TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/4 W133 2186611-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2019
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Entscheidungsdatum

04.03.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2186611-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 01.02.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 15.11.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) und legte medizinische Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie ein. In diesem Gutachten vom 31.01.2018 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Hüfttotalendoprothese beidseits 1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da bei Zustand nach 2-maliger Luxation links und gedeckter Reposition eingeschränkte Beweglichkeit in allen Ebenen, mäßig eingeschränkte Beweglichkeit rechts, beidseits kein Hinweis für Lockerung der Prothesen. Beinlängendifferenz von 2,5 cm ist miterfasst.

02.05.08

30

2

Valgusgonarthrose beidseits Unterer Rahmensatz, da kein Hinweis für aktivierte Arthrose bei mäßiger Valgusstellung

02.05.19

20

zugeordnet und

nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 01.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit E-Mailnachricht vom 13.02.2018 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führte sie aus, die Untersuchung der Gutachterin sei mehr als oberflächlich gewesen. Der Blutdruck sei offensichtlich nur geschätzt worden, sie sei Linkshänderin, der Einbeinstand sei ihr ohne Anhalten nicht möglich, die tiefe Hocke sei ansatzmäßig nicht möglich, sie benötige zum Hinsetzen und Aufstehen eine Stütze, eine Beckenschieflage sei nicht diagnostiziert worden, das Stiegensteigen mache ihr große Probleme. Diese Nachlässigkeit könne sie nicht widerspruchslos hinnehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Sie brachte am 15.11.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Gesundheitsschädigungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Hüfttotalendoprothese beidseits, bei Zustand nach 2-maliger Luxation links und gedeckter Reposition eingeschränkte Beweglichkeit in allen Ebenen, mäßig eingeschränkte Beweglichkeit rechts, beidseits kein Hinweis für Lockerung der Prothesen. Beinlängendifferenz von 2,5 cm ist miterfasst;

2) Valgusgonarthrose beidseits, kein Hinweis für aktivierte Arthrose bei mäßiger Valgusstellung.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Ein Zustand nach Abszess in der linken Leiste ohne verbleibende Funktionseinschränkungen erreicht nicht das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 30 v. H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten der Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 31.01.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten der Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 31.01.2018. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.

Führendes Leiden der Beschwerdeführerin ist die Hüfttotalendoprothese beidseits bei Zustand nach 2-maliger Luxation links und gedeckter Reposition mit eingeschränkter Beweglichkeit in allen Ebenen, mäßig eingeschränkte Beweglichkeit rechts, beidseits kein Hinweis für Lockerung der Prothesen. Die Beinlängendifferenz von 2,5 cm ist miterfasst. Diese Funktionseinschränkungen wurden von der Sachverständigen unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Befunde und vor allem des Untersuchungsbefundes korrekt der Positionsnummer 02.05.08 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen der Hüftgelenke geringen Grades beidseits betrifft. Da bei der Beschwerdeführerin eine eingeschränkte Beweglichkeit in allen Ebenen und mäßig eingeschränkte Beweglichkeit dokumentiert werden konnten, erweist sich die Einstufung der Gutachterin mit 1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.08 der Anlage zur Einschätzungsverordnung als nachvollziehbar und auch richtig. Diese Beurteilung deckt sich auch mit dem Untersuchungsergebnis. Die Gutachterin stellte folgenden Status fest:

"Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen Thorax:

symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Kleinfinger beidseits: DIP Gelenke mäßig umfangsvermehrt, Achsenabweichung nach radial, sonst Fingergelenke unauffällig

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse ist im Lot, annähernd symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge nicht ident, links -2,5 cm

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk rechts: Narbe nach Hüfttotalendoprothese, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.

Hüftgelenk links: Narbe nach Hüfttotalendoprothese, Narbe im Bereich der linken Leiste, leicht eingezogen, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz, endlagige Beugeschmerzen.

Kniegelenk beidseits: mäßige Umfangsvermehrung, mäßige Valgusstellung links mehr als rechts, keine Überwärmung, Krepitation beim Bewegungsablauf. Stabil.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S rechts 0/90, links 0/80, IR/AR rechts 20/0/20, links 10/0/5, Knie beidseits 0/0/120, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich, beim Hinlegen auf die Untersuchungsliege muss das linke Bein hinaufgehoben werden. Kraft: proximal und distal beidseits KG 5/5

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, skoliotische Fehlhaltung bei Beinlängendifferenz, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit orthopädischen Schuhen mit Längenausgleich von 2,5 cm, das Gangbild barfuß zeigt rechts hinkendes Gangbild, Trendelenburg negativ. Kein Oberkörperpendeln. Gangbild mit orthopädischen Schuhen etwas unelastisch, sonst unauffällig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt."

Ausgehend von der im Gutachten dokumentierten Beweglichkeit der Hüftgelenke ist die Einschätzung der Gutachterin auch dann korrekt, wenn man das von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde erstattete Vorbringen, dass sie ihr der Einbeinstand nur mit Anhalten möglich sei, die tiefe Hocke nicht möglich sei, und sie zum Hinsetzen und Aufstehen eine Stütze benötige, der Beurteilung zugrunde legt.

Das Beschwerdevorbringen, eine Beckenschieflage sei nicht diagnostiziert worden, trifft nicht zu, zumal dieser Umstand durch die Mitberücksichtigung der Beinlängendifferenz von 2,5 cm im Leidenszustand 1 in die Beurteilung miteinfließt. Die Beschwerdeführerin benützt zum Ausgleich der Beinlängendifferenz orthopädische Schuhe.

Auch Leiden 2 "Valgusgonarthrose beidseits" wurde von der Sachverständigen unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Befunde und vor allem des Untersuchungsbefundes korrekt der Positionsnummer 02.05.19 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen des Kniegelenkes geringen Grades beidseits betrifft. Da bei der Beschwerdeführerin bei nur mäßiger Valgusstellung kein Hinweis für eine aktivierte Arthrose dokumentiert werden konnte, erweist sich die Einstufung der Gutachterin mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.19 der Anlage zur Einschätzungsverordnung als nachvollziehbar und auch richtig.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Valgusgonarthrose beidseits nur geringe Funktionseinschränkungen bewirkt, erweist sich auch die Beurteilung der Gutachterin, dass Leiden 1 durch Leiden 2 nicht erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt, als nachvollziehbar und richtig.

Ein Zustand nach Abszess in der linken Leiste erreicht nicht das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens, da keine verbleibenden Funktionseinschränkungen objektiviert werden konnten.

Die Beschwerdeeinwendungen, der Blutdruck sei von der Gutachterin offensichtlich nur geschätzt worden und die Beschwerdeführerin sei Linkshänderin, vermögen der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal sie selbst gar keine Funktionseinschränkungen vorbringt, welche einen Zusammenhang mit ihrem Blutdruck oder dem Umstand, dass sie Linkshänderin ist, hätten.

Dass die Gutachterin, die im Übrigen dem Bundesverwaltungsgericht als eine sehr häufig herangezogene und erfahrene Sachverständige zur Verfügung steht, an deren Qualifikation kein Zweifel besteht, die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, das vorliegende fachärztliche Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde auch keine Befunde vor, welche dem Gutachten widersprechen würden. Sie ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 31.01.2018. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 32/2018, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

....

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige und widerspruchsfreie Sachverständigengutachten vom 31.01.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 30 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende aktuelle Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 30 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf nochmals hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 Bundesbehindertengesetz eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2186611.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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