TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 W136 2196555-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W136 2196555-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018, Zl. 1097005401-151885577, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.10.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 27.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass sein Onkel von den Taliban gefangen genommen und nach einer Zahlung von 30.000 Kaldar (pakistanische Währung) sowie dem Versprechen, nicht mehr als Polizist zu arbeiten, wieder freigelassen worden sei. Auch seine Cousine habe als Polizistin in ihrem Dorf gearbeitet. Die Taliban hätten (deshalb) gesagt, dass sie seine Familie vernichten würden, da diese für die Regierung arbeitet. Sein Cousin XXXX sei auch Polizist gewesen und von den Taliban bereits getötet worden. Bei einer Rückkehr in seine Heimat würden ihn die Taliban entweder töten oder er müsste für sie gegen die Regierung kämpfen.

Am 18.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er zunächst, dass seine bisher getätigten niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Er sei im Dorf XXXX , Distrikt Alishang, in der Provinz Laghman geboren, sunnitischer Moslem und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er sei verheiratet und habe fünf Kinder. Seine Frau würde nach wie vor bei seinen Eltern und seinen Brüdern im Heimatdorf leben. Er habe heute mit ihnen telefoniert. Es würde ihnen derzeit gut gehen. Es würden ihm nur die Sicherheitslage und die Probleme Sorgen bereiten. Neben seinen Eltern würden noch zwei Brüder und vier Schwestern im Heimatdorf leben. Ein Bruder sei in Frankreich aufhältig. Weiters habe er fünf Tanten mütter- und zwei Tanten väterlicherseits sowie sechs Onkel mütter- und drei Onkel väterlicherseits. Befragt, wie es seiner Familie geht, teilte er mit, dass sein Vater krank sei und seine Brüder die meiste Zeit arbeiten würden. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, dass er den Steinbruch-Betrieb seines Vaters, um welchen sich jetzt sein Bruder kümmern würde, übernommen und einige Jahre vor dem Vorfall geführt habe, weil sein Vater krank geworden sei. Sie hätten zwischen 15 und 20 Arbeiter gehabt, wobei einige bei den Taliban, bei den Daesh oder bei einer anderen terroristischen Gruppierung gewesen seien. Sein Onkel väterlicherseits und zwei von dessen Söhnen würden für die Regierung arbeiten. Sie seien gerade bei der Arbeit gewesen, als es zu einem Gefecht gekommen sei. Dabei seien viele Arbeiter geflüchtet und es habe viele Tote gegeben. Sie seien zur Polizei gebracht worden und rund eineinhalb Tage in Haft gewesen, um ihre Identität bzw. mögliche Verbindungen feststellen zu können. Vier ihrer Arbeiter seien festgehalten, die anderen freigelassen worden. Als er nach Hause gekommen sei, habe er erfahren, dass die Taliban zwei Fahrer aus dem Dorf getötet und ihn gesucht hätten. Die Extremisten hätten ihn und seine beiden Cousins für diese Operation verantwortlich gemacht und gewollt, dass er mit ihnen arbeitet. Sonst würden sie ihm wegen der Verluste nach dem Leben trachten. Er habe sich deshalb sofort ins Stadtzentrum nach XXXX begeben und zwei Monate bei einem Freund aufgehalten. Als die Taliban dann seinen Onkel väterlicherseits mitgenommen hätten, habe er sich zwei Monate in Kabul versteckt. Zu dieser Zeit sei einer seiner Cousins wegen dessen Arbeit für die Regierung getötet worden. Deshalb sei er in den Iran gegangen. Sein Onkel väterlicherseits sei dann freigelassen worden, weil er nur für die Suchtgiftabteilung gearbeitet habe und die Dorfältesten interveniert hätten. Zur konkreten Gefährdungslage befragt, berichtete er, dass sein anderer Cousin im Zuge der Arbeit bei einem Bombenanschlag im Jahr XXXX getötet worden sei. Zur Schilderung des Angriffs aufgefordert, berichtete er zusammenfassend, dass es auf dem Berg hinter ihrem Dorf zu einem Gefecht zwischen den Taliban und den Regierungskräften gekommen sei. Auf die Frage, was er dann mit der Auseinandersetzung zu tun gehabt habe, erwiderte er, "ich gar nichts". Es seien nur vier seiner Leute hingegangen und hätten mit den Extremisten gekämpft. Darauf hingewiesen, dass er dann eigentlich die Taliban unterstützt habe, gab er verneinend an, dass diese ihn für das Gefecht verantwortlich machen würden. Er sei nicht persönlich bedroht, aber gesucht worden, als er gerade in Polizeigewahrsam gewesen sei. Ob er danach nochmals gesucht worden sei, wisse er nicht, da er nicht dort gewesen sei. Nach weiteren Aktionen gegenüber seiner Familie gefragt, antwortete er, dass es von den Vorkommnissen mit seinen Cousins und seinem Onkel abgesehen, keine anderen Vorfälle gegeben habe. Auf die Frage, was die Vorfälle seiner Verwandten eigentlich mit ihm zu tun haben, gab er erneut an, dass die Taliban seine Cousins und ihn für die Operation am Berg verantwortlich gemacht hätten. Er sei nach der Entlassung nämlich ins Dorf gefahren und von ihnen aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen. Andernfalls würde er getötet werden. Seine Cousins seien wegen ihrer Arbeit für die Regierung getötet worden. Nachgefragt, berichtete er, dass die Taliban sich in der Nacht immer auf diesem Berg aufgehalten hätten und dass es oft Gefechte gegeben habe. Weiters bestätigte er, dass er bei einer guten Sicherheitslage in Kabul seiner Ansicht nach Arbeit finden würde. Außerdem hätte er selbst Geld und würde die Rückkehrhilfe nicht benötigen. Er sei in Kabul nicht bedroht worden. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass er sich (den Taliban) entweder anschließen müsste oder getötet werden würde.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018, dem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellt am 24.04.2018, wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer bei der Schilderung seines Vorbringens kaum Details genannt habe und äußerst vage geblieben sei. Er habe keinerlei Zeitangaben gemacht und sein Vorbringen auf unzählige reine Vermutungen aufgebaut. Er sei den Fragen in der Einvernahme mehrfach ausgewichen und habe versucht, diese nicht zu beantworten. Unabhängig davon sei die Geschichte zum Teil unplausibel gewesen. Wäre er nämlich tatsächlich für den Tod von Taliban verantwortlich gewesen, hätte man ihn mit Sicherheit nicht rekrutieren wollen. Auch die Anschuldigung alleine sei nicht plausibel, zumal es immer wieder zu Gefechten gekommen sei, sodass dieser Vorfall nur einer von vielen gewesen sei. Davon abgesehen würde die weitere Bewirtschaftung des Steinbruchs durch seinen Bruder ein starkes Indiz gegen eine Verfolgung durch die Taliban darstellen bzw. wäre eine Intervention durch die Dorfältesten auch in seinem Fall möglich gewesen. Zusammenfassend sei er nicht in der Lage gewesen, eine persönliche Gefährdungslage glaubhaft zu machen, zumal er weder den Grund für die angebliche Bedrohung, noch die Verfolgung selbst glaubhaft machen habe können. Zur Rückkehrsituation wird ausgeführt, dass kein Zweifel daran bestehen würde, dass er als arbeitsfähiger und gesunder Mann, welcher lesen und schreiben könne sowie Berufserfahrung besitzen würde, sich insbesondere in Kabul versorgen könnte, zumal er sicher auf die Unterstützung seiner in Afghanistan lebenden Familie zurückgreifen könnte.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 20.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 18.05.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Zuge einer Wiederholung des Sachverhalts bzw. seines bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe und die afghanischen Sicherheitsbehörden nicht gewillt bzw. im Stande seien, ihm den notwendigen Schutz zu gewähren. Wie sich aus auszugsweise angeführten Länderberichten nämlich ergeben würde, hätten die Taliban nach wie vor Einfluss auf die Provinzen Nuristan, Nangarhar, Kunar und Laghman. Dabei seien vor allem auch Familienangehörige von Personen gefährdet, die mit der Regierung verbunden sind bzw. würde die Zwangsrekrutierungspraxis der Taliban insbesondere Männer im wehrfähigen Alter betreffen. Beides würde auf den Beschwerdeführer zutreffen. Bei einer Weigerung würden Betroffene gefoltert, verletzt oder sogar getötet werden. Der Beschwerdeführer sei durch seine Weigerung, mit den Taliban zusammen zu arbeiten, als politischer und/oder religiöser Gegner anzusehen, wodurch ihm letztlich eine Verfolgung aus politischen Gründen drohen würde. Er habe seine feindliche Gesinnung nämlich durch seine Flucht kundgetan. Es würden ihm bei einer Rückkehr daher Verfolgungsmaßnahmen der Taliban drohen, vor welchen ihn der afghanische Staat nicht schützen könnte. Es würde ihm daher der Status eines Asylberechtigten zustehen. Zur Sicherheitslage wird zusammenfassend ausgeführt, dass diese u.a. auch in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif prekär sei und sich stetig verschlechtern würde. Bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers würde es daher höchstwahrscheinlich zu einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK kommen. Die Behörde würde daher zu Unrecht eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul sehen. Eine interne Schutzalternative müsste vor allem langfristig sicher und eine Verfolgung im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet sollte nicht wahrscheinlich sein. Aus einer Anfragebeantwortung würde sich aber ergeben, dass die Taliban Personen auch in anderen Gebieten finden und töten könnten. Dies hätten sie bislang erfolgreich durchgeführt, besonders, wenn bekannte Gegner das Ziel sind. Zur Situation von Rückkehrern wird schließlich ausgeführt, dass Hilfseinrichtungen lediglich temporäre humanitäre Unterstützung bieten könnten und das Ministerium für Arbeit und Soziales nur kurzzeitige berufsorientierte Schulungen anbieten würde, welche sich kaum auf die Erwerbschancen auswirken würden. Vor allem die Städte seien mit einer immensen Zuwanderung konfrontiert, welche die bestehende humanitäre Notsituation zusätzlich verschärfen würde. Der Beschwerdeführer hätte keinen Zugang zu einer vorher ermittelten Unterkunft bzw. zu Erwerbsmöglichkeiten und würde in eine mit der von urbanen Binnenvertriebenen vergleichbaren Situation geraten. Da die Taliban im gesamten Heimatland vernetzt seien, würde eine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer nicht bestehen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 25.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben vom 21.09.2018 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.10.2018 geladen.

Am 18.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und deren Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich bezüglich der Teilnahme an der Verhandlung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer zusammenfassend im Wesentlichen vor, dass die Taliban vor seiner Ausreise von ihm und seinen Cousins verlangt hätten, für sie zu arbeiten. Seine beiden Cousins seien getötet worden und bei einer Rückkehr würde ihm dasselbe drohen. Die Taliban hätten keine Entscheidung der Jirga (Dorfältesten) akzeptiert und gemeint, dass vier Taliban getötet und vier weitere verhaftet worden seien und dass sie alle jene Personen, die dafür verantwortlich seien, "vernichten" wollen. Sein Onkel sei nicht weiterverfolgt worden, weil er in der Abteilung Drogenbekämpfung gearbeitet habe. Die Taliban hätten seine beiden Cousins und ihn für den Vorfall verantwortlich gemacht, die Cousins getötet und ihn verfolgt. Seine Cousins hätten bei den Sicherheitsposten im Dorf gearbeitet und sehr wohl etwas mit dem Vorfall zu tun gehabt. Sie seien beide an der Operation beteiligt gewesen, bei der Taliban getötet bzw. festgenommen worden seien. Da er mit seinen Cousins Kontakt gehabt habe, hätten die Taliban ihn verdächtigt, für diese spioniert zu haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 27.11.2015, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.10.2018, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Seine Identität steht nicht fest; er trägt den im Spruch genannten Namen. Er stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt Alishang, in der Provinz Laghman. Seine Muttersprache ist Paschtu, er spricht aber auch Dari und Farsi.

Er ist verheiratet, hat fünf Kinder, ist arbeitsfähig und leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen. In seiner Heimat leben zumindest noch seine Eltern, ein Bruder und vier Schwestern sowie zahlreiche Onkel und Tanten väter- bzw. mütterlicherseits. Weiters hat er Freunde in der Provinzhauptstadt Mehtarlam und in Kabul, bei welchen er bereits mehrere Wochen Unterschlupf und Versorgung gefunden hat. Er hat seine Aussichten auf eine Arbeit in Kabul bei einer entsprechenden Sicherheitslage für aussichtsreich befunden.

Es ist - aufgrund der Erfahrungen aus zahlreichen Einvernahmen von afghanischen Staatsbürgern - eine gerichtsnotorische Tatsache, dass afghanische Familien wegen der schwachen staatlichen Sozialstrukturen in der Regel mehrere Kinder haben und enge Beziehungen zu ihrer erweiterten Großfamilie pflegen auf deren Netzwerk sie auch angewiesen sind.

Der Beschwerdeführer kann auf das soziale Netzwerk seiner Familie vor Ort und auf die Unterstützung der Großfamilie (Onkel/Tanten und deren Nachkommen in der Heimatprovinz) bzw. seiner Freunde zurückgreifen, die ihn aufgrund der modernen Kommunikationsmittel und des Bankwesens finanziell und mit ihren Kontakten auch aus der Ferne unterstützen können.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine verwandtschaftlichen oder sozialen Anknüpfungspunkte. Er ist nicht berufstätig, verfügt lediglich über einfache Deutschkenntnisse und sein Freundeskreis besteht hauptsächlich aus Personen mit Migrationshintergrund.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Grund seiner ethnischen, religiösen, staatsbürgerlichen oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung durch den afghanischen Staat bzw. durch den jeweiligen Machthaber (insbesondere Taliban) im Herkunftsgebiet droht.

Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat würde er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29. Juni 2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 08.01.2019, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wird auszugsweise wie folgt angeführt:

Allgemeine Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil. Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen.

Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen.

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF; diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu.

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen. Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder.

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben. Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten.

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant.

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

1.382.155 geschätzt. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana (Provinzhauptstadt Faryab) und Pul-e-Khumri (Provinzhauptstadt Baghlan); sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur. Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 11. Jänner 2017 bis 30. April 2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 1. Jänner 2017 bis 15. Juli 2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16. Juli 2017 bis 31. Jänner 2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert.

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Pro-duktion.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern.

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Im Zeitraum 1. Jänner 2017 bis 30. April 2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt.

In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen. Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv.

Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an.

Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden.

ACLED registrierte für den Zeitraum 1. Jänner 2017 bis 15. Juli 2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

Erreichbarkeit

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt. Diese befinden sich in Kabul, Mazar-e Sharif, Kandahar und Herat.

Die Infrastruktur bleibt ein kritischer Faktor für Afghanistan, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen. Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet. Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Dies beinhaltet beispielsweise Entwicklungen im Bereich des Schienenverkehrs und im Straßenbau (z.B. Vervollständigung der Kabul Ring Road, des Salang-Tunnels, etc.)

Straßen wie die "Ring Road", auch bekannt als "Highway One", die das Landesinnere ringförmig umgibt, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher. Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif.

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US- amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens- Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan. im Nordosten an Kapisa. im Osten an Laghman. an Nangarhar im Südosten. an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar. Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami. Chaharasyab/Char Asiab. Dehsabz/Deh sabz. Estalef/Istalif. Farza. Guldara. Kabul Stadt. Kalakan. Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar. Mirbachakot/Mir Bacha Kot. Musayi/Mussahi. Paghman. Qarabagh. Shakardara. Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen. Tadschiken. Hazara. Usbeken. Turkmenen. Belutschen. Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an. dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten. Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Laghman

Die Provinz Laghman liegt inmitten des Hindukush-Gebirges. Sie besteht aus folgenden Distrikten: Alishing/Alishang. Alingar. Dawlat Shah/Dawlatshah. Qargayi/Qarghayi und Mehtar Lam/Bad Pash (Pajhwok o. D.f). Laghman grenzt an die Provinzen Nangarhar im Süden. Kunar im Osten. Nuristan und Panjshir im Norden und Kapisa und Kabul im Westen. Mehtar Lam/Mehtarlam ist die Provinzhauptstadt (NPS o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014. Pajhwok o.D.b). In der Provinz leben mehrheitlich Paschtunen. gefolgt von Tadschiken. Nuristani. Paschai (Pajhwok o.D.a; vgl. NPS o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 460.352 geschätzt (CSO 4.2017).

Zahlreiche Projekte werden in der Provinz Laghman implementiert (Pajhwok 21.8.2017; vgl. Tolonews 15.10.2017): der Bau eines Flughafens. der die vier östlichen Provinzen verbinden soll. Dämme. ein Solarenergieplan. Parks. Straßen. ein Wasserversorgungssystem. der Campus der Universität Laghman sowie die Errichtung eines Kricket-Stadiums usw. (MENAFN 28.1.2018). Ein Abschnitt der Kabul-Jalalabad Autobahn geht durch die Provinz Laghman (Pajhwok 29.3.2018; vgl. Pajhwok 3.3.2017). Auch wurde Ende 2013 eine 14 km lange Straße gebaut. welche die Provinzhauptstadt Mehtarlam mit dem Distrikt Qarghayi verbindet (Pajhwok 7.11.2013). Mitte April 2017 wurde in Mehtarlam der Bau einer Tangente in der Provinz Laghman angekündigt (Khaama Press 17.4.2017).

2017 stieg die Opium-Produktion in der Provinz Laghman um 64% im Vergleich zu 2016. Alle Distrikte der Provinz, in denen Mohn angebaut wird, waren davon betroffen. Im Laufe des Jahres 2017 wurden 23 Hektar Mohnfelder umgewidmet (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Laghman zählte seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001 zu den relativ friedlichen Provinzen; Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen nahmen jedoch in den letzten Jahren zu (Khaama Press 26.2.2018; vgl. Khaama Press 19.2.2018, ToI 6.1.2018, Khaama Press 19.12.2017, Khaama Press 11.4.2017). Im Juli 2017 waren die Distrikte Alingar, Alishing und Dawlatshah von Sicherheitsproblemen betroffen, während sich die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt und ihren Vororten verbesserte (Tolonews 18.7.2017).

In Laghman befindet sich eine internationale Militärbasis (Forward Operating Base Gamberi) (U.S. DoD 21.3.2018; vgl. U.S. DoD 22.3.2018, Reuters 10.2.2017).

Im Jahr 2017 wurden aufgrund von Bedrohungen durch regierungsfeindliche Gruppierungen u.a. in der Provinz Laghman vorübergehend Gesundheitseinrichtungen geschlossen (UNAMA 2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 147 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Laghman 354 zivile Opfer (84 getötete Zivilisten und 270 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 14% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Laghman

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Tolonews 3.3.2018; vgl. Khaama Press 26.2.2018, Pajhwok 25.12.2017, Tolonews 25.9.2017). Luftangriffe werden durchgeführt (Khaama Press 26.2.2018, vgl. ToI 6.1.2018, Khaama Press 22.11.2016, Khaama Press 21.11.2016). Dabei werden Aufständische, auch Talibananführer getötet (Khaama Press 26.2.2018; vgl. Xinhua 9.1.2018, Tolonews 25.12.2017, Khaama Press 19.12.2017, Tolonews 25.9.2017). Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräfte finden statt (Xinhua 20.9.2017; vgl. Khaama Press 11.4.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Laghman

Berichtet wurde, dass nun zum ersten Mal Zusammenstöße zwischen Aufständischen der Taliban und des IS von Nangarhar auf die Provinz Laghman übergeschwappt sind - beide Seiten haben hohe Verluste bei diesen Zusammenstößen zu verzeichnen (Khaama Press 29.11.2017). Die Provinz Laghman grenzt an die Provinz Nangarhar, in der sowohl Anhänger der Taliban als auch Anhänger des IS in abgelegenen Distrikten aktiv sind. Lokale Beamte berichten von Luftangriffen auf die Taliban und den IS in manchen Distrikten der Provinz Laghman (Khaama Press 26.2.2018; vgl. ToI 26.2.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen, inklusive Anhänger der Taliban und des IS, haben versucht, in abgelegenen Teilen der Provinz ihre Aktivitäten auszuweiten (Khaama Press 19.2.2018). In der Provinz Laghman kam es zu Zusammenstößen zwischen Taliban- und IS- Kämpfern (VoA 30.11.2017; vgl. Khaama Press 29.11.2017).

Im Juli 2017 wurde in den drei Distrikten Alingar, Alishing und Dawlatshah die Aktivität von Aufständischen registriert (Tolonews 18.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene Sicherheitsvorfälle in der Provinz registriert (ACLED 23.2.2018).

Paschtunen

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Rückkehr

Als Rückkehrer werden jene afghanischen Staatsbürger bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghanen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012 bis 2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt.

Die Anzahl der Rückkehrer hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21. März 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer für maximal zwei Wochen untergebracht werden.

Unterstützung durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak- Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind.

Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten.

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten.

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte.

Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen im Zuge dessen nicht entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Seine Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name dient lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei. Die im Verfahren vorgelegten Dokumente (insbesondere die Kopie seiner Geburtsurkunde) waren nämlich nicht geeignet, die Identität des Beschwerdeführers zweifelsfrei nachzuweisen.

Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdefüh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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