Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/0081Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde
1.) der 1981 geborenen L J und 2.) der 1978 geborenen D J, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1996,
1.) zu Zl. 304.224/9-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und 2.) zu Zl. 304.224/8-III/11/96 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerinnen verfügten zuletzt über Aufenthaltsbewilligungen bis zum 23. August 1995 bzw. bis zum 1. September 1995. Jeweils am 26. Juni 1995 gestellte Anträge auf Verlängerung dieser Bewilligungen wurden mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 28. bzw. 23. November 1995 abgewiesen.
Jeweils am 9. April 1996 stellten die Beschwerdeführerinnen (nachdem weitere Anträge vom 22. Jänner 1996 im Instanzenzug abgewiesen worden waren) neuerlich Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen beim Magistrat der Stadt Wien. Als Aufenthaltszweck war jeweils Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter angegeben.
Der Landeshauptmann von Wien wies die Anträge mit Bescheiden jeweils vom 3. Juni 1996 gemäß § 4 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.
Die dagegen erhobenen Berufungen wurden vom Bundesminister für Inneres mit Bescheiden jeweils vom 31. Juli 1996 gemäß § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres jeweils aus, der Antrag der Mutter der Beschwerdeführerinnen sei im Berufungsverfahren vom Bundesminister für Inneres abgewiesen worden. Die Mutter, der die Pflege und Erziehung der Beschwerdeführerinnen zukomme und zu der die engste familiäre Bindung bestehe, verfüge weder über eine gültige Aufenthaltsbewilligung noch über eine Arbeitserlaubnis, woraus zu schließen sei, daß der Unterhalt der Beschwerdeführerinnen gemäß § 5 Abs. 1 AufG in keiner Weise gesichert sei. Darüber hinaus sei gemäß § 4 Abs. 3 AufG eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes. Da die Mutter der Beschwerdeführerinnen über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge, seien auch deren Anträge gemäß § 4 Abs. 3 AufG abzuweisen.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerden gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 11. Dezember 1996, B 3160/96-5, B 3161/96-5, die Behandlung der Beschwerden abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurden sie von den Beschwerdeführerinnen ergänzt. Sie erachten sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die aufgrund ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (die Zustellung erfolgte jeweils am 10. August 1996) ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
Die §§ 3 Abs. 1 Z. 2 und 4 Abs. 1 und 3 AufG lauteten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
...
2. von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.
...
(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren."
Da rechtzeitig gestellte Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Verlängerung ihrer zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligungen rechtskräftig abgewiesen wurden, wertete die belangte Behörde die verfahrensgegenständlichen Anträge zu Recht nicht als Verlängerungsanträge. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Die Beschwerdeführerinnen haben in ihren Anträgen als Aufenthaltszweck ausschließlich Familiengemeinschaft bzw. Familienzusammenführung mit ihrer Mutter angegeben. Unbestritten verfügte die Mutter der Beschwerdeführerinnen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keine Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG. Die Mutter der Beschwerdeführerinnen war daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich gemäß § 1 Abs. 1 AufG berechtigt und keine Fremde, auf die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG zutrafen. Demnach stand den Beschwerdeführerinnen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung nach § 3 Abs. 1 AufG nicht zu. Eine Anwendung des § 4 Abs. 3 AufG kam daher gar nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0710).
Den Beschwerdeführerinnen konnte jedoch auch im Wege einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG über ihre Erstanträge keine Bewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrer Mutter erteilt werden, weil die erstmalige Erteilung einer Bewilligung zu diesem Zweck jedenfalls voraussetzt, daß sich der Angehörige, mit dem die Familienzusammenführung angestrebt wird, aufgrund einer Berechtigung zur Begründung eines Hauptwohnsitzes im Inland befindet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0549, und vom 3. April 1998, Zlen. 96/19/3116 bis 3118). Dies übersieht die Zweitbeschwerdeführerin, wenn sie vorbringt, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides beinahe
18jährige Zweitbeschwerdeführerin bereits selbsterhaltungsfähig gewesen, also auf das Einkommen der Mutter gar nicht mehr angewiesen sei. Angesichts des ausschließlich angegebenen Aufenthaltszwecks der Familienzusammenführung mit ihrer Mutter brauchte die belangte Behörde derartige Überlegungen nicht anzustellen.
Soweit die Zweitbeschwerdeführerin weiters eine mangelnde Manuduktion der im Verwaltungsverfahren nicht vertretenen Mutter rügt, vermag sie eine Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides ebenfalls nicht aufzuzeigen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich die sogenannte Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG nicht darauf, ob und welches materielle Vorbringen eine Verfahrenspartei zur Wahrung ihrer Rechte zu machen hätte (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 362, E 9, angegebene hg. Judikatur).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde durch die angefochtenen Bescheide auch nicht in ein den Schutz des Art. 8 Abs. 1 MRK genießendes Familienleben der Beschwerdeführerinnen eingegriffen. Aus dieser Bestimmung ist kein Recht eines Kindes, dessen Verlängerungsantrag bereits rechtskräftig abgewiesen wurde, auf Familienzusammenführung mit einem Elternteil ableitbar, der seinerseits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte (vgl. in diesem Sinne im Falle eines Kindes, das selbst noch nie zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/0941). Soweit die Erstbeschwerdeführerin eine mangelnde Bedachtnahme auf ihre Behinderung und das Erfordernis eines Sonderschulbesuches in Österreich hinweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie eine Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke auch des Schulbesuches (zur Zulässigkeit der Angabe eines zweiten Aufenthaltszwecks vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2134) - die im übrigen nur erteilt werden könnte, wenn der Unterhalt der Beschwerdeführerin gesichert wäre - nicht beantragt hat.
Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage einzugehen war, ob die belangte Behörde ihre abweisenden Bescheide zu Recht auch auf den Ausschließungsgrund des nicht gesicherten Unterhaltes für die Dauer der angestrebten Bewilligungen gestützt hat.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190080.X00Im RIS seit
02.05.2001