausnahme des angeführten Tippfehlers - keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 26.05.2018. Dieses wird daher der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 in der geltenden Fassung, angehören.

Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

In der vorliegenden Rechtssache wurde gemäß § 41 Abs. 1 BBG unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen der Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Danach wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert objektiviert und festgestellt, da auch die Gesamteinschätzung unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen ist (vgl. VwGH 18.10.2000, Zl. 99/09/0097).

Die von der ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich der Position, als auch hinsichtlich des Prozentsatzes. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.

Die seitens des BF im Rahmen der Beschwerde vorbrachten Lymphstauungen im Bereich der Leiste wurden bereits im Vorgutachten von Dr. XXXX, das seitens der belangten Behörde eingeholt wurde, berücksichtigt. Auch bei der neuerlichen Begutachtung von Dr. XXXX wurde dieses Leiden im Rahmen der Gesundheitsschädigung 1 eingeschätzt; es konnten jedoch diesbezüglich keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden, die eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung rechtfertigen.

Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. Nach dem im Beschwerdefall anwendbaren § 46 dritter Satz BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Die im Rahmen der medizinischen Begutachtung im Mai 2018 berücksichtigte geringe Lymphschwellung über dem rechten Sprunggelenk ist von der gesetzlich normierten Neuerungsbeschränkung erfasst, da es sich um ein gänzlich neu vorgebrachtes Leiden nach Beschwerdeeinbringung handelt.

Der Vollständigkeit halber wird dazu angemerkt, dass dieses Leiden auch bei einer Berücksichtigung zu keiner Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung geführt hätte.

Da auch im Beschwerdeverfahren - ebenso wie von Seiten der belangten Behörde - ein Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 50 von Hundert festgestellt wurde, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass nach der vorliegenden Aktenlage über den Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass seitens der belangten Behörde noch nicht entschieden wurde und daher dieser nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2186546.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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