TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/6 G309 2174363-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.12.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2174363-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen, in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Dr. Ronald TREMMEL, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, gegen den Bescheid vom 05.05.2017 und die Beschwerdevorentscheidung vom 02.06.2017 des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, OB: XXXX, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Der Grad der Behinderung beträgt 70 (siebzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 20.02.2017 stellte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag waren verschiedene medizinische Beweismittel, eine Kopie der Meldebestätigung des BF sowie Unterlagen der Pensionsversicherungsanstalt (ua ein Bescheid der über die [weitere] Zuerkennung der Invaliditätspension) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Facharzt für Psychiatrie, vom 27.04.2017 wird nach persönlicher Untersuchung des BF am 25.04.2017, im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Alkoholabhängigkeitserkrankung, ein Wert unter dem obersten Rahmensatzwert gemäß dem langjährigen Krankheitsbild, nervenfachärztliche Behandlung, keine Arbeitsfähigkeit, soziale Beeinträchtigungen.

03.08.01

30

2

Depressive Störung ein Wert über dem untersten Rahmensatzwert gemäß dem langjährigen Krankheitsbild, nervenfachärztliche Behandlung, komorbider Substanz-konsum, geringe soziale Beeinträchtigungen.

03.06.01

20

3

Chronisches Asthma bronchiale ein Wert über dem untersten Rahmensatzwert gemäß der funktionellen Einschränkung, Monotherapie, geringe Frequenz der Atemnotanfälle.

06.07.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

 

 

 

"Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

GS1 ist die führende Beeinträchtigung, wobei sich bei wechselseitiger gegenseitiger Leidensbeeinflussung zu GS2 und GS3 eine Anhebung um insgesamt eine Stufe ergibt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

ADHS, Agoraphobie mit Panikstörung - keine eindeutigen Hinweise auf das Vorliegen dieser psychischen Erkrankungen."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.05.2017 wurde ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) v. H. (von Hundert) festgestellt und der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten vom 27.04.2017.

4. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der BF mit Schreiben vom 15.05.2017 (Datum: Poststempel) fristgerecht Beschwerde. Darin brachte der BF unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass er mit dem Grad der Behinderung nicht einverstanden sei, da sein Gesundheitszustand nachweislich schlechter sei und sich nicht verbessere.

5. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde weitergeführten Ermittlungsverfahrens wurde XXXX, Facharzt für Psychiatrie, ersucht, eine medizinische Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen vorzunehmen. In der Stellungnahme vom 01.06.2017 führte der Sachverständige aus, dass bei seiner klinisch psychiatrischen Exploration die Erkrankungen ADHS sowie Agoraphobie gemäß den Kriterien der ICD-10 nicht festgestellt werden konnten. Ferner waren diese Diagnosen in den Befunden der den BF langjährig behandelnden (niedergelassenen) Nervenfachärztin nicht vermerkt. Die übrigen Krankheitsbilder seien berücksichtigt worden und ergebe sich durch den aktuellen Befund vom 16.05.2017 keine klinische Änderung. Der Grad der Behinderung bleibe daher aufrecht.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.06.2017 wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v. H. festgestellt, der Bescheid hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses bestätigt und die Beschwerde abgewiesen.

7. Gegen die Beschwerdevorentscheidung erhob der BF - nunmehr vertreten durch die Arbeiterkammer Steiermark - mit Schreiben vom 13.06.2017 fristgerecht das Rechtsmittel des Vorlageantrages.

8. Die gegenständliche Beschwerdesache und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 23.10.2017 vorgelegt.

9. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im eingeholten Gutachten vom 12.10.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 22.01.2018, zusammengefasst wie folgt ausgeführt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Alkoholerkrankung Oberer RSW entsprechend dem langjährigen Krankheitsbild mit mehreren stationären Entzugsbehandlungen, sozialer Problematik und bestehender Arbeitsunfähigkeit

03.08.01

40

2

Wiederkehrende depressive Erkrankung Unterer RSW entsprechend der langjährigen Erkrankung mit schwerwiegenden Suizidversuchen, bei bestehender langjähriger nervenfachärztlicher Behandlung und stationären Aufenthalten und Erwachsenen - Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom entsprechend der erfolgten Testung bei deutlicher Einschränkung der Leistungsfähigkeit.

03.06.02

60

3

Chronisches Asthma bronchiale Eine Stufe über dem untersten RSW gemäß der funktionellen Einschränkung, Monotherapie und geringer Frequenz der Atemnotanfälle

06.07.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

 

 

 

"Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Bei der heutigen Begutachtung wird die GS 2 als führende GS angesehen. Diese wird mit 60 vH bewertet. Die GS1 ergibt 40vH, die GS3 20vH.

Durch wechselseitige Verstärkung und Beeinflussung hebt die GS1 die GS2 um eine Stufe an, so dass ein GdB von 70 vH besteht.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Bei der heutigen Begutachtung erscheinen die Defizite bedingt durch die GS1 und die GS2 erheblicher und im Alltag einschränkender als im Vorgutachten angegeben.

Weiters besteht bereits ein lang andauernder Krankheitsverlauf mit wiederholten stationären Aufenthalten und medikamentösen Therapien, so dass von einer zunehmenden Chronifizierung auszugehen ist, der zu einer deutlichen Beeinträchtigung im sozialen Leben und zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat."

10. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG iVm mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 22.10.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der BF leidet unter einer wiederkehrenden depressiven Erkrankung, chronischem Asthma bronchiale und einer Alkoholerkrankung.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 70 (siebzig) v. H. (von Hundert). Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung zum Wohnsitz des BF gründet sich auf einen aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Das im Ermittlungsverfahren durch das erkennende Gericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, vom 12.10.2018, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Dabei wurden die wiederkehrende depressive Erkrankung, die Alkoholerkrankung und das chronische Asthma bronchiale befunden und diese Funktionseinschränkungen gemäß der derzeit gültigen Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Abweichungen des Sachverständigengutachtens von XXXX zu dem von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten ergeben sich nachvollziehbar aus der höheren Einschätzung der Defizite des BF durch die Sachverständige. Im Vordergrund des Leidenszustandes des BF steht die wiederkehrende depressive Erkrankung mit einem Grad der Behinderung von 60 von Hundert. Durch die wechselseitige Verstärkung und Beeinflussung hebt die Alkoholerkrankung diese führende Gesundheitsschädigung um eine Stufe. Es konnte demnach ein Grad der Behinderung von 70 v. H., objektiviert werden.

Bei dem im Gutachten unter der Tabelle ausgewiesenen und grau unterlegten Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. handelt es sich offensichtlich um einen Tippfehler, zumal sich - wie oben dargestellt - aus den Ausführungen der Sachverständigen nachvollziehbar ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v. H. ergibt.

Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Das Sachverständigengutachten wird der Entscheidung des erkennenden Gerichts daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Abweichend davon beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 46 BBG zwölf Wochen.

Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt hat.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (Bundesgesetz über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen - EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Da ein Grad der Behinderung von 70 (siebzig) von Hundert festgestellt wurde und auch die sonstigen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses beim BF erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2174363.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten