TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/15 L506 2206250-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2018
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Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L506 2206250-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, und § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 1 FPG und § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als Spruchpunkt VII. und Spruchpunkt VIII. zu lauten haben:

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. (Spruchpunkt VII.)

Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 28.11.2015 nach der Einreiseverweigerung durch die deutschen Behörden und Rückübernahme aus der Bundesrepublik Deutschland in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag gab der BF als Grund für seine Ausreise an, er habe ein ruhiges Leben, eine bessere Arbeit und Sicherheit gewollt. Die iranische Gesellschaft habe ihm nicht gefallen, weshalb er ‚raus' gewollt habe. Im Rückkehrfall rechne er mit keinen Sanktionen, doch hätten ihm Freunde gesagt, dass er im Falle einer Rückkehr umgebracht werden würde.

3. Am 13.03.2018 langte beim BFA eine Verständigung des LG XXXX über die rechtskräftige Verurteilung des BF wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 und 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren ein.

4. Am 24.10.2017 wurde eine Taufbestätigung den BF betreffend in Vorlage gebracht.

5. Am XXXX erfolgte eine Verwaltungsanzeige gegen den BF bezüglich eines Vorfalls vom XXXX sowie dessen Festnahme wegen des Delikts der Ordnungsstörung (§ 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz) in Verbindung mit wiederholt aggressivem Verhalten gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

6. Am XXXXerfolgte eine Meldung der LPD XXXX sowie ein entsprechender Abschlussbericht vom XXXX, wonach der BF eines Handydiebstahls beschuldigt wurde.

7. Am 27.07.2018 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA). Eingangs erklärte der BF, er sei in seiner Heimat vorbestraft und seien Fahndungsmaßnahmen gegen ihn existent. Er habe in der Erstbefragung nicht alles erwähnt. Er habe in seinem Coffee Shop, den er zwei Jahre an diesem Standort betrieben habe, Alkohol verkauft, weshalb ihm eine Haftstrafe von 10 oder mehr Jahren drohe und hätte er auch eine sehr hohe Geldstrafe zahlen müssen; die Grundbuchsauszüge der Eltern befinden sich bei den Behörden. Dies sei sein Ausreisegrund. Die Polizei sei in sein Lokal gekommen und habe den Alkohol gefunden, weshalb er nach XXXX geflüchtet sei; ein Freund habe den BF, welcher gerade Cocktails zubereitet habe, telefonisch gewarnt; alle Kunden im Lokal seien mitgenommen worden. Auch der Freund sei mitgenommen, jedoch wieder freigelassen worden.

Er sei sicher, dass nach ihm gesucht werde; sein Vater werde ständig von der Behörde mitgenommen und befragt und habe der Mietvertrag für das Lokal auf dessen Namen gelautet. Sein Vater habe als Entschädigung für die Strafe der Polizei den Grundbuchsauszug für die Wohnung gegeben.

Er sei mit dem Auto nach XXXX geflüchtet, wo er einen Monat im Haus seiner Tante verbracht habe; seine Mutter habe ihm erzählt, dass in seiner Abwesenheit mehrmals Personen mit einem Durchsuchungsbefehl gekommen seien; dies sei sowohl während seines Aufenthaltes in XXXX gewesen und sei auch jetzt noch so.

Im Iran sei er Moslem gewesen, in Österreich sei er jedoch zum Christentum konvertiert. Über einen Asylwerber habe er eine Person kennengelernt, die ihm vor ca. 8 Monaten das Christentum nähergebracht habe. Er habe bereits im Iran seinen Glauben ändern wollen, doch sei dies nicht möglich gewesen; er sei kein gläubiger Moslem gewesen. Er habe sich manchmal mit armenischen Freunden in deren Wohnung zusammengesetzt und habe er zugehört, wie diese in armenischer Sprache die Bibel gelesen hätten.

An einem ihm nicht erinnerlichen Datum im Jahr 2017 sei er von einer ihm nicht erinnerlichen Glaubensgemeinschaft getauft worden. Er habe einen Taufvorbereitungskurs besucht, einiges von dem dort erworbenen Wissen jedoch wieder vergessen. Vorerst habe er jeden Sonntag die Kirche besucht; da diese jedoch von seinem nunmehrigen Wohnort weit weg (eineinhalb Stunden) sei, besuche er diese einmal monatlich.

In seinem Wohnort gebe es zwar eine katholische Kirche, doch wolle er die Kirche in XXXX besuchen; dort sei er getauft worden und kenne er alle; es sei ihm auch vom dortigen Pfarrer vorgeschrieben worden, die dortige Kirche zu besuchen.

Der BF beschrieb über Aufforderung in wenigen kurzen Sätzen den Messablauf und erklärte, nicht alles zu verstehen. Einmal wöchentlich beschäftige er sich mit der Bibel. Der BF konnte weder den Inhalt des Alten Testaments noch jenen des Neuen Testaments angeben und erklärte, auch, vergessen zu haben, was er noch heute früh in der Bibel gelesen habe. Der BF beschrieb in wenigen kurzen Sätzen die Erwachsenentaufe; er vermochte nicht, die 10 Gebote aufzuzählen und erklärt, er wisse nicht, was die Eucharistiefeier sei, sondern begann, das ‚Vater Unser' aufzusagen. In der Kirche helfe er bei Aufräumarbeiten und erklärte er, ihn begeistere am Christentum die Liebe, die es im Islam nicht gebe.

Im Iran wissen seine Gäste und Freunde über seinen Glaubenswechsel bescheid und seien auf seinem Instagramaccount viele Bilder.

In einem wurden eine Bestätigung des Pfarrers von XXXX vom 12.07.2018 über dessen Gottesdienstbesuch, seine Teilnahme an Tauf- und Glaubenskursen und seine Taufe, ein Taufschein vom 15.04.2017 und ein A1 Zertifikat ein Militärausweis, ein Arztbrief vom 08.02.2017, in dem eine Schlafstörung diagnostiziert wurde, sowie eine Bestätigung über eine freiwillige Mitarbeit an zwei Tagen beim Roten Kreuz im Jahr 2016 und Kopien der Geburtsurkunde und des Personalausweises in Vorlage gebracht.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.).

Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III., IV. und V.)

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und festgestellt, dass gem. § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.) und festgestellt, dass der BF gem. § 13 Abs. 2 Z 1 sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verloren hat (Spruchpunkt IX.)

Das BFA hielt zusammengefasst beweiswürdigend fest, dass im Falle des BF, dessen Identität nicht feststehe, keine Verfolgung im Sinne der GFK existent sei, da die seitens des BF angegebenen Gründe für die Ausreise aufgrund von Steigerungen im Vorbringen, mangelnder Nachvollziehbarkeit und Widersprüchlichkeiten hinsichtlich des Verbleibs seiner Personaldokumente nicht glaubwürdig seien. Bei der in Österreich vorgenommenen Konversion handle es sich um eine Scheinkonversion.

Auch sei keine Rückkehrgefährdung des BF existent und bestehe in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben des BF.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das BFA fest, dass die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung für den Beschwerdeführer keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

Hinsichtlich des zweijährigen Einreiseverbotes hielt das BFA fest, dass aufgrund des Fehlverhaltens des BF (rechtskräftige Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage, Verdacht des Diebstahls, Anzeige wegen Ordnungsstörung) eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr, welche eine negative Prognose zulasse, existent sei.

9. Mit Verfahrensanordnung vom 29.08.2018 wurde dem BF gem. § 52 Abs. 1 BFA-VG durch das BFA ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

10. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 18.04.2017 innerhalb offener Frist vollinhaltlich Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid. Zu deren Inhalt im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Es wurden die Anträge gestellt, die Rechtsmittelbehörde möge

-) den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und diesem der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt werde;

-) in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid betreffend die gegen den Beschwerdeführer gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufgehoben werde

-) die Abschiebung des BF in den Iran gem. § 46 FPG für unzulässig erklären

-) das gem. § 53 Abs.1 iVm Abs. 2 FPG erlassene Einreiseverbot zur Gänze beheben

-) in eventu die Dauer des Einreiseverbotes auf ein verhältnismäßiges Ausmaß reduzieren

-) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen

-) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen

Hinsichtlich der Divergenzen zwischen Erstbefragung und Einvernahme wurde ausgeführt, der BF habe sich nicht getraut, in der Erstbefragung konkrete Angaben zum Ausreisegrund zu machen, da er Angst vor den Polizeibeamten gehabt habe und habe er grob und oberflächlich die Fragen beantwortet und ersuche er um eine mündliche Verhandlung, um die Vorkommnisse im Coffee Shop ausführlich schildern zu können.

Im weiteren schilderte der BF den Prozess hinsichtlich seiner Hinwendung zum christlichen Glauben und verwies dazu auf die länderkundlichen Feststellungen zur Thematik Abfall vom Islam bzw. Konversion. Der BF habe eine Taufurkunde vorgelegt und kenne er die 10 Gebote auswendig. Seinen "Ausfall" in der Einvernahme sei auf Nervosität zurückzuführen.

Der BF schilderte seine Integration in Österreich (Beherrschen der deutschen Sprache auf A 1 Niveau, vergebliches Bemühen um einen Arbeitsplatz); auch sei die über ihn verhängte Strafe wegen falscher Zeugenaussage bedingt nachgesehen worden und haben die weiteren Meldungen zu keinen Verfahren oder Verurteilungen geführt bzw. gelte gem. § 8 StPO jede Person bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig. Es gehe von der Person des BF keine Gefährdung aus, sodass dieser mit einem Einreiseverbot vorgebeugt werden müsse. Letztlich ersuchte der BF um eine 14tägige Frist zur freiwilligen Ausreise, da nach mehrjährigem Aufenthalt in Österreich die Regelung seiner persönlichen Verhältnisse erforderlich sei.

11. Gegenständliche Beschwerde langte samt bezug habendem Verwaltungsakt am 24.09.2018 in der hg. Gerichtsabteilung ein.

12. Mit hg. Beschluss vom 26.09.2018 wurde der Beschwerde gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

13. Am 12.10.2018 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der BF und das BFA geladen wurden.

14. Am 25.10.2018 langte hg. eine Benachrichtigung der BH XXXX ein, wonach der BF aufgrund der Anzeige vom XXXX mit Strafverfügung vom 25.10.2018 über den BF aufgrund der Verletzung der §§ 81 Abs. 1 und 82 Abs. 1 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt 170,- Euro (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 87 Stunden) verhängt wurde.

15. Mit Amtsvermerk der LPD XXXX vom 24.10.2018 wurde festgehalten, dass der BF im Zuge eines Streites einer andere Person einen Faustschlag versetzte.

16. Dem BF wurde zu den unter Pkt. 14.und 15 mit hg. Schreiben vom 05.11.2018 Parteiengehör eingeräumt, doch langte innerhalb der diesbezüglich eingeräumten Frist keine Stellungnahme des BF ein.

17. Mit Schreiben der BH XXXX vom 14.11.2018 wurde mitgeteilt, dass die Strafverfügung vom 25.10.2018 in Rechtskraft erwuchs.

18. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

19. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde und durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Die Identität des Beschwerdeführers, welcher Staatsangehöriger des Iran ist, steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte nach Rücküberstellung aus der Bundesrepublik Deutschland 28.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war noch pro futuro einer solchen ausgesetzt sein wird.

Der Beschwerdeführer verfügt einerseits kaum über Kenntnisse des christlichen respektive des evangelischen Glaubens und vermochte auch wesentliche diesbezügliche Fragen nicht zu beantworten. Er besucht Gottesdienste, nahm an einem Glaubenskurs teil und wurde am 15.04.2017 in der Friedenskirche XXXX getauft.

Dass sich der Beschwerdeführer ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt und sich dem christlichen Glauben zugewandt hat, kann nicht festgestellt werden.

Bei der behaupteten Konversion des Beschwerdeführers handelt es sich um eine Scheinkonversion.

Der Beschwerdeführer ist unverheiratet, gesund und arbeitsfähig und verfügt über seine Eltern und zwei Schwestern im Iran; er steht zu seiner Familie in Kontakt.

Der Beschwerdeführer hat im Iran in einem Coffee Shop gearbeitet und konnte von dieser Tätigkeit seinen Unterhalt bestreiten.

Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde oder als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wäre.

Zum Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat festgestellt werden.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstige nahen Bezugspersonen. Er ist kein Mitglied in einem Verein und lebt seit seiner Ankunft in Österreich von der staatlichen Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer wurde durch das LG XXXX mit Protokolls- und Urteilsvermerk vomXXXX rechtskräftig wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs. 1 und 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Am XXXX erfolgte eine Verwaltungsanzeige gegen den BF bezüglich eines Vorfalls vom XXXXsowie dessen Festnahme wegen des Delikts der Ordnungsstörung (§ 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz) in Verbindung mit wiederholt aggressivem Verhalten gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Mit Strafverfügung der BH XXXX vom 25.10.2018 wurde über den BF aufgrund der Verletzung der §§ 81 Abs. 1 und 82 Abs. 1 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt 170,- Euro (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 87 Stunden) verhängt, welche mit 14.11.2018 in Rechtskraft erwuchs.

Am XXXX erfolgte eine Meldung der LPD XXXXsowie ein entsprechender Abschlussbericht vom XXXX, wonach der BF eines Handydiebstahls beschuldigt wurde.

Der Beschwerdeführer versetzte lt. Amtsvermerk der LPD XXXX vom 24.10.2018 im Zuge eines Streites einer anderen Person einen Faustschlag.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Der Beschwerdeführer hat eine Deutschprüfung A1 abgelegt und spricht gebrochen deutsch.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Des Weiteren liegen weder die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", noch für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran festzustellen ist.

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat wird festgestellt:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 6.2018a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 9.2017). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2018a).

Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: 19.05.2017). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami/ Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar und April 2016 statt. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer [auch Oberster Rechtsgelehrter oder Revolutionsführer], seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 9.2017). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 2.3.2018).

Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. AA 6.2018a, FH 1.2018, BTI 2018).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln. Zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind

Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2018a).

Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt (AA 6.2018a, vgl. GIZ 3.2018a). Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt. Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA 6.2018a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 1.2018, vgl. AA 2.3.2018).

Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft: Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte in Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher noch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt war die Publikation der Bürgerrechtscharta im Dezember 2016. Die rechtlich nicht bindende Charta beschreibt in 120 Artikeln die Freiheiten, die ein iranischer Bürger haben sollte (ÖB Teheran 9.2017).

Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dass sich die USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückziehen werde, stieß international auf Kritik. Zudem will Trump die in der Folge des Wiener Abkommens von Juli 2015 ausgesetzten Finanz- und Handelssanktionen wiedereinsetzen (Kurier 9.5.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (6.2018a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 20.6.2018

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AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

-

BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 21.3.2018

-

Kurier (9.5.2018): Trump kündigt Iran-Abkommen: So reagiert die Weltgemeinschaft,

https://kurier.at/politik/ausland/trump-kuendigt-iran-abkommen-so-reagiert-die-weltgemeinschaft/400033003, Zugriff 25.6.2018

-

GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a):

Geschichte und Staat Iran,

https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 25.4.2018

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ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMeiA 20.6.2018).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am

6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018

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BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018

Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände (vgl. Art.279 bis 288 IStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des IStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 2.3.2018).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei, die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK), die aus Belutschistan stammende Jundallah, und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK), die eng mit ihrer Schwesterorganisation, der PKK, zusammenarbeitet (AA 2.3.2018). KDPI, Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv. Dies sind politische Gruppierungen, aber vor allem PJAK und Komala erscheinen momentan weniger aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle, dass sie noch nie davon gehört hätte, dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau, wie z.B. das Verteilen von Flyern angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quelle schon möglich, dass man inhaftiert wird, wenn man mit politischem Material, oder beim Aufmalen von politischen Slogans an eine Wand erwischt wird. Es kommt darauf an, welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

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DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf, Zugriff 15.6.2018

Volksmudschaheddin (Mudjahedin-e-Khalq - MEK, MKO; People's Mojahedin Organisation of Iran - PMOI; National Council of Resistance of Iran - NCRI)

Die militante iranische Exil-Oppositionsbewegung Mujahedin-e Khalq (MEK, oder auch MKO, "iranische Volksmudschahedin") gilt in Iran als Terror-Organisation, die für die Ermordung von 17.000 IranerInnen verantwortlich gemacht wird (ÖB Teheran 9.2017). Es handelt sich um eine linksgerichtete Gruppierung, die in den 1960er Jahren gegründet wurde, um sich gegen den Schah zu stellen. Nach der Islamischen Revolution 1979 wendete sie sich gegen die klerikalen Führer. Die Führung in Teheran macht die Gruppierung für Tausende Morde an iranischen Zivilisten und Beamten verantwortlich. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980er Jahren verlegten die Volksmudschaheddin ihr Camp in den Irak (Global Security o.D., vgl. ACCORD 7.2015). Experten sind sich einig, dass die Volksmudschaheddin die USA beim Eingreifen in den Irak, bei diversen Aktionen im Nahen Osten und beim Kampf gegen den Terrorismus unterstützt haben. Auch bei der Veröffentlichung des iranischen Atomprogramms sollen sie eine wichtige Rolle gespielt haben (DW 28.3.2016). In Bezug auf die Demonstrationen, die Ende 2017/Anfang 2018 in den großen Städten Irans stattfanden, gab der Oberste Führer Khamenei den Großteil der Schuld an den Demonstrationen der MEK und erkannte somit das Ausmaß des Einflusses dieser Gruppierung an (Iran Focus 18.1.2018, vgl. Arab News 22.1.2018). Weiters kritisierte Präsident Rohani den französischen Präsidenten Macron, dass eine terroristische Gruppierung, die gegen das iranische Volk arbeitet und zu Gewalt aufruft, in Frankreich eine Basis hat [der von Maryam Rajavi geführte Nationale Widerstandsrat hat seinen Sitz in Frankreich] (Iran Focus 18.1.2018)

Die Entwaffnung der Kämpfer der Volksmudschaheddin im Camp Ashraf und an anderen Orten nahe Bagdad bei der US-Invasion im Irak erfolgte durch die Amerikaner. Die MEK-Führung habe sich von Saddam Hussein distanziert und ihre Opposition gegenüber der islamischen Regierung in Teheran betont. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die MEK aus Sicht der Amerikaner neu erfunden. Die MEK-Führung stellt sich selbst als demokratische und populäre Alternative zum islamischen Regime dar und behauptet, über Unterstützung der iranischen Bevölkerungsmehrheit zu verfügen. Diese Behauptung wird von AkademikerInnen und anderen Iran-ExpertInnen bestritten. Im Exil hat die MEK-Führung den Nationalen Widerstandsrat [National Council of Resistance of Iran (NCRI)] gegründet (Guardian 21.9.2012, vgl. ACCORD 9.2013). Die Streichung der MEK von der Liste terroristischer Organisation durch die EU und die Vereinigten Staaten 2012 wurde von iranischer Seite scharf verurteilt. Verbindungen zur MEK gelten als moharebeh (Waffenaufnahme gegen Gott), worauf die Todesstrafe steht (ÖB Teheran 9.2017).

Die MEK konzentriert sich auf das Beeinflussen der öffentlichen Meinung und auf das Sammeln von Informationen zur Situation im Land. Iran führt eine Liste mit ca. 100 MEK-Unterstützern (hauptsächlich Anführern), die nicht nach Iran zurückkehren können, da sich das Interesse der Behörden auf sie richten würde. In Bezug auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung für die MEK gibt es widersprüchliche Informationen. Einerseits gibt es Informationen, die besagen, dass die MEK die größte militante iranische Oppositionsgruppe sei, mit dem Ziel die Islamische Republik zu stürzen, und die iranische Regierung und der Sicherheitsapparat die MEK als die am meisten ernstzunehmende regimekritische Organisation betrachten. Andererseits gibt es Berichte, die der MEK wenig bis gar keine Unterstützung der Bevölkerung zusprechen. Die MEK hat keine große Basis in Iran und auch die Untergrundbewegung ist klein. Nur einige MEK-Aktivisten sind in Iran aufhältig (ACCORD 7.2015).

Quellen:

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ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 20.6.2018

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ACCORD (9.2013): Iran COI compilation, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1384784380_accord-iran-coi-compilation-september-2013-corrected-2013-11-18.pdf, Zugriff 20.6.2018

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Arab News (22.1.2018): Iranian people are ready to usher in a 'new day', http://www.arabnews.com/node/1274381, Zugriff 26.6.2018

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DW - Deutsche Wlle (28.3.2016): Iranische Volksmudschahedin in Albanien,

http://www.dw.com/de/iranische-volksmudschahedin-in-albanien/a-19132961, Zugriff 20.6.2018

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Global Security (o.D.): Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO), http://www.globalsecurity.org/military/world/para/mek.htm, Zugriff 20.6.2018

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The Guardian (21.9.2012): Q&A: what is the MEK and why did the US call it a terrorist organisation?

http://www.theguardian.com/politics/2012/sep/21/qanda-mek-us-terrorist-organisation, Zugriff 20.6.2018

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Iran Focus (18.1.2018): Iran Regime's Weakness and Its Fear From Pmoi/Mek Exposed During the Uprising, https://www.iranfocus.com/en/index.php?option=com_content&view=article&id=32380:iran-regime-s-weakness-and-its-fear-from-pmoi-mek-exposed-during-the-uprising&catid=4:iran-general&Itemid=109, Zugriff 26.6.2018

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ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

PJAK - Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê (Partei für Freiheit und Leben in Kurdistan bzw. Partei für ein freies Leben Kurdistans)

Die PJAK begann in den späten 1990er Jahren als friedliche studentische Menschenrechtsorganisation. Es ging den Mitgliedern der Gruppierung anfangs um den Aufbau einer kurdischen Nationalidentität, und man wollte die "Arianisierung" der Kurden durch die Zentralregierung verhindern. 2004 begannen die bewaffneten Angriffe auf die iranische Regierung von den Kandil-Bergen aus, von wo aus die PJAK bis heute operiert. Eben dort hat auch die PKK ihre Basen und die PJAK gilt als iranischer Ableger der PKK. Als Unterschied zur PKK gibt die PJAK selbst an, dass sie sich niemals gegen Zivilisten, sondern immer nur gegen ausschließlich iranische Regierungstruppen wendet bzw. gewandt hat. Die iranische Regierung hat die PJAK auch niemals diesbezüglich beschuldigt. Die PJAK ist die einzige kurdische Partei, die noch immer aktiv für ihre Ziele - z. B. Selbstbestimmung - in Iran kämpft. Angaben über die Stärke der PJAK-Kämpfer sind schwierig. Schätzungen liegen bei ca. 3.000 Kämpfern. Es gibt auch einige Einheiten mit weiblichen Kämpferinnen (BMI 2015, ACCORD 7.2015).

Die PJAK liefert sich seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 2.3.2018). Unter den politisch Verfolgten in Iran sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK und das oftmals unverhältnismäßig hohe Strafausmaß. Zusammenstöße zwischen Kurden und iranischen Sicherheitskräften, welche insbesondere im zweiten Quartal 2016 zunahmen und, neben hunderten Festnahmen, auch zu Toten und Verletzten führten, nähren Befürchtungen, dass Kurden zukünftig vermehrt Repressalien ausgesetzt sein könnten, nicht zuletzt um Sympathiebekundungen mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der irakischen Kurden hintanzuhalten. Hier gilt es jedoch anzumerken, dass von kurdischer Seite Gewalttätigkeiten gegen iranische Sicherheitskräfte zunahmen. So bestätigte etwa die Demokratische Partei Kurdistans in Iran im September 2016, dass die Peschmerga, Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan, einen bewaffneten Konflikt mit iranischen Regierungstruppen in den kurdischen Gebieten Irans begonnen hätten. Iran wird weiter mit allen Mitteln aufrührerische Tendenzen unterdrücken wollen (ÖB Teheran 9.2017). Die PJAK erscheint momentan weniger aktiv (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei der PJAK gibt es zwei Arten von Mitgliedschaft: Professionelle Mitglieder, die unter anderem auch militärisches Training erhalten und Waffen tragen. Diese sind unverheiratet und haben ihr Leben der PJAK gewidmet. Sie werden von der PJAK z.B. in kurdische Dörfer oder Städte entsandt, wo sie versuchen, die Leute zu organisieren und verschiedene Komitees und legale Organisationen zu gründen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Professionelle Mitglieder nehmen an militärischen und politischen Aktivitäten der PJAK teil. Als zweite Gruppe werden die semi-professionellen oder lokalen Mitglieder genannt, die ein ganz normales Leben mit ihren Familien führen. Sie nehmen nicht an militärischen Aktivitäten teil, führen aber politische Aktivitäten aus, wie z.B. Flyer verteilen. Um ein semi-professionelles Mitglied zu werden, muss man das Ausbildungsprogramm der Partei durchlaufen. Neben diesen beiden Gruppen gibt es auch noch die Sympathisanten, die selten auch Flyer verteilen oder an Demonstrationen teilnehmen. Diese sind nicht direkt an der Organisation von Demonstrationen beteiligt und haben auch keine Verbindung zur Organisation der Partei. Die Sympathisanten arbeiten unter der Führung der semi-professionellen Mitglieder. Da die PJAK in Iran eine verbotene Organisation ist, müssen sowohl Mitglieder als auch Sympathisanten mit ernstzunehmenden Strafen rechnen, wenn ihre Aktivitäten enthüllt werden (DIS/DRC 30.9.2013).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran

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ACCORD (7.2015): COI compilation Iran: Political Opposition Groups, Security Forces, Selected Human Rights Issues, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/4543_1436510544_accord-iran-coi-compilation-july-2015.pdf, Zugriff 20.6.2018

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BMI - Langanger, Simone (2015): Kurdish political parties in Iran,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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