TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W264 2195475-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W264 2195475-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 7.5.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch entfällt, bestätigt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (BF) stellte am 23.2.2018 erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (belangte Behörde).

2. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 16.4.2018 ein. Dieses fußt auf persönlicher Untersuchung der BF am gleichen Tage und stellte die medizinische Sachverständige bei der BF die Funktionseinschränkungen Chronisches Schmerzsyndrom, Entfernung des Uterus aufgrund Endometriose, chronische Harnblasenentzündung und als Gesamtgrad der Behinderung 10 von Hundert (in der Folge v H) fest.

3. Die belangte Behörde übermittelte der BF dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 17.4.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte dieser/m eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ab.

4. Die BF gab mit Email vom 19.4.2018 eine Stellungnahme ab:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Bezugnehmend auf meinen irritierenden Termin im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 16.04.2018 um 10:00 möchte ich folgendes ergänzen / feststellen:

Endometriose ist eine bislang unheilbare, chronische Erkrankung!!

Sämtliche Endometriose-Erkrankten wären froh und dankbar wenn diese Krankheit einfach mit einer Operation zum Verschwinden gebracht werden könnte.

Meine auf die Nachbarorgane übergreifende und tiefinfiltrierende Endometriose ist also nach wie vor da und in der Einschätzung zu berücksichtgen!

Weiters ging die mir zugewiesene Ärztin nicht im geringsten auf mein seit mittlerweile 5 Jahren bestehendes chronisches Schmerzsyndrom ein.

Ich habe seit rund 5 Jahren an 365 Tagen im Jahr 24h lang Schmerzen die sich zwar mit den mir verordneten Medikamenten in Grenzen halten, jedoch niemals gänzlich weg sind da ich leider die volle Dosierbandbreite nicht ausschöpfen kann da es ab 150mg Pregabalin zu Nebenwirkungen kommt die mich in meiner Arbeit behindern.

Ebenso ist besagte Ärztin nicht weiter auf meine von mir vorab angegebene chronische

Harnblasenentzündung(en) und die seit der Gebärmutterentfernung bestehenden, wenn auch leichten Entleerungsstörungen der Blase die sich (nicht immer aber doch öfters) durch längeres Nachträufeln zeigt eingegangen.

Genauso wenig interessierte sie sich für die seit der Befundzusendung neu diagnostizierte

Bandscheibenprotrusion.

Den Befund der nicht nur diese sondern auch eine Zyste im Overialbereich zeigte nannte sie "unauffällig".

Auch diese Aussage finde ich frech und irritierend.

Zusammenfassend würde ich anhand meiner zahlreichen, vorab zugesandten Befunde, die

eine auf Nachbarorgane (Blase!!!) übergreifende und tiefinfiltrierende Endometriose

* das Fehlen der Gebärmutter und Eileiter

* eine chronische Entzündung der Harnblase (und eine eventuell damit verbundene leichte

* Entleerungsstörung? )

* ein chronisches Schmerzsyndrom

* eine Bandscheibenprotrusion

bescheinigen durchaus davon ausgehen, dass ein Antrag auf einen Behindertenpass gerechtfertigt ist!!

Immer noch verwunderlich finde ich die Tatsache, dass ich in keiner Silbe gefragt wurde welche Einschränkungen ich im tagtäglichen Leben habe.

Ich finde die Einschränkungen wie etwa die Tatsache, dass ich aufgrund der Schmerzzustände keine weiteren Strecken gehen kann bzw. mir das lange stehen nicht gut tut ebenso erwähnenswert wie die Tatsache dass ich aus selbigen Grund meinen beiden Sportarten laufen und reiten nicht mehr nachgehen kann.

Mit der Bitte um die Berücksichtigung der oben angeführten Diagnosen und der Hoffnung dass das ärztliche Personal in Sachen Kompetenz und Menschlichkeit eventuell besser geschult wird verbleibe ich mit freundlichen Grüßen!"

5. Daraufhin holte die belangte Behörde die Stellungnahme Dris. XXXX vom 7.5.2018 ein:

"Stellungname zum Beschwerdeschreiben vom 16.04.2018:

Die Beschwerdeführerin gibt bekannt, dass es sich bei einer Endometriose um eine chronische Erkrankung handelt, welche in ihrem Fall auch auf die Nachbarorgane übergreifend und tief infiltrierend ist. Weiters leide sie seit 5 Jahren an einem chronischen Schmerzsyndrom, welche sich mit der verorteten Medikation in Grenzen halte, jedoch niemals ganz weg sind. Ebenso bestehen chronische Harnblasenentzündungen seit der Gebärmutterentfernung, sowie auch eine leichte Entleerungsstörung der Blase. Neudiagnostiziert sei eine Bandscheibenprotrusion.

Ebenso bestehe eine Zyste im Ovarialbereich.

Die von der Antragstellerin angegebenen Beschwerden wurden im Gutachten eingestuft und berücksichtig. Im Letztbefund des XXXX vom 15.09.2017 wurde die von der Antragstellerin angegebenen tiefinfiltrierende Endometriose reseziert. Ebenso fand eine Ureterolyse links statt. Das Leiden wurde unter Position 2 berücksichtigt. Die Entfernung beider Tuben bei belassenden Ovarien erreicht keinen gesonderten Grad der Behinderung. Eine Ovarialzyste ohne Anhaltspunkt für Malignität erreich keinen Grad der Behinderung. Das chronische Schmerzsyndrom wurde unter Position 1 berücksichtigt. Ebenso die chronischen Harnblasenentzündungen unter Position 3.

Befunde, welche eine Bandscheibenprotrusion bestätigen liegen nicht vor. Im Rahmen der klinischen Untersuchung konnte diesbezüglich keine Funktionseinschränkung festgestellt werden. Daher wird kein Grad der Behinderung erreicht. Insgesamt sind daher die vorgebrachten Argumente unter Berücksichtigung der vorhandenen Befundberichte nicht geeignet die bereits vorliegende Leidensbeurteilung zu entkräften, welche daher aufrechterhalten wird."

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 10 v H fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid sowohl das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 16.4.2018 als auch die Stellungnahme Dris XXXX vom 7.5.2018 in Kopie bei.

7. Gegen diesen Bescheid brachte die BF das Rechtsmittel der Beschwerde ein und brachte - auszugsweise - vor:

"Hiermit erhebe ich Einspruch gegen das Sachverstandigungsgutachten vom 16.04.2018 mit dem Verfahrensordnungsbegriff XXXX . Wie schon in meinem (bislang unbeantwortet gebliebenen ) Mail vom 19.04.2018 mochte ich auch heute wieder in aller Deutlichkeit klar stellen dass die Aussage von Frau Doktor XXXX bzgl. des nicht Vorhandenseins von Endometriose nach einer Operation

schlichtweg falsch ist!!

Endometriose ist und bleibt eine unheilbare und chronische Erkrankung!

Durch wiederholte Operationen kann man versuchen den Zustand der Patienten lediglich zu verbessem - oftmals nur für kurze Zeit.

Aus diesem Grund ist die Endometriose in der Einschatzung zu berücksichtigen und mit einzuberechnen.

Nachdem es sich nicht nur um eine oberflachliche Endometriose sondem um eine tiefinfiltrierende und in Nachbarorgane wuchernde handelt meiner laienhaften Einschatzung nach nicht nur mit dem fur Endometriose vorgesehenen Mindestprozentsatz von 10%.

AuBerst bedenklich und verwerflich finde ich zudem die Tatsache, dass ein nicht kleiner Teil der im Sachverstandigungsgutachten beschriebenen Untersuchung nicht stattfand und demzufolge schlichtweg Mutmaßungen zu Protokoll gegeben wurden!!

So steht im Untersuchungsbefund etwa, dass meine Schleimhäute rosig und gut durchblutet waren.

Da wirft sich mir doch die Frage auf wie Frau Doktor XXXX dies beurteilen kann, wenn sie mir weder in den Mund geschaut hat noch die Schleimhaute der Augen begutachtet hatte!

Des Weiteren steht geschrieben: Collum:SD: schluckverschieblich, keine Einflussstauung, Lymphknoten: nicht palpabel

Wie mochte Frau Doktor das beurteilen konnen wenn sie zu keinem Zeitpunkt ihre Hand an meinen Hals hatte?

Ich als medizinischer Laie kann meine (normal großen) Lymphknoten am Hals sehr wohl tasten.

Die im Gutachten erwähnten "allseits tastbaren" Pulse sind auch Folge einer Einschätzung denn getastet wurde er lediglich am linken Handgelenk.

Die im Gutachten erwähnten "allseits tastbaren" Pulse sind auch Folge einer Einschätzung denn getastet wurde er lediglich am linken Handgelenk.

Um beurteilen zu können ob die Nierenlager einer Patientin frei sind muss der Arzt die Bereiche in denen die Nieren liegen abklopfen.

Auch dies ist nicht geschehen obwohl in der Einschätzung so geschrieben.

Außerdem wird weiter geschrieben, dass ich keinen Klopfschmerz an der Wirbelsäule gespürt habe.

Wenn man nicht klopft kann man nichts spüren - auch diesen Teil der Untersuchung hat Frau Doktor XXXX nicht durchgeführt.

Zu guter Letzt bleibt noch die Frage wie besagte Ärztin der Meinung sein kann, dass die Wirbelsäule in Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich ist, wenn sie auch dies nicht überprüft hat?

Nur weil das Sachverständigengutachten nach der EINSCHÄTZUNGSverordnung abgehandelt wird bedeutet dies nicht, dass der Gesundheitszustand der Leute geschätzt und nicht mittels ordentlicher Untersuchung festgestellt wird.

Auch wenn aufgezählte fehlende Untersuchungsfragmente in meinen Fall irrelevant für die Feststellung des GdB sind so ist meines Erachtens das Gutachten dennoch ungültig aufgrund der oben genannten Fehleinschatzung (Stichwort: Endometriose) und der Angaben falscher Tatsachen (Stichwort: nicht durchgeführte Untersuchungen).

Für den Falle einer erneuten Vorladung zwecks einer Untersuchung mochte ich gleich heute bekannt geben dass ich Frau Doktor XXXX fur jegliche weitere Untersuchung und Einschätzung ablehne und mir mein Recht vorbehalte das nächste Mai eventuell einen unabhängigen Zeugen zur Untersuchung mitzubringen.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich mit freundlichen Grüßen"

8. Die BF legte der Beschwerde einen Anhang bei, in welchem sie persönliche Einschränkungen aus ihrem Leben seit der Endometriose beschrieb, den Anhang "Was ist Endometriose" sowie ein Schreiben des Gynäkologen Dr. XXXX im XXXX . Wiener Gemeindebezirk zu dem Thema Endometriose.

9. Die belangte Behörde legte den bezughabenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und langte dieser am 16.5.2018 ein.

10. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes holte das Bundesverwaltungsgericht das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 15.11.2018 ein (es folgt ein Auszug aus dem Gutachtensauftrag):

"Die BF wurde am 16.4.2018 von Dr. XXXX , Allgemeinmedizinerin, befundet und floss der Befund in das allgemeinmedizinische Gutachten vom 16.4.2018 ein, auf welchem der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 7.5.2018 basiert (GdB: 10%).

In der Beschwerde, eingelangt am 14.5.2018, moniert die BF, dass Endometriose eine unheilbare und chronische Erkrankung sei und handle es sich bei der Ausprägung der Erkrankung bei der BF um eine nicht nur oberflächliche, sondern um eine tiefinfiltrierende und in Nachbarorgane wuchernde Endometriose, so die BF.

Die BF übermittelte ein Dokument des Gynäkologen Dr. XXXX zu dem Thema Endometriose sowie eine Darstellung "Persönliche Einschränkungen aufgrund von Endometriose und den damit resultierenden Folgebeschwerden, wonach die BF seit fünf Jahren an Schmerzen rund um die Uhr leide. Sie führt darin sehr persönlich aus, wie ihre Lebensführung und der Alltag durch diese Krankheit beeinträchtigt sei und welche bisherigen Hobbies etc dadurch vereitelt werden.

An Befunden liegen im Akt bisher ein:

* NBI-Colonoskopie vom 16.5.2017

* Patientenbrief XXXX vom 15.9.2017

* OP-Bericht XXXX vom 13.9.2017

* Ambulanzkarte XXXX vom 9.10.2017

* MRT-Befund Unterbauch vom 22.11.2017

* Ambulanzkarte XXXX vom 8.11.2017

* Befund Diagnosezentrum XXXX vom 16.2.2018

Sie werden nunmehr anhand einer Untersuchung der BF in Zusammenschau mit den vorliegenden oben genannten Beweismitteln ersucht, zu beurteilen, ob diese vorgelegten Beweismittel eine abweichende Beurteilung vom bisherigen Ergebnis bzw eine Erhöhung des bislang festgestellten Gesamtgrad der Behinderung bedingen und wird die

Erstellung eines Gutachtens

darüber erbeten.

Sollte aus gutachterlicher Sicht die Beiziehung weiterer Sachverständigen aus anderen Teilbereichen der Medizin für erforderlich erachten werden, so wird ersucht, dies entsprechend der gutachterlichen Anregung zu veranlassen. Sollte auf die Beiziehung weiterer Sachverständigen aus anderen Teilbereichen der Medizin aus gutachterlicher Sicht verzichtet werden, so möge dies bitte kurz begründet werden.

Es wird auf die Neuerungsbeschränkung hingewiesen, wonach ab 16.5.2018

(Einlangen der Beschwerdevorlage im Bundesverwaltungsgericht) keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden dürfen.

Im Hinblick auf die Neuerungsbeschränkung des § 46, 3. Satz BBG ist zu sagen, dass bloß die Befunde hinsichtlich jene Leiden, welche im SVGA vom 16.4.2018 berücksichtigt sind, relevant sind.

Unterlagen welche nicht mit den im SVGA vom 16.4.2018 genannten Leiden in Zusammenhang stehen und bei einer allfälligen Untersuchung nachgereicht werden, mögen als "bei der Untersuchung am XX vorgelegt" bezeichnet / gekennzeichnet und dem Akt zwar angeschlossen werden, aber in der gutachterlichen Beurteilung nicht berücksichtigt werden."

11. Das allgemeinmedizinische Gutachten Dris. XXXX vom 27.12.2018 - basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 15.11.2018 - lautet (auszugsweise) wie folgt:

"Anamnese:

Auf das erstinstanzliche Vorgutachten wird eingangs verwiesen. Keine relevante

Zwischenanamnese. Die BF steht in gynäkologischer, urologischer und allgemeinmedizinischer Betreuung.

AE, TE, 3x Ovarialzystenentfemung per LSK

Sozialanamnese: Apothekenhelferin, ledig, keine Kinder.

Derzeitige Beschwerden:

Frau XXXX gibt an, dass sie Schmerzen im Unterbauch-/BIasenbereich habe und dass eine

Harnblasenentleerungsstörung vorliegt.

Derzeitige Behandlung/en / Medikamente: Sertralin 50mg, Novalgin/Mexalen bei Bedarf.

Hllfsbefunde z. B. Labor, bildgebende Verfahren, Behandlungsberichte - Exzerpt:

Akteninhalt.

Im Rahmen der Untersuchung vorgelegte Befunde:

1. MRT der Lendenwirbelsäule - Diagnosezentrum XXXX - vom 26.4.2018:

Chondrose intervertebralis L4 - S1 ohne markraumödem, minimale Bandscheibenvorwölbung L5/S1 ohne Nervenwurzelalteration, geringgradiger partieller dorsaler Anulus fibrosus-Einriß der Bandscheibe L4/L5 und L5/S1.

2. Radiologischer Befund - KH XXXX vom 28.6.2018: nicht obstruktives, kleines Nierenkelchkonkrement links; Doppetniere links, Ovarialzyste rechts, kleine Verkalkung in der Leber, keine Hydronephrose.

3. Befund - KH XXXX vom 28.6.2018: derzeit schmerzfrei, Harnbefund unauffällig; LSK mit HE, Tubektomie beidseits und Endometrioseresektion sowie Ureterolyse links 09/2017.

4. Befund - KH XXXX vom 29.6.2018: Lumbago rechts - Ausschl uss Nierenkolik, kleines - nicht obstruktives - Nierenkelchkonkrement links, Ovarialzyste rechts, Verkalkung im Lebersegment VI.

5. Gynäkologischer Befund - Dr. XXXX - vom 27.8.2018: gynäkologisch unauffälliger Befund:n St. P. HE, Adn. bsd. unauffällig, Mamma unauffällig; St. p. LSK- HE und Tubektomie bsd. und pent. Endometrioseresektion 9/2017.

Technische Hilfsmittel / orthopädische Behelfe:

Keine.

Untersuchungsbefund:

Größe: -169 cm Gewicht: -61 kg Blutdruck: 125/80.

Status - Fachstatus: sehr guter AZ.

Kopf / Hals: voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ. St. p. TE wird

angegeben, Haut und sichtbare Schleimhäute normal durchblutet, Visus und Gehör unauffällig, keine Einflussstauung, Schilddrüse äußerlich unauffällig.

Thorax: inspektorisch unauffällig.

Lunge: auskultatorisch unauffällig. Keine Atemauffälligkeiten, raucht 2 Zig./Tag.

Herz: normale Grenzen, HT- rein, rhythmisch, normfrequent, kompensiert.

Abdomen: gering unter TN, normale Organgrenzen, AE-Narbe, Narbe im Nabelbereich nach

Lap., keine sichtbaren/merkbaren Inkontinenzhinweise.

Obere Extremitäten: frei beweglich, kein Tremor, keine Funktionsdefizite, kein Tremor.

Untere Extremitäten: Gelenke frei beweglich, keine sensomotorischen Defizite, keine Ödeme.

Achsenorgan: unauffälliger struktureller und funktioneller Befund.

Gesamtmobilität - Gangbild: frei, sicher, unbehindert.

Bild kann nicht dargestellt werden

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30%, weil Leiden 1 durch Leiden 2 wegen

"Leidensüberschneidung" nicht weiter erhöht wird.

STELLUNGNAHME ZU DEN PUNKTEN DER VORSCHREIBUNG:

Anhand der neuerlichen Untersuchung der BF in Zusammenschau mit den vorliegenden oben genannten Beweismitteln ist abweichende Beurteilung vom bisherigen Ergebnis vorzunehmen.

Die vordergründig vorliegende Gesundheitsschädigung ist die Endometriose - diese wurde nach der EVO unter der Position 08.03.03 mit dem oberen Rahmensatz beurteilt, da doch eine schwere Form dieser gutartigen, aber chronischen Erkrankung bei Frauen im

fortpflanzungsfähigen Alter vorliegt.

Unter dieser Position sind die nachvollziehbaren rezidivierenden abdominellen Beschwerden und auch die nachvollziehbare leichte Harnblasenentleerungsstörung mitberücksichtigt.

Eine auch histologisch bewiesene chronische Harnblasenentzündung ist nicht

befunddokumentiert.

Separat wurde in diesem Zusammenhang unter Berücksichtigung der anzuwendenden EVO

noch die Entfernung der Gebärmutter gelistet.

Ein separat einzuschätzendes relevantes Wirbelsäulenleiden liegt nicht vor.

Weitere Sachverständige aus den anderen Teilbereichen der Medizin sind aus allgemeinmedizinischer gutachterlicher Sicht nicht erforderlich, da das ganze Spektrum des

Hauptleidens mit den vorliegenden Befunden gut beurteilbar ist.

Zusammenfassung:

Es wird abschließend festgehalten, dass aus gutachterlicher Sicht nach neuerlicher

allgemeinmedizinischer Untersuchung und nach Berücksichtigung des vorliegenden

Akteninhaltes- siehe dazu die Ausführungen oben - der Gesamtgrad der Behinderung 30 v H

beträgt."

12. Mit Erledigung vom 16.1.2019 wurde der BF und der Amtspartei im Rahmen des Parteigehörs Gelegenheit zu einer allfälligen Stellungnahme innerhalb von vier Wochen ab Zustellung gegeben. Angeschlossen wurden sowohl das gerichtliche Auftragsschreiben, als auch das verwaltungsbehördlich eingeholte Sachverständigengutachten von Frau Dr. XXXX vom 16.04.2018 samt deren Stellungnahme vom 07.05.2018.

13. Die Zustellung an die BF ist durch unbedenklichen Rückschein RSb ausgewiesen (persönliche Übernahme am 23.1.2019).

14. Weder die BF, noch die belangte Behörde übermittelten dem Gericht eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der mit 23.2.2018 datierte Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 2.3.2018 bei der belangten Behörde ein.

1.2. Die BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.3. Die BF hat ihren Wohnsitz in Wien, somit im Inland, inne.

1.4. Bei der BF liegen die folgenden Funktionseinschränkungen vor:

Endometriose (Leiden1), welche einen GdB von 30 v H erreicht sowie Zustand nach Entfernung der Gebärmutter (Leiden2), welcher einen GdB von 10 v H erreicht.

1.5. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v H, da das Leiden1 durch Leiden2 wegen "Leidensüberschneidung" nicht weiter erhöht wird.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die unter II.1.1. und II.1.2. getroffenen Feststellungen basieren auf dem Inhalt des Fremdaktes.

2.2. Die Feststellung zum Wohnsitz der BF basiert auf der unbedenklichen Auskunft des Zentralen Melderegisters.

2.3. Die unter II.1.4. und II.1.5. getroffenen Feststellungen fußen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten des Allgemeinmediziners Dr. XXXX vom 27.12.2018, basierend auf persönlicher Untersuchung im November 2018.

Darin wird auf die Art der Leiden der BF und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Dr. XXXX setzt sich in diesem Gutachten auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Im Unterschied zu dem seitens der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist die Harnblase nun im Leiden 1 "Endometriose" berücksichtigt und wird nunmehr nach der Position "08.03.03" Endometriose mitumfasst und nach der Einschätzungsverordnung BFBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. (oberster Rahmensatz des von der Einschätzungsverordnung vorgesehenen Rahmens von 10% bis 30%) eingestuft.

Insgesamt berücksichtigt der vom Gericht beigezogene medizinische Sachverständige das umfangreiche Beschwerdevorbringen der BF und die von dieser in diesem Zusammenhang vorgelegten medizinischen Befunde, welche oben näher bezeichnet werden.

Nach Befundung der beiden bei der BF vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen "Endometriose" und "Zustand nach Entfernung der Gebärmutter" wurde vom Sachverständigen festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 30 v H beträgt. Das führende Leiden "Endometriose" erreicht infolge begründeter Ausschöpfung des in der Einschätzungsverordnung vorgegebenen Rahmensatzes 30 v H und wird aber durch das Leiden 2 wegen "Leidensüberschneidung" nicht erhöht.

Der vom Gericht beigezogene Sachverständige geht in seinem Gutachten vom 27.12.2018 ausführlich auf sämtliche Einwendungen und Befunde de BF ein. Dieses Gutachten wurde der BF im Rahmen des Parteigehörs übermittelt und ist eine Stellungnahme unterblieben, sodass die BF den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX nicht und somit nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Es steht einem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (VwGH 27.6.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens Dr. XXXX vom 27.12.2018. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Die vorliegenden Beweismittel, der vorgelegte Fremdakt der belangten Behörde und das eingeholte Sachverständigengutachtens Dr. XXXX vom 27.12.2018 ermöglichen dem erkennenden Gericht, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.9.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungs-methoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte - insbesondere der zitierten Entscheidungen - ist das oben genannte durch das Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebene medizinische Sachverständigengutachten schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf.

Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde am 2.3.2018 einlangte und somit nach dem Tag des Inkrafttretens der Einschätzungsverordnung, dem 1.9.2010, gestellt wurde, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung idgF zu beurteilen. Die die Grundlage der Einschätzung des GdB bildenden eingeholten Gutachten erfüllen die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten Dris. XXXX auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. So findet sich im Gutachten eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen und es wird auch auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde eingegangen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Ad A) - Zur Entscheidung in der Sache

Die maßgeblichen formellrechtlichen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) und des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Bundesbehindertengesetz normiert § 45 Abs. 3, dass in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grad der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor und war entsprechend dem § 45 Abs. 4 ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetz (BBG). § 45 Abs. 1 BBG normiert, dass Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen sind.

§ 47 BBG beinhaltet eine Verordnungsermächtigung, wonach der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt ist, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

..."

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung

BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten blieb.

Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde am 2.3.2018 einlangte und somit nach dem Tag des Inkrafttretens der Einschätzungsverordnung, dem 1.9.2010, gestellt wurde, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung idgF zu beurteilen.

Betreffend die bei der BF sachverständig festgestellten vorliegenden Leiden ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF

BGBl II 251/2012 Näheres zu entnehmen. Die Einschätzungsverordnung normiert für die in casu festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen wie untenstehend wiedergegeben:

Ad Leiden1 - 08.03.03:

08.03.03 Endometriose 10 - 30 %

Einschätzung entsprechend dem Ausmaß der Ausdehnung auf die Nachbarorgane und die Symptomatik

Ad Leiden2 - 08.03.02:

08.03.02 Fehlbildung, Fehlen, Entfernung der Gebärmutter 10 %

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.7.2009, 2007/11/0088; 22.0.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben in der Beweiswürdigung ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das von dem Gericht eingeholte auf persönlicher Untersuchung der BF basierende Sachverständigengutachten Dris. XXXX zu Grunde gelegt.

Der medizinische Sachverständige wendet in diesem Sachverständigengutachten die Einschätzungsverordnung an:

hinsichtlich Leiden 1 (Position 08.03.03 aus der Einschätzungsverordnung) gibt die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 10 v H bis 30 v H vor, hinsichtlich Leiden 2 sieht die Einschätzungsverordnung einen festen Satz von 10 v H vor. Der medizinische Sachverständige Dr. XXXX begründete je Leiden den zur Anwendung gekommenen Prozentsatz.

Der Grad der Behinderung wurde somit von dem beigezogenen medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX auf der Basis der Einschätzungsverordnung festgestellt und das Ergebnis der Einschätzung des Rahmensatzes je Leiden entsprechend dem § 2 Abs 3 der Einschätzungsverordnung begründet.

Unter Beachtung der oben dargetanen Position aus der Einschätzungsverordnung samt deren Rahmensatz und den Vorgaben der Einschätzungsverordnung in den §§ 2 und 3 wurde somit der Gesamtgrad der Behinderung der BF in dem gerichtlich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten Dris. XXXX unter Zugrundelegung der Einschätzungsverordnung mit 30 v H korrekt eingeschätzt.

Bei der BF liegt demnach nicht ein Grad der Behinderung von mindestens 50 v H vor.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin XXXX beträgt 30 v H.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v H sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Was den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den im damaligen Zeitpunkt sachverständig eingeschätzten Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin von 10 v H im Spruch festgestellt hat, ist mit Hinweis auf die verba legalia des § 40 Abs 1 BBG festzuhalten, dass ein Grad der Behinderung < 50 v H nicht bescheidmäßig festzustellen ist.

Die Beschwerde war aus den dargelegten Gründen mit der Maßgabe dass die Feststellung des Grades der Behinderung im angefochtenen Bescheid entfällt, als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen

(§ 24 Abs 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR ha

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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