Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des H in Rax, vertreten durch Mag. Helmut Kröpfl, Rechtsanwalt in Jennersdorf, Hauptstraße 2, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 31. Jänner 1997, Zl. 143/6-DOK/96, betreffend Suspendierung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er versah bis zu seiner Suspendierung als Grundbuchsrechtspfleger beim Bezirksgericht J Dienst.
Mit Bescheid vom 21. November 1996 hat die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz wie folgt beschlossen:
"1. Auf Grund der Disziplinaranzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 13.11.1996 wird gegen AR H gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren durchgeführt.
AR H ist verdächtig, seine Stellung als Rechtspfleger beim BG J wissentlich mißbraucht zu haben, in dem er dem Vermessungsamt Güssing einen Anmeldungsbogen, an dessen Erledigung er ein persönliches Interesse hatte, herausgelockt und diesen beim BG J eingebracht hat, obwohl er wußte, daß die erforderliche Genehmigung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung nicht erteilt wurde; in diesem Wissen habe er überdies seinen Vertreter zur aufrechten Bewilligung des Grundbuchsstückes gedrängt.
Er steht im Verdacht, hiedurch gegen seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 1 BDG 1979, wonach der Beamte seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung gewissenhaft zu besorgen hat, und nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, wonach der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinn des § 91 BDG 1979 begangen zu haben.
2. AR H wird gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer "wegen § 112 Abs. 3 BDG 1979" Berufung. Er stellte darin den Berufungsantrag,
"1.) die Suspendierung aufzuheben. In eventu 2.) den bekämpften Bescheid wegen Vorliegens eines Verfahrensmangels, insbesondere wegen mangelnder Erhebung des Sachverhaltes, zu beheben und zurückzuverweisen."
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Jänner 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge gegeben.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde - nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage - im wesentlichen aus, im gegebenen Fall bestehe auf Grund der im erstinstanzlichen Bescheid geschilderten Vorgangsweise des Beschwerdeführers der konkrete Verdacht strafbarer Handlungen "nach den §§ 228, 302, 311 StGB"; diesbezüglich sei beim Landesgericht Eisenstadt gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren anhängig. Die Suspendierung sei "somit nicht auf Grund vager Vermutungen, sondern wegen des Vorliegens greifbarer Anhaltspunkte für eine Dienstpflichtverletzung" verfügt worden. Entgegen dem Berufungsvorbringen, die Vorgangsweise in einzelne Schritte zu zerlegen und diese als nicht rechtswidrig darzustellen, komme es auf das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers an. Dieses Gesamtverhalten sei "jedoch durchaus geeignet, den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung aufkommen zu lassen". Der Beschwerdeführer habe eine vieljährige Berufserfahrung als Grundbuchsrechtspfleger. Er habe wissen müssen, daß er im gegebenen Fall eine Bewilligung des Grundbuchsgerichtes nur dann hätte erwirken dürfen, wenn er die Genehmigung der burgenländischen Landesregierung dem Gericht hätte vorlegen können. Sein Vorbringen, er habe auf Grund seiner "Intervention" beim Amt der Burgenländischen Landesregierung geglaubt, diese würde in seinem Sinn entscheiden, sei so laienhaft, daß ihm kein Glauben geschenkt werden könne. Als pflichtbewußter Beamter hätte der Beschwerdeführer seinen Vertreter auf das Fehlen der Genehmigung der Burgenländischen Landesregierung aufmerksam machen müssen. Durch die "Unterlassung" bestehe "sehr wohl der Verdacht, der Berufungswerber habe seinen Kollegen legen wollen". Ob im vorliegenden Fall dem Staat ein Schaden entstanden sei, sei für die Frage der Suspendierung nicht maßgeblich. Der Beschwerdeführer habe auch wissen müssen, daß sich Vorgänge, "wie sie sich hier ereignet haben, bei den verschiedenen, in der Sache befaßten Behörden, aber ebenso etwa bei Anwälten und Notaren, nicht verheimlichen lassen". Die Belassung des Beschwerdeführers im Dienst wäre "auch dem Ansehen seines Amtes im höchsten Maße abträglich, weil sie das Vertrauen der Öffentlichkeit in ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Justiz und in das gesetzmäßige Verhalten der in der Rechtspflege tätigen Organe schwer erschüttern würde, zumal die Kenntnis der Vorgänge über den engeren Bereich des Bezirksgerichtes J hinausgedrungen ist".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht suspendiert zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Beschwerdeführer hat mit Urkundenvorlage vom 15. September 1997 ein ihm zugegangenes Schreiben der Staatsanwaltschaft Eisenstadt vom 15. September 1997 vorgelegt, in dem mitgeteilt wird, daß das Strafverfahren hinsichtlich der gegen den Beschwerdeführer vom Amt der Burgenländischen Landesregierung erstattete Strafanzeige am 2. September 1997 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Eisenstadt gemäß § 90 Abs. 1 StPO eingestellt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 die vorläufige Suspendierung zu verfügen.
Jede vorläufige Suspendierung ist nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.
Auf das Disziplinarverfahren nach dem BDG 1979 ist - abgesehen von für den vorliegenden Beschwerdefall nicht relevanten Ausnahmen - zufolge § 105 Z. 1 leg. cit. das AVG anzuwenden.
Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. In der Begründung sind zufolge § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde unter anderem geltend, daß der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Bejahung der Tatbestandsvoraussetzung, die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung erfordere seine Suspendierung, den Begründungserfordernissen nicht gerecht werde. Die Verwirklichung dieser Tatbestandsmerkmale sei nicht gesetzeskonform begründet worden. Die belangte Behörde sei ihrer Pflicht, das Vorliegen bzw. den zwischenzeitigen Wegfall von Suspendierungsgründen zu prüfen, nicht ausreichend nachgekommen.
Die Verfügung der Suspendierung setzt zufolge § 112 Abs. 1 BDG 1979 unter anderem den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Supendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, etwa bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas.
Nicht nur der Beamte, in dessen gesetzlich geschützte Rechte durch die Suspendierung eingegriffen wird, hat Anspruch darauf, die vorliegenden Gründe für seine Suspendierung zu erfahren, sondern die sichernde Maßnahme der Suspendierung darf auch aus dem Gesichtspunkt der Belastung des Dienstgebers mit den Rechtswirkungen des Ruhens der Verpflichtung des suspendierten Beamten zur Dienstleistung bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Zahlung gekürzter Bezüge an den suspendierten Beamten bzw. dem Risiko des Dienstgebers der späteren Nachzahlung der Bezüge im Sinn des § 13 Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 im Falle nicht ausreichend schwerer Dienstpflichtverletzungen nur bei Vorliegen eines im § 112 Abs. 1 BDG 1979 normierten Suspendierungsgrundes verfügt werden.
Im Rahmen der demnach erforderlichen Interessenabwägung und Wertung (bzw. Würdigung) der im Verdachtsbereich vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung hat die belangte Behörde ausreichend dargelegt, daß im vorliegenden Fall die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen die Maßnahme der Suspendierung erforderten. Die dem Beschwerdeführer im Verdachtsbereich zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen umfaßten nämlich sowohl das Herauslocken eines noch nicht mit dem erforderlichen Genehmigungsvermerk des Amtes der Burgenländischen Landesregierung versehenen Teilungsplanes in eigener Sache, als auch dessen Einbringung beim Bezirksgericht J in Kenntnis seiner Unvollständigkeit, in Verbindung mit einer Einflußnahme auf den Urlaubsvertreter, das betreffende Grundbuchsgesuch (positiv) zu erledigen. Eine derartige Vorgangsweise eines Grundbuchsbeamten war - ungeachtet der Frage, ob und inwieweit sie nun tatsächlich in die Öffentichkeit gedrungen ist - offenkundig geeignet, das Ansehen des Amtes und darüber hinaus auch der Justiz insgesamt zu gefährden. Sie war überdies auch dazu geeignet, wesentliche Interessen des Dienstes zu gefährden, weil es den dienstlichen Interessen, inbesondere auch an einem reibungslosen Betriebsklima, offensichtlich entgegenläuft, wenn ein Grundbuchsbeamter seinen ihn im Urlaub vertretenden Kollegen unter Verschweigung eines wesentlichen Umstandes dazu zu verlassen sucht, ein unvollständiges Grundbuchsgesuch (noch dazu in eigener Sache) positiv zu erledigen. Bei dieser - im angefochtenen Bescheid festgestellten und in der Beschwerde im wesentlichen nicht bestrittenen - Sachlage kam es nicht mehr auf den in der Beschwerde hervorgehobenen Umstand an, ob und ab welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer Kenntnis davon haben konnte, daß die Genehmigung des Teilungsplanes seitens des Amtes der Burgenländischen Landesregierung nicht erteilt worden war. Auch wenn diese Genehmigung nachträglich erteilt worden wäre, wäre der Verdacht von Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers gerechtfertigt und eine darauf gestützte Suspendierung nach dem Gesagten gesetzeskonform gewesen. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers stellt sich geradezu als bewußtes und vorsätzliches Inkaufnehmen einer Gefährdung dienstlicher Interessen dar, wenn er in seiner Beschwerde ausführt, sein Urlaubsvertreter hätte ohnehin wissen müssen, daß zur grundbuchsgerichtlichen Bewilligung eine Genehmigung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung notwendig sei, nachdem der Beschwerdeführer selbst in Kenntnis dieses Umstandes ein unvollständiges Grundbuchsgesuch eingereicht hatte. Hier ist dem Beschwerdeführer erneut die Gefährdung wesentlicher Interessen des Dienstes vorzuhalten, hat doch die Vorgangsweise, deren er verdächtigt wird, nach der Aktenlage sogar zu disziplinären Schritten gegen seinen im angefochtenen Bescheid als "gelegt" bezeichneten Vertreter geführt.
Dem angefochtenen Bescheid ist daher ausreichend zu entnehmen, worin die belangte Behörde jene Umstände erblickt hat, welche nach § 112 BDG 1979 die Suspendierung des Beschwerdeführers veranlaßt haben. Da diese Umstände auch in rechtlicher Hinsicht geeignet waren, die Suspendierung zu rechtfertigen, war die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997090093.X00Im RIS seit
01.02.2002Zuletzt aktualisiert am
03.03.2011