TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/18 W173 2199198-1

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Veröffentlicht am 18.02.2019
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Entscheidungsdatum

18.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2199198-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela Schidlof sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 23.5.2018, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid vom 23.5.2018 wird aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in der Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Auf Grund des Antrags von Frau XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) zur Ausstellung eines Behindertenpasses am 21.3.2016 wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, eingeholt, die einen Gesamtgrad der Behinderung von 40% ermittelt. Dieser beruhte auf folgenden Leiden: 1. Temporallappenepilepsie links (Pos.Nr. 04.10.01. - GdB 30%) und 2. Depressive Störung (Pos.Nr. 03.06.01. - GdB 30%). Das führende Leiden wurde durch das Leiden 2 um eine Stufe wegen wechselseitiger Leidensbeeinflussung erhöht. Mit Bescheid vom 10.8.2016 wurde der Antrag der BF vom 21.3.2016 abgewiesen.

2. Am 24.11.2017 beantragte die BF neuerlich die Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dazu medizinische Befunde vor. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Im Gutachten vom 17.4.2018 führte Dr. XXXX , FA für Neurologie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF auszugsweise Nachfolgendes aus:

"........................

Anamnese:

Vorgutachten 07/2016: Temporallappenepilepsie GdB 30%, depressive

Störung GdB 30%, Gesamtgrad-GdB: 30%

Die Patientin hat eine Rehab in Rust absolviert, wobei die

betreuende Neurologin dies als im Sinne der Mitwirkungspflicht

beschreibt. Die Patientin berichtet, das hätte ihr gutgetan.

....................................

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Depressive Störung Zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da chronifiziertes Zustandsbild mit Somatisierungszeichen.

03.06.01

30

2

Temporallappenepilepsie Eines Stufe über dem unteren Rahmensatz, da selten Anfälle

04.10.01.

30

Gesamtgrad der Behinderung

40 v.H.

 

 

Begründung für den

Gesamtgrad der Behinderung:

.........................

X Dauerzustand........................"

3. Das eingeholte Gutachten vom 17.4.2018 wurde von der belangten Behörde dem Parteiengehör unterzogen. Die BF sah von einer Stellungnahme ab. Mit Bescheid vom 23.5.2018 wurde der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses auf Grund des ermittelten Gesamtgrades der Behinderung von 40% abgewiesen. Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen stützte sich die belangte Behörde in der Begründung auf das eingeholte ärztliche Gutachten, das einen Bestandteil der Bescheidbegründung bilde. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behinderten-passes würden nicht vorliegen, da ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 % festgestellt worden sei.

4. Mit 20.6.2018 datiertem Schreiben erhob die BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.5.2018. Die Einstufung der Temporallappenepilepsie sei unzureichend, zumal die Anfälle der BF öfters auftreten und auch länger andauern würden. Daraus würden auch insbesondere Beschwerden im Bein resultieren. Die Epilepsieerkrankung der BF sei daher mit einem Grad der Behinderung von 40% einzustufen. Mit der depressiven Störung würde von der BF ein Grad der Behinderung von 50% erreicht werden. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Neurologie beantragt. Weitere medizinische Befunde wurden vorgelegt.

5. Am 26.6.2018 legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Auf Grund des Vorbringens der BF wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie eingeholt. Dr. XXXX , FÄ für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeutin und Ärztin für Allgemeinmedizin, führte nach einer persönlichen Untersuchung der BF auszugsweise Nachfolgendes im Gutachten vom 25.9.2018 aus:

"......................

Anamnese:

42 Jahre alte Frau, die in Begleitung ihres Schwagers, Herrn XXXX zur Untersuchung in meine Praxis kommt.

Sie sei in Mazedonien geboren, seit ca. XXXX in Österreich, allein gekommen, habe hier geheiratet und habe 2 Töchter, XXXX und XXXX Jahre alt. Die jüngere sei noch nicht selbständig.

Mittlerweile sei sie geschieden. Sie sei in Invaliditätspension seit 8.2018. Sie habe zuerst als

Babysitterin gearbeitet, dann als Bedienerin in verschiedenen Firmen, bis sie Epilepsie und Depressionen bekommen hätte. Zuerst habe sie Reha-Geld bezogen, bis sie die unbefristete Pension erhalten habe.

Frühere Erkrankungen:

+ Die Epilepsie sei erstmals mit 20 Jahren aufgetreten, Grand Mal Anfälle mit Krampfen, Zecessus, Bewusstlosigkeit, Zungenbiss. Die letzten Anfälle hätte sie im Juli und August dieses Jahres gehabt.

+ Depressionen seit Jahren. Ängstlichkeit. Mutlosigkeit. Sie sei bei Frau Dr. XXXX in Behandlung. Durch die vielen Medikamente sei sie immer müde. Psychotherapie habe sie versucht, aber es helfe nicht wirklich. 2017 sei sie 6 Wochen auf einer psychorehabilitativen Kur in Rust gewesen, aber es habe nicht genug geholfen.

Vegetativ: Größe: 155 cm, Gewicht: 80 kg, Nikotin: 2-3 Päckchen,

Alkohol: 0, Drogen: 0

Medikamentöse Therapie:Levitiracetam 500 mg, Mirtabene 30 mg 1, Quetiapin 25 mg 2, Psychopax 30 Tropfen, Simvastatin 40 mg 1, Frisium 10 mg, Seractil 400 mg oder Novalgin, Duloxetin 60 mg 2, Berodual Spray

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen.

Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig.

Gangbild unauffällig

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit Und Merkfähigkeit herabgesetzt. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit dysphorisch, depressiv, negativistisch, pessimistisch, Nicht mehr ins Positive zu affizieren. Resigniert. Klagsam. Affektiv instabil. Aber distanziert von Suizidalität.

Stellungnahme und Beurteilung:

1.1.Auf Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin (BF) in der Beschwerde vom 20.6.2018 (Aktenblatt -AB- 34) sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen (AB 9-16, 33) unter Berücksichtigung des bereits vorliegenden Sachverständigengutachtens AB 18-20 kommt es zu einer Änderung des Gesamtgrades der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung:

1.2.1 Depressive Störung Position 03.06.0.1 40 %

Oberer Rahmensatz, da trotz medikamentöser Therapie instabil und soziale Beeinträchtigung, aber noch ambulant behandelbar.

1.2.2.Epilepsie Position 04.10.01 30%

1 Stufe über unterem Rahmensatz, da seltene große Anfälle.

1.3.Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50%, da Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird wegen wechselseitig ungünstiger Leidensbeeinflussung.

1.4.Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

1.5.Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung anzunehmen, da sich ja seit der

Antragstellung nichts geändert hat und die Beurteilung nur auf Grund der anderen

Einschätzung des psychiatrischen Leidens anders ausgefallen ist.

........................."

6. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten von Dr. XXXX , FÄ für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeutin und Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde dem Parteiengehör unter Einräumung einer zweiwöchigen Stellungnahmefrist unterzogen. Die BF brachte keine Einwendungen gegen das eingeholte Gutachten vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Auf Grund des Antrages der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 21.3.2016 wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt, in dem ein Gesamtgrad der Behinderung von 40% ermittelt wurde. Dieser beruhe auf folgenden Leiden: 1. Temporallappenepilepsie links (Pos.Nr. 04.10.01. - GdB 30%) und 2. Depressive Störung (Pos.Nr. 03.06.01. - GdB 30%). Das führende Leiden wurde durch das Leiden 2 um eine Stufe wegen wechselseitiger Leidensbeeinflussung erhöht. Mit Bescheid vom 10.8.2016 wurde der Antrag der BF vom 21.3.2016 abgewiesen.

1.2. Am 24.11.2017 beantragte die BF neuerlich die Ausstellung eines Behindertenpasses. Es erfolgte eine persönliche Untersuchung der BF durch den medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , FA für Neurologie. Es wurden im Gutachten vom 17.4.2018 folgende Leiden der BF berücksichtigt: 1. Depressive Störung (Pos.Nr. 03.06.01. - GdB 30%) und 2. Temporallappenepilepsie (Pos.Nr. 04.10.01. GdB 30%). Der Gesamtgrad der Behinderung der BF betrug 40v.H. Das führende Leiden wurde durch das Leiden 2 wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht. Basierend auf diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde mit Bescheid vom 23.5.2018 der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 24.11.2017 abgewiesen. Dagegen erhob die BF Beschwerde.

1.3. Auf Grund des Vorbringens der BF wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Die medizinische Sachverständige Dr. XXXX , FÄ für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeutin und Ärztin für Allgemeinmedizin, stufte im Gutachten vom 25.9.2018 die depressive Störung der BF unter die Pos.Nr. 03.06.01. mit einem Grad der Behinderung von 40% ein. Die Epilepsieerkrankung der BF wurde unter die Pos.Nr. 04.10.01 mit einem Grad der Behinderung von 30% bewertet. Der Gesamtgrad der Behinderung betrug 50%, da das führende Leiden 1 durch Leiden 2 wegen wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht wurde. Es handelte sich um einen Dauerzustand.

1.4. Der Grad der Behinderung beträgt bei der BF 50%. Die BF erfüllt daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben auszugsweise wiedergegebene, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 25.9.2018 (Dr. XXXX ) verwiesen. Im genannten Gutachten wird auf die Art der Leiden der BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden der BF auseinander. Dr. XXXX kam auf Grund der Gesundheitsbeeinträchtigungen der BF nachvollziehbar auf einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H.

Die getroffenen Einschätzungen der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Gutachterin entsprachen den festgestellten Funktionseinschränkungen der BF. Die Parteien haben gegen dieses schlüssige Sachverständigengutachten, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt und dem Parteiengehör unterzogen wurde, auch keinen aussagekräftigen medizinischen Befund oder ein medizinisches Gutachten mehr vorgelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Die beigezogenen medizinischen Sachverständigen haben die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010 idgF, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Die BF ist den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen Dr. XXXX nicht mit neuen aussagekräftigen Befunden oder einem Sachverständigengutachten im Rahmen des ihr durch das Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0033; 17.8.2016, Ra 2016/11/0095 u. 0096).

Das eingeholte Sachverständigengutachten, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten wurde daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß von 50% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen der BF ein Ausmaß erreichen, welches für die Ausstellung eines Behindertenpasses erforderlich ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.3.Zu Spruchpunkt B (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W173.2199198.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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