TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/28 W132 2181642-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2019
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Entscheidungsdatum

28.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2181642-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 14.07.2017 hat der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Intensivmedizin und Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 23.11.2017, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

Dem Bescheid wurde das Sachverständigengutachten Dris. XXXX in Kopie beigelegt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er mit der Beurteilung seiner Gesundheitsschädigungen und des Gesamtgrades der Behinderung nicht einverstanden sei, da er erhebliche Funktionseinschränkungen habe, welche schon sehr lange bestünden. Es handle sich dabei um therapeutisch schwer behandelbare Krankheitsaktivitäten.

2.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht vom bereits befassten Sachverständigen, Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, ein mit 08.02.2018 datiertes Ergänzungsgutachten mit dem Ergebnis eingeholt, dass die erhobenen Einwendungen nicht geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

2.2. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Ernährungszustand gut. Allgemeinzustand gut. Caput: sichtbare Häute und Schleimhäute gut durchblutet. Bulbusmotorik seitengleich. Beidseits prompte Pupillenreaktion.

Wirbelsäule: Im Lot, kein Schulter- oder Beckenschiefstand. Leichter Klopfschmerz lumbosacral. Im Seitaspekt phsysiologischer

Krümmungsverlauf. Die Schultern leicht hochgezogen. HWS: KJA 0/20 cm, Linksrotation 50°, Rechtsrotation 70°, Rechtsseitneigung 40°, Linksseitneigung 20°. LWS: FBA 50 cm. Schmerzangabe LWS.

Obere und untere Extremitäten: Sämtliche Gelenke werden altersentsprechend frei und schmerzlos bewegt. MER seitengleich prompt. Periphere DMS in Ordnung. Die Beinachse im Lot, keine Beinlängendifferenz. Lasegue beidseits fraglich positiv ab 50° mit Schmerzangabe über der seitengleichen Hüfte lateral.

Thorax: Symmetrisch. Herzaktion rein, rhythmisch. Blutdruck 120/80.

Pulmo beidseits VA.

Abdomen: Weich über Thoraxniveau. Druckschmerz linker Oberbauch, keine Abwehrspannung. Bland abgeheilter Rippenbogenrandschnitt rechts.

Gesamtmobilität und Gangbild am 23.11.2017: Kommt in Begleitung des Bruders, selbständig gehend zur Untersuchung. Trägt normales Schuhwerk ohne Einlagen. Das Barfußgangbild sicher, flott, die Schrittlänge seitengleich. Zehenspitzenstand, Fersenstand, Einbeinstand, Kniebeuge, Nacken- und Schürzengriff endlagig eingeschränkt. Selbständiges An- und Auskleiden auch im Stehen möglich.

Status psychicus: Örtlich, räumlich, zur eigenen Person orientiert, spricht nur wenige Worte Deutsch, der Bruder dolmetscht.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Wirbelsäule - Funktionseinschränkung mittleren Grades Unterer Rahmensatz, da radiologisch verifizierte degenerative Veränderungen der HWS mit endlagiger Bewegungseinschränkung sowie Schmerzausstrahlung in den linken Arm. Schmerzangabe in der LWS ohne radiologische Befunde, kein peripheres sensomotorisches Defizit.

02.01.02

30 vH

02

Niere - Funktionseinschränkungen leichten Grades Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da große Zystenniere links, unauffällige Nierenfunktionswerte.

05.04.01

20 vH

03

Mäßige Hypertonie Fixposition

05.01.02

20 vH

04

Zustand nach Gallenblasenentfernung Unterer Rahmensatz, da keine wesentlichen Diätmaßnahmen

07.06.01

10 vH

05

Symptomatische Polygobulie Fixposition

10.02.01

10 vH

06

Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Unterer Rahmensatz, da Diätmaßnahmen ausreichend, keine Medikation.

09.02.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

 

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, da das führende Leiden unter Nr. 1 durch die Leiden unter Nr. 2 bis 6 nicht weiter erhöht wird, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt und das durch diese Gesundheitsschädigungen jeweils bewirkte Funktionsdefizit von geringem Ausmaß ist.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten und Beweismittel:

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, auf der Aktenlage basierende, Sachverständigengutachten Dris. XXXX , ist in Verbindung mit dem von der belangten Behörde eingeholten, auf persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers basierenden, Sachverständigengutachten Dris. XXXX vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises. Es wird kein anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die vorliegenden Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, Dr. XXXX hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst deren wesentliche Inhalte wie folgt zusammen:

-

Bei den vom Beschwerdeführer vorgelegten Blutbefunden vom 14.04.2015, 02.03.2016, 22.11.2016, 12.10.2016, 25.04.2017, 17.08.2017 und 19.09.2017 handelt es sich jeweils um Blutbefunde, die im Wesentlichen allesamt die typischen Blutbildveränderungen wie bei Polyglobulie zeigen, jeweils zu verschiedenen Abnahmedaten. Hierzu gehören auch die hämatologisch-onkologischen Ambulanzberichte des Landesklinikum Amstetten vom 02.11.2016 und 22.11.2016. Diese Veränderungen wurden im Leiden 5 berücksichtigt. Zudem zeigen sich normale Nierenfunktionswerte, was sich in der Einstufung des Leiden unter Nr. 2 niederschlägt.

-

Ein CT des Abdomens Dris. XXXX vom 29.03.2016 zeigt eine große Zysteniere links, eine kleine rechts. Dies entspricht der Beurteilung von Leiden 2.

-

Der Arztbriefe des niedergelassenen Internisten Dr. XXXX 13.03.2017 sowie der Behandlungsschein aus der interdisziplinären Aufnahme des KH Scheibbs vom 12.03.2016 mit den Diagnosen Bluthochdruck, Polyglobulie, Diabetes mellitus II, chronische Niereninsuffizienz bei Zystenniere links, Zustand nach Gallenblasenentfernung, degenerative Veränderungen des Skeletts. Diese Befunden entsprechen der Beurteilung der Leiden unter Nr. 1 bis 6.

-

Die vorliegenden Medikamentenauflistung - entspricht der Medikamentenliste des Gutachtens vom 23.11.2017

-

CT Thorax vom 15.02.2017 mit unspezifischen Veränderungen - mangels Beschwerdeangaben nicht gewertet.

-

Entlassungsbrief interne Abteilung KH St. Pölten 03/2017:

Schmerzen im Bereich der LWS - Entsprechung im Leiden 1.

-

Röntgen der HWS vom 22.08.2017 mit dem Nachweis von degenerativen Veränderungen - Entsprechung im Leiden 1.

-

Nachweis von physikalischer Heilgymnastik vom 05.09.2017 bis 09.10.2017 - Entsprechung im Leiden 1.

-

Handschriftliche Aufzeichnung der blutdruckwertete - Entsprechung im Leiden 3.

Zusammenfassend hält der Sachverständige zu den vorgelegten medizinischen Unterlagen fest, dass alle im angefochtenen Verfahren vorgelegten Befunde eingesehen und entsprechend bewertet wurden und sich daraus weder eine Änderung noch eine Erweiterung der getroffenen Beurteilung ergibt.

Zum Einwand des Beschwerdeführers, es handle sich bei den vorliegenden Gesundheitsschädigungen um lange bestehende und schwer behandelbare Krankheitsaktivitäten, führt Dr. XXXX überzeugend aus, dass diese Einwendungen zwar teilweise richtig sind, sich aber daraus nicht zwangsläufig eine maßgebliche funktionelle Beeinträchtigung ergibt, welche sich auch im Rahmen der Anamnese, der Beschreibung der Beschwerden sowie der klinischen Untersuchung nicht zeigte bzw. verifizieren ließ. So werden in den vorgelegten Laborbefunden normale Nierenfunktionswerte dokumentiert und der Diabetes ist auch nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers unter Diätmaßnahmen stabil.

Die Beurteilung des Nierenleidens ist unter Richtsatzposition 05.04.01 mit 20 vH korrekt erfolgt, da zwar eine große Zystenniere links vorliegt, aber unauffällige Nierenfunktionswerte dokumentiert sind.

Auch die Hypertonie wurde im Einklang mit Einschätzungsverordnung entsprechend einer mäßigen Hypertonie korrekt beurteilt. Eine höhere Beurteilung dieses Leidens ist nicht vorgesehen. Ein Leiden, welches als Folgeerkrankung einer schweren (über mäßig hinausgehenden) Hypertonie zu beurteilen wäre, liegt nicht vor und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

Das Wirbelsäulenleiden wurde entsprechend dem Ausmaß der vorliegenden Funktionseinschränkungen unter Richtsatzposition 02.01.02 mit 30 vH korrekt eingeschätzt, da zwar radiologisch verifizierte Veränderungen der HWS mit Schmerzausstrahlung in den linken Arm vorliegen, aber nur endlagige Bewegungseinschränkungen bestehen und kein peripheres sensomotorisches Defizit objektiviert werden konnte. Eine höhere Einschätzung dieses Leidens wäre erst bei Vorliegen von anhaltenden Dauerschmerzen, episodischen Verschlechterungen und maßgeblichen radiologischen oder morphologischen Veränderungen möglich. Zur bildgebenden Diagnostik ist anzumerken, dass bei radiologischen Befunden die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant ist. Der Sachverständige hat einen umfassenden klinischen Befund des Bewegungsumfanges erhoben, welchem eine lediglich mittelgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule zu entnehmen ist.

Weitere einschätzungsrelevante Einschränkungen des Bewegungsapparates konnten nicht objektiviert werden und wurden auch keine diesbezüglichen Befunde in Vorlage gebracht. Auch zeigte sich im Rahmen der klinischen Untersuchung ein sicheres, flottes Barfußgangbild, die Schrittlänge war seitengleich, bei den standardmäßig durchgeführten aktiven Gelenksbewegungen sowie Bewegungsüberprüfungen zeigten sich keine maßgeblichen Einschränkungen.

Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Den nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten Dris. XXXX - nämlich weder dem erhobenen klinischen Befund, noch den daraus gezogenen Schlussfolgerungen bzw. der Beurteilung der Funktionseinschränkungen - ist der Beschwerdeführer jedoch nicht substantiiert entgegengetreten. Der Inhalt des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Ergänzungsgutachtens wurde auch im Rahmen des Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Das Beschwerdevorbringen wurde insofern berücksichtigt, als eine Prüfung der Einwendungen durch einen medizinischen Sachversständigen erfolge, woraus jedoch keine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung resultiert.

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 30 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß des Beschwerdeführers entspräche.

Da ein Grad der Behinderung von dreißig (30) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten geprüft und ein Ergänzungsgutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde im behördlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind. Es resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W132.2181642.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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