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19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel den Hofrat Mag. Eder sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des AB in C, vertreten durch Dr. Elisabeth Zimmermann-Haid, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8/DG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2018, Zl. W114 2192094- 1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 19. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass in seinem Heimatdistrikt der "IS" herrschen würde. Er sei geflüchtet, weil er mit dem "IS" in den Kampf hätte ziehen sollen. Weiters wäre er auch von den Taliban unter Androhung von Gewalt aufgefordert worden, mit ihnen gegen die Regierung zu kämpfen.
2 Mit Bescheid vom 8. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz ab, gewährte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Begründend führte das BFA aus, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubwürdig sei und selbst bei Wahrunterstellung eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif offenstehe.
4 Gegen diesen Bescheid wurde am 5. April 2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, das diese mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet abwies und aussprach, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs zur Frage einer Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung bereits Leitlinien in Bezug auf die Prüfung des Vorliegens einer asylrelevanten Gruppenverfolgung aufgestellt. Danach kann die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvent ion (GFK) nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelnen Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0377; 8.9.2016, Ra 2016/20/0036, 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, jeweils mwN).
10 Das BVwG hat sich mit der Situation der Hazara und der Frage einer drohenden Verfolgung des Revisionswerbers aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe umfassend auseinandergesetzt und kam unter Bezugnahme auf Länderberichte zu dem Schluss, dass nicht von einer generellen (asylrelevanten) Verfolgung von Angehörigen der Hazara ausgegangen werden könne.
11 Dass sich das BVwG hierbei von den Leitlinien der Judikatur entfernt habe, vermag die Revision - auf Basis der im Einzelfall getroffenen Feststellungen - nicht konkret aufzuzeigen.
12 Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ging davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 5.7.2016, A.M./Niederlande 29.094/09).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 28. März 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140428.L00Im RIS seit
18.06.2019Zuletzt aktualisiert am
18.06.2019