TE Vwgh Beschluss 2019/4/4 Ra 2019/01/0085

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §293
StbG 1985 §10 Abs1 Z7
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2013/I/136
StbG 1985 §10 Abs5
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2013/I/136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der F E in W, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 40, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Jänner 2019, Zl. VGW-152/019/15748/2018-1, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - im Beschwerdeverfahren - der Antrag der Revisionswerberin, einer iranischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 13. Februar 2018 gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen (I.) und eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt (II.)

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe in den letzten sechs Jahren (72 Monaten) vor der Antragstellung 42 Monate Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen. Es lägen sohin keine 36 Monate vor, an denen die Revisionswerberin keine Sozialhilfeleistungen bezogen habe.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision bringt in den Zulässigkeitsgründen vor, die Revisionswerberin habe - wie bereits im Verfahren dargelegt - in den letzten 39 Monaten vor der Antragstellung (im Einzelnen aufgelistete) regelmäßige, die maßgeblichen Richtsätze des § 293 ASVG übersteigende, Einkünfte (aus Notstandshilfe, Familienbeihilfe und Unterhaltsvorschüssen sowie geringfügiger unselbständiger Erwerbstätigkeit) bezogen. Der Revisionswerberin sei daher eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von bedarfsorientierter Mindestsicherung möglich gewesen. Der Auszahlung der Leistungen von bedarfsorientierter Mindestsicherung sei schlichtweg ein Versehen der auszahlenden Behörde zugrunde gelegen. Zu diesem "Lebenssachverhalt" existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

7 Die Revision ist nicht zulässig.

8 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG idF BGBl. I Nr. 136/2013 darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann.

9 Gemäß § 10 Abs. 5 StbG idF BGBl. I Nr. 136/2013 ist der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen.

10 § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 StbG müssen unter dem Blickwinkel des damit verfolgten Zwecks gesehen werden, nämlich die Staatsbürgerschaft nur an Fremde zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein (vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2017/01/0013, mit Hinweis auf VwGH 30.4.2018, Ro 2017/01/0003, Ra 2017/01/0065, bzw. VwGH 20.9.2011, 2010/01/0046 mwN).

11 Mit der Adaptierung des Durchrechnungszeitraums durch die Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 für den Nachweis eines gesicherten Lebensunterhalts auf den Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt wird - ausweislich der Gesetzesmaterialien - klargestellt, dass die geltend gemachten Monate aus den letzten sechs Jahren beliebig vom Fremden in diesem Durchrechnungszeitraum gewählt werden können, wobei die letzten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt jedenfalls vom Fremden geltend zu machen sind. Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass die eigenen Einkünfte des Fremden ihm lediglich in den 36 geltend gemachten Monaten eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu ermöglichen haben. Ein vorübergehender Sozialhilfebezug in der nicht geltend gemachten Zeit der letzten sechs Jahre steht somit der Erfüllung der Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG nicht entgegen. Vielmehr ist der Lebensunterhalt des Fremden dann gemäß § 10 Abs. 5 StbG hinreichend gesichert, wenn in der geltend gemachten Zeit der letzten sechs Jahre vor Antragstellung sein Einkommen durchgehend dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor Antragstellung erreicht hat, ohne dass dabei Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften in Anspruch genommen wurden (vgl. VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0127, sowie das zitierte Erkenntnis VwGH Ra 2017/01/0013, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und die Gesetzesmaterialien).

12 Nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 5 zweiter Satz StbG müssen die eigenen Einkünfte im geltend gemachten Zeitraum dem Fremden eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre entsprechen. Die Voraussetzungen der Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen einerseits und die den Ausgleichszulagenrichtsätzen entsprechende durchschnittliche Höhe der Einkünfte andererseits müssen demnach kumulativ vorliegen.

13 In diesem Sinne erfolgte bereits durch die oberwähnte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Klarstellung, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG erfüllt, wobei es lediglich auf das objektive Vorliegen dieses Verleihungshindernisses ankommt.

14 Das Verwaltungsgericht ist von der erwähnten Rechtsprechung nicht abgewichen.

15 Im Revisionsfall stand der vom Verwaltungsgericht festgestellte (unstrittige) Bezug von Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung daher der Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Revisionswerberin entgegen. Die von der Revisionswerberin geltend gemachten Umstände (eigene Einkünfte, "versehentliche" Ausbezahlung der Mindestsicherung) ändern daran nichts, zumal das Vorliegen einer besonderen Fallkonstellation, in der ein Bezug von Sozialhilfeleistungen der Verleihung ausnahmsweise nicht entgegen steht, von der Revisionswerberin nicht begründet dargetan wurde (vgl. VwGH 20.9.2011, 2010/01/0046, mwN).

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010085.L00

Im RIS seit

03.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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