TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/12 W233 2174288-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2019
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Entscheidungsdatum

12.03.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W233 2174288-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger Afghanistans, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017,ZI.: 108012260-150960546, nach

Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2018 zu Recht:

A) I. Die Beschwerde wird bezüglich der Spruchpunkte I. und II. des

angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. und IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben, gemäß § 9 BFA-VG festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 54 Abs. 1 Z 2, § 58 Abs. 1 Z 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 28.07.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In seiner Erstbefragung am 29.07.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Burgenland gab der Beschwerdeführer an, er sei geflüchtet, da er als Kleinkind seiner Cousine versprochen worden sei. Zwischenzeitlich habe diese bei einem Unfall ihre Beine verloren. Er habe sie nie heiraten wollen. Aufgrund dessen werde er von seinem Onkel mütterlicherseits bedroht. Dieser wolle ihn töten.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde am 16.02.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, einvernommen. Dabei hielt er sein Fluchtvorbringen aus der Erstbefragung aufrecht und wurde ergänzend zu diesem sowie zu seinen Lebensumständen in Afghanistan und Österreich befragt.

1.4. Mit Schreiben des Bundesamtes vom 29.05.2017 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan (Stand 11.05.2017) zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme übermittelt.

1.5. Mit gegenständlichem Bescheid vom 05.10.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 28.04.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

1.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17.10.2017 fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

1.7. Mit hg. Schreiben vom 28.09.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und Berichte zur Situation in Afghanistan (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand 29.06.2018; UNHCR Guidelines - Afghanistan) in das Verfahren eingebracht und dem Beschwerdeführer zu diesen Berichten eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

1.8. Am 27.09.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

1.9. Zur Ermittlung des Entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 24.10.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seiner Identität, seiner Herkunft, seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seiner Situation im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt wurde. Die belangte Behörde verzichtete mit Schreiben vom 20.09.2018 auf die Teilnahme an der Verhandlung.

1.10. Der Beschwerdeführer legte im gegenständlichen Verfahren folgende Dokumente/Unterlagen vor:

* Schulbesuchsbestätigung der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX über den Zeitraum von 30.11.2015 bis 08.07.2016 (AS 71);

* Teilnahmebestätigungen Deutschkurse (AS 73 ff; 195, 211);

* Empfehlungsschreiben Familie XXXX vom 13.02.2016 (AS 81);

* Bestätigung des Abschlusses der Übergangsstufe an der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX (AS 99);

* ÖSD Zertifikat A2 ("sehr gut bestanden") vom 01.07.2016 (AS 103 ff);

* Jahreszeugnis der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX, Schuljahr 2016/17, für die 9. Schulstufe (AS 195);

* Bestätigungen der Stadt XXXX über die Teilnahme an der Flurreinigungsaktion 2016 vom 10.05.2016 und 2017 vom 10.04.2017 (AS 199, 295);

* Certificate of Attendance English Week (AS 203);

* ÖSD Zertifikat A1 ("sehr gut bestanden") vom 22.02.2016 (AS 207);

* Trainingsanmeldung Vitalcenter XXXX (AS 223);

* Lehrvertrag für den Lehrberuf des Elektrotechnikers (Elektro- und Gebäudetechnik) für den Zeitraum 05.09.2017 bis 04.03.2021(AS 225 ff);

* ÖDS Zertifikat über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1 ("sehr gut bestanden") vom 23.02.2017;

* Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 27.08.2017, mit welchem dem Lehrberechtigten des Beschwerdeführers für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Elektrotechniker - Elektro-und Gebäudetechnik (Lehrling/Auszubildender) für die Zeit vom 25.08.2017 bis 24.05.2021 erteilt wird (AS 406);

* Noteninformationsblatt der Landesberufsschule XXXX, Schuljahr 2017/11, für die erste Fachklasse für den Lehrberuf Elektrotechnik - Elektro- und Gebäudetechnik

* Jahreszeugnis der Landesberufsschule XXXX, Schuljahr 2017/11, für die erste Fachklasse für den Lehrberuf Elektrotechnik - Elektro- und Gebäudetechnik;

* Teilnahmebestätigung für den Kurs Deutsch B2 Prüfungsvorbereitung vom 05.02.2018 bis 09.02.2018 und Deutsch B2.2 Abendkurs vom 29.09.2017 bis 25.01.2018;

* ÖSD Zertifikat über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B2 ("bestanden") vom 22.02.2018;

* Diverse Fotos (Baseballteam, Lehre);

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 10.10.2018;

* Empfehlungsschreiben XXXX vom 10.10.2018;

* Bestätigung über die Mithilfe des Beschwerdeführers im städtischen Forstbetrieb der Stadt XXXX im Rahmen der Nachbarschaftshilfe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen, in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR sowie durch Einsichtnahme in die in das Verfahren eingebrachten Informationen zum Herkunftsstaat. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Turkmenen und dem muslimischen Glauben sunnitischer Ausrichtung zugehörig. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Turkmenisch, er beherrscht die Landessprachen Dari und Farsi in Wort und Schrift und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B2, sodass er sich in deutscher Sprache so fließend verständigen kann, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist.

Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan geboren, wo er bis zu seinem 15. Lebensjahr aufhältig war. Danach hat er bis zu seiner Ausreise in Afghanistan in der Provinz Jawzjan, im Distrikt XXXX gelebt. Er hat in Pakistan zehn Jahre lang die Schule besucht.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind verstorben und seine Brüder nach ihm aus Afghanistan ausgereist. Der Beschwerdeführer steht mit einer in Afghanistan lebenden Schwester in Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

2.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Juli 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005, durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer absolviert derzeit im zweiten Lehrjahr eine Lehre als Elektrotechniker (Elektro- und Gebäudetechnik). Die tatsächliche Lehrzeit endet laut Lehrvertag am 04.03.2021.

Der Lehr- bzw. Ausbildungsberechtigte verfügt für den Beschwerdeführer über eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Elektrotechniker (Elektro- und Gebäudetechnik) (Lehrling/Auszubildender) für den Zeitraum von 25.08.2017 bis 24.05.2021.

Der Beschwerdeführer besucht die Berufsschule XXXX und wurde über die erste Fachklasse für den Lehrberuf Elektrotechnik (Elektro- und Gebäudetechnik) in allen Pflichtgegenständen positiv Beurteilt, wobei er in diesem Schuljahr im Pflichtgegenstand Deutsch und Kommunikation mit "Befriedigend" beurteilt wurde.

Der Beschwerdeführer hat seit seiner Ankunft in Österreich zahlreiche Deutschkurse besucht. Er verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse und mehrere ÖSD-Sprachzertifikate, darunter eines über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1 vom 23.02.2017 und eines auf dem Niveau B2 vom 22.02.2018.

Der Beschwerdeführer bezieht aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit eine Lehrlingsentschädigung und ist in der Lage, sich selbst zu erhalten.

Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch nach Abschluss seiner Lehre in der Lage sein wird, sich durch eigene berufliche Tätigkeit selbst zu erhalten. Der Beschwerdeführer plant, nach Abschluss seiner Lehre weiterhin in Vorarlberg im Lehrberuf zu arbeiten.

Der Beschwerdeführer weist eine persönliche Beziehung mit einer emotionalen Bindung an die Familie seines Lehrberechtigten in XXXX und eine Nahebeziehung zu einer weiteren Familie in XXXX auf. Zudem ist er in Österreich sozial integriert und verfügt über freundschaftliche Kontakte in seiner Heimatgemeinde und seinem Lehrbetrieb.

Der Beschwerdeführer ist auch in seiner Heimatgemeinde engagiert und integriert. Er hat an zahlreichen Aktionen im Rahmen der Nachbarschaftshilfe teilgenommen und ist in einem Sportverein engagiert.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Somit wird festgestellt, dass eine besonders ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche Integration des Beschwerdeführers vorliegt.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat in seinem gesamten Verfahren vorgebracht, dass er in Afghanistan erfahren hätte, dass sein Vater und sein Onkel mütterlicherseits eine Ehe zwischen ihm und seiner Cousine arrangierten hätten. Der Beschwerdeführer wäre jedoch mit dieser Eheschließung nicht einverstanden gewesen. Nach dem Tod seines Vaters hätte ihm sein Onkel Druck gemacht und gegen ihn körperliche Gewalt ausgeübt, woraufhin der Beschwerdeführer aus Afghanistan ausreist sei.

Mit diesem Vorbringen konnte der Beschwerdeführer allerdings nicht glaubhaft machen, dass er vor ihrer Ausreise aus Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus politischer Gesinnung verfolgt wurden bzw. ihm im Falle einer Rückkehr eine solche Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

2.4. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

Zwar zählt die Provinz Jawzjan - die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - zu den relativ volatilen Provinzen Nordafghanistans, wo regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische, sowohl die Taliban als auch IS-Anhänger in manchen Teilen der Provinz aktiv sind und es in diesen oft zu bewaffneten Zusammenstößen sowie zu koordinierten Angriffen kommt. Die Provinz wurde in den letzten Jahren Schauplatz eines sich vergrößernden Aufstandes seitens der Taliban und des IS, weshalb ihm im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz ihm die Gefahr droht, aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Zuge von Zusammenstößen oder Kämpfen unterschiedlicher staatlicher und nichtstaatlicher Gruppierungen, getötet, misshandelt oder verletzt zu werden.

Jedoch steht dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Herat in der afghanischen Provinz Herat offen, die als eine relativ friedliche und entwickelte Provinz im Westen Afghanistans beschrieben wird. Diese Provinz verzeichnet in abgelegenen Distrikten Aktivitäten von Aufständischen und es kommt zu Zusammenstößen zwischen diesen und Sicherheitskräften. Herat (Stadt), Hauptstadt der Provinz Herat, steht unter Regierungskontrolle und verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt erreicht werden kann.

Die Provinz Herat ist von einer Dürre betroffen. Zugang zu Wohnmöglichkeiten und Wasser ist grundsätzlich gegeben. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet.

Bei einer Rückkehr in die Stadt Herat besteht für den Beschwerdeführer nicht ein so hohes Maß an willkürlicher Gewalt, dass er allein durch seine Anwesenheit tatsächlich einer ernsthaften, individuellen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt ist. Er läuft nicht Gefahr, in der Stadt Herat grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer hat zudem keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände aufgezeigt, die unter Beachtung seiner persönlichen Situation eine Gewährung von subsidiärem Schutz auch bei einem niedrigeren Grad von willkürlicher Gewalt angezeigt hätten.

Der Beschwerdeführer könnte im Falle einer Rückkehr in die Stadt Herat Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.

2.5. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat (Afghanistan) des Beschwerdeführers (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, gekürzt und bereinigt):

Sicherheitslage

Provinz Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port. Nahra-i-Shahi. Dihdadi. Balkh. Daulatabad. Chamtal. Sholgar. Chaharbolak. Kashanda. Zari. Charkont. Shortipa. Kaldar. Marmal. und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten. Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan. Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschaftsund Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat- Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der SafranProduktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m3 turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten TalibanGruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

Jawzjan / Jowzjan

Jawzjan liegt in Nordafghanistan und wird aufgrund der immensen Erdgasreserven als eine der strategisch wichtigen Provinzen des Landes betrachtet. Die Provinz grenzt an Turkmenistan. Die Provinz hat folgende administrative Einheiten: die Provinzhauptstadt Shiberghan/Sheberghan- Stadt, Khamyab, Qarqin, Aqcha, Maradyan/Mardyan, Fayzabad, Mingajik, Khaniqa/Khanaqa, Khwajah Du Ko/Khwajadukoh, QushTepa/Qushtepa und Darzab (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 559.691 geschätzt (CSO 4.2017). In Jawzjan leben mehrheitlich Turkmenen und Usbeken, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Hazara, Arabern und anderen Volksgruppen (Pajhwok o.D.).

In der Provinz wird Sesam angebaut (IWPR 22.2.2018). 2017 wurde ein Projekt zum Bau von GasKraftwerken, welche ca. 200 Megawatt erzeugen sollen, entworfen. Das Projekt sieht die Zusammenarbeit zwischen der afghanischen Regierung, der afghanischen Firma Bayat Power und dem Deutschen Unternehmen Siemens vor (TH 14.3.2018; vgl. EBR 15.11.2017, Tolonews 29.3.2017). Im März 2017 wurde verlautbart, dass bereits mit der Errichtung von Masten und Stromleitungen in Shihberghan begonnen wurde; auch wird durch Gas generierter Strom erzeugt, um die Bevölkerung in den abgelegenen Regionen der Hauptstadt zu versorgen (Tolonews 29.3.2017). Ferner ist die Provinz reich an Ressourcen: Es gibt Vorkommen von Diamanten, Smaragden, Uran und Erdöl (Tolonews 9.12.2017). Jawzjan, war in den Jahren 2008 und 2015 Opium-frei; nichtsdestotrotz, stieg im Jahr 2017 der Mohnanbau auf bis zu 3.200 Hektar an. Im selben Jahr wurden u.a. in der Provinz Jawzjan vier Opiumfelder, ca. 0.3 Hektar, ausgemerzt (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage in Jawzjan

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Jawzjan zu den volatilen Provinzen in Nordafghanistan zählt, in denen regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische - inklusive Taliban - in manchen Distrikten aktiv sind (Khaama Press 21.2.2018). Ebenso sind IS-Anhänger in manchen Teilen der Provinz aktiv, in diesen kommt es oft zu bewaffneten Zusammenstößen sowie zu koordinierten Angriffen (Khaama Press 21.2.2018; vgl. Xinhua 17.1.2017).

Die Provinz Jawzjan wurde in den letzten Jahren Schauplatz eines sich vergrößernden Aufstandes seitens der Taliban (Tolonews 5.8.2017) und des IS (Xinhua 17.1.2017). Im Kampf gegen Aufständische haben in der Vergangenheit sogar Frauen zu den Waffen gegriffen (Xinhua 17.1.2017).

Im Jahr 2017 gehörte Jawzjan zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl an Anschlägen (Pajhwok 14.1.2018). Zahlreiche Familien wurden von den Distrikten Aqcha, Qushtepa and Darzab in das Zentrum der Provinz vertrieben (IWPR 14.3.2018; vgl. Pajhwok 5.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 162 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Jawzjan 118 zivile Opfer (46 getötete Zivilisten und 72 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gezielte Tötungen und IEDs. Dies bedeutet einen Rückgang von 47% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operation in Jawzjan

In der Provinz werden militärische Operationen (Bodenoffensiven und Luftangriffe) durchgeführt um bestimmte Gegenden von Terroristen zu befreien (YS 9.3.2018; vgl. Tolonews 17.3.2018, Tolonews 5.3.2018, Tolonews 2.1.2018). Dabei werden Taliban und IS-Anhänger getötet (SWI 17.3.2018; vgl. Tolonews 10.3.2018, YS 9.3.2018, Tolonews 4.3.2018). Auch ausländische IS- Kämpfer (Usbeken, Franzosen, Algerier, Tschetschenen) befanden sich unter den Toten (Tolonews 2.1.2018, Tolonews 10.12.2017). Dabei wurden auch IS-Anführer getötet (Khaama Press 19.3.2018). Zusammenstöße zwischen den afghanischen Streitkräften und dem IS sowie zwischen IS-Anhängern und Talibankämpfern finden statt (SWI 17.3.2018; vgl. SP 13.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Jawzjan

Die Taliban sind in einigen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 21.2.2018); so sind gewisse Distrikte in Jawzjan unter Kontrolle oder Einfluss der Taliban (Tolonews 21.3.2018).

Berichten zufolge ist der IS in der Provinz Jawzjan aktiv (Tolonews 9.12.2017; vgl. Tolonews 5.8.2017).

Anhänger selbsternannter IS-Kämpfer sind in Distrikten wie Darzab und Qushtepa aktiv, wo sie von Mentoren aus dem Sudan, aus Tschetschenien, Uzbekistan und Frankreich ausgebildet werden (VOA 18.3.2018; vgl. UNAMA 2.2018, Pajhwok 12.11.2017, Tolonews 2.1.2018, AAN 15.5.2018). Ein Ausbildungszentrum des IS befindet sich in Sardara, Darzab (Pajhwok 12.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es ist nicht klar, ob diese IS-Kämpfer mit der IS-Gruppierung in Nangarhar verbündet sind (UNAMA 2.2018). Eine andere Quelle berichtet über angebliche Kontakte zwischen den beiden IS-Gruppierungen (Pajhwok 12.3.2018).

In der Provinz Jawzjan kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und IS (Tolonews 17.3.2018; vgl. Pajhwok 12.11.2017, Tolonews 25.10.2017). Ursache für bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS sind unter anderem die Kontrolle über grenzüberschreitende Drogenrouten (SP 13.3.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene sicherheitsrelevante Vorfälle (Gefechte und Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung) registriert (ACLED 23.2.2018).

Erreichbarkeit

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Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von NeuDelhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Internationaler Flughafen Herat

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen

Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

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Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit. Auslandsreisen. Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 20.4.2018; vgl. MPI 27.1.2004).

In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische. Landminen und improvisierte Sprengfallen (lEDs) das Reisen besonders gefährlich. speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Gesellschaftliche Sitten schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen ohne männliche Begleitung ein (USDOS 20.4.2018).

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Grundversorgung und Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018).

Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

Projekte der afghanischen Regierung

Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.

a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).

Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die

Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

[...]

Rückkehr

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet. die nach Afghanistan zurückgekehrt sind. nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen. die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben. als auch nicht-registrierte Personen. die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind. sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der

Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015. um 24% erhöht. und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz. die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und

462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig. als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA Staatendokumentation; vgl. AAN 19.5.2017). Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA

Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die

Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten (BFA Staatendokumentation 4.2018; IOM 6.2012). Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 18.4.2018).

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM- Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von

Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IRARA o. D., IOM 25.1.2018). AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. FB o.D.). Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an (BFA Staatendokumentation 4.2018). Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein.

Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt (BFA Staatendokumentation 4.2018). Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl UNHCR 13.12.2017).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) - alle Leistungen sind kostenfrei (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Info Migrants 2.1.2018). Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO (BFA

Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak- Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des K

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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