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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1970 geborenen SÜ in Klaus, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1998, Zl. 122.977/2-III/11/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung i. A. Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 18. März 1997 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 20. Juni 1997 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 abgewiesen. Der den Bescheid beinhaltende Rückscheinbrief wurde an die Beschwerdeführerin persönlich an einer Adresse in L. adressiert. Aus dem Rückschein ergibt sich, dass die Sendung in der Folge an eine Adresse in K. weitergeleitet wurde. An dieser Adresse fand nach dem Inhalt des Rückscheines ein Zustellversuch statt, wobei die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches an der Eingangstüre angebracht wurde. Der RSa-Brief weist weiters eine mit 25. Juni 1997 datierte und nach den Angaben auf dem Rückschein vom Empfänger herrührende Übernahmsbestätigung auf.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Zur Rechtzeitigkeit führte sie aus, der erstinstanzliche Bescheid sei am 26. Juni 1997 zugestellt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1998 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 25. Juni 1997 erfolgt sei, während die Berufung erst am 11. Juli 1997 eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Sie macht geltend, die Feststellung der belangten Behörde, der erstinstanzliche Bescheid sei am 25. Juni 1997 zugestellt worden, sei aktenwidrig. Aus dem RSa-Kuvert ergebe sich eindeutig, dass der Zusteller nach einem erfolglosen ersten Zustellversuch eine nochmalige Zustellung dieses Schriftstückes für den 26. Juni 1997 angekündigt habe. Daraus folge zweifelsohne, dass eine rechtmäßige Zustellung des Bescheides nicht vor dem 26. Juni 1997 habe erfolgt sein können.
Weiters sei die Feststellung der belangten Behörde, die Berufung sei am 11. Juli 1997 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eingebracht worden, ebenfalls aktenwidrig. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin die in Rede stehende Berufung offenbar bereits am 10. Juli 1997 um 17.10 Uhr per Telefax bei dieser Behörde eingebracht. Weil diese Eingabe offenbar nicht vollständig bei der Erstbehörde eingelangt sei, sei sie offenbar am nächsten Tag von der Erstbehörde neuerlich abgefordert und dieser noch einmal übersandt worden. Insbesondere habe es die belangte Behörde verabsäumt, der Beschwerdeführerin Parteiengehör zur Frage der Rechtzeitigkeit ihrer Berufung einzuräumen.
Mit Verfügung vom 7. Jänner 1999 hielt der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin vor, dass der im Akt erliegende eigenhändig unterfertigte Rückschein als Tag der Übernahme den 25. Juni 1997 aufweise.
Dazu äußerte sich die Beschwerdeführerin - soweit sachverhaltsbezogen - wie folgt:
"Das Kuvert war auf eine Adresse in L. adressiert. Es wäre zu ermitteln, wer diese Adresse dann durchgestrichen und handschriftlich durch eine Adresse in K. ersetzt hat.
Auf dem Rückscheinkuvert befinden sich zwei Poststempel des Postamts Bregenz, mit Datum 23. und 24.6.1997.
Eine naheliegende Erklärung ist, daß der Rückscheinbrief am
23. in Bregenz eingelangt ist, daß dann am 24. der vergebliche Zustellversuch in L. stattgefunden hat und daß dabei die Adresse in
K. registriert wurde - oder daß die Adreßänderung im Postamt L. bekannt war und daher der Brief von dort am Folgetag wieder nach L. zurückging.
Jedenfalls stammt der nächste Stempel auf dem Rückscheinkuvert dann vom Postamt K. und ist mit 25.6.1997, 17 Uhr, datiert.
Ausdrücklich heißt es schließlich auf dem Rückscheinkuvert:
'Angekündigt für den 26.6.1997, offenbar mit dem Kürzel des Zustellbeamten. Daraus ergibt sich zwingend, daß der Zusteller anläßlich des ersten Zustellversuches am 25.6.1997 einen zweiten Zustellversuch für den 26.06.1997 angekündigt hat und daher nicht schon am 25.6.1997 die Zustellung vorgenommen haben kann.
Auffällig ist, daß das Datum auf dem mit dem Vorhalt übermittelten Rückschein nicht von derselben Hand stammt wie die Unterschrift der Beschwerdeführerin.
Angesichts der Ankündigung des zweiten Zustellversuches auf dem Rückscheinkuvert kann die Zustellung nicht vor dem 26.6.1997 erfolgt sein."
Dieser Äußerung waren Ablichtungen eines Rückscheinkuverts
angeschlossen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vor Zurückweisung einer Berufung als verspätet hat die Behörde entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, wenn nämlich Umstände auf einen solchen hinweisen oder dem Berufungswerber die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten; unterlässt sie dies, so kann der Berufungswerber ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot den Zustellmangel in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dartun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 88/18/0048).
Da es die belangte Behörde vorliegendenfalls unterließ, der Beschwerdeführerin die nach dem Inhalt des Rückscheines vorliegende Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten, unterliegt das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Allein damit vermag die Beschwerdeführerin jedoch aus folgenden Gründen die Relevanz des von ihr aufgezeigten Verfahrensmangels nicht darzutun:
Die vom Zusteller erstellten Zustellnachweise sind öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, dass die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO offen. Behauptet jemand, es würden Zustellmängel vorliegen, so hat er diese Behauptungen auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die im Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 E. 3 zu § 22 ZustG, wiedergegebene Judikatur).
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren fehlt jedoch, ohne dass es erforderlich wäre, es einem Akt der Beweiswürdigung zu unterziehen, schon die abstrakte Eignung, die auf dem Rückschein mit 25. Juni 1997 beurkundete Zustellung zu widerlegen. Die Beschwerdeausführungen vermeiden nämlich jede konkrete Darlegung darüber, wann und unter welchen Umständen es zur Ausfolgung der in Rede stehenden Briefsendung an die Beschwerdeführerin und zur Unterfertigung des Rückscheines durch diese gekommen sein soll, obwohl ein solches Vorbringen beim Standpunkt der Beschwerdeführerin naheliegend wäre.
Als Argument für die Unrichtigkeit des auf diesem Rückschein beurkundeten Zustelldatums wird ins Treffen geführt, dass der Postzusteller (offenbar am 25. Juni 1997) einen zweiten Zustellversuch für den 26. Juni 1997 angekündigt habe, weshalb nicht schon am 25. Juni 1997 eine Zustellung erfolgt sein konnte. Diese Schlussfolgerung erweist sich jedoch keineswegs als zwingend. Ungeachtet des Umstandes, dass am 25. Juni 1997 eine Ankündigung eines zweiten Zustellversuches für den 26. Juni erfolgt sein mag, ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass die persönliche Ausfolgung der Briefsendung im Anschluss an diese Ankündigung noch am 25. Juni 1997 erfolgte. Diese Annahme könnte auch durch die Behauptung, selbst wenn sie zuträfe, nicht widerlegt werden, das Datum der Übernahmsbestätigung sei nicht von der Beschwerdeführerin, sondern von einer dritten Person (dem Zusteller) auf dem Rückschein angebracht worden.
Völlig unerheblich ist es im übrigen für die Frage der Richtigkeit der Beurkundung des Zustellvorganges auf dem gegenständlichen Rückschein, ob und von wem die ursprünglich aufgeschienene Adresse in L. durch jene in K. ersetzt wurde. Die von der Beschwerdeführerin dargelegte Erklärung der Stampiglien vom
23. und 24. Juni 1997 ist - wie ihr einzuräumen ist - möglich. Sie spricht aber nicht gegen das auf dem Rückschein beurkundete Zustelldatum.
Schließlich ist auch die auf dem Rückscheinkuvert aufscheinende Stampiglie des Postamtes K. mit 25. Juni 1997 nicht geeignet, die Richtigkeit des Zustellvorganges zu widerlegen, zumal eine Ausfolgung nach Anbringung dieser Stampiglie nicht ausgeschlossen erscheint.
War das Beschwerdevorbringen nach dem Vorgesagten nicht geeignet, die Richtigkeit der Beurkundung, die Zustellung sei am 25. Juni 1997 durch Ausfolgung an die Beschwerdeführerin persönlich erfolgt, zu widerlegen, so mangelt es auch den Behauptungen hinsichtlich des Zeitpunktes der Erhebung der Berufung an Relevanz. Im Falle der Zustellung am 25. Juni 1997 endete die Rechtsmittelfrist mit Ablauf des 9. Juli 1997. Die Berufung wäre daher auch dann verspätet gewesen, wenn sie - wie die Beschwerdeführerin behauptet - am 10. Juli 1997 und nicht erst, wie von der belangten Behörde festgestellt, am 11. Juli 1997 erhoben worden wäre.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.
Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht der Klärung der Rechtmäßigkeit des beurkundeten Zustellvorganges diente, sondern vielmehr der Beschwerdeführerin die Gelegenheit bot, dem Verwaltungsgerichtshof die Relevanz des von ihr behaupteten Verfahrensmangels (wieso die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung zum Schluss kommt, die Rechtzeitigkeit der Berufung sei "von der Behörde nicht in Zweifel gezogen" worden, ist unerfindlich) aufzuzeigen. Da der Beschwerdeführerin diesbezüglich vom Verwaltungsgerichtshof Parteiengehör gewährt wurde und sie kein Vorbringen erstattete, welches zur Widerlegung der vermuteten Richtigkeit der Beurkundung am Rückschein geeignet wäre, erübrigte sich auch die Durchführung einer Verhandlung zu weiteren mündlichen Erörterungen.
Wien, am 12. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998190204.X00Im RIS seit
20.11.2000