Entscheidungsdatum
20.03.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W217 2174777-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER L.L.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt, Laudongasse 20/2, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 14.09.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.03.2019 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge: BF) ist seit 15.12.2016 Inhaber eines Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 50% festgesetzt. Als Funktionseinschränkung wurde Gliedermuskeldystrophie festgestellt.
2. Am 21.06.2017 beantragte der BF die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Im von der belangten Behörde hierzu eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.09.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, wurde von Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"(...)
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Ambulanzbefund KA XXXX 21 06 2017: Pat. Ist mittlerweile überwiegend auf Hilfsmittel (Stock ein oder beidseits) angewiesen. Stiegensteigen nur noch mit großer Mühe unter Zuhilfenahme des Handlaufes möglich, Geringe Steigungen bereiten Probleme. Gehstrecke ohne Hilfsmittel deutlich eingeschränkt und verlangsamt. Aufstehen aus dem Sitzen nur unter Zuhilfenahme der Hände möglich. Tanzen (langjähriges Hobby) musste fast völlig eingestellt werden. Braucht deutlich langer für den Arbeitsweg
Genetisch gesicherte autosomal- dominante GliedergürteImuskeldystrophie Typ 1E LGMD 1E....Klinisch langsam progrediente Gangstörung mit Schwäche der proximalen OSCh Muskulatur. Im Vergleich zur Erstuntersuchung 4/2016 eindeutige Zunahme der Paresen.,(damals Hüftbeugen KG 4 bds.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: 56 jähriger in gutem AZ
Ernährungszustand: gut
Größe: 193,00 cm Gewicht: 95,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Stuhl: unauffällig
Miktion: unauffällig
Händigkeit: rechts
Neurologisch:
Hirnnerven:
Geruch: anamnestisch unauffällig
Gesichtsfeld: fingerperimetrisch keine Einschränkung
Visus: Brille
Pupillen mittelweit, rund isocor
Optomotorik frei, auf Konvergenz reagierend
keine Doppelbilder, Nystagmus: keiner
Facialis: seitengleich innerviert, kein mimisches Defizit
Sensibilität: unauffällig
Hörvermögen anamnestisch unauffällig,
Zunge: wird gerade herausgestreckt, stgl. gut beweglich
Uvula mittelständig, Gaumensegel hebt symmetrisch
Kopfdrehung und Schulterhebung: unauffällig
OE:
Rechtshänder
Kraft: seitengleich unauffällig
Trophik: unauffällig
Tonus: unauffällig
Motilität: Nacken und Schürzengriff: nicht eingeschränkt
Seitabduktion bds. bis zur Senkrechten
Faustschluss und Fingerspreizen gut durchführbar
Pinzettengriff: bds. möglich
Feinmotorik: ungestört
MER (BSR, RPR, TSR): seitengleich schwach
Pyramidenbahnzeichen: negativ
Eudiadochokinese
AVV: beidseits gehalten ohne Absinken, ohne Pronation
FNV: zielsicher bds.
Sensibilität: seitengleich unauffällig
UE:
Kraft: proximal Hüftbeugung KG 2-3, Kniestreckung KG 3-4,
Keinbeugung KG 4-, distal KG5 Trophik: Muskelhypotrophie proximal
Tonus: unauffällig
Motilität: nicht eingeschränkt
PSR: sehr schwach
ASR: nicht auslösbar
Pyramidenbahnzeichen: negativ
Laseque: negativ
Beinvorhalteversuch: die Beine werden alternierend nur einige Zentimeter angehoben und kurz gehalten
Knie- Hacke- Versuch: rechts kann das im Knie gebeugte Bein dem gegenseitigen Knie angenähert werden, links praktisch nicht.
Sensibilität: seitengleich unauffällig
Stand und Gang: etwas breitbeinig mit Rumpfausgleich, unsicher, Heben der Beine aus der Hüfte
Romberg: unauffällig
Unterberger Tretversuch: Beine werden nur sehr wenig angehoben
Zehen- und Fersenstand: bds. sehr kurz möglich
Einbeinstand: nicht möglich
Aufstehen mit Abstützen der Hände, Kniebeuge nur ansatzweise mit Anhalten möglich
Sprache und Sprechen: unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
AW kommt alleine mit einem Gehstock relativ flüssig gehend zur Untersuchung, kommt mit dem PKW
Status Psychicus:
bewußtseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv-mnestisches Defizit,
Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen, stabil, gut affizierbar;
Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Muskelerkrankung genetisch gesichert- Gliedergürtelmuskeldystrophie
Stellungnahme zu
gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keine eindeutige Verschlechterung der neurologischen Untersuchung im Vergleich zum VGA. Subjektiv hat die Gangunsicherheit zugenommen, 1 Gehstock wird verwendet
X Dauerzustand
Gutachterliche Stellungnahme:
Es liegt eine merkliche Schwäche vor allem der stammnahmen Beinmuskulatur vor mit daraus resultierender mäßiger Gangunsicherheit. Eine ausreichend weite Gehstrecke ist aber unter Verwendung eines Gehstockes bewältigbar. Das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport sind bei ungestörter Anhaltefunktion der Arme nicht wesentlich erschwert."
4. Mit Bescheid vom 14.09.2017 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, welches ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
5. In seiner Beschwerde vom 24.10.2017 brachte der BF vor, dass im ärztlichen Gutachten der Schmerzzustand in der LWS und in den Beinen beim längeren Gehen nicht berücksichtigt worden sei. Es liege entgegen dem Gutachten, wonach keine eindeutige Verschlechterung der neurologischen Untersuchung festgestellt worden sei, eine eindeutige Zunahme der Paresen vor. Bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel seien zwischen Wohnung und Arbeitsplatz täglich ca. 980 m zurückzulegen, somit ein deutlich höherer Wert als die angegebene kurze Wegstrecke von 300-400 m. Es würden beim BF erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen. Es sei auch in Zukunft eine permanent zunehmende Gangstörung zu erwarten, eine medikamentöse Therapie existiere derzeit nicht. Unter Einem legte der BF neue Beweismittel vor.
6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 27.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. In der Folge ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das Sozialministeriumservice, ärztlicher Dienst, um Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF.
8. Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, führt in seinem nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 17.04.2018 Folgendes aus:
"Anamnese: Keine Begleitung. Seit 2016 wurde genetisch eine Gliedergürtelmuskeldystrophie diagnostiziert
Nervenärztliche Betreuung: KAR, jährlich
Subjektive derzeitige Beschwerden: Es werden Kraftlosigkeit beim Gehen/Stiegensteigen, Rückenschmerzen, immer Gefühl von Muskelkater
Sozialanamnese: Lebt verheiratet, Bankangestellter, kein Pflegegeld
Medikamente (neurologisch/psychiatrisch): keine
Neurostatus:
Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt,
an den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen.
Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen li>re schlaffe Paresen KG 3-4, Muskelatrophien an der Ober und Unterschenkelmuskulatur
Fersen/Zehenspitzenstand nicht möglich Einbeinstand bds. angedeutet möglich
die Muskeleigenreflexe sind seitengleich nicht auslösbar.
Die Koordination ist mäßig ataktisch gestört
die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ.
Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben
Das Gangbild ist mit 1 Stock breitbasig mit Steppergang bds. am Gang relativ flüssig.
Keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten, da eine Verschlechterung der Funktionsauswahl klinisch nicht objektiviert werden kann.
Begründung
Abl. 26: Keine Änderung der Beurteilung, da die durch die genetisch gesicherte Diagnose nur die UE betroffen sind, Einbeinstand bds kurz möglich, die Fortbewegung ist mit Stock selbständig möglich.
Abl. 6: Keine Änderung der Beurteilung, da die durch die genetisch gesicherte Diagnose nur die UE betroffen sind, Einbeinstand bds kurz möglich, die Fortbewegung ist mit Stock selbständig möglich.
Abl. 18-25: Keine Änderung der Einschätzung, da nur die UE betroffen sind, Einbeinstand bds kurz möglich und der BF mit 1 Stock selbständig mobil ist.
Dauerzustand
Gesamt GdB ab 11/16."
9. Mit Schreiben vom 23.04.2018 wurden der BF und die belangte Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Der BF brachte hierzu vor, dass seine vorgelegten Beweise nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Auch sei ein Befund aus dem Jahre 2016 des Diagnosezentrum XXXX noch nicht anerkannt worden, worin eine ausgeprägte Muskelatrophie beidseits diagnostiziert worden sei. Er sei Teilnehmer einer medizinischen Studie zu Gliedermuskeldystrophien der Universitätsklinik für Neurologie, XXXX . Es liege ein Patientenbrief vom Studienleiter, Herrn Dr. XXXX , vor, der noch keine Berücksichtigung gefunden habe.
10. Mit Erkenntnis vom 24.05.2018, GZ W217 2174777-1/7E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.
11. Gegen dieses Erkenntnis erhob der BF fristgerecht eine (außerordentliche) Revision. Mit Erkenntnis vom 19.09.2018, Ra 2018/11/0145-6, hob der VwGH das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit der Begründung auf, dass die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterblieben war.
12. Am 06.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit von Frau Dr XXXX , Fachärztin für Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin, eine mündliche Verhandlung durch. Darin wies die Sachverständige eingangs auf die drei im Akt befindlichen neurologischen Befunde hin, die ziemlich deckungsgleich seien. Es habe sich dabei um standardmäßige Untersuchungen gehandelt, wo der Kraftgrad der einzelnen Muskeln untersucht werde, beim BF insbesondere der Beckenbereich. Zusätzlich gebe es ein MR vom 29.04.2016 mit ausgeprägter Atrophie der Gesäßmuskulatur und der Oberschenkelbeuger. Wie die Sachverständige feststellte, heißt das für den BF, dass sehr wichtige Muskeln im Beckenbereich, die für den aufrechten Stand und das Aufstehen aus dem Sitzen notwendig sind, deutlich geschwächt sind; teilweise sind keine Muskelfasern mehr vorhanden, beidseitig. Die obere Extremität ist hingegen nicht betroffen, was auch typisch für die Erkrankung sei.
Die SV untersuchte den BF und stellte fest, dass das Anheben und Beugen der Hüfte im Stehen praktisch nicht möglich ist. Der Einbeinstand ist nur kurz möglich, unter einer Ausgleichsbewegung des Rumpfes. Der BF kann im Stehen das Bein höchstens 10 cm anheben, Stiegen steigen kann er nur mit Anhalten und einer Ausgleichsbewegung mit dem Oberkörper, wegen der Hüftbeugeschwäche. Auch das Ein- und Aussteigen in und aus den öffentlichen Verkehrsmitteln kann nur mit beidseitigem Anhalten erfolgen. Wenn der BF weiß, dass etwas passieren wird und er sich anhalten kann, dann kann er sich festhalten, aber in einer Akutsituation, wenn der BF nichts beidseitig zum Anhalten hat, dann besteht Sturzgefahr.
Die Sachverständige kam zum Schluss, dass die Zurücklegung einer Gehstrecke von 300-400m zwar möglich ist, jedoch nur auf gutem Untergrund. Bergauf oder auf Kopfsteinpflaster ist es hingegen problematisch und mit Sturzgefahr verbunden. Sehr problematisch wurde das Überwinden von Niveauunterschieden, das Beschleunigen und Anhalten von öffentlichen Verkehrsmitteln eingestuft, weil hier die Ausgleichsbewegungen nicht möglich sind, weil die Muskeln fehlen. Der BF muss alles über die oberen Extremitäten ausgleichen. Das ist jedoch gefährlich, weil er nur die oberen Extremitäten zur Verfügung hat, um den aufrechten Stand gegen die Schwerkraft aufrecht zu erhalten. Zusammenfassend führte die Sachverständige aus, dass anhand der vorliegenden Befunde und Gutachten der sichere Transport und das sichere Ein- und Aussteigen nicht gewährleistet ist. Dieser Zustand, dass der BF nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann, wurde von der Sachverständigen mit sicher ab dem 31.08.2017, angegeben. Begründend erläuterte die Sachverständige, Frau Dr. XXXX beschreibt in ihrem Gutachten vom 06.09.2017, aufgrund einer persönlichen Untersuchung des BF am 31.08.2017 einen neurologischen Status, der sich mit ihrer eigenen Untersuchung im Zuge der mündlichen Verhandlung deckt. Die Fortbewegung mit Gehstock ist darin dokumentiert. Eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich, da keine Verbesserung zu erwarten sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist seit 15.12.2016 Inhaber eines Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 50% festgesetzt. Als Funktionseinschränkung wurde Gliedermuskeldystrophie festgestellt.
Am 21.06.2017 beantragte der BF die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Die Voraussetzungen für die Vornahme dieser Zusatzeintragung liegen vor.
Hinsichtlich der beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in der oben wiedergegebenen medizinischen Stellungnahme Dris. XXXX der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Ausführungen der medizinischen Sachverständigen.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass der Behinderung basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Gewährung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führen, gründen sich auf die vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung eingeholte Stellungnahme Dris. XXXX , FÄ für Neurologie, Ärztin für Allgemeinmedizin. Unter Berücksichtigung der vom BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des BF wurde von der medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF unzumutbar ist.
Die Sachverständige gelangte unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten auf Grundlage der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung des BF im Zuge der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss, dass im Fall des BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, da der sichere Transport und das sichere Ein- und Aussteigen nicht gewährleistet ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
.....
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Stellungnahme Dris. XXXX nachvollziehbar ausgeführt, dass im Fall des BF die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.
Beim BF sind, wie bereits in den beweiswürdigenden Ausführungen ausgeführt wurde, ausgehend von dieser Stellungnahme aktuell erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert; im Rahmen der persönlichen Begutachtung haben sich zwar keine Hinweise darauf ergeben, dass der BF nicht in der Lage wäre, 300-400 m zurückzulegen, jedoch ist der sichere Transport und das sichere Ein- und Aussteigen nicht gewährleistet.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2174777.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.05.2019