TE Vwgh Beschluss 2019/3/27 Ro 2017/10/0025

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs1
AVG §13 Abs2
AVG §13 Abs5
VwGG §26 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGG §46 Abs1
VwGG §46 Abs3
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Landeshauptstadt Graz in 8011 Graz, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. März 2017, Zl. LVwG 41.11-2242/2016-5, betreffend eine Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz und den damit verbundenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) vom 22. März 2017 wurde - im Beschwerdeverfahren - der Revisionswerberin als Rechtsträger der Betreiberin eines näher bezeichneten Pflegewohnheims in Graz aufgetragen, innerhalb einer Frist von 6 Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses das gegenständliche Pflegeheim "antragskonform" herzustellen, d.h. 105 Betten nach dem Stmk. Pflegeheimgesetz zu installieren. Weiters erklärte das LVwG die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für zulässig.

2 Die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an die Revisionswerberin erfolgte am 29. März 2017.

3 Die dagegen erhobene ordentliche Revision wurde per Amtsboten am 10. Mai 2017, dem letzten Tag der Revisionsfrist, um

12.15 Uhr (und somit außerhalb der auf der Homepage des Landesverwaltungsgerichts Steiermark kundgemachten Amtsstunden) persönlich beim Verwaltungsgericht eingebracht.

4 Mit hg. Verfügung vom 4. März 2019 wurde der Revisionswerberin die Möglichkeit eingeräumt, zur Frage der Verspätung der Revision Stellung zu nehmen.

5 Mit Eingabe vom 18. März 2019 erstattete die Revisionswerberin eine Stellungnahme und verband diese mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründend führte sie unter Bezugnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aus, die Revision sei dadurch, dass das LVwG sie - auch außerhalb der Amtsstunden - freiwillig tatsächlich entgegen genommen habe, als rechtswirksam eingebracht und gleichzeitig eingelangt anzusehen. Die Einlaufstelle des LVwG habe auch nicht auf den Ablauf der Amtsstunden hingewiesen. Durch die Bestätigung des Einlangens der Revision mit Eingangsstempel vom "10.05.2017" habe das LVwG zum Ausdruck gebracht, das Anbringen als am 10. Mai 2017 eingelangt gelten zu lassen. Dies sei in seiner Wirkung der Aufstellung eines Einlaufkastens ohne gegenteilige Hinweise beim Briefschlitz gleichzusetzen. Daran vermöge die Kundmachung des LVwG über die Amtsstunden nichts zu ändern, weil das LVwG dieser sowohl durch die Entgegennahme des Schriftsatzes außerhalb der Amtsstunden als auch durch das kommentarlose Anbringen eines Einlaufstempels mit "10.05.2017" widersprochen habe. Bei der Auflösung dieses Widerspruchs komme der tatsächlichen Entgegennahme des Schriftstücks stärkeres Gewicht zu, weil das LVwG damit seine Annahmebereitschaft - die Kundmachung spreche von der "Möglichkeit" der Abgabe von Schriftstücken - zum Ausdruck gebracht habe. Dem Verfasser der Revision, einem rechtskundigen Mitarbeiter der Revisionswerberin, der diese auch persönlich beim LVwG eingebracht habe, sei nicht bekannt gewesen, dass das LVwG die täglichen Amtsstunden auf 12 Uhr begrenzt habe. Dabei handle es sich um ein unvorhergesehenes Ereignis, sei eine derart knappe Bemessung doch unüblich und daher überraschend. Der Verfasser der Revision habe sich auf einer Kopie des Rubrums mit Einlaufstempel das Einlangen des Poststücks mit dem Datum des letzten Tags der Revisionsfrist bestätigen lassen. Da das LVwG den Eingang mit dem Datum "10.05.2017" gestempelt habe, habe für den Verfasser kein Zweifel bestanden, dass die Revision beim LVwG rechtzeitig eingelangt sei. Schließlich regt die Revisionswerberin an, der Verwaltungsgerichtshof möge wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen § 17 VwGVG und § 13 Abs. 5 AVG beim Verfassungsgerichtshof ein Normenkontrollverfahren beantragen.

6 Gemäß § 13 Abs. 5 AVG ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

7 Nach der auf der Grundlage dieser Bestimmung im Internet (www.lvwg-stmk.gv.at) bekanntgemachten Kundmachung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark sind die Amtsstunden dieses Gerichts mit Montag bis Freitag von 8:30 bis 12:00 Uhr festgelegt.

Ferner wird darin festgehalten:

"Innerhalb dieser Zeit ist eine Kontaktaufnahme (per Telefon, Fax, Mail) mit dem Landesverwaltungsgericht oder die Abgabe von Schriftstücken möglich. Sollten Sie Ihren Schriftsatz außerhalb der Amtsstunden eingebracht haben, gilt dieser Schriftsatz erst nach Beginn der Amtsstunden am nächsten Werktag als eingelangt und wird erst ab diesem Zeitpunkt behandelt werden. Dies gilt auch für fristgebundene Eingaben, Bekanntmachungen und Verständigungen gemäß § 8 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz 2012."

8 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelten Anbringen, sofern die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält, als noch am selben Tag eingebracht. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringt, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten. Nichts anderes gilt unter denselben Voraussetzungen für jene Fälle, in denen Anbringen beim Verwaltungsgericht persönlich eingebracht werden (VwGH 23.10.2018, Ra 2018/06/0110).

9 Entsprechend der zitierten Kundmachung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark gelten Schriftstücke, die außerhalb der Amtsstunden abgegeben (und auf diesem Wege eingebracht) werden, erst nach Beginn der Amtsstunden am nächsten Werktag als eingelangt. Das Verwaltungsgericht hat damit die mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme von Schriftstücken, die außerhalb der Amtsstunden abgegeben werden, im Sinne des § 13 Abs. 5 AVG hinreichend zum Ausdruck gebracht (vgl. wiederum VwGH 23.10.2018, Ra 2018/06/0110). Da die Kundmachung auf den Fall der Einbringung von Schriftstücken außerhalb der Amtsstunden ausdrücklich Bezug nimmt, ist dem Argument der Revisionswerberin, der tatsächlichen Entgegennahme des Schriftstücks unter Anbringung des Eingangsstempels desselben Tages komme demgegenüber stärkeres Gewicht zu, nicht zu folgen.

10 Da die am 10. Mai 2017, dem letzten Tag der Revisionsfrist, nach Ende der Amtsstunden eingebrachte Revision somit erst am 11. Mai 2017 als eingelangt gilt, ist sie verspätet.

11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

12 Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

13 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss die Büroorganisation von Gebietskörperschaften hinsichtlich der Einhaltung von Terminen und Fristen in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen. Dazu gehört insbesondere, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Prozesshandlungen sichergestellt ist und Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens durch entsprechende Kontrollen auszuschließen sind (vgl. VwGH 24.9.2015, Ra 2015/07/0099, mwN).

14 Fallbezogen legt die Revisionswerberin nicht dar, dass und inwiefern sie sichergestellt habe, dass diesen Anforderungen entsprochen wird; bringt sie doch vielmehr vor, dass der Verfasser der Revision, ein rechtskundiger Mitarbeiter, die Revision persönlich beim LVwG eingebracht habe, ohne sich zuvor über die Voraussetzungen einer fristwahrenden Entgegennahme schriftlicher Anbringen durch das LVwG vergewissert zu haben. Dass Vorkehrungen bestünden, derartige Unzulänglichkeiten hintanzuhalten, legt die Revisionswerberin im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal im Ansatz dar.

15 Im Hinblick darauf war der Wiedereinsetzungsantrag der Revisionswerberin gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

16 Die Revision war dementsprechend gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

17 Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch nicht veranlasst, der Anregung auf Beantragung eines Normenkontrollverfahrens beim Verfassungsgerichtshof zu folgen, zumal dieser sich mit der Verfassungskonformität des auch hier maßgeblichen § 13 Abs. 5 AVG bereits in seiner Entscheidung vom 3. März 2014, G 106/2013, VfSlg. 19849, auseinander gesetzt hat.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. März 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017100025.J00

Im RIS seit

18.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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