TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/17 W159 2155147-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2019
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Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2155147-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , alias geb. XXXX , StA von Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 und 9 sowie 46 und 55 Abs. 1-3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein damals unbegleiteter Minderjähriger Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen, gelangte am 02.04.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch die XXXX .

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass sein Bruder für die Amerikaner gearbeitet hätte. Er wisse jedoch nicht, welche Arbeit sein Bruder ausgeführt hätte. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer aus diesem Grund belästigt. Er sei auch von den Taliban einmal geschlagen worden. Aus diesem Grund suche er um Asyl in Österreich an.

Aufgrund von Zweifel an seinem minderjährigen Alter wurde eine Altersfeststellung beantragt. Der Röntgenbefund vom 16.04.215 zeigte auf, dass sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia geschlossen seien. Am Radius zeigte sich eine zarte Epiphysennarbe (Ergebnis: GP31, Schmeling 4).

Das Sachverständigengutachten vom 15.05.2015 schlussfolgerte, dass ein höchstmögliches Mindestalter mit 17,1 Jahren anzunehmen sei. Daraus würde sich ein fiktives Geburtsdatum XXXX ableiten. Das behauptete Lebensalter sei nicht mit dem festgestellten Mindestalter vereinbar. Mit einer Verfahrensanordnung stellte die Behörde fest, dass es sich bei dem Asylwerber nach dem derzeitigen Kenntnisstand um eine minderjährige Person handeln würde.

Am 19.10.2016 wurde der XXXX als Vertreter in allen Angelegenheiten bestellt. Am selben Tag wurde Säumnisbeschwerde erhoben.

Am 06.12.2016 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab an, dass sein Vater bereits verstorben sei. Sein Vater sei verstorben als er ungefähr ein Jahr alt gewesen sei. Er wisse nicht, wie sein Vater verstorben sei. Die Taliban seien in Afghanistan gewesen. Nach dem Tod des Vaters habe der älteste der Brüder die Familie versorgt. Alle Geschwister bis auf diesen Bruder seien mit der Mutter nach Pakistan zu einem Onkel mütterlicherseits gezogen. Er habe 5 Geschwister. Er wisse nicht, wo sich die Geschwister aufhalten würden, jedoch ein Bruder würde sich in Österreich aufhalten.

Er habe in Pakistan die Koranschule besucht und könne wenig Pashtu lesen. Seinen Lebensunterhalt habe er sich seit dem 10. Lebensjahr als Obstverkäufer verdient.

Er habe Afghanistan wegen seinem Bruder verlassen. Dieser habe in Afghanistan für die Amerikaner als Dolmetscher gearbeitet. Sein anderer Bruder, welcher sich nun in Österreich aufhalte, sei deswegen von den Taliban geschlagen worden und sie hätten ihn gezwungen mit ihnen zu arbeiten. Deswegen sei er geflüchtet. Da er jetzt von zu Hause weg sei, wisse er nicht, ob die Familie weiter Schwierigkeiten haben würde. Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer, dass die Taliban in Pakistan seien. Die Taliban seien nach Pakistan gekommen und hätten nach seinem großen Bruder, welcher für die Amerikaner gearbeitet hätte, gefragt. Als dieser nicht anwesend gewesen sei, hätten sie nach dem Bruder gefragt, welcher nunmehr nach Österreich geflüchtet sei. Damals sei er 13 Jahre alt gewesen. Auf die Frage, ob die Ausreise nicht damit zu tun habe, dass die in Pakistan illegal lebenden Afghanen zurückgeschoben werden würden, antworte der Beschwerdeführer, dass dies jetzt begonnen habe. Er könne weder nach Pakistan noch nach Afghanistan.

Es wurden div. Deutschkursbestätigen vorgelegt.

Der Beschwerdeführer zog seine Säumnisbeschwerde vom 10.10.2016 mit E-Mail vom 01.02.2017 zurück. Das Säumnisbeschwerdeverfahren wurde am 22.02.2017 vom Bundesverwaltungsgericht eingestellt.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, vom 05.04.2017, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 16.09.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt. Eine Rückkehrentscheidung wurde erlassen. Die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan sei zulässig. Die Frist für die Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt.

Die belangte Behörde gab an, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe habe glaubhaft machen können. Dies würde sich auf die Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gründen. Die vom Beschwerdeführer gemachten Angaben würden den Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr nicht entsprechen. Sie seien nicht genügend substantiiert. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage konkrete und detaillierte Angaben zu seinen Erlebnissen zu machen. Das Vorbringen sei weder schlüssig noch plausibel, was voraussetzen würde, dass sich der Beschwerdeführer nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen würde bzw. dass sein Vorbringen mit den Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung übereinstimmen würde. Der Beschwerdeführer sei als Person selbst eindeutig nicht glaubhaft und deswegen könne schon aus diesem Grund seinen Angaben zu den Fluchtgründen keine Glaubhaftigkeit beschieden werden. Der Beschwerdeführer habe angegeben am XXXX nach dem gregorianischen Kalender geboren worden zu sein, kenne sein Geburtsdatum aber nach der afghanischen Zeitrechnung nicht. Wie könne es möglich sein, dass die Mutter nach dem Tod des Vaters noch jüngere Geschwister gebar. Es sei dem Beschwerdeführer auch nicht möglich gewesen anzugeben, ob der Vater bereits gestorben gewesen sei oder doch mit nach Pakistan gegangen sei. Die belangte Behörde meinte auch, dass der Beschwerdeführer nach dem Besuch der Koranschule (für die Dauer von drei Jahren, sechsmal wöchentlich) Pashtu ausreichend lesen und schreiben können müsse. Des Weiteren vermutete die belangte Behörde auch, dass der große Bruder noch immer in Afghanistan, XXXX aufhältig sei. Der Beschwerdeführer habe keine konkretisierten Angaben zu seinem Fluchtgrund gemacht, habe beinahe alle Fragen mit "das weiß ich nicht" beantwortet und hätte behauptet weder vom Elternhaus im Herkunftsort, noch den in Afghanistan verbliebenen Verwandten Kenntnis zu haben. Das Vorbringen des Beschwerdeführers und das Vorbringen des Bruders des Beschwerdeführers seien beide nicht glaubwürdig. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet der große Bruder des Beschwerdeführers, der angeblich von den Taliban bedroht bzw. verfolgt werde, in Afghanistan verbleiben könne, die restliche Familie aber nach Pakistan fliehe und dort von den Taliban heimgesucht werden würde.

Betreffend die Situation im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer eine erwachsene, gesunde, erwerbsfähige Person sei, die im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen würde. Er würde über die erforderlichen Sprachkenntnisse und den kulturellen Hintergrund für Afghanistan verfügen. Er habe bereits gearbeitet und für seinen Lebensunterhalt gesorgt. Wie aus den Länderinformationsblättern zu entnehmen sei, habe sich in manchen Teilen der Provinz Nangarhar die Sicherheitslage aufgrund von militärischen Operationen verbessert. Die Aktivitäten des IS hätten sich auf einige Gebiete dieser Provinz beschränkt. Die Rückkehr in die Heimregion scheine mit Anreise über XXXX und XXXX oder auf dem Landweg auf einer Hauptautobahn grundsätzlich möglich und zumutbar. Es seien keine Umstände hervorgekommen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2,3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten würde. Der Beschwerdeführer als Zivilperson werde nicht ernsthaft des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch den XXXX im vollen Umfang Beschwerde, wobei gleichzeitig die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt wurde. Es wurde angegeben, dass das persönliche Vorbringen des Beschwerdeführers in Übereinstimmung mit der Berichtslage übereinstimme, schlüssig und glaubwürdig sei. Unabhängig vom persönlichen Vorbringen würde durch die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der jungen kampffähigen Männer Asylrelevanz iSd GFK und GRC entstehen. Kurz nach der Erlassung des bekämpften Bescheides sei die stärkste nichtatomare Bombe auf Nangarhar abgeworfen worden, wodurch auch zahlreiche Zivilisten getötet worden seien.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 06.11.2018 an, zu der sich die belangte Behörde für ihre Nichtteilnahme entschuldigen ließ. Weder der Rechtsvertreter noch der Rechtsberater des Beschwerdeführers erschienen zur Verhandlung, der Beschwerdeführer erklärte jedoch ausdrücklich, dass er auch ohne Vertreter und Rechtsberater an der Verhandlung teilnehmen könne.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, dass es bei der zweiten Befragung, bei zwei Fragen vermutlich Missverständnisse zwischen ihm oder dem Dolmetsch gegeben habe. Er habe angegeben, dass er ein Kleinkind gewesen sei, als sein Vater verstorben sei, daher könne er nicht angeben, wann er tatsächlich verstorben sei. Der Beschwerdeführer habe auch angegeben, dass sie von Afghanistan nach Pakistan übersiedelt seien. Er sei dann gefragt worden, wo seine anderen Geschwister geboren worden seien. Bei dieser Frage sei es zu einem Missverständnis gekommen. Er habe angegeben, dass er nicht wisse, wann die Familie nach Pakistan übersiedelt sei, darüber hinaus wisse er auch nicht, wann sein Vater verstorben sei, protokolliert sei das anders worden.

Der Beschwerdeführer gab an aus Afghanistan zu stammen. Er würde keine Dokumente besitzen, auch keine Tazkira. Seine Vorfahren und er seien Afghanen. Er wisse nicht, wie alt er gewesen sei, als die Familie Afghanistan verlassen habe müssen. Er stamme aus Nangarhar, aus der " XXXX " aus dem Grenzgebiet, aus dem Dorf XXXX .

Probleme, die durch seinen Bruder entstanden seien, hätten dazu geführt, dass die gesamte Familie aus Afghanistan flüchten habe müssen. Er sei Moslem und Sunnite und gehöre dem Stamm der XXXX an. Diese seien ein Teil der Volksgruppe der Pashtunen.

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er in Afghanistan geboren worden sei. Er könne sich nicht daran erinnern, wann die Familie Afghanistan verlassen habe. Laut den Erzählungen sei er ein Kleinkind gewesen. Er habe dann in Pakistan, in der Stadt XXXX , in einer Gegend namens XXXX , in der Nähe der Straße XXXX , gelebt. Dort befände sich auch eine Moschee namens XXXX .

Er habe in Afghanistan keine Schule besucht, in Pakistan sei er ungefähr ein Jahr lang in eine Koranschule gegangen, deswegen könne er auf Pashtu etwas lesen und schreiben, den Koran könne er auch etwas auf Arabisch lesen.

Laut den Erzählungen hätte sein Bruder, der für die Amerikaner gearbeitet habe, die Familie in Afghanistan versorgt. Aufgrund der Probleme, die entstanden seien, habe die Familie nach Pakistan flüchten müssen. Verursacht seien diese Probleme durch seinen Bruder worden. Er selbst sei in Pakistan Straßenverkäufer für Gemüse gewesen.

Auf die Frage, ob er wirtschaftliche Probleme in Afghanistan oder in Pakistan gehabt hätte, antworte der Beschwerdeführer, sie hätten hauptsächlich Probleme wegen der Taliban gehabt. Auch als sie nach Pakistan geflüchtet seien, hätten sie erneut Probleme mit den Taliban bekommen. Finanzielle Sorgen seien hinzugekommen.

Der Beschwerdeführer erzählte, dass der Vater verstorben sei, er könne sich an seinen Tod nicht erinnern und wisse nicht, ob er in Afghanistan oder in Pakistan getötet worden sei. Er wisse auch nicht, durch wen der Vater getötet worden sei. Vieles sei von ihm ferngehalten worden. Er wisse aber, dass die Familie intensive Probleme mit den Taliban gehabt habe.

Der Beschwerdeführer gab an, er habe eine Schwester und vier Brüder. Von seinem ältesten Bruder kenne er den Aufenthaltsort nicht, er wisse nur, dass er für die Amerikaner gearbeitet hätte. Er wisse nicht, ob der Bruder nach wie vor für die Amerikaner arbeiten würde und was sonst mit ihm geschehen sei. Der letzte Informationsstand seit seiner Ausreise sei, dass er sich in Afghanistan aufgehalten und arbeiten würde.

Ein anderer Bruder würde in XXXX leben. Von den restlichen zwei Brüdern wisse er nicht, wo sie sich aufhalten würden. Seine Schwester würde bei seiner Mutter bei einem Onkel mütterlicherseits in Pakistan leben.

Auf die Frage des Richters, ob er in Afghanistan persönlich Probleme mit staatlichen Behördenorganen oder Privatpersonen gehabt habe, antwortete der Beschwerdeführer sein Bruder hätte als Dolmetscher für die Amerikaner gearbeitet. Die Taliban hätten es auf seine gesamte Familie abgesehen, somit sei er auch von diesen Problemen betroffen gewesen.

Er sei damals ein Kleinkind gewesen und hätte was passiert sei, nicht richtig wahrnehmen können. Die Mutter habe ihn aus der Heimat weggebracht. Als er älter geworden sei, habe er der Mutter Fragen gestellt. Es seien unbekannte Personen bei ihnen zuhause gewesen und hätten Fragen gestellt. Er habe seine Mutter gefragt, um welche Leute es sich handeln würde. Sie habe gesagt, dass es sich um die Taliban handeln würde und sie auf der Suche nach seinem ältesten Bruder und jenem Bruder seien, welcher nach Europa gegangen sei.

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass der ältere Bruder etwa 7 Jahre älter als er sei, was er dann auf 16 Jahre korrigierte.

Der Beschwerdeführer erzählte, seine Mutter hätte zu ihm gesagt, er solle das Land so rasch wie möglich verlassen. Sie würden sich an ihm rächen. Das Haus, in welchem er in Pakistan gelebt habe, sei überfallen worden. Sie hätten den Beschwerdeführer verprügelt, bis er bewusstlos geworden sei. Er habe diese Personen nicht erkannt. Das sei etwa ein Jahr vor seiner Flucht gewesen. Die Mutter habe ihm nach dem Vorfall erzählt, dass es sich bei den Männern um die Taliban gehandelt hätte. Sie wollten, dass der älteste Bruder sich ihnen stelle. Die Taliban hätten die Absicht, den Beschwerdeführer zu verschleppen und somit seinen ältesten Bruder zu erpressen, damit er sich stelle. Bei diesem Vorfall seien sie auch auf die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers losgegangen. Nachdem die Männer den Beschwerdeführer zusammengeschlagen hätten, sei er zusammengebrochen, er hätte danach nichts mehr wahrgenommen. Es seien viele Männer anwesend gewesen, einige seien an der Eingangstüre gestanden. Sie hätten Waffen getragen. Sie hätten traditionelle Trachten in weiß angehabt und einen größeren Turban auf. Da sie nicht maskiert gewesen seien, hätte man gesehen, dass sie alle Bärte getragen hätten. Die Männer hätten Pashtu gesprochen.

Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer, dass der älteste Bruder als Dolmetscher für die Amerikaner gearbeitet hätte. Er habe in XXXX , mit seiner Tätigkeit angefangen, die weiteren Aufenthaltsorte würde der Beschwerdeführer nicht mehr kennen. Er wisse auch nicht, wann der Bruder angefangen habe zu arbeiten. Ob der Bruder heute noch als Dolmetscher arbeiten würde, wisse er auch nicht. Er wisse nicht, ob der Bruder in Afghanistan geblieben, in Pakistan untergetaucht oder nach Europa geflüchtet sei. Vor der Flucht des Beschwerdeführers habe der ältere Bruder etwa vor fünf Jahren die Familie besucht. Er habe dem Beschwerdeführer erklärt er müsse ihn zu dem anderen Bruder fortschicken. Die Probleme hätten sich zugespitzt, sie seien jetzt alle gefährdet. Er meinte aber, dass alle weggehen müssten, weil sie sich an der Familie rächen würden. Der letzte Kontakt mit seiner Mutter war vor ungefähr 2 Monaten. Sie habe erzählt es ginge ihr gut. Länger hätten sie nicht miteinander sprechen können.

Sein Bruder in Österreich und er würden sich gegenseitig besuchen und intensiven Kontakt zueinander pflegen, obwohl dieser viel arbeiten würde und sehr beschäftigt sei. Sein Bruder wohne bereits in einer Wohngemeinschaft, er selbst in einer Unterkunft der XXXX . Der Beschwerdeführer würde ihn unter der Woche, meistens nach Feierabend besuchen. Er würde ihn regelmäßig sehen. Seit seiner Einreise würde sein Bruder ihn unterstützten, finanziell und auch mit Gewand. Er habe dem Beschwerdeführer auch die Gesetze, die es hier geben würde, erklärt. Er belehre den Beschwerdeführer auch, dass er sich nicht mit falschen Leuten umgebe. Er habe dem Beschwerdeführer auch beigebracht, sich selbst die deutsche Sprache beizubringen und zu versuchen, auf eigenen Beinen zu stehen.

Der Beschwerdeführer erzählte, er ginge etwa vier Stunden täglich in die Schule und würde arbeiten. Das sei ein Vorbereitungskurs für den Pflichtschulabschluss. Manchmal würde er 1 Stunde, manchmal acht Stunden, manchmal gar nicht in einem XXXX Restaurant in Simmering arbeiten. Er würde Brot backen, Pizzen zubereiten oder Kornspitz und Sesamringe backen.

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht so viel Geld, er würde sich auf den Pflichtschulabschluss vorbereiten, Deutschdiplome würde er keine besitzen. Er hätte mit der Fahrschule begonnen, aber mit der "weißen Karte" dürfe er jetzt keinen Führerschein mehr machen. Ich hätte auch keinen mobilen Internet-Anschluss bekommen.

In der Freizeit würde er mit Gleichaltrigen, auch Einheimischen Fußball spielen und regelmäßig ins Fitness-Center gehen. Wenn er in Österreich bleiben dürfte, möchte er sich eine eigene Wohnung schaffen und eine eigene Arbeit haben.

Der Beschwerdeführer gab an, dass eine Rückkehr nach Afghanistan seinen Tod bedeuten würde, abgesehen von der Sicherheitslage dort, würde er die Rache der Taliban und des IS fürchten. Sie hätten zwei Symbolfiguren für die Freiheit, wie den General Abdul Razaq brutal ermordet. Er sei der einzige Pashtune gewesen, der es gewagt habe, sich gegen die Taliban erfolgreich zu stellen. Der Beschwerdeführer bat, man möge ihm ein normales friedliches Leben hier ermöglichen.

Den Verfahrensparteien wurde gemäß § 45 Abs. 3 AVG Länderdokumente zum Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.

In einer Stellungnahme des Migrantinnenvereins vom 09.11.2018 werde auf das Gutachten von Frederike Stahlmann (s. 9-2) verwiesen. Die Möglichkeiten und Gefahren für Rückkehrer würden hier sehr detailliert aufgezeigt werden. Die aktuellen Berichte würde die tiefgreifende Verschlechterung von der Sicherheitslage in Afghanistan aufzeigen. Die sich durchgehend ändernde Situation in Afghanistan mache es notwendig von veralteten Pauschalentscheidungen abzugehen, auch wenn diese nur wenige Jahre in der Vergangenheit liegen würden. Die aktualisierten Länderinformationen vom 29.06.2018 würden die Befürchtungen des Beschwerdeführers bestätigen.

Es wurde ein Empfehlungsscheiben seines Trainers beigelegt. Der Beschwerdeführer habe sich schnell in Österreich eingelebt und integriert. Weiters wurde eine Teilnahmebestätigung des XXXX vorgelegt. Der Beschwerdeführer besuchte die Module Deutsch als Zweitsprache, Mathematik, Englisch, Globalität und Transkulturalität sowie Informations- und Kommunikationstechnologie/Medienkompetenz. Schließlich wurden diverse Deutschkursbesuchsbestätigungen vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, gehört der pashtunischen Volksgruppe ( XXXX ) an und ist Moslem/Sunnit. Als (spätestmögliches) Geburtsdatum wurde im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens der XXXX festgestellt. Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX in der Provinz Nangarhar geboren, hat aber Afghanistan schon im Kleinkindalter verlassen und lebte bis zu seiner Ausreise Richtung Europa in der Stadt XXXX in Pakistan. Der Beschwerdeführer besuchte in Pakistan ca. ein Jahr lang eine Koranschule und hat dann schon als Kind als Straßenverkäufer für Gemüse gearbeitet. Zu den Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine gesicherten Feststellungen getroffen werden, jedenfalls haben diese sich in Pakistan ereignet, zumal der Beschwerdeführer nach seiner Ausreise aus Afghanistan im Kleinkindalter sich nicht mehr in Afghanistan aufgehalten hat. Die Mutter des Beschwerdeführers hat sich zumindest bis Herbst 2018 in Pakistan aufgehalten.

Der Beschwerdeführer gelangte (spätestens) am 02.04.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich, wo sich bereits sein Bruder XXXX aufhält. Sein Bruder unterstützt ihn finanziell gelegentlich. Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich, er besucht einen Vorbereitungskurs für den Pflichtschulabschluss und arbeitet (Teilzeit) in einem XXXX Restaurant bzw. Bäckerei in Simmering. Er ist aber noch nicht selbsterhaltungsfähig, sondern wird auch von der XXXX unterstützt. In der Freizeit spielt er Fußball und geht ins Fitnesscenter. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen gesundheitlichen oder psychischen Problemen und ist unbescholten.

Zu Afghanistan wird verfahrensbezogen folgendes festgestellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

Bild kann nicht dargestellt werden

Afghanistan: Sicherheitslage 1.5. bis 30.9.2018

Jebergi

I Staatsgrenze

Hintergrund: Global Multi-Resolution Topography (GMRT), Marine

Geoscience Data System

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)

Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

Afghanistan: sicherheitsrelevante Vorfälle 1.4.201S bis 30.9.201S

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GRAFIK FEHLERHAFT!!!!!

(LIB S.15)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng - oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

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(UNAMA 15.7.2018)

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bes timmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

Quellen:

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AAN - Afghanistan Analysts Network (26.9.2018): Afghanistan Election Conundrum (14): District council and Ghazni parliamentary elections quietly dropped,

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AAN - Afghanistan Analysts Network (4.8.2018): Qari Hekmat's Islan Overrun: Taleban defeat

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'ISKP' in Jawzjan,

https://www.afghanistan-analysts.org/qari-hekmats-island- overruntaleban-defeat-iskp-in-jawzjan/, Zugriff 31.8.2018

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ANSA - Agenzia Nationale Stampa Associata (13.8.2018):

Afghanistan: a Ghazni 120 morti, http://www.ansa.it/sito/notizie/mondo/asia/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120-

morti 695579f5-407b-4e4f-8814-afcd60397435.html, Zugriff 31.8.2018

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Mai-September 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q2 und Q3, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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CBS News (14.8.2018): Taliban overruns Afghan base, killing 17 soldiers,

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Tolonews (23.9.2018): Alarm Bells Ring Over High ANA Casualty Rate,

https://www.tolonews.com/afghanistan/alarm-bells-ring%C2%A0over%C2%A0high

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Security Council by the Secretary-General's Special Representative for Afghanistan, Mr. Tadamichi Yamamoto, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/17 september 2018 srsg briefing security council english.pdf, Zugriff 19.10.2018

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UNGASC - General Assembly Security Council (6.6.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg report on afghanistan 6 june.pdf,

Zugriff 31.8.2018

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul- Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Quellen:

AFP - Agence France-Presse (11.9.2018): Student killed in twin bomb attack near Afghan girls' school, https://www.afp.com/en/news/23/student-killed-twin-bomb-attack-near-afghan-girls-schooldoc-1904hc1, Zugriff 11.9.2018

AJ - Al Jazeera (10.9.2018): Afghanistan: Bomb attack hits Ahmed Shah Massoud supporters,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/afghanistan-bomb-attack-hits-ahmed-shah-massoudsupporters-180909112746171.html, Zugriff 11.9.2018

AJ - Al Jazeera (6.9.2018): Afghanistan: Two journalists among 20 killed in Kabul blasts,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/afghanistan-deadly-suicide-attack-kabul-sports-club- 180905142909428.html, Zugriff 11.9.2018

CNN - Cable News Network (6.9.2018): Two journalists among 20 killed in wrestling club blasts in Kabul, https://edition.cnn.com/2018/09/06/asia/kabul-attack-wrestling-intl/index.html, Zugriff

11.9.2018

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.8.2018): Totei bei Angriff auf Schiiten-Moschee,

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-tote-bei-angriff-auf-schiiten-moschee- 15721269.html, Zugriff 21.8.2018

Khaama Press (10.9.2018a): Taliban militants overrun Khamab district in Jawzjan proince, https://

www.khaama.com/taliban-militants-overrun-khamab-district-in-jawzjan-province-05929/, Zugriff

11.9.2018

Khaama Press (10.9.2018b): ISIS claims suicide attac

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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