TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/29 W241 2191400-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2019
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Entscheidungsdatum

29.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §13
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W241 2191400-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2018, Zahl 1103655804-160148610, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.11.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 13 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 29.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 30.01.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei iranischer Staatsbürger und schiitischer Moslem. Er hätte vor 49 Tagen sein Heimatland verlassen und wäre über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien bis nach Österreich gereist.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er nicht beim iranischen Heer gewesen sei und man ihn daher seitens der Quds Miliz nach Syrien zum Kampf gegen den IS schicken hätte wollen. Weiters seien vier seiner Brüder zum Christentum übergetreten, und er wäre deshalb von der Staatspolizei und den Glaubenspolizisten verfolgt worden.

1.3. Am 18.01.2018 wurde gegenüber dem BF wegen §§ 105, 146 StGB, § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 SMG die Untersuchungshaft verhängt.

1.4.Bei seiner Einvernahme am 07.03.2018 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, gab der BF im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll, Schreibfehler teilweise korrigiert):

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

A: Gut

F: Wie heißen Sie, wann und wo sind Sie geboren?

A: Ich heiße XXXX alias XXXX und bin am XXXX in XXXX (Iran) geboren.

F: Können Sie irgendwelche Beweismittel - insb. auch iranische Personendokumente - in Vorlage bringen?

A: Nein

F: Haben Sie einen Reisepass?

A: Man bekommt einen, wenn man einen abgeschlossenen Militärdienst hat. Ich hatte nie einen besessen. Andere Dokumente wie z.B. Geburtsurkunde habe ich auch nicht, weil uns der Schlepper sagte, dass wir alles vernichten sollen, sonst würden wir in den Iran abgeschoben werden.

F: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

A: Iran

F: Wo waren Sie zuletzt im Iran wohnhaft bzw. wo war zuletzt Ihr Lebensmittelpunkt?

A: Mein letzter Lebensmittelpunkt war in der Stadt XXXX . In den letzten neun Jahren war ich in XXXX .

F: Mit wem waren Sie dort wohnhaft?

A: Mit meiner Familie, mit meinen Geschwistern. Eltern sind verstorben.

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: Bakhtiari.

F: Welche Religionszugehörigkeit haben Sie?

A: Islam (Schiit)

F: Welche Sprachen beherrschen Sie?

A: Ich beherrsche Farsi und ein bisschen Arabisch.

F: Haben Sie im Iran Schulen besucht?

A: Ich war neun Jahre lang in XXXX in der Schule.

F: Haben Sie eine Berufsausbildung absolviert?

A: Ich habe sechs Monate die Lehre als Schweißer gemacht.

F: Haben Sie auch gearbeitet?

A: Danach habe ich fast 12 Jahre diesen Beruf ausgeübt.

F: Geben Sie bitte Namen, Geburtsdaten sowie Wohnadressen Ihrer

Familienmitglieder in der Heimat an:

A: Angaben im Akt.

F: Haben Sie sonst noch Verwandte im Iran?

A: Ein paar Familienmitglieder mütterlicherseits sind noch im Iran, aber ich habe keinen Kontakt zu ihnen.

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?

A: Ja, ich telefoniere regelmäßig mit meinen Geschwistern durch das Internet oder normales Telefon.

F: Sind Sie verheiratet?

A: Nein.

F: Haben Sie Kinder?

A: Nein.

F: Haben Sie Angehörige in Österreich oder in einem anderen EU-Staat bzw. in Europa?

A: Bis auf meinen Bruder XXXX leben alle Geschwister in Deutschland. Meine Schwester XXXX mein Bruder XXXX haben schon einen positiven Bescheid. Die anderen sind Asylwerber.

F: Können Sie sich auf die gestellten Fragen konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher?

A: Ja

Fluchtroute:

F: Wann konkret haben Sie den Iran verlassen und wann sind Sie in Österreich eingereist?

A: Den Iran habe ich etwa vor 2 Jahren und 5 Monaten verlassen. Zunächst war ich in der Türkei, dann in Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien. Danach bin ich illegal in Österreich eingereist. Das genaue Einreise-Datum kann ich nicht angeben.

F: Waren Sie seit Ihrer Einreise nochmals im Iran bzw. außerhalb Österreichs?

A: Nein.

F: Führen Sie in Österreich ein Familienleben? Leben Sie in Österreich in einer Lebensgemeinschaft?

A: Nein, ich habe in einer Caritas-Unterkunft gewohnt.

F: Wie bestreiten Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt in Österreich?

A: Ich wurde die ganze Zeit von der Caritas unterstützt.

F: Können Sie in irgendeiner Form eine Integration in Österreich geltend machen? (Anmerkung: Dem AW wird der Begriff Integration erklärt)

A: Ich wollte einen Deutschkurs besuchen, aber es ist nicht dazugekommen. Ich habe österreichische Freunde, aber ich kann nicht so gut Deutsch. Ich habe nie einen Deutschkurs bekommen, aber ich habe selber privat einen Kurs gefunden. Der Kurs hätte 20 Tage nach meiner Verhaftung stattfinden sollen, aber es ist leider nicht mehr dazugekommen. Ich hatte nicht so viele Möglichkeiten, weil ich finanziell eingeschränkt war.

F: Waren Sie jemals aus eigenem Antrieb bei der Staatsanwaltschaft, Polizei bzw. Gericht im Iran?

A: Nein.

F: Hatten Sie im Iran jemals Probleme mit Sicherheitsorganen/Sicherheitsbehörden, Gerichten oder dem Militär?

A: Nein.

FLUCHTGRUND:

F: Waren Sie in Ihrem Heimatland jemals politisch oder religiös tätig? Mitglied einer Partei oder Organisation?

A: Nein

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe!

A: Ich bin während meines Militärdienstes geflüchtet. Ich habe den Militärdienst nach vier Monaten quittiert. Mein Militärdienst war in der Stadt XXXX . Ich habe vor sechs Jahren meinen Militärdienst gemacht. Meine Familie ist vor 3 1/2 Jahren geflüchtet. In der Zeit habe ich in der Stadt XXXX gelebt und die Nachricht hat sich ziemlich rasch verbreitet, dass meine Familie nach Europa geflüchtet ist und Christen geworden sind. Ich habe mit der Zeit immer öfters Besuch von unbekannten Personen bekommen. Vom Aussehen her haben Sie wie Mitglieder des Geheimdienstes ausgeschaut. Ich habe mit meiner Familie gesprochen, aber keiner von der Familie hatte diese Männer zuvor gesehen oder gekannt. Nachdem die Situation mir im Iran bekannt war, dass der Geheimdienst die Mitglieder einer Familie festnimmt wegen anderen Familienmitgliedern, damit diese unter Druck gesetzt werden und zur Rückkehr gezwungen werden. Ich habe Angst gehabt, dass mir dieses Schicksal widerfährt. Ich habe Angst gehabt vor diesen Personen, die mich öfters besucht haben und da habe ich beschlossen, aus dem Iran zu flüchten. Ich habe mich nicht mehr sicher gefühlt und Angst um mein Leben gehabt. In der Zeit habe ich meinen Kontakt zu meiner Familie abgebrochen, damit der Geheimdienst meine Familie nicht findet. Mein Bruder XXXX wollte weiter im Iran bleiben, weil er sehr verliebt war. Ich musste das Land verlassen, damit ich in Sicherheit wäre.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein

F: Wie oft waren die unbekannten Männer bei Ihnen?

A: Sie waren drei bis vier Mal da.

F: Was haben die unbekannten Männer gewollt?

A: Diese Leute wollten wissen, wo sich meine Brüder aufhalten. Einmal hat einer von diesen Männern gesagt, er wäre der Chef meines Bruders. Aber der war zu einer unmöglichen Uhrzeit bei mir. Er kann nicht sein Chef gewesen sein.

F: Warum haben Sie den Militärdienst quittiert?

A: In der Zeit ist mein Vater verstorben. Ich wollte zu meiner Familie. Ich habe immer meine Mutter sehr geliebt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich durch die Quittierung des Militärdienstes keine Probleme hatte. Es kann zu einem Problem werden, aber nicht so, dass sich der Geheimdienst einschaltet.

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Sie werden mich festhalten, damit sie meine Familie zur Rückkehr zwingen. Mein Bruder lebt im Iran im Untergrund. Er ist von der Stadt XXXX geflüchtet und lebt auf einer iranischen Insel.

F: Konnten Sie sich bei dieser Einvernahme konzentrieren? Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

A: Ja

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zum Iran Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher vorgelesen! Wollen Sie das?

A: Im Bescheid reicht.

Anmerkung: Dem AW wird die Verfahrensanordnung gem. § 13 Abs. 2 über den Verlust des Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet übergeben. Über die rechtlichen Folgen wird er aufgeklärt."

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 09.03.2018 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). In Spruchpunkt V. wurde ausgeführt, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 und 3 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 18.01.2018 verloren habe.

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF in den Iran. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF in den Iran. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation im Iran wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF angesichts seiner vagen und oberflächlichen Ausführungen nicht glaubhaft machen können.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage im Iran nicht drohe.

1.6. Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde dem BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.7. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 03.04.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.

In der Beschwerdebegründung wurde das Fluchtvorbringen im Wesentlichen wiederholt und ausgeführt, dass sich der BF in einer Moschee kritisch gegenüber dem Islam geäußert hätte und in Verbindung mit der Konversion seiner Geschwister gebracht worden wäre, weshalb er befürchte, wegen Apostasie und Konversion verfolgt zu werden. Durch die Kritik in der Moschee wäre auch der nicht fertig geleistete Militärdienst zum Problem geworden. Das BFA hätte eine falsche rechtliche Beurteilung vorgenommen und ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so wäre die Einvernahme nur sehr kurz gewesen.

1.9. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 05.04.2018 beim BVwG ein.

1.10. Mit Schreiben vom 21.09.2018 teilte die PI Linzer Straße dem BVwG mit, dass der BF wegen Diebstahls angezeigt wurde.

1.11. Das BVwG führte am 28.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi durch, zu der der BF persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Eine Befragung des BF konnte jedoch aufgrund seines offenbar durch Suchtmittel stark beeinträchtigten Zustandes nicht durchgeführt werden. Da der BF vorgab, Zahnschmerzen zu haben, wurde er aufgefordert, umgehend einen Zahnarzt aufzusuchen und danach eine ärztliche Bestätigung vorzulegen. Dies ist bisher nicht geschehen.

1.12. In der Folge wurden dem BF mit Schreiben vom 05.12.2018 das aktuelle Länderinformationsblatt zum Iran und Fragen betreffend seine persönlichen Verhältnisse und seine Integration in Österreich übermittelt.

Weder langte bis zum heutigen Tag eine Stellungnahme zu den Feststellungen ein, noch wurden durch den BF die ihm gestellten Fragen schriftlich beantwortet.

1.13. Mit Schreiben vom 07.03.2019 teilte die Bereitschaftseinheit der Polizei EA5 dem BVwG mit, dass der BF wegen unbefugten Besitzes von Suchtmitteln gemäß § 30 Abs. 1 SMG angezeigt wurde.

1.14. Mit Schreiben vom 12.03.2018 teilte die Staatsanwaltschaft dem BVwG mit, dass gegen den BF wegen § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) Anklage erhoben wurde.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in die dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 30.01.2016 und der Einvernahme vor dem BFA am 07.03.2018 sowie die Beschwerde vom 03.04.2018

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)

* Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 28.11.2018.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , und ist Staatsangehöriger des Iran. Der BF ist schiitischer Moslem, seine Muttersprache ist Farsi.

Der BF stammt aus XXXX , die letzten Jahre vor seiner Ausreise hat der BF in XXXX verbracht.

Die Eltern des BF sind bereits verstorben, vier Brüder und eine Schwester sind in Deutschland aufhältig. Ein Bruder des BF befindet sich noch immer im Iran, weiters eine unbekannte Anzahl von Angehörigen mütterlicherseits. Zu den Geschwistern besteht aktuell Kontakt.

Der BF hat neun Jahre lang eine Schule besucht und danach eine sechsmonatige Schweißer-Lehre absolviert und folglich zwölf Jahre als Schweißer gearbeitet.

Der BF hatte keine finanziellen Probleme, er konnte sich durch seine Tätigkeit seinen Lebensunterhalt finanzieren.

3.1.2. Hinweise auf lebensbedrohende oder schwerwiegende Krankheiten des BF haben sich keine ergeben. Er ist im erwerbsfähigen Alter und hat eine mehrjährige Schulbildung genossen. Darüber hinaus hat er Berufserfahrung.

3.1.3. Der BF ist seinen Angaben nach im Iran geboren und aufgewachsen. Im Dezember 2015 reiste er über die Türkei nach Europa, wo er am 30.01.2016 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

3.1.4. Der BF hält sich seit Jänner 2016 in Österreich auf und spricht kaum Deutsch. Der BF geht keiner Beschäftigung nach und bezieht Grundversorgung. Der BF hat in Österreich keine sonstigen Verwandten.

3.1.5. Der Strafregisterauszug des BF weist folgende Verurteilungen auf:

* vom 15.02.2017 wegen § 127 StGB, § 15 StGB; Freiheitsstrafe vier Wochen bedingt, Probezeit drei Jahre; Probezeit mit Urteilen vom 13.02.2018 und 26.03.2018 auf fünf Jahre verlängert

* vom 13.02.2018 wegen § 127 StGB, § 15 StGB; Freiheitsstrafe vier Wochen

* vom 26.03.2018 wegen § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 2a und 3 SMG, § 15 StGB, § 133 Abs. 1 StGB; Freiheitsstrafe zwölf Monate, davon Freiheitsstrafe acht Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hat sein Vorbringen, von den iranischen Behörden verfolgt worden zu sein, nicht glaubhaft gemacht. Dem BF droht im Fall einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgung aus politischen Gründen, religiösen Gründen, aus Gründen der Rasse, der Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

3.2.2. Grund für die Ausreise des BF aus seinem Herkunftsstaat war die Suche nach besseren - auch wirtschaftlichen - Lebensbedingungen im Ausland.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

3.3.2. Der BF ist im erwerbsfähigen Alter. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst bekannt geworden.

3.3.3. Eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF in den Iran würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen Konflikts mit sich bringen.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über den Iran vom 03.07.2018):

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 6.2018a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 9.2017). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2018a).

Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: 19.05.2017). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami/ Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar und April 2016 statt. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer [auch Oberster Rechtsgelehrter oder Revolutionsführer], seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 9.2017). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 2.3.2018).

Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. AA 6.2018a, FH 1.2018, BTI 2018).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln. Zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind

Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2018a).

Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt (AA 6.2018a, vgl. GIZ 3.2018a). Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt. Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA 6.2018a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 1.2018, vgl. AA 2.3.2018).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft: Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte in Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher noch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt war die Publikation der Bürgerrechtscharta im Dezember 2016. Die rechtlich nicht bindende Charta beschreibt in 120 Artikeln die Freiheiten, die ein iranischer Bürger haben sollte (ÖB Teheran 9.2017).

Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dass sich die USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückziehen werde, stieß international auf Kritik. Zudem will Trump die in der Folge des Wiener Abkommens von Juli 2015 ausgesetzten Finanz- und Handelssanktionen wiedereinsetzen (Kurier 9.5.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (6.2018a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 20.6.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

-

BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 21.3.2018

-

Kurier (9.5.2018): Trump kündigt Iran-Abkommen: So reagiert die Weltgemeinschaft,

https://kurier.at/politik/ausland/trump-kuendigt-iran-abkommen-so-reagiert-die-weltgemeinschaft/400033003, Zugriff 25.6.2018

-

GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a):

Geschichte und Staat Iran,

https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 25.4.2018

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ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMeiA 20.6.2018).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am

6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018

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BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 9.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 2.3.2018).

Obwohl das Beschwerderecht garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 20.4.2018). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die unter Anwendung von Folter gemacht wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 18.1.2018). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 18.1.2018).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 15.8.2017).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

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Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

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Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

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Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

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Spionage für fremde Mächte;

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Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

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Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor auf der Tagesordnung (ÖB Teheran 9.2017). Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

* "Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

* "Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 2.3.2018).

Im Frühling 2016 wurde ein Gesetz zu politischen Verbrechen erlassen, welches zwar eine Sonderbehandlung für politische Häftlinge einführt (eigene Gefängnisse, keine Gefängniskleidung), den Begriff "politisches Vergehen" aber sehr offen definiert, weshalb weiter willkürliche Verfolgung zu befürchten ist. Statistiken zur Zahl der politischen Gefangenen sind nicht verfügbar. Es wird aber von mehr als 1.000 politischen Gefangenen ausgegangen, wobei diese Zahl auch Menschen, die wegen ihrer religiösen Überzeugung festgehalten werden, beinhaltet (ÖB Teheran 9.2017).

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 2.3.2018).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 2.3.2018).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, islamische Quellen und Fatwas zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt (DIS 6.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 21.3.2018

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BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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