TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 W217 2205889-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2205889-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA, über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 10.09.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX (in der Folge: BF) beantragte mit am 11.04.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) eingelangten Schriftsatz die Ausstellung eines Behindertenpasses. Beigelegt wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden.

2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 30.05.2018 wird von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, ausgeführt, dass folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als 6 Monate andauern werden, beim BF bestehen:

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz dieser Position, da Zustand nach mehrfachen Operationen an der Halswirbelsäule mit noch deutlicher Restsymptomatik und Funktionsbehinderung an der Halswirbelsäule

02.01.02

40% GdB

2

Lichen Sklerosus und segmentale Vitiligo Wahl dieser Position, da lokale Therapie ausreichend und ohne Funktionsbehinderung

01.01.01

10% GdB

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 40% festgehalten.

2. Mit Schreiben vom 30.05.2018 wurde dem BF das Gutachten zur Kenntnis und allfälliger Stellungnahme übermittelt.

3. Mit Schreiben vom 18.06.2018 übermittelte der BF der belangten Behörde eine Stellungnahme. Alle seine Segmente von C3-C6 seien fixiert. In seiner ersten Bewertung im Jahre 2012 seien ihm 30%, für jedes Wirbelsäulensegment und zwar C5/C6 und C3/C4, zugesprochen worden. Durch die nun erneute Fixierung C4/C5 müssten nochmals 15% hinzukommen. Dazu komme eine Foraminotomia decomressiva C5/C6 und C6/C7. Bezüglich seiner Hautkrankheit Sklerosus sei das unregelmäßige aber ständig-sporadische Wackeln seines rechten Knies, welches seine Bewegungsfreiheit beim Laufen erheblich einschränke, nicht berücksichtigt worden. Dieses Wackeln stehe laut Aussage seines Arztes in ursächlicher Verbindung mit der Sklerose. Diese stelle eine erhebliche Funktionsbehinderung für ihn dar, da die Muskelverhärtung an der depigmentierten Stelle in der linken Wade in sein gesamtes linkes Bein hinaufziehe, was besonders beim schnellen, langen Laufen schmerzhaft sei. Die Licht- und Cortisontherapie der Sklerose habe nach einem Gespräch im XXXX abgebrochen werden müssen, da es zu starken körperlichen Beeinträchtigungen während der Therapie gekommen sei, sodass die Therapie nicht ausreichend gewesen sei. Des Weiteren habe er sich am 15. Juni 2018 einem operativen Eingriff wegen einer Hämorrhoide unterziehen müssen. Nach dem Eingriff sei ihm jedoch gesagt worden, dass keine Hämorrhoiden gefunden worden seien und der Arzt eine Verbindung zwischen Sklerodermie und seinen Symptomen, wie Blutungen und ständige Schmerzen im Analbereich bei jeder Bewegung, sehe.

Unter einem legte er neue medizinische Beweismittel vor.

4. Hierzu führte der bereits befasste Facharzt für Orthopädie in seiner Stellungnahme vom 20.07.2018 aus:

"Antwort(en):

Ein Wirbelsäulenleiden wird immer nach der gesamten Funktionsbehinderung eingeschätzt und nicht nach Segmenten.

Eine relevante Funktionsbehinderung an den Beinen lag zum Untersuchungszeitpunkt nicht vor. Somit war auch kein Leiden zu berücksichtigen.

Bei der Untersuchung wird ausreichend Zeit gewährt um alle Beschwerden darzulegen.

Die Behauptung, dass der BW ‚still' sein musste ist unwahr.

Aufgabe eines medizinischen Sachverständigen ist es ein korrektes und objektives GA zu erstellen, wobei jedoch von den berichteten Einschränkungen jeweils nur die gutachterlich tatsächlich objektivierbaren zu berücksichtigen sind.

Das nun nachgereichte Schreiben Prof. Dr. XXXX v. 14.04.2018 beinhaltet keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der anlässlich der ho. Begutachtung beurteilten Funktionsminderung der Wirbelsäule.

Eine Änderung des Gutachtens ist daher nicht angezeigt."

5. Mit Bescheid vom 24.07.2018 wurde der Antrag der BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass der Grad der Behinderung 40 % betrage. Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses nicht gegeben seien, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

6. In einem weiteren Schreiben vom 10.08.2018 übermittelte der BF weitere medizinische Befunde.

Hierzu führte der bereits befasste Facharzt für Orthopädie in seiner Stellungnahme vom 07.09.2018 aus:

"Antwort(en):

Es werden Kopien von Röntgen der Halswirbelsäule vorgelegt.

Grundsätzlich sind solche Kopien für eine Befundung völlig ungeeignet. Trotzdem kann unter Vorbehalt der nicht minderen, sondern nahezu unzureichenden Qualität festgehalten werden, daß die fixierten Segmente C5-7 stabil sind und keine Fehllage des Osteosynthesematerials besteht. Im Segment C3/4 liegt kein Osteosynthesematerial, allenfalls ist eine Bandscheibenprothese implantiert, was aber auf den vorliegenden Aufnahmen nicht sicher beurteilt werden kann.

Die übrigen behaupteten Funktionseinschränkungen, sowie auch die neuerlich vorgebrachten Unterstellungen bezüglich eines angeblich unkorrekten Verhaltens des Gutachters unterscheiden sich inhaltlich nicht wesentlich von der vorigen Stellungnahme, sodaß diesbezüglich auch auf die eigene Stellungnahme vom 20.7.2018 nochmals hingewiesen wird. Insgesamt sind die nachgereichten Befunde u. neuerlich vorgebrachten Argumente daher nicht geeignet, die aktuelle Einstufung zu entkräften."

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.09.2018, OB: XXXX, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.07.2018 abgewiesen.

8. Fristgerecht ersuchte der BF um Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und brachte dazu vor, sein Beinwackeln geschehe nicht kontinuierlich, es erscheine jedoch häufig wegen der Krankheit Sklerodermie, die in medizinischen Unterlagen bestätigt sei. Die Bewertung seiner Segmente der operierten Wirbelsäule sei zu gering erfolgt. Er habe drei Implantate an drei benachbarten Segmenten. Dass er Osteosynthesematerial in C3/C4 habe, lasse sich durch den Implantatausweis überprüfen.

9. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 19.09.2018 ein. Dieses ersuchte um Erstellung eines ergänzenden medizinischen Gutachtens.

10. Frau XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, FÄ für Unfallchirurgie, führt in ihrem medizinischen Sachverständigengutachten vom 22.12.2018, basierend auf einer persönlichen Begutachtung des BF am 15.11.2018 aus wie folgt:

"(...) Im Beschwerdevorbringen des BF, Abl. 56, wird eingewendet, dass die Sklerodermie nicht berücksichtigt worden sei. Das Wackeln des Beins sei nicht beachtet worden.

2012 sei segmentweise von C3 bis C6 mit 15% eingestuft worden, anschließend nur mehr mit 30%.

Er sei 4 x an der HWS operiert worden und verweise auf die Röntgen- und MRT-Bilder.

In Abl. 55 wird vorgebracht, dass bei der ersten Bewertung 30% zugesprochen worden seien, in weiterer Folge sei eine Fixierung C4/C5 vorgenommen worden und eine Dekompression C5-C7, es müssten somit weitere 15% hinzukommen. Das Wackeln des rechten Knies sei nicht berücksichtigt worden. Die Sklerodermie verursache Verhärtungen und Schmerzen in der linken Wade und im gesamten linken Bein.

Die Cortisontherapie habe abgebrochen werden müssen.

Am 15.06.2018 habe er eine Hämorrhoiden-OP gehabt. Die Symptome stünden jedoch eher in Zusammenhang mit der Sklerodermie.

Vorgeschichte:

01/2018 OP HWS mit Fusion C4/C5

04/2018 Dekompression C5/C6, C6/C7

Zwischenanamnese seit 08.05.2018:

Keine Operation, Bougierung bei Sphinktertonus und kleiner Analfissur

Befunde:

Abl. 61, Befund chirurgische Abteilung Krankenhaus XXXX vom 15.6.2018 (Narkoseuntersuchung bei rektalen Blutabgängen, Sphinkterhypertonus stark erhöht, geplanter Eingriff nicht durchgeführt, bei der Untersuchung kein Hinweis auf massive Noduli hämorrhoidales, narbiges Gewebe, eventuell im Zusammenhang mit Sklerodermie)

Abl. 60-59, Röntgenbilder HWS vom 13.3.2018 einschließlich Funktionsaufnahmen (schlechte Bildqualität, Spondylodese C5 bis C7, in den Funktionsaufnahmen kein Hinweis für Instabilität, kein Hinweis für Materiallockerung oder Fehllage)

Abl. 54, Bericht Dr. XXXX, Neurochirurgische Klinik XXXXvom 14.4.2018 (C3/C4 nicht gut verheilt, Pseudoarthrose mit Kyphoseneigung, eventuell operative Entlastung C3 bis C6)

Abl. 53, Befund Dermatologie XXXXvom 17.4., 25.4. und 5.7.2018 (lineare Sklerodermie linke untere Extremität, subj. Verschlechterung, Verhärtung der Muskulatur der linken Wade, klagt über wackelige Knie und Schmerzen im Bereich der Sklerosierung links lumbal, derzeit Kinderwunsch, daher kein MTX, physikalische Therapie abgelehnt, Kontrolle nach Bedarf)

Abl. 19, MRT linke untere Extremität vom 8.2.2018 (langstreckige Fasciitis entlang des Biceps femoris lateral)

Abl. 18, MRT der HWS vom 28.3.2018 (Metallartefakte, multisegmentale relative Vertebrostenose)

Abl. 17, Röntgen HWS und Funktionsaufnahmen vom 13.3.2018 (Zustand nach vorderer Fusion C4/5 mit Bandscheibenersatz und durch Bauteile Spondylodese C5/C6, Bandscheibenersatz C3/T4, normaler postoperativer Aspekt)

Sozialanamnese: Ledig, keine Kinder, Lebensgemeinschaft, lebt alleine in Wohnung im 7. Stockwerk mit Lift.

Berufsanamnese: Diplom-Ingenieur Elektrotechnik in XXXX, AMS seit 5a

Medikamente: Ibuprofen 600 mg zweimal 1, Novalgin Tbl.

Nikotin: 0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX, XXXX

Derzeitige Beschwerden:

‚Beschwerden habe ich von Seiten der Analfissur, brennende Schmerzen mit Ausstrahlung bis zu den Füßen, kann daher nicht lange sitzen. Derzeit wird eine Salbenbehandlung durchgeführt. Beschwerden habe ich im Bereich der Halswirbelsäule mit Ausstrahlung in die reche Schulter und den rechten Arm, im linken Daumen habe ich ein elektrisierendes Gefühl. Kopfschmerzen und Schwindel habe ich nicht, die Beweglichkeit des Kopfes ist eingeschränkt. Bin insgesamt in der Kraft geschwächt. Mache regelmäßig Heilgymnastik Zuhause, habe Physiotherapie gemacht.'

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 180 cm, Gewicht 80 kg, RR 185/130, 49 a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Anus: kleine Narbe, sonst unauffällig

Integument: Vitiligo Becken rechts, rechter Oberschenkel.

Erythem an Hals und Schultern.

Verhärtetes Areal am Rücken links von 7x11 cm, und linker Unterschenkel lateral Mitte, leicht verbacken, 4 cm, vernarbt, nicht hypopigmentiert, in Hautniveau.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Kraft proximal und distal KG 5/5

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse:

Unterschenkel bds 38cm.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Kniegelenke unauffällig, stabil. Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: R rechts 40/0/50, F 20/0/20, KJA 5/14

BWS/LWS: FBA: 15 cm, R und F je 20°

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei und unauffällig, zügig.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Einschätzung des Grades der Behinderung:

ad 1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 02.01.02 40%

Oberer Rahmensatz, da Zustand nach mehrfachen Operationen an der Halswirbelsäule mit Restsymptomatik und ggr. Funktionsbehinderung an der Halswirbelsäule ohne objektivierbares neurologisches Defizit.

ad 2) Lichen sclerosus und segmentale Vitiligo 02.01.01 10%

Wahl dieser Position, da lokale Therapie ausreichend und ohne Funktionsbehinderung.

Gesamtgrad der Behinderung: 40%

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Aufgrund des Vorbringens des BF in der Stellungnahme und in der Beschwerde (Abl.29, 56) ergeben sich im Vergleich zum Gutachten Abl.22-24 und den darauffolgenden Stellungnahmen weder ein weiterer einschätzungswürdiger Leidenszustand des BF noch Änderungen der getroffenen Einschätzung.

Die Einschätzung nach den Kriterien der EVO wird entsprechen den objektivierbaren Funktionseinschränkungen, unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde, durchgeführt.

Dabei konnte im Bereich der Halswirbelsäule zwar eine mäßige Einschränkung der Beweglichkeit festgestellt werden, jedoch keine höhergradige Verspannung als Hinweis für höhergradige Funktionseinschränkung, noch ist ein neurologisches Defizit objektivierbar.

Das vorgebrachte Argument, eine weitere Versteifung der HWS würde eine höhere Einstufung nach sich ziehen, ist nicht relevant. Maßgeblich ist das Ausmaß der funktionellen Einschränkungen, welche entsprechend ihrer Ausprägung in der Einstufung in vollem Umfang berücksichtigt werden.

In Abl. 53 werden mehrere dermatologische Diagnosen, einschließlich lineare Sklerodermie linke untere Extremität aufgelistet. Es liegen jedoch zu sämtlichen dermatologischen Diagnosen keine histologischen Befunde vor, sodass letztlich keine klare Aussage über die dermatologische Diagnose getroffen werden kann. Demnach handelt es sich bei den aufgelisteten Diagnosen um klinische Arbeitshypothesen.

Jedenfalls konnten keine funktionellen Einschränkungen festgestellt werden.

Die Beschwerden bei Zustand nach Hämorrhoidenoperation mit Analfissur stellen ein vorübergehendes Leiden dar, es konnte keine maßgebliche Funktionseinschränkung objektiviert werden, sodass kein zusätzliches einschätzungswürdiges Leiden vorliegt.

Ein Wackeln des rechten Knies konnte nicht objektiviert werden.

Sämtliche vorgelegten Befunde der bildgebenden Diagnostik stehen nicht in Widerspruch zu getroffener Einschätzung. Aktuelle Befunde über fachärztliche Behandlungen oder physikalische Therapien liegen nicht vor, sodass an getroffener Einstufung festgehalten wird.

ad 3) entfällt

ad 3) Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

ad 4) GdB ist ab Antragstellung anzunehmen.

Nachgereichte bzw. im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung vorgelegte Befunde:

Bericht chirurgische Abteilung Krankenhaus XXXX vom 21.6.2018

(konservative Therapie einer Analfissur, Zustand nach Gummibandligatur und Hämorrhoiden Operation, Sklerodermie) - Erreicht kein behinderungsrelevantes Leiden, da erfolgreiche Sanierung und keine objektivierbaren Folgeschäden.

Befund chirurgische Abteilung XXXX Krankenhaus vom 11.10.2018 und 9.11.2018 (innerer Rektumprolaps, kleine Fissur, Rektoskopie, Bougierung) - Erreicht kein behinderungsrelevantes Leiden, da erfolgreiche Sanierung und keine objektivierbaren Folgeschäden.

Befund Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, traditionelle chinesische Medizin, chinesische Kräutermedizin et al. vom 15.5.2018 (lbuprofen 600 mg zweimal 1, Novalgin, Prednisolon 5 mg) - Medikamentenliste wird in der Begutachtung zur Kenntnis genommen, jedoch keine neuen Aspekte vorliegend."

11. Mit Schreiben vom 16.01.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF und der belangten Behörde das eingeholte Gutachten zur Kenntnisnahme und allfälliger Stellungnahme binnen zweier Wochen. Innerhalb offener Frist teilte der BF hierzu mit, dass die Gutachterin nicht erwähnt habe, dass er wegen einer bei ihm diagnostizierten Sklerodermie in seinem Analkanal nicht sitzen habe können, weil es ständig "drinnen brenne und weh tue". Er habe nur kurz auf seiner rechten Seite sitzen können. Er habe sich weder zurücklehnen noch hinlegen können, ursächlich wegen der von der Sklerodermie ausgelösten Schmerzen, welche von dem großen Fleck am Rücken, der immer so brenne, ausstrahlen würden. Das Wackeln des rechten Knies passiere nicht ständig und sei mit der Sklerodermie verbunden. Er habe weiters eine Verordnung für Heilbehelfe und Hilfsmittel, d.h. einen Stift wegen regelmäßigen Bougierens des Analbereichs zur Einsicht beigefügt, den er vom XXXX wegen seiner Sklerodermie/Analstenose bekommen habe. Dies bestätige seine Funktionseinschränkungen. Leider habe sich sein Gesundheitszustand nach der Beurteilung erheblich verschlechtert. Es sei eine ventrale Diskekomie C6/C7 festgestellt worden, welche eine erneute Operation im Halswirbelbereich nach sich ziehen würde. Gegen die Schmerzen habe er sich jede Woche einer Cortison/Anästhetikum Infiltration sowie einer Tens Therapie unterzogen. Aufgrund dieser Schmerzen im Halswirbelbereich, welche auch in die Brust auszustrahlen würden, habe er nun noch mehr funktionale Einschränkungen.

Unter einem legte der BF u.a. ein Angebot/Kostenvoranschlag vom 11.01.2019 der XXXX Universitätsmedizin XXXX betreffend eine geplante Behandlung in der Klinik samt OP vertrale Diskekomie C6/7 in Höhe von € 20.400,--, einen Kostenvoranschlag vom 02.01.2019 betreffend Hegarstift 16 mm, ein Schreiben des XXXX vom 12.01.2019 über einen Ambulanzbesuch Not/K Orthopädie wonach in Höhe C6/C7 gequaddelt worden sei, sowie eine Verordnung für Heilbehelfe und Hilfsmittel vom 21.01.2019 für 1 XXXXTENS Tem-Eco für drei Monate, vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 11.04.2018 bei der belangten Behörde die.

Der BF hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:

-

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Pos.Nr. 02.01.02, 40% GdB)

-

Lichen sclerosus und segmentale Vitiligo (Pos.Nr. 01.01.01, 10% GdB)

Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt 40 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des BF im Inland ergibt sich aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.

Die Feststellung hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung des BF in der Höhe von 40 v.H. beruht auf dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 30.05.2018 eines Facharztes für Orthopädie, sowie auf dem vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten vom 22.12.2018 einer Ärztin für Allgemeinmedizin, FÄ für Unfallchirurgie, jeweils basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF.

In diesen Gutachten wird auf die Art des Leidens des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinischen Sachverständigen setzten sich auf Grundlage der persönlichen Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, die in den Gutachten angeführt sind, auseinander. In ihrem Gutachten vom 22.12.2018 führt die medizinische Sachverständige nachvollziehbar aus, weshalb sie gegenüber dem Vorgutachten vom 30.05.2018 zu keiner Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung gelangt:

Im Bereich der Halswirbelsäule konnte zwar eine mäßige Einschränkung der Beweglichkeit festgestellt werden, jedoch keine höhergradige Verspannung als Hinweis für höhergradige Funktionseinschränkung; auch ein neurologisches Defizit war nicht objektivierbar.

Auf den Einwand des BF, eine weitere Versteifung der HWS würde eine höhere Einstufung nach sich ziehen, erläuterte sie, dass das Ausmaß der funktionellen Einschränkungen, welche entsprechend ihrer Ausprägung in der Einstufung in vollem Umfang berücksichtigt worden seien, maßgeblich ist.

Dies wird auch durch die Anlage zur Einschätzungsverordnung bestätigt, worin unter Pos.Nr. 02.01.02 festgehalten ist:

"Wirbelsäule, Funktionseinschränkungen mittleren Grades, 30-40%:

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd maßgebliche radiologische Veränderungen

andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

Beispiel: Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)

30 %:

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, maßgebliche radiologische Veränderungen

andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

40 %:

Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, maßgebliche radiologische und/oder morphologische Veränderungen maßgebliche Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben"

Weiters bestätigt zwar zunächst die medizinische Sachverständige, dass in Abl. 53 mehrere dermatologische Diagnosen, einschließlich lineare Sklerodermie linke untere Extremität aufgelistet werden. Sie weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass zu sämtlichen dermatologischen Diagnosen keine histologischen Befunde vorliegen, sodass letztlich keine klare Aussage über die dermatologische Diagnose getroffen werden kann. Demnach handelt es sich bei den aufgelisteten Diagnosen um klinische Arbeitshypothesen. Sie konnte keine funktionellen Einschränkungen feststellen. So ist auch aus der Verordnung für Heilbehelfe und Hilfsmittel vom 10.12.2018 für einen Stift wegen regelmäßigen Bougierens des Analbereiches keine Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als 6 Monate andauern wird, abzuleiten. Gleiches gilt für den Verordnungsschein vom 21.01.2019 betreffend ein XXXX TENS Tem-Eco für 3 (!) Monate. Weiters erläuterte die medizinische Sachverständige, dass die Beschwerden bei Zustand nach Hämorrhoidenoperation mit Analfissur ein vorübergehendes Leiden darstellen; eine maßgebliche Funktionseinschränkung habe nicht objektiviert werden können, sodass kein zusätzliches einschätzungswürdiges Leiden vorliegt. Ebenso habe ein Wackeln des rechten Knies nicht objektiviert werden können.

Der BF ist dem eingeholten Sachverständigengutachten trotz ihm durch das Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. ...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

.....

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 30.05.2018, welches durch das Gutachten vom 22.12.2018 bestätigt wird, zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Grad der Behinderung des BF von 40 v.H.

Der BF ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat - wie bereits oben ausgeführt - kein aktuelles Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher in sachverhaltsbezogener und rechtlich erheblicher Form die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Befundnahme und Schlussfolgerung der dem gegenständlichen Verfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig sei.

Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. Nach dem im Beschwerdefall anwendbaren § 46 BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Die Einführung der Neuerungsbeschränkung erfolgte mit der gleichen Gesetzesnovelle, mit der auch eine (vom VwGVG abweichende) Verlängerung der dem Sozialministeriumservice eingeräumten Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung festgelegt wurde. Aus den parlamentarischen Materialien folgt, dass der Gesetzgeber zwischen der Schaffung großzügigerer Möglichkeiten der Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen einerseits und der Beschränkung neuer Tatsachen und Beweise im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen unmittelbaren Zusammenhang ("im Gegenzug") gesehen hat. Die Regierungsvorlage erläutert dies wie folgt (527 BlgNR 25. GP, 4-5):

"In der Praxis hat sich gezeigt, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die derzeit für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden. ..."

Im Gesetzeswortlaut ("in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht") kommt zum Ausdruck, dass die Neuerungsbeschränkung nicht für das Beschwerdeverfahren als Ganzes (d.h. einschließlich des behördlichen Beschwerdevorverfahrens), sondern erst ab dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (somit ab Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und somit nicht bereits im behördlichen Beschwerdevorverfahren) gelten soll. Neuerungen, die bereits in der Beschwerde vorgebracht werden, sind daher von vornherein nicht von der Beschränkung erfasst und können (müssen) auch vom Bundesverwaltungsgericht noch berücksichtigt werden. Besonders klar kommt die entsprechende Gesetzesintention im Ausschussbericht (564 BlgNR 25. GP) zum Ausdruck, wo es heißt:

"Der Ausschuss für Arbeit und Soziales stellt dazu fest, dass dieses Neuerungsverbot nur unmittelbar für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, nicht jedoch für die Beschwerdevorentscheidung gilt. Weiters geht der Ausschuss davon aus, dass das Sozialministeriumsservice die Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung einschließlich einer allfälligen Beweisergänzung im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung und der Verfahrensökonomie nutzen wird, auf jeden Fall jedoch bei Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel in der Beschwerde eine Beschwerdevorentscheidung zu ergehen hat."

Da die gegenständliche Beschwerde, welche seitens der belangten Behörde vorgelegt wurde, am 19.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, wären die nachträglich vom BF nachgereichten, medizinischen Beweismittel (Angebot/Kostenvoranschlag vom 11.01.2019, Verordnung über Heilbehelfe und Hilfsmittel vom 10.12.2018 samt Kostenvoranschlag vom 02.01.2019, Schreiben vom 12.01.2019 über Ambulanzbesuch Not sowie Verordnung über Heilbehelfe und Hilfsmittel vom 21.01.2019) von der gesetzlich normierten Neuerungsbeschränkung erfasst und könnten diese seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht mehr als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden.

Der BF hat jedoch die Möglichkeit, diese - sollte er daraus ein anderes Verfahrensergebnis ableiten wollen - im Wege eines neuen Antrages bei der belangten Behörde geltend zu machen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung des BF unter Mitwirkung ärztlicher Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Sachverständigengutachten geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2205889.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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