TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/14 G305 2189605-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2019
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Entscheidungsdatum

14.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch

G305 2189605-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien, vom 14.02.2018, Zl. XXXX nach einer am 07.01.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: so oder kurz: BF) ist Staatsangehöriger der Republik Irak und stellte am 12.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 05.11.2015 (ab 10:35 Uhr) fand eine Erstbefragung des BF vor Organen der LPD Wien statt. Zu seiner Reiseroute befragt, sagte er im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er am 05.10.2015 mit dem Flugzeug von XXXX aus in die Türkei eingereist wäre und sich dort zwei Tage lang aufgehalten hätte. Danach sei er - schlepperunterstützt - mit einem Schlauchboot nach XXXX (Griechenland) weitergereist und habe er dort einen Landesverweis erhalten. Danach sei er mit einer Fähre nach Athen und von hier mit dem Bus nach Mazedonien weitergereist. Von Mazedonien sei er mit dem Auto nach Serbien gefahren und von hier aus mit dem Zug nach Kroatien weitergereist. Von hier aus sei er mit der Bahn nach Ungarn gekommen und von dort aus an österreichische Staatsgrenze, die er zu Fuß überquert habe. [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 05.11.2015, S. 4 oben Pkt. 9.9]. Nach seinen Angaben habe die Reise ca. 8 Tage gedauert [Ebda, S. 4 unten Pkt. 9.21].

Seine Fluchtgründe stützte er darauf, dass ihm als Sunnit die Arbeit in XXXX als Verkäufer im Außendienst erschwert worden sei, weshalb er sich nach XXXX habe versetzen lassen. Dort habe er sechs Monate lang gearbeitet. Bei einem Besuch seiner in XXXX lebenden Eltern sei er entführt und gegen Zahlung von Lösegeld wieder freigelassen worden [Ebda, S. 5 oben Pkt. 11].

2. Anlässlich einer am 26.06.2017 von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er im Dezember 2014 im Unternehmen XXXX aufgenommen worden sei. Anlässlich einer gegen Ende Dezember 2014 durchgeführten Inventur sei hervorgekommen, dass einige Produkte, im Schätzwert von US-Dollar 40.000,00, gefehlt hätten. Hierauf sei es zwischen den Abteilungen wegen der fehlenden Produkte zu Komplikationen gekommen und habe es Mitarbeiterkündigungen gegeben. Der Direktor habe den Verursacher wissen wollen. Als der BF eines Tages einem Händler Waren verkaufen wollte, habe dieser Händler ihm gesagt, dass ihm bereits ein gewisser XXXX Waren verkauft hätte. So habe sich herausgestellt, dass XXXX mit dem Lagerleiter die Waren vom Unternehmen gestohlen und weiterverkauft habe. XXXX, sein Vorgesetzter, habe von seinen Machenschaften und davon erfahren, dass der BF beim Händler war. Der Händler habe ihn angerufen und informiert. Als der BF zurückkehrte, sei er von XXXX gefragt worden, warum er beim Händler war und diesem etwas verkaufen wollte. Darauf hin habe XXXX dem BF gesagt, dass er von der XXXX und der BF Sunnit sei. Würde er etwas verraten, würde er ihm eine Kugel in den Kopf jagen. In der Folge habe er den BF und dessen Familie beschimpft und vor den anderen erniedrigt. Der BF habe geschwiegen und sei weggegangen. Er hätte zwei Möglichkeiten gehabt, entweder den Unternehmensleiter zu verständigen, was seinen Tod bedeutet hätte, oder so zu tun, als ob er von nichts wisse. Als er unterwegs war, habe er den Unternehmensleiter über sein Handy angerufen und erzählt, was passiert war. Danach habe er sein Handy weggeworfen und sei nach Hause gefahren. Zu Hause habe ihm sein Vater geraten, sofort nach XXXX zu gehen. Er sei dann nach XXXX gegangen und habe in einem Hotel gewohnt. Im Einkaufszentrum XXXX habe er Arbeit gefunden und sei sechs Monate in BAGDAD geblieben. Eines Tages habe ihn sein Vater angerufen und ihm gesagt, dass die Mutter krank sei und er kommen müsse, weil sie vielleicht sterben müsse. Bei seiner Rückkehr nach XXXX sei er an einem Checkpoint kontrolliert worden. Er habe nach Hause weiterfahren können. Zwei Stunden später seien sie von einer Einheit überrascht worden, die so etwas wie Militäruniformen angehabt hätten. Sie hätten ihm die Augen und Hände verbunden und ihn mitgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Darauf sei er zwei Tage festgehalten worden. Als sie ihn frei ließen, sei er in einer unbekannten Gegend ausgesetzt worden. Während der Festnahme habe niemand mit ihm gesprochen. Nur kurz vor seiner Freilassung habe ihm jemand gesagt, dass man ihn nie wieder in XXXX sehen wolle. Zu Hause angekommen, habe ihm sein Vater gesagt, dass er Lösegeld für ihn gezahlt hätte. Am nächsten Tag habe sich der BF ein Ticket in die Türkei gekauft. Weitere Fluchtgründe habe er nicht [BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6f].

3. Mit Bescheid vom 14.02.2018, Zl. IFA XXXX, dem BF am 19.02.2018 persönlich zugestellt, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des BF auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

4. Die gegen diesen Bescheid (fristgerecht) erhobene Beschwerde verband er mit den Anträgen, 1.) die Rechtsmittelbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass seinem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und ihm der Status eines Asylberechtigen zuerkannt werde, 2.) in eventu möge ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zuerkannt werden, 3.) in eventu möge ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG erteilt werden, 4.) weiter möge die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und die Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak gem. § 46 FPG aufgehoben werden und 5.) möge eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG anberaumt werden.

5. Am 19.03.2018 legte die belangte Behörde die gegen den vorbezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

6. Am 07.01.2019 wurde vor dem erkennenden Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich welcher der BF (in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung und eines Dolmetschers für seine Muttersprache) einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der im Spruch genannte, am XXXX geborene Beschwerdeführer (XXXX) ist Staatsangehöriger der Republik Irak. Seit seiner Geburt bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte er in XXXX.

Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist arabisch [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 4 unten].

1.2. Zur Reiseroute und Einreise des BF in das Bundesgebiet und zu seiner persönlichen Situation im Irak:

Der BF ist am 05.10.2015 mit dem Flugzeug von XXXX aus in die Türkei ausgereist. Dort verbrachte er zwei Tage, bevor er - schlepperunterstützt - mit dem Schlauchboot nach XXXX (Griechenland) übersetzte. In XXXX wurde er erkennungsdienstlich behandelt und erhielt in der Folge einen Landesverweis. Anschließend reiste er mit der Fähre nach Athen weiter, von wo aus er mit dem Bus nach Mazedonien und in der Folge nach Serbien weiterreiste. Von hier aus setzte er seine Reise mit der Bahn nach Kroatien und an einen nicht feststellbaren Ort in Ungarn fort, von wo aus er mit der Bahn bis an die österreichische Grenze gelangte, die er zu Fuß überquerte. Im Bundesgebiet eingetroffen, setzte er seine Reise nach Wien fort, wo er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt eintraf. Insgesamt dauerte seine Reise nach den Angaben des BF acht Tage [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 05.11.2015, S. 3f, Pkte.

9.9 und 9.21.].

Beim Grenzübertritt ins Bundesgebiet führte er kein Reisedokument mit sich, sodass sich der Grenzübertritt und auch der Aufenthalt des BF als illegal erweisen [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 05.11.2015, S. 3 Pkt. 9.7.].

Am 12.10.2015 stellte er vor einem Organ der öffentlichen Sicherheitsbehörde den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 05.11.2015, S. 2 Pkt. 2.].

Im Herkunftsstaat besuchte er - jeweils in seiner Heimatstadt XXXX - sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und drei Jahre das Gymnasium, welches er jedoch nicht mit der Matura abschloss.

Ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2014 erlernte er - während seiner beruflichen Tätigkeit - den Beruf des Verkäufers. Die insgesamt fünf Monate gedauert habende Lehre schloss er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Mai 2014 ab [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 05.11.2015, S. 1; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 5 unten].

Den Lebensunterhalt im Herkunftsstaat verdiente er als Vertreter des zum XXXX-Konzern gehörigen Unternehmens XXXX, für das er ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des April 2013 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat am 05.10.2015 als Vertreter von Kosmetikprodukten tätig war [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6 mittig]. Mit dieser Tätigkeit brachte er 1.400,00 US-Dollar monatlich ins Verdienen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6 mittig]. Als Vertreter war er für die Entgegennahme von Aufträgen und für deren Weiterleitung an den für die Belieferung der Kunden zuständigen Mitarbeiter des Unternehmens, sowie für das Verfassen der Fakturen zuständig. Seine Zuständigkeit umfasste definitiv nicht die Belieferung der Kunden mit Waren [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 16 mittig].

Dass sich der BF ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 im Ausmaß von sechs Monaten in XXXX aufgehalten und dort in einem Restaurant als Kellner gearbeitet hätte, konnte nicht festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6 oben].

Der BF ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 3 unten].

Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat am 05.10.2015 wohnte er mit seiner Kernfamilie (sohin seinen Eltern, XXXX, geb. XXXX, seiner Mutter XXXX, geb. XXXX, und einem Bruder mit dessen Familie) in einem Haus im Bezirk XXXX in der Gemeinde XXXX in der Provinz XXXX. Dieses Haus, das sich im Eigentum seines Vaters befindet, weist eine Quadratur von 286 m² auf, die sich auf insgesamt drei Zimmer verteilt. Dem Haus ist ein kleiner Garten und eine kleine Garage für einen PKW angeschlossen. In dieser Garage hatte der BF sein Auto abgestellt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6 unten].

Die Eltern des BF sind Pensionisten, wohnen nach wie vor im Haus der Kernfamilie in der Gemeinde XXXX und beziehen eine Pension vom irakischen Staat. Im gemeinsamen Haushalt mit ihnen lebt ein zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborener Bruder des BF, XXXX, der in der Firma XXXX in XXXX im Bezirks XXXX als Verkäufer arbeitet und ebenfalls mit Kosmetikprodukten handelt. Dieser Tätigkeit ging er zumindest auch noch am Tag der vor dem BVwG stattgehabten mündlichen Verhandlung nach. Ein weiterer Bruder, XXXX, geb. XXXX, lebt ebenfalls im Haus der Eltern; er verdient sich den Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter auf Baustellen. Während sein Bruder XXXX verheiratet ist und drei Kinder hat, ist XXXX unverheiratet und kinderlos.

Im Herkunftsstaat leben auch alle fünf Schwestern des BF, XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX; sie sind allesamt verheiratet und haben Kinder. Die Ehegatten der Schwestern des Beschwerdeführers sind allesamt berufstätig. Bis auf eine Schwester, die mit ihrem Ehegatten ein eigenes Haus bewohnt, leben die übrigen Schwestern des BF bei den Kernfamilien ihrer Ehegatten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 7].

Mit den Angehörigen seiner Kernfamilie steht er über E-Mail bzw. die elektronischen Medien (facebook, whatsApp, Viber) in regelmäßigem Kontakt. Mit seinen Eltern und den Geschwistern telefoniert er zweibis dreimal wöchentlich [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8 oben]

Der BF selbst war gehörte weder als Mitglied einer politischen Partei an, noch einer politisch aktiven Bewegung, noch einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 7 unten].

Beim Verlassen des Herkunftsstaates (am 08.08.2015) hatte er ebenfalls keine Probleme.

1.3. Zur persönlichen Situation des BF in Österreich:

Der BF hat keine Familienangehörigen oder Verwandte, die im Bundesgebiet leben würden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8].

Er ist unverheiratet und kinderlos. Er hat zwar seit 18 Monaten Kontakt zu einer im Bundesgebiet lebenden, alleinstehenden Frau [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 4f], doch wohnt er selbst in einer vom XXXX betriebenen Flüchtlingsunterkunft an der Anschrift XXXX [PV des Bin in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 5 unten]. Dass zwischen ihm und dieser im Bundesgebiet aufhältigen Frau eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehen würde, oder dass er von ihr finanziell unterstützt würde, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Zuletzt belegte der BF einen Deutschkurs auf dem Niveau B1. Er besitzt jedoch lediglich rudimentäre Grundkenntnisse der deutschen Sprache [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8 unten].

Er bezieht die Grundversorgung vom Staat und geht keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Er hat lediglich kurzfristig Arbeiten auf geringfügiger Basis verrichtet, wie etwa im Jahr 2017 über einen Zeitraum von sechs Monaten in einem zur Republik Österreich gehörigen Schlossanlage im Ausmaß von vier oder fünf Stunden pro Woche als Reinigungskraft, oder seit ca. zwei Monaten in einem Sozialmarkt der Bundeshauptstadt jeweils am Dienstag und Freitag von 09:00 bis 15:00 Uhr. Auch in seiner Flüchtlingsunterkunft arbeitet er alle drei Monate im Ausmaß von jeweils einer Woche für 10 Stunden pro Woche als Reinigungskraft [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8f].

Derzeit besucht er in Österreich weder einen Kurs, noch eine Schule, noch eine Universität. Er gehört auch keiner Organisation oder einem Verein als Mitglied an [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9].

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.4. Zu den Fluchtgründen des BF:

1.4.1. Bis zu seiner am 05.10.2015 erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte der Beschwerdeführer in der Gemeinde XXXX im Bezirk XXXX in der Provinz XXXX. Gemeinsam mit seinen Eltern und einem Bruder, der verheiratet war, wohnte er in einem Haus seines Vaters, das eine Fläche von 286 m² das drei Zimmer, einen kleinen Garten und eine Garage für einen PKW umfasste, worin der BF sein Auto abgestellt hatte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6 unten].

Er war durchgehend von April 2013 bis zu seiner am 05.10.2015 stattgehabten Ausreise aus dem Herkunftsstaat für den XXXX-Konzern als Vertreter für Kosmetikprodukte tätig [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6 mittig]. Als solcher war er für die Entgegennahme von Aufträgen und für deren Weiterleitung an den für die Belieferung der Kunden zuständigen XXXX und für das Schreiben der Rechnungen zuständig. Er war definitiv nicht für die Belieferung der Kunden mit Waren zuständig [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 16 mittig]. Auch der Bruder des BF, XXXX, der für die Firma XXXX in XXXX tätig ist, handelt mit Kosmetikprodukten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF den Juden zugeneigt wäre und worin diese Zuneigung bestehen sollte. Selbst bei Wahrunterstellung einer Zugeneigtheit gegenüber Religion konnte nicht festgestellt werden, dass Arbeitskollegen bzw. Milizangehörige diese Neigung des BF entdeckt hätten. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF aus religiösen Gründen oder wegen der von ihm behaupteten Sympathie für die Juden von seinen Arbeitskollegen provoziert oder bedroht worden wäre [BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 10; siehe dazu jedoch BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6f].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er namentlich konkret bezeichnete Arbeitskollegen (XXXX, XXXX und XXXX) beim Diebstahl von Produkten (z.B. Kosmetikprodukten, Shampoos, Seifen etc.), die seine Arbeitgeberin verkaufte, auf die Schliche gekommen wäre und er diesen Umstand dem in XXXX stationierten Generaldirektor des Unternehmens mitgeteilt hätte [BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 10 unten; jedoch BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6].

Die Kommunikation zwischen dem BF und seinen drei Arbeitskollegen erstreckte sich lediglich auf arbeitsbezogene Themen, wie die Waren, die Warenmengen und die Arbeit als solches. Politische Gespräche führte er mit diesen Personen nicht [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 17 oben].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der Generaldirektor die oben näher bezeichneten Arbeitskollegen des BF angerufen hätte und dass XXXX und XXXX gleich damit begonnen hätten, den BF zu verfolgen, indem sie diesen beschimpften und beleidigten und ihm später sogar mit dem Umbringen gedroht hätten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 11 oben; dagegen BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S 6 unten und S. 7 oben].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF nach den von ihm behaupteten Geschehnissen, wonach er von den zuvor genannten zwei Kollegen beschimpft, beleidigt und mit dem Umbringen bedroht worden sein soll, nach XXXX gegangen wäre und in einem in einem Einkaufszentrum untergebrachten Restaurant als Kellner gearbeitet und als solcher Speisen und Getränke serviert hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 12 mittig; dagegen PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6 mittig].

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er kurz vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat aus seinem Elternhaus in XXXX von uniformierten Personen entführt und an einen ihm unbekannten Ort gebracht worden wäre. Auch bei Wahrunterstellung einer etwaigen Entführung kam nicht hervor, wer diese konkret durchgeführt haben soll. Auch kam nicht hervor, dass konkret die Arbeitskollegen des BF bzw. die schiitische Miliz XXXX hinter der vom BF behaupteten Entführung stecken könnte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 13 oben].

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass diese Miliz irgendetwas mit den behaupteten Diebstählen in jenem Unternehmen, bei dem auch der BF als Vertreter für Kosmetikprodukte arbeitete, zu tun gehabt haben könnte.

Nach seinen eigenen Angaben hatte der BF weder vor, noch nach der Entführung direkten persönlichen Kontakt zur XXXX noch zu einer anderen schiitischen Miliz [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 16f].

Der BF legte zwar der belangten Behörde ein allgemein gehaltenes Drohschreiben vor, das nicht an ihn persönlich adressiert war. Dieses Schreiben wurde ihm als Foto per E-Mail von seiner Mutter übermittelt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dieses Schreiben in die Garage des Elternhauses geworfen worden wäre und dass dieses konkret an den BF gerichtet gewesen wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 17 unten].

Gegen die Familie des BF gerichtete Drohungen gab es weder in der Zeit, als er noch im Herkunftsstaat lebte, noch in dem zwischen seiner Ausreise bis laufend gelegenen Zeitraum [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 19 oben].

1.4.2. Dass der Beschwerdeführer mit den Behörden, den Gerichten, der Polizei oder den Milizen seines Herkunftsstaates Probleme gehabt hätte, konnte nicht festgestellt werden.

1.4.3. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat aus Gründen seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber, aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Muslime sunnitischer Glaubensrichtung, oder aus politischen Gründen verfolgt worden wäre.

Im Herkunftsstaat war er nach eigenen Angaben weder politisch, noch militärisch aktiv [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 7 unten].

1.5. Zur allgemeinen Situation des BF im Herkunftsstaat:

1.5.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier ABADI MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt TALLAFAR durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave um HAWIJA südwestlich von KIRKUK.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 10.01.2019)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 10.01.2019)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 10.01.2019).

1.5.2. Zum Gewaltmonopol des Staates

Den staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen [sowie der IS] handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017). Insbesondere über den Nordwesten des Irak kann die Regierung nicht die Kontrolle behalten und muss sich auf die [vorwiegend] schiitischen Milizen der PMF verlassen. Die zwei wichtigsten davon sind Asaïb Ahl al-Haq (AAH) und die Badr-Brigaden, die beide [effektiv] unter dem Kommando des Iran stehen (Stansfield 26.4.2017). Durch die staatliche Legitimierung der Milizen verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Staatliche Ordnungskräfte können sich teilweise nicht mehr gegen die mächtigen Milizen durchsetzen (AA 7.2.2017).

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 18.05.2018:

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 12.01.2019

Stansfield, Gareth - Professor of Middle East Politics and the Al-Qasimi Chair of Arab Gulf Studies at the University of Exeter (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.- 26. April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf, Zugriff 12.01.2019

1.5.3. Zur Lage der Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft im Irak:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch ist es mitunter vorgekommen, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen geworden sind.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat zwar die vormals friedliche Koexistenz zwischen den Sunniten und den Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert, doch ergeben sich aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft. Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Irak und sind in Gesellschaft und in der Politik vertreten und treten auch zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 auch sunnitische Parteien an.

Die Sicherheitslage im Irak hat sich gegen Ende des Jahres 2017 und Anfang des Jahres 2018 stabilisiert.

Quellen:

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Zugriff am 11.01.2019)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Zugriff am 10.01.2019)

Institute of war, Final 2014 Iraqi National Elections Results by Major Political Groups (19.05.2014), http://iswiraq.blogspot.co.at/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html#!/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html (Zugriff am 10.01.2019)

Rudaw, Kurdish, Sunni MPs boycott Iraqi parliament session over budget dispute, 01.03.2018,

http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/03012018 (Zugriff am 10.01.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Zugriff am 10.01.2019)

WING, Joel, Musings on Iraq, 649 Deaths, 275 Wounded Feb 2018 In Iraq (UPDATED), 03.03.2018 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/ mwN (letzter Zugriff am 10.01.2019)

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht.

Es gibt nach wie vor Regionen, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber gibt es auch in dem von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Irak sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges und friedliches Nebeneinander von Angehörigen der sunnitischen und Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft.

1.5.4. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative für arabische Sunniten im Irak:

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen für Binnenflüchtlinge implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit einer Bürgschaft, die Registrierung bei lokalen Behörden, sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch die Sicherheitsbehörden. Dies beruht auf der Befürchtung der Regionen fürchten, dass sich unter den Schutzsuchenden IS-Kämpfer befinden könnten.

Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person. Eine ID-Karte ist in fast allen Regionen erforderlich, doch besteht nicht in jeder Region die Notwendigkeit eines Bürgen.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (letzter Zugriff am 11.01.2019).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (letzter Zugriff am 11.01.2019)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (letzter Zugriff am 11.01.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018)

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die AUTONOME REGION KURDISTAN einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu KURDISTAN oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einreisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragen. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der AUTONOMEN REGION KURDISTAN bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region SULAIMANIYYA zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodann den Daueraufenthalt beantragen. In SULAIMANIYYA ist nach Berichten der UNHCR kein Bürge notwendig, um sich niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90 % aller Binnengeflüchteten in SULAIMANIYYA in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83 % Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in SULAIMANIYYA am Bildungssystem teilhaben. Binnengeflüchtete haben dort die Möglichkeit, in den verschiedensten Berufsfeldern zu denselben Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

In BAGDAD gibt es mehrere sunnitisch mehrheitlich bewohnte Stadtviertel. Zur Einreise von sunnitischen Arabern in das Stadtgebiet BAGDADS müssen sich diese einem Sicherheitscheck unterziehen, vor allem, wenn sie aus vom IS dominierten Gebieten kommen. Darüber hinaus kann ein Bürge notwendig sein.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018)

1.5.5. Behandlung nach der Rückkehr

Aus Österreich kehrten in der ersten Jahreshälfte 2017 in etwa 346 Iraker freiwillig in den Irak zurück - von diesen fast alle im Zuge einer sogenannten unterstützten Rückkehr (BFA 11.8.2017).

Quelle:

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upöoad/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakk-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, (letzter Zugriff am 18.10.2018)

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (11.8.2017): IRAK Ausreise Quartalsweise, per E-Mail

1.5.6. Zur persönlichen Ausgangssituation des Beschwerdeführers:

Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat war der BF im Herkunftsstaat als Vertreter von Kosmetikprodukten für den UNILEVER-Konzern tätig.

Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass er während seines Aufenthaltes im Herkunftsstaat oder darüber hinaus nach seiner am 05.10.2015 erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat aus religiösen oder politischen Gründen von Arbeitskollegen oder von Angehörigen einer schiitischen Miliz bedroht oder verfolgt worden wäre.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er auf Grund von gegen ihn gerichteten Drohungen eines Arbeitskollegen bzw. mehrerer Arbeitskollegen zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 nach BAGDAD gegangen wäre und sich dort durch sechs Monate hindurch aufgehalten hätte. Bei Wahrunterstellung eines in BAGDAD stattgehabten Aufenthaltes wurde er weder von Dritten noch von einer Miliz verfolgt oder bedroht.

Ungeachtet dessen, dass nicht festgestellt werden konnte, ob der BF tatsächlich von bewaffneten Personen in Militäruniform oder in Polizeiuniform entführt wurde, lässt sich selbst bei Wahrunterstellung einer Entführung des BF nicht feststellen, dass ein bzw. mehrere Arbeitskollegen oder die Schiitenmiliz AS'IB AHL AL HAQQ als Urheber in Betracht kämen.

Die Angehörigen der Kernfamilie des BF leben nach wie vor unbehelligt in BASRA. Dass auch nur einer von ihnen aus politischen Gründen oder aus Gründen ihrer ethnischen Zugehörigkeit Verfolgung oder Bedrohung durch die Polizei, die Behörden oder die Gerichte des Herkunftsstaates bzw. eine schiitische Miliz erlitten hätten, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Verwaltungsgerichtsaktes und aus der am 07.01.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung.

2.2. Zur Person und zu den Reisebewegungen des BF:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (XXXX alias XXXX, geb. XXXX), Staats- und Religionszugehörigkeit und zur Muttersprache des BF getroffen wurden, beruhen diese auf seinen diesbezüglichen Angaben in der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde, sowie auf seiner Kenntnis und Verwendung der Sprache Arabisch im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und in der vom erkennenden Gericht am 07.01.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung.

2.2.2. Die Konstatierungen zur Reiseroute und zum Zeitpunkt seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in seiner Erstbefragung, die im Wesentlichen mit seinen vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben in Einklang stehen und daher als glaubwürdig angesehen werden konnten [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 05.11.2015, S. 3f Pkt. 9.9.].

2.3. Zur persönlichen Situation des BF im Herkunftsstaat:

Die Angaben des BF zu seinem Schulbesuch in seiner Heimatstadt XXXX konnten als glaubwürdig eingestuft werden, zumal sich die diesbezüglichen, anlässlich seiner Erstbefragung am 05.10.2015 gemachten Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde im Wesentlichen mit jenen in Einklang bringen lassen, die er in der vor dem BVwG stattgehabten mündlichen Verhandlung machte.

Die zu seinen Wohnverhältnissen und zu seinen familiären Verhältnissen im Irak getroffenen Konstatierungen beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung beruhen auch die Konstatierungen zu den Aufenthaltsorten der Angehörigen seiner Kernfamilie und dass die im Herkunftsstaat lebenden (in den Feststellungen dieses Erkenntnisses näher bezeichneten) Angehörigen seiner Kernfamilie dort unbehelligt leben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6f].

2.4. Zur persönlichen Situation des BF im Bundesgebiet:

Die Feststellungen, dass der BF im Bundesgebiet (mit Ausnahme seiner mit zwei österreichischen Staatsangehörigen gezeugten Kinder) keine Familienangehörigen hat und nicht verheiratet ist hat, beruhen auf seinen eigenen Angaben in der vor dem BVwG stattgehabten mündlichen Verhandlung. Auf diesen Angaben beruhen die weiteren Konstatierungen, dass er seit 18 Monaten zu einer im Bundesgebiet lebenden, alleinstehenden Frau Kontakt hat. Da seine Angaben zur behaupteten (eheähnlichen) Lebensgemeinschaft mit dieser Frau lediglich rudimentären Charakter aufweisen, war die entsprechende Konstatierung zu treffen, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF mit dieser Frau in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft leben würde [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8].

Die zu seinen Integrationsschritten in Österreich getroffenen Konstatierungen beruhen auf den im Verfahren vorgelegten Nachweisen (Deutschkurs-Bestätigung des Vereins Kulturzentrum XXXX vom 29.02.2016, Teilnahmebestätigungen des Magistrates der Stadt XXXX, dass er am 02.06.2016 am Info-Modul "Soziales" bzw. am 09.06.2016 am Info-Modul "Bildung" bzw. am 23.06.2016 am Info-Modul "Gesundheit" bzw. am 30.06.2016 am Info-Modul "Wohnen" teilgenommen hat, Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem BF vom 11.08.2016, dass der BF an einer gemeinnützigen Tätigkeit (Pflege und Instandhaltung von Gebäuden, Flächen, Anlagen oder Einrichtungen, Betreuung von Parkanlagen) teilgenommen hat, Bericht des XXXX vom 22.05.2017; Nachweis über freiwillige Tätigkeiten des Hilfswerks im Zeitraum 13.11.2018 bis 04.01.2018 und Sozialbericht des XXXX vom 16.12.2018) sowie auf seinen Angaben in der vor dem BVwG stattgehabten mündlichen Verhandlung vom 07.01.2019 [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8]. Auf derselben Quelle beruhen auch die zur erworbenen Sprachkompetenz des BF getroffenen Konstatierungen.

Die dazu getroffenen Konstatierungen, dass er im Bundesgebiet nie erwerbstätig war, beruht auf einem AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszug.

Die zu seiner (strafrechtlichen) Unbescholtenheit (in Österreich) getroffenen Konstatierungen beruhen auf dem amtswegig eingeholten (aktuellen) Strafregisterauszug.

2.5. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Im Rahmen seiner vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde am 05.11.2015 stattgehabten Erstbefragung brachte der BF zu seinen Fluchtgründen befragt vor, dass er in XXXX als Verkäufer im Außendienst gearbeitet hätte. Als Sunnit sei ihm die Arbeit in XXXX erschwert worden. Daher habe er sich nach XXXX versetzen lassen. Dort habe er sechs Monate gearbeitet. Als er seine Eltern in XXXX besuchte, sei er während seines Besuches entführt und gegen Zahlung eines Lösegeldes entlassen worden [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 05.11.2015, S. 5, Pkt. 11.].

Vor der belangten Behörde gab er im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er im Dezember 2014 im Unternehmen XXXX aufgenommen worden sei. Ende Dezember habe eine Inventur stattgefunden, durch die man darauf gekommen sei, dass einige Produkte fehlen würden. Zwischen den Abteilungen sei es wegen der fehlenden Produkte zu Komplikationen gekommen und seien Mitarbeiter gekündigt worden. Als er eines Tages zu einem Händler ging, um ihm Ware zu verkaufen, habe dieser gemeint, dass ein gewisser XXXX, den der BF als Vorgesetzten der Verkäufer bezeichnete, bereits Waren verkauft hätte. Es habe sich herausgestellt, dass XXXX die Waren mit dem Lagerleiter gestohlen und weiterverkauft habe. Als der BF ins Unternehmen zurückgekehrt war, habe XXXX, sein Vorgesetzter, von seinen Machenschaften erfahren und dass der BF beim Händler gewesen sei. XXXX habe vom BF wissen wollen, warum er beim Händler war und etwas verkaufen wollte. Sodann habe er ihm gesagt, dass er von der XXXX sei. Würde der BF etwas verraten, würden sie ihm eine Kugel in den Kopf jagen, auch wenn er sich bei der Familie verstecken würde. Sodann habe er den BF und dessen Familie beschimpft, beleidigt und erniedrigt. Der BF habe geschwiegen und sei weggegangen. Er habe nicht gewusst, was er tun solle. Als er unterwegs war, habe er (der BF) den Unternehmensleiter angerufen und erzählt, was passiert war. Danach habe er sein Handy weggeworfen und sei nach Hause gefahren. Zu Hause angekommen habe ihm sein Vater geraten, dass er sofort nach XXXX gehen solle. Dort habe er in einem Einkaufszentrum gearbeitet und sei sechs Monate geblieben. Nachdem er eines Tages von seinem Vater angerufen worden sei und erzählt bekam, dass seine Mutter krank sei und vielleicht bald sterben müsse, sei er nach XXXX zurückgekehrt. Nachdem er nach Hause gekommen war, seien sie zwei Stunden später von einer Einheit überrascht worden, die "so etwas wie Militäruniformen anhatten". Sie hätten ihm die Augen und Hände verbunden und ihn mitgenommen. Als sie ihn freiließen, hätten sie ihn in einer unbekannten Gegend ausgesetzt. Er habe die ganze Zeit nicht verstanden, was vorgefallen wäre. Als er zu Hause ankam, habe ihm sein Vater gesagt, dass er Lösegeld für ihn gezahlt hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6f].

Der BF baute seine Fluchtgeschichte vor der belangten Behörde im Kern auf einer gegen ihn gerichteten Drohung seines unmittelbaren Vorgesetzten auf, der im Unternehmen Waren gestohlen haben soll, und den BF so zum Stillschweigen bringen wollte und auf einer angeblichen Entführung kurz vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat.

Im Kern hielt er die Fluchtgeschichte auch in der vor dem BVwG am 07.01.2019 stattgehabten mündlichen Verhandlung aufrecht. Allerdings machte er schon zu seinem Arbeitsbeginn im Unternehmen XXXX widersprüchliche Angaben; so hatte er vor der belangten Behörde angegeben, dass er dort im Dezember 2014 aufgenommen worden sei [BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6 mittig], womit als Arbeitsbeginn ein nicht festgestellter Zeitpunkt im angesprochenen Monat in Frage kommt. Im Rahmen seiner PV vor dem BVwG hatte er dagegen angegeben, seit April 2013 für dieses Unternehmen tätig gewesen zu sein; hier habe er "von 2013 - 2015 (bis zu meiner Ausreise)" mit Kosmetikprodukten gehandelt [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 6].

In weitere Widersprüche verstrickte er sich hinsichtlich der angeblichen Fehlbestände bei den von seiner Dienstgeberin gehandelten Waren. So hatte er vor der belangten Behörde angegeben, dass anlässlich einer Ende Dezember 2014 durchgeführten jährlichen Inventur das Fehlen einiger Produkte im Schätzwert von 40.000,00 US-Dollar festgestellt worden sei, was zu Komplikationen zwischen den Abteilungen und zur Kündigung von Mitarbeitern geführt habe [BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6]. Damit unterstellte er, dass der Warenfehlbestand durch eine unternehmensintern geführte (jährliche) Inventur hervorgekommen wäre, sohin das Unternehmen den Fehlbestand aus eigenem entdeckte. Dazu, wie der Warenfehlbestand zustande kam, machte er vor der belangten Behörde mit dem Hinweis, dem Unternehmen erst kurz angehört zu haben und nichts zu wissen, keine Angaben.

Dagegen gab er vor dem BVwG an, dass drei seiner Kollegen, und zwar XXXX, XXXX und XXXX in der Firma Produkte (Kosmetikprodukte, Shampoos, Seifen und andere Produkte) gestohlen hätten. Dann gab er an, dass er "zwar persönlich nichts mitbekommen" habe, dass XXXX etwas gestohlen hätte, "aber er war bekannt als Dieb". An einer anderen Stelle gab er auf die Frage "Haben Sie persönlich mitbekommen, dassXXXX, XXXX und XXXX gestohlen haben?" an, dass er dies sehr wohl mitbekommen hätte, dass alle stahlen. Er habe "immer wieder gesehen, wie sie Schachteln in ihre Fahrzeuge fuhren. Ich konnte immer wieder feststellen, dass Waren fehlten". Damit setzte er sich in Widerspruch zu seiner oben gegebenen Antwort, dass er nicht mitbekommen hätte, dass XXXX gestohlen hätte. Bei seiner ersten Antwort machte er die Beteiligung des XXXX an den Diebstählen im Wesentlichen daran fest, dass diesem der Nimbus eines Diebes vorauseilte. Bei der Antwort auf die weitere Frage, wollte er alle Mitarbeiter, sohin auch XXXX dabei beobachtet haben, wie dieser mit seinem Fahrzeug ins Lager fuhr und wie "sie" "Schachteln in ihre Fahrzeuge luden" [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 10 unten]. Mit der angeblichen Beobachtung dieser Vorgänge wurde der BF zwangsläufig zum Zeugen und Mitwisser. Genau dies stellte er mit seiner vor der belangten Behörde gemachten Angabe, dass die Fehlbestände im Warenbestand durch die unternehmenseigene Revision (= jährliche Inventur) hervorgekommen wären und mit der Angabe, dass er noch jung im Unternehmen gewesen sei, in Abrede.

Vor der belangten Behörde gab er an, dass der bei der internen Revision hervorgekommene Warenfehlbestand zu Komplikationen zwischen den Abteilungen für Buchhaltung, Lager und Verkauf geführt hätte und dass Mitarbeiter auch gekündigt worden seien.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht verneinte er jedoch die Frage, ob irgendjemand wegen Fehlständen bzw. fehlenden Produkten in der Zeit, in der er für da Unternehmen in XXXX arbeitete, gekündigt bzw. entlassen worden wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S.12 oben]. Damit setzte er sich ebenfalls in Widerspruch zu seinen vor der belangten Behörde gemachten Angaben.

Vor dem BVwG hatte er weiter angegeben, dass er seine Beobachtungen betreffend die Diebstähle dem in XXXX stationierten Generaldirektor des Unternehmens mitgeteilt hätte; seinen direkten Vorgesetzten, XXXX, habe er nicht informiert, "da er mit den anderen Mitarbeitern unter einer Decke steckte" [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 10 mittig]. Sodann führte er weiter aus, dass der Generaldirektor noch an dem Tag, an dem ihn der BF über die Malversationen im Unternehmen unterrichtet hatte, empört die Mitarbeiter angerufen hätte, die sogleich damit begonnen hätten, den BF zu beschimpfen und zu beleidigen. Später hätten sie ihm "mit dem Tod gedroht". Auch hätten sie ihn als Verräter und Lügner bezeichnet und gesagt, dass er ihnen das Leben versaut hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 11]. Er (Anm.: der BF) habe noch an dem Tag, an dem er den Chef informiert habe und beschimpft worden sei, die Firma verlassen und sei nach Hause gegangen. Damit unterstellt er, dass es unmittelbar an die Information zu einer Konfrontation zwischen den Dieben und ihm gekommen sei, die ihn veranlasst hätten, das Unternehmen zu verlassen und nach Hause zu gehen. Noch am selben Tag sei er - über Anraten seines Vaters - nach XXXX gegangen, wo er sich in der Folge sechs Monate aufgehalten hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 11f].

Vor der belangten Behörde hatte er angegeben, dass die Warenfehlbestände durch die unternehmensinterne Revision Ende Dezember 2014 hervorgekommen wären. Hier soll ein erster Hinweis auf einen Dieb erst durch Zufall entstanden sein; so will sich der BF eines Tages zu einem Händler aufgemacht haben, um diesem Waren zu verkaufen; dieser hätte ihm gesagt, dass "ein gewisser XXXX, der Vorgesetzte der Verkäufer" ihm die Waren verkauft hätte [BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6]. Bei dieser Gelegenheit soll sich herausgestellt haben, dass "XXXX mit dem Lagerleiter die Waren vom Unternehmen gestohlen hat und weiterverkauft hat".

Vor der belangten Behörde stellte sich auch die Verständigungskette völlig anders dar, als später vor dem BVwG.

So hatte der BF vor der belangten Behörde angegeben, dass der Händler den Vorgesetzten des BF, XXXX, angerufen und ihn informiert haben soll. Dadurch habe letzterer von seinen Machenschaften und davon erfahren, dass der BF beim Händler war. Daraufhin habe ihm XXXX mitgeteilt, dass er von der XXXX sei und dass man dem BF eine Kugel in den Kopf jagen würde, sollte dieser etwas verraten. Damit setzte sich der BF mit seinen vor dem BVwG gemachten Angaben in einen neuerlichen Widerspruch den vor dem BFA gemachten Angaben.

Als in Widerspruch zu den Angaben vor dem BVwG stehend erweisen sich auch die weiter vor dem BFA gemachten Angaben des BF, dass der BF den Unternehmensleiter auf dem Heimweg mit dem Handy angerufen und erzählt haben will, was passiert war. Danach habe er sein Handy weggeworfen und sei nach Hause gefahren [BF in Niederschrift des BFA vom 26.06.2017, S. 6 unten].

Der Widerspruch in den einzelnen Darstellungen vor der belangten Behörde und dem BVwG beruht hier darin, dass die Mitteilung an den Unternehmensleiter (bzw. Generaldirektor) vor dem BFA erst auf dem Nachhauseweg erfolgte, während sie nach der Darstellung vor dem BVwG noch während seines Aufenthaltes im Unternehmen ergangen sein soll.

Ein weiterer Widerspruch in den einzelnen Darstellungen beruht darin, dass in der Darstellung vor der belangten Behörde nur der Vorgesetzte des BF, XXXX, letzteren konfrontiert, beschimpft und mit dem Umbringen bedroht haben soll, während nach der Darstellung vor dem BVwG der BF von den Mitarbeitern XXXX und XXXX, sohin von zwei Personen beschimpft und bedroht worden sein soll [PV des BF in Verhandlung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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