TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/28 W175 2112128-1

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Veröffentlicht am 28.03.2019
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Entscheidungsdatum

28.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §52 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §8a

Spruch

W175 2112128-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2015, Zahl: 830678401-1657253, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2019, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag, dem Beschwerdeführer unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beizugeben, wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 8a VwGVG iVm § 52 Abs. 1 BFA-VG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 25.05.2013 beim Bundesasylamt (in Folge: BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge: AsylG) und wurde am selben Tag einer Erstbefragung unterzogen. Hierbei gab er an, 16 Jahre alt zu sein und in Logar/Afghanistan geboren worden zu sein. Er sei Moslem und Sunnit und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Sein Vater sei bereits verstorben; seine Mutter und seine Geschwister würden noch in Afghanistan leben. Zu seinem Fluchtgrund gab der BF zusammengefasst an, dass sein Vater als Fahrer gearbeitet und Kühlwasser an ausländische Firmen in Afghanistan geliefert habe. Ca. 1 Monat vor seiner Ermordung habe er einen Drohbrief bekommen, dessen Inhalt nach er die ausländischen Firmen nicht mehr hätte beliefern und seine Arbeit hätte kündigen sollen. Sein Vater sei dieser Drohung jedoch nicht nachgekommen und sei vor ca. 6 1/2 bis 7 Monaten von den Dorfbewohnern tot aufgefunden worden. Nach dem Begräbnis habe die Familie des BF einen Drohbrief bekommen und aus Angst Logar Richtung Kabul verlassen. Von dort aus sei der BF geflohen.

Die in weiterer Folge durchgeführte Untersuchung bestätigte die vom BF angegebene Minderjährigkeit. Die Obsorge für ihn wurde einer näher bezeichneten Bezirkshauptmannschaft übertragen.

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 14.01.2014 gab der BF an, dass er gesund sei und berichtigte die Angaben zum Tod seines Vaters. Richtig sei, dass der BF sechs Monate nach dem Tod des Vaters Afghanistan verlassen habe. Der BF habe in der Provinz Logar und vier bis fünf Monate vor der Ausreise aus Afghanistan in Kabul gewohnt. Bis zur Ausreise habe die Familie für ihn gesorgt; der BF habe die staatliche Schule besucht. Der BF habe keinen Kontakt mehr zu seinen Familienangehörigen/Bekannten in der Heimat; den letzten Kontakt habe er während seines Aufenthalts in Traiskirchen gehabt. Er lebe hier von der Grundversorgung und besuche eine Hauptschule.

Erneut zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF wiederholt an, dass es Probleme wegen seines Vaters gegeben habe. Dieser habe in Kabul gearbeitet; er habe Getränke an ausländische Firmen geliefert. Die Dorfbewohner, die fast alle Taliban-Anhänger gewesen seien, seien dagegen gewesen und hätten einen Drohbrief an ihn gerichtet, der durch eine Jungen namens Ramin überbracht worden sei. Der Vater habe trotzdem weitergearbeitet und sei eines Tages nicht mehr von der Arbeit heimgekommen. In der Moschee habe der BF vom Tod seines Vaters erfahren. Ein bis zwei Wochen nach dem Tod des Vaters habe die Familie des BF noch einen Drohbrief erhalten, worin es um seinen Bruder gegangen sei. Einer von der Familie hätte zusammen mit den Taliban kämpfen sollen, andernfalls diese die Familie des BF getötet hätten. Die Dorfbewohner und auch ein Onkel väterlicherseits hätten den Bruder des BF aufgefordert, sich den Taliban anzuschließen. Da die Mutter dagegen gewesen sei, hätten sie das Dorf verlassen und seien nach Kabul geflohen. Dies sei 1 Monat nach dem Tod des Vaters gewesen. Aufgrund einer Warnung eines Onkels aus dem Dorf, wonach nach dem BF (und seinem Bruder) gesucht werde, habe die Mutter beschlossen, dass der BF das Land verlassen solle. Der BF habe sich insgesamt 5 bis 6 Monate nach dem Tod des Vaters noch in Afghanistan aufgehalten, bis er schließlich ausgereist sei. Solange sein Vater gelebt habe, sei der BF nicht aufgefordert worden, sich am Kampf zu beteiligen; nach dessen Tod sei dann aber dieser Drohbrief gekommen. Der BF habe die beiden Briefe nicht selbst gelesen. Dazu befragt, welches Interesse gerade an der Person des BF bestanden haben soll, gab er an, dass sich das Interesse der Taliban nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine Brüder erstreckt habe. Sie würden so viele Jugendliche wie möglich haben wollen, um diese zu rekrutieren.

In weiterer Folge wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation des BFA gestellt; die Anfragebeantwortung langte am 26.05.2014 beim BFA ein.

Am 22.10.2014 wurde der BF einer weiteren Einvernahme vor dem BFA unterzogen. Hierbei gab er an, gesund zu sein und die Volkshochschule zu besuchen; er mache dort den Pflichtschulabschluss. Davor habe er die Neue Mittelschule besucht. Er habe nach wie vor keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise hätten sich seine Mutter und Geschwister noch in Kabul aufgehalten; ihren derzeitigen Aufenthalt kenne er nicht. Sein Vater sei vor zwei Jahren von den Taliban getötet worden. 1 Monat nach dessen Tod sei der BF nach Kabul gezogen, wo er sich etwa 5 bis 6 Monate aufgehalten habe. Dort sei der BF von seinem Onkel kontaktiert und gewarnt worden, dass nach ihm gesucht werde. Dieser habe nämlich Kontakt mit den Taliban. Es sei zudem allgemein bekannt, dass die Taliban Jugendliche unterrichten und trainieren würden. Zuletzt wurde dem BF das Ergebnis der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Kenntnis gebracht.

Am 04.11.2014 langte eine Stellungnahme beim BFA ein. Hierbei wurde zusammengefasst das Fluchtvorbringen des BF wiederholt und auf die schlechte (Sicherheits-) Lage in Afghanistan verwiesen. Im Übrigen wurde die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation kritisiert.

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 09.07.2015, Zahl 830678401-1657253, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte dem BF den Status eines Asylberechtigten nicht zu. Das BFA erkannte dem BF weiters den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung gültig bis 09.07.2016 (Spruchpunkt III.).

In der Bescheidbegründung traf die Erstbehörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Das BFA stellte nicht in Abrede, dass es gegen die Familie bzw. gegen den Vater des BF aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit zu Drohungen seitens der Taliban gekommen und die Familie deshalb umgezogen sei, jedoch wurde - nicht zuletzt aufgrund der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation - die angebliche Erschießung des Vaters bezweifelt. Es erscheine auch nicht nachvollziehbar, dass der Bruder des BF in Afghanistan verblieben sei, obwohl er aufgefordert worden sein soll, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Aus den Angaben des BF hätten sich keine konkreten Hinweise dafür ergeben, dass eine Gefährdung von Seiten der Taliban für den BF wegen einer ihm unterstellten politischen Gesinnung wahrscheinlich wäre. Ebenso wenig sei bei ihm eine asylrelevante Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bzw. zur Religionsgemeinschaft der Sunniten in Afghanistan hervorgekommen. Aufgrund der prekären allgemeinen Lage und fehlenden familiären Unterstützung bzw. seiner Minderjährigkeit sei dem BF derzeit jedoch eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich. Ihm sei demnach der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Mit Verfahrensanordnung vom 09.07.2015 wurde der BF gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG darüber informiert, dass ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG die ARGE - Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt werde.

Mit Schreiben vom 05.08.2015 brachte der BF das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. angefochten und eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beantragt wurde.

In der Beschwerdebegründung wurde erneut das Fluchtvorbringen wiederholt und ausführt, dass der BF habe nachweisen können, dass seine Familie direkt und unmittelbar von den Taliban bedroht worden sei, was auch durch die Staatendokumentation nachgewiesen worden sei. Der BF stehe insbesondere im Visier der Taliban, da er sich in einem wehrfähigen Alter befinde. Da der Schutz durch die staatlichen Behörden im Herkunftsort des BF kaum existent sei, sei die Zwangsrekrutierung jedenfalls als asylrelevant anzusehen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit dem Umstand, dass der BF der sozialen Gruppe der Minderjährigen angehöre und von der Zwangsrekrutierung bedroht sei, zu befassen und Ermittlungen dazu anzustellen. Dem BF könne - abgesehen von der ihm drohenden asylrelevanten Verfolgung - auch als jungem, arbeitsfähigen Mann nicht zugemutet werden, in seine Heimatprovinz zurückzukehren, da die Sicherheitslage dort überaus prekär sei. Im Übrigen seien auch die Feststellungen der belangten Behörde zum Privatleben des BF in Österreich zu knapp ausgefallen und habe das Kindeswohl im vorliegenden Fall keine Berücksichtigung gefunden. Zuletzt wurde der Antrag auf die unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers gestellt.

Das gegen den BF eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen § 83 (1) StGB, § 15 StGB, § 107 (1) StGB, § 125 StGB wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt; eine entsprechende Benachrichtigung über die Einstellung des Verfahrens erfolgte mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 08.04.2016.

Das weiters gegen den BF eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen §§ 27 (1) Z 1 1., 2. und 8. Fall, 27 (3) SMG, § 50 (1) Z 2 WaffG, § 83

(1) StGB wurde ebenfalls eingestellt; eine entsprechende Benachrichtigung über die Einstellung des Verfahrens erfolgte mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 04.10.2016.

Die dem BF gewährte, befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihm - nach einem entsprechenden Antrag - mit Bescheid des BFA vom 03.07.2018 bis zum 09.07.2020 verlängert.

Am 12.02.2019 fand eine öffentliche, mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Nachdem der BF dabei seine Fluchtgründe wiederholte, gab er über konkrete Nachfragen an, dass damals zwei Briefe an die Familie des BF gerichtet worden seien, in denen sie von der Taliban gewarnt worden sei. Der erste Brief sei ca. 40 Tage vor dem Tod des Vaters gekommen; der BF habe ihn aber nicht gesehen, sondern nur von der Familie darüber gehört. Der zweite Brief sei nach dem Tod des Vaters gekommen, welchen der BF auch nicht selber gesehen habe. Soweit er von seiner Mutter mitbekommen habe, sei darin gestanden, dass der BF und sein Bruder "gegen die Ungläubigen" kämpfen sollen. Der BF denke, dass sein älterer Bruder den Brief erhalten habe, weil es nicht üblich gewesen sei, dass man ihn einer Frau geben würde. Dazu befragt, weshalb die Taliban unbedingt mit dem BF hätten zusammenarbeiten wollen, obwohl sie vorher seinen Vater getötet hätten, meinte dieser, dass dies nichts miteinander zu tun habe. Die Taliban würden von allen Leuten im Dorf, insbesondere den Jungen, verlangen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Über weitere Nachfrage, weshalb die Mutter ausgerechnet den BF und nicht seinen älteren Bruder weggeschickt habe, meinte er, dass er "gefühlsmäßig gegen diese Leute" gewesen sei; deshalb habe seine Mutter gewollt, dass er gehe. Der BF wisse seit 2 bis 2 1/2 Jahren, dass seine Mutter und sein Bruder im Iran seien. Sie hätten inzwischen Kontakt über das Internet.

Im Zuge des Verfahrens legte der BF einige integrationsbestätigende Unterlagen vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

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den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 25.05.2013, die Niederschrift der Einvernahmen vor dem BFA am 14.01.2014 und am 22.10.2014, die am 04.11.2014 eingelangte Stellungnahme und die Beschwerde vom 05.08.2015

-

die im Bescheid des BFA getroffenen Länderfeststellungen sowie durch die Einsichtnahme in dem BVwG vorliegende aktuelle Länderfeststellungen (Stand 31.01.2019).

Weiters herangezogen wurden die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem BVwG am 12.02.2019.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig. Er war nicht politisch aktiv.

2.2. Die Angaben über die Organisation und Abwicklung der Ausreise nach Österreich sind nicht gegenstandrelevant. Eine weitere Überprüfung erübrigt sich.

2.3. Der BF ist in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft, noch wurde er jemals inhaftiert oder hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates sonstige Probleme.

Eine wie auch immer geartete Verfolgung in seiner Heimat aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung konnte der BF weder glaubhaft machen, noch geht sie aus dem Akt hervor.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie auch immer gearteten Verfolgungsgefahr (durch die Taliban) ausgesetzt sein wird.

Der BF konnte eine an asylrelevante Merkmale im Sinne der GFK anknüpfende Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft machen, noch kam eine solche im Verfahren sonst wie zu Tage.

2.4. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden dem BF die gegenständlichen Länderfeststellungen übermittelt. Dabei wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme binnen 4 Wochen einzubringen. Zu dieser Aufforderung wurde seitens des BF keine Stellungnahme übermittelt, sodass die Länderfeststellungen der Staatendokumentation unbestritten blieben.

Zur Situation in Afghanistan werden nunmehr auszugsweise folgende (für den gegenständlichen Fall wesentliche) Feststellungen aus dem BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand 31.01.2019) zitiert:

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte (CRS 12.1.2015; vgl. LIP 5.2018); und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (LIP 5.2018). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIP 5.2018). Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Der Hauptführer der "Nordallianz", einer politisch-militärischen Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist (CRS 12.1.2015). Trotz seiner gemischten Abstammung, sehen ihn die Menschen als Tadschiken an (BBC 29.9.2014). Auch er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war (CRS 12.1.2015). Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015); ein Amt, das speziell geschaffen wurde und ihm die Rolle eines Premierministers zuweist (BBC 29.2.2014).

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Quellen:

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BBC (29.9.2014): Profile: Abdullah Abdullah, http://www.bbc.com/news/world-asia-27138728, Zugriff 21.2.2018

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BFA Staatendokumentation (7.2016): Dossier der Staatendokumentation, AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur,

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/AFGH_Stammes_und%20Clanstruktur_Onlineversion_2016_07.pdf, Zugriff 23.1.2017

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Brookings - The Brookings Institution (25.5.2017): Afghanistan Index,

https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2016/07/21csi_20170525_afghanistan_index.pdf, Zugriff 15.2.2018

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CRS - US Congressional Research Service (12.1.2015): Afghanistan:

Politics, Elections, and Government Performance, http://www.fas.org/sgp/crs/row/RS21922.pdf, Zugriff 22.2.2018.10.2015

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LIP - Länder-Informations-Portal (5.2018): Afghanistan - Gesellschaft, https://www.liportal.de/afghanistan/gesellschaft/, Zugriff 22.2.2018

3. Beweiswürdigung:

3.1. Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BAA und des BFA, und dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Akt des BVwG.

3.2. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Geburtsdatum, Geburtsort), Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese rein auf den Angaben des BF im Verfahren vor dem BAA und BFA sowie vor dem BVwG und in der Beschwerde, sowie auf der Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.

Das Vorbringen des BF war in seiner Gesamtheit - wie noch auszuführen sein wird - nicht geeignet, die Notwendigkeit weiterer Erhebungen zu bedingen, in deren Zusammenhang oder zu deren Durchführung der korrekte Name des BF notwendig gewesen wäre.

3.3. Die Feststellungen zur Ausreise, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt. Eine weitere Überprüfung hiezu erübrigt sich, da es für das Fluchtvorbringen nicht relevant ist.

3.4. Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates beruht auf den Angaben des BF in der Erstbefragung, in den Einvernahmen vor dem BAA und BFA und in der Verhandlung vor dem BVwG.

Wie sich aus der Erstbefragung und den Einvernahmen vor dem BAA und BFA ergibt, hatte der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit, seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Der BF wurde vom BAA/BFA und vor dem BVwG auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe aufgefordert, sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Die Fragen waren prägnant und altersgerecht gehalten.

Der BF hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht seinen Antrag auf internationalen Schutz ohne unnötigen Aufschub zu begründen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen, worauf der BF zu Beginn des Verfahrens auch hingewiesen wurde. Auch vor dem BVwG wurde der BF angehalten, wahrheitsgemäße Angaben zu machen.

3.5. In Hinblick auf die Minderjährigkeit des BF ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung bedarf (vgl. VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0020 mwN; 23.02.2016, Ra 2015/20/0161).

Im vorliegenden Fall ist demnach im Rahmen der Beweiswürdigung insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich beim BF im Antragszeitpunkt und bei den Einvernahmen vor dem BFA um einen Minderjährigen gehandelt hat. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG war der BF aber bereits volljährig.

Die vorgebrachten Fluchtgründe des BF und die vom BFA aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten sind unter diesem Aspekt zu würdigen. Demnach ist zu bedenken, dass der BF - ausgehend von seinem festgestellten Geburtsdatum am XXXX - die aus seiner Sicht fluchtauslösenden Gründe (Tod des Vaters und Bedrohung durch die Taliban) im Alter von ca. 14 Jahren erlebt hat.

Der BF begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass sein Vater und nach dessen Tod der BF und sein älterer Bruder Probleme mit den Taliban bekommen hätten. So ist zum einen nachvollziehbar, dass der Vater des BF wegen seiner Tätigkeit für ausländische Firmen Probleme mit den Taliban bekommen haben mag. Zum anderen wurden die weiteren Behauptungen zu dessen Tod bzw. zu den Umständen seines Todes nicht plausibel dargelegt, obwohl es um eine Gefährdungssituation mit den Taliban gegangen sein soll, bei dem auch der BF selbst involviert gewesen sei.

Ohne sich rein darauf zu stützen, sind aber auch nach der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der geschilderte Tod und die Beerdigung des Vaters nicht einwandfrei geklärt.

Laut eigenen Angaben des BF soll die Familie zwei Drohbriefe von den Taliban erhalten haben, die er selbst jedoch nie zu Gesicht bekommen habe und von denen er nur durch Erzählungen seiner Familie Bescheid wüsste. In der Einvernahme vom 14.01.2014 gab der BF an, dass den ersten Brief sein Vater gehabt habe, den zweiten Brief müsste seine Mutter haben (AS 89). In der Einvernahme vom 22.10.2014 meinte er, der zweite Drohbrief sei seinem Bruder überreicht worden, jedoch wisse er nicht von wem (AS 225). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG meinte er wiederum, es sei nicht üblich, den Brief seiner Mutter als Frau zu geben. Vermutlich habe ihn sein älterer Bruder erhalten, wobei er nicht genau angeben konnte, wo sich dieser zu dieser Zeit aufgehalten haben soll. Den Inhalt vom zweiten Brief - nämlich, dass er und sein Bruder gegen die Ungläubigen kämpfen solle - habe er aber von seiner Mutter mitbekommen.

Der BF konnte insgesamt keine genauen Angaben zu den beiden Briefen machen, sei es zum Erhalt bzw. dem Empfänger dieser Briefe. Allein aus den diesbezüglich vagen Angaben bzw. seiner Unkenntnis - in Bezug auf die geschilderten Drohbriefe - kann jedoch nicht nachvollziehbar auf die Unglaubwürdigkeit des zum Zeitpunkt der Befragungen vor dem BFA minderjährigen BF geschlossen werden. So ist es möglich, dass er - aufgrund seines damals jungen Alters (vgl. hiezu erneut die Entscheidung des VwGH vom 24.09.2014, Ra 2014/19/0020) und seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung, wonach die Familie des BF versucht habe, ihre Kinder und somit auch den BF zu schützen und ihnen weniger (von den möglichen Gefahren) erzählt habe - über die konkreten Auslöser (bzw. im vorliegenden Fall über die Drohbriefe) nicht genau Bescheid wusste.

Unbeschadet dessen konnte der BF die von ihm behauptete Gefahr der Verfolgung durch die Taliban dennoch nicht in einer Weise glaubhaft machen, dass er konkret, individuell und aus in der GFK genannten asylrelevanten Gründen verfolgt würde. Obwohl er immer wieder angab, dass die Taliban (auch) seinen Bruder im Visier gehabt hätten (AS 85, 89), soll dieser bei der Mutter in Afghanistan verblieben sei, während man den BF weggeschickt habe, weil dieser (laut den Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG) "gefühlsmäßig" gegen den Taliban gewesen sei. Diesbezüglich blieb offen, ob demnach nur der BF, oder auch sein Bruder gegen die Taliban gewesen sein soll bzw. generell wie die Einstellung des Bruders des BF gegenüber der Taliban war.

Darüber hinaus ist auszuführen, dass der BF eigenen Angaben zufolge offenbar noch fünf bis sechs Monate (unbehelligt) nach der behaupteten Ermordung seines Vaters durch die Taliban in Afghanistan leben konnte (AS 93). In diesem Zusammenhang erscheint die vom BF dargelegte Verfolgungsgefahr insbesondere angesichts des relativ langen - ereignislosen - Zeitraums zwischen der vorgebrachten Ermordung seines Vaters und seiner Ausreise aus Afghanistan nicht nachvollziehbar. Vom BF wurde auch nicht behauptet, dass die Taliban - abgesehen von den vagen Schilderungen zum zweiten Drohbrief - in dieser Zeit an den BF oder seine Familie herangetreten wären. Obwohl der BF eigenen Angaben in der Erstbefragung zufolge vier Brüder habe (damals ca. 21, 15, 10 und 8 Jahre alt), erwähnte er stets nur eine Bedrohung für sich und einen seiner Brüder. Dies erscheint vor dem Hintergrund seines damaligen Alters von ca. 14 Jahren und seiner Aussage, dass die Taliban nicht nur Interesse an ihm, sondern auch an seinen Brüdern gehabt hätten und von allen Leuten, insbesondere den Junge, eine Zusammenarbeit verlangen würde, nicht ganz plausibel.

Den Angaben des BF zufolge habe sich dieser noch ca. 1 Monat lang nach dem Tod seines Vaters im Heimatort aufgehalten (AS 93, 225) und sei danach noch etwa fünf bis sechs Monate lang in Kabul aufhältig gewesen (AS 225). Wie bereits ausgeführt, habe es abgesehen von dem zweiten Drohbrief weder im Heimatort noch in Kabul konkret ihn (oder seine Familie betreffende) Vorfälle gegeben. Er habe erst durch eine Warnung durch seinen Onkel in Kabul erfahren, dass es auch dort für ihn und seinen Bruder gefährlich sei, weshalb er letztlich das Land verlassen habe. Eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zufolge habe der BF auch nie persönlich Kontakt zu den Taliban gehabt. Auch schon zuvor gab er an, von den Taliban nie persönlich aufgefordert worden zu sein, sich ihnen anzuschließen (AS 89). Eine konkrete oder aktuelle Bedrohungssituation kann aus den Aussagen des BF nicht abgeleitet werden.

Zusammengefasst war dem Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates und zu seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat auf Grund der teils unglaubwürdigen, aber auch unplausiblen Angaben vor dem BAA, dem BFA sowie dem BVwG - unter Berücksichtigung seines (damaligen) Alters - insgesamt die Glaubhaftigkeit zu versagen. Auch sonst sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine konkret gegen die Person des BF gerichtete asylrelevante Verfolgung für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

3.6. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde sind im Verfahren auch sonst keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine konkret gegen die Person des (mittlerweile) volljährigen BF gerichtete asylrelevante Verfolgung für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten. Sofern in der Beschwerde die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der BF der sozialen Gruppe der Minderjährigen angehöre, dargetan wird, kann eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Beschwerdevorbringen unterbleiben, da es sich beim BF nunmehr um eine volljährige Person handelt. Es ist nicht ersichtlich und es wurde auch nicht nachvollziehbar dargetan, dass sich die Rückkehrsituation des BF in Hinblick auf die Sicherheits- und Lebensgrundlage in Afghanistan von jener etwa gleichaltriger afghanischer Staatsangehöriger ohne familiäre Bindungen in Afghanistan wesentlich unterscheiden würde. Die vom BF vorgebrachte existentielle Bedrohung in Afghanistan im Falle einer Rückkehr besteht für den BF im Herkunftsstaat vor diesem Hintergrund nicht wegen "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" iSd GFK und führt daher nicht zur Zuerkennung des Asylstatus.

Zudem lässt sich weder hinsichtlich der Eigenschaft als Tadschike oder als Sunnit aus den Länderfeststellungen eine gezielte generelle Bedrohung erkennen, die geeignet wäre, den BF jedenfalls in ausreichend hohem Maß zu betreffen.

3.7. Im vorliegenden Fall konnte nicht festgestellt werden, dass der Inhalt des Bescheides des BFA an Rechtswidrigkeit leiden und eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegen würde, zumal im gesamten Verfahren vor dem BFA keinerlei Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich sind, dass die belangte Behörde rechtswidrig oder gar willkürlich entschieden hätte.

Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid ausführlich dargelegten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Im Übrigen wurden dem BF - wie oben ersichtlich - in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG aktuelle Länderfeststellungen zu Afghanistan übergeben und ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt, die er ungenutzt verstreichen ließ.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) I.:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl.

Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zahl: 99/01/0334; 21.12.2000, Zahl:

2000/01/0131; 25.01.2001, Zahl: 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zahl: 98/01/0370; 21.09.2000, Zahl: 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zahl: 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zahl:

94/20/0858; 23.09.1998, Zahl: 98/01/0224; 09.03.1999, Zahl:

98/01/0318; 09.03.1999, Zahl: 98/01/0370; 06.10.1999, Zahl:

99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zahl: 98/20/0233; 21.12.2000, Zahl:

2000/01/0131; 25.01.2001, Zahl: 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zahl:

98/01/0318; 19.10.2000, Zahl: 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zahl: 92/01/0792; 09.03.1999, Zahl: 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zahl: 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zahl: 94/18/0263; 01.02.1995, Zahl: 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zahl: 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl: 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl: 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zahl: 98/01/0503 und Zahl: 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zahl: 98/20/0399; 03.05.2000, Zahl: 99/01/0359).

Der BF konnte keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende an asylrelevante Merkmale im Sinne der GFK anknüpfende Verfolgung in Afghanistan glaubhaft machen. Eine solche ist auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Dem BF wurde gerade aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan in Zusammenhang mit seiner individuellen Situation bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchteil A) II.:

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung (ausgenommen Entscheidungen nach § 53 BFA-VG und §§ 76 bis 78 AVG) oder einer Aktenvorlage gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die betraute juristische Person davon in Kenntnis zu setzen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. unterstützen und beraten Rechtsberater Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. verordnet der Bundeskanzler die Höhe der Entschädigung der Rechtsberater für den Zeit- und Arbeitsaufwand. Ist eine juristische Person mit der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht betraut, verordnet der Bundeskanzler die Höhe der Entschädigung für den Zeit- und Arbeitsaufwand für die Rechtsberatung einschließlich der Dolmetschkosten in Form von Pauschalbeträgen pro beratenem Fremden oder Asylwerber. Die Entschädigung hat sich am zuvor eingeholten Angebot der betrauten juristischen Person zu orientieren.

Nach der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht kein Anspruch auf einen Verfahrenshilfeverteidiger, wenn eine Partei in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht einen Rechtsanspruch auf Vertretung durch einen Rechtsberater (§52 Abs. 1 BFA-VG) hat (26.04.2016, Zl. Ra 2016/20/0043).

Im gegenständlichen Fall beantragte der BF in der Beschwerde die unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshelfers. Allerdings ist auf die besonderen Verfahrensbestimmungen im Asyl- und Fremdenwesen zur Beigebung eines Rechtsberaters hinzuweisen, der im vorliegenden Fall den gesetzlichen Vorschriften entsprechend auch dem BF beigegeben wurde und mit dessen Hilfe der BF auch die vorliegende Beschwerde eingebracht hat:

Im vorliegenden Verfahren wurde dem BF mit Verfahrensanordnung vom 09.07.2015 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass durch die Bestellung eines Rechtsberaters und im Hinblick auf dessen in § 52 Abs. 2 BFA-VG geregelten Aufgabenbereich eine zweckmäßige und ausreichende Wahrung der Interessen der beschwerdeführenden Partei auch nach Maßgabe unionsrechtlicher Bestimmungen und der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gewährleistet ist. Es ist weder aus § 8a VwGVG noch aus § 52 BFA-VG oder aus unionsrechtlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Bestellung eines weiteren Verfahrenshelfers ableitbar. Um nämlich ein den Grundrechten entsprechendes Verfahren zu gewährleisten, werden die Interessen durch den von Amts wegen bestellten Rechtsberater ausreichend wahrgenommen. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht notwendig, wobei zu beachten ist, dass die beschwerdeführende Partei ein umfangreiches Rechtsmittel unter Berücksichtigung höchstgerichtlicher Judikatur eingebracht hat.

Durch die Beigabe des Rechtsberaters ist der in Art. 47 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) normierte wirksame Zugang des BF zu Gericht gewährleistet.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung allein in der Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF zu seinen Fluchtgründen und zu seiner allgemeinen Situation im Heimat- oder Herkunftsstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen der Behörde über die Lage im Heimat- oder Herkunftsstaat beruht, und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR beziehungsweise auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, Rechtsberater, soziale
Gruppe, Verfahrenshilfe, Verfolgungsgefahr, Zurückweisung,
Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2112128.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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