Entscheidungsdatum
05.04.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W240 2190025-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Eritrea, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.03.2018, Zl. 1106756408-160303828, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.11.2018 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchteil I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Eritrea zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchteil III. bis VI. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Eritrea, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte am 26.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 27.02.2016 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er im Wesentlichen angab, seine Eltern seien verstorben, er habe noch eine 23jährige Schwester. Er habe Eritrea verlassen, weil der Beschwerdeführer von Eritrea nach Äthiopien von seiner Mutter mitgenommen worden sei, weil es in Eritrea eine Razzia gegeben habe wegen des Militärdienstes. Seine Mutter habe jemanden kennengelernt, der aus Äthiopien stamme und habe einfach mit ihm weiterleben wollen. Seine Mutter sei in der Folge an HIV gestorben, diese Erkrankung habe sie vom Stiefvater des Beschwerdeführers bekommen. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Schwester in Äthiopien gelebt, er habe aber nicht länger in diesem Land leben können, weil er nicht legal dort gelebt hätte und aus Eritrea stamme.
Am 01.09.2016 erfolgte eine Einvernahme vor dem BFA im Zuge des Dublinverfahrens.
Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 06.02.2018 eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich. Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen folgende Angaben:
"(...)
LA: Sind Sie im Besitz von Dokumenten, die Ihre Identität bestätigen?
VP: Nein, ich habe keine.
LA: Welche Dokumente haben Sie in Eritrea je besessen?
VP: Ich habe Eritrea als Kind mit meiner Mutter und meiner Schwester verlassen. Ich hatte keine Dokumente.
LA: Hatten Sie jemals einen Reisepass?
VP: Ja, hatte ich einmal.
LA: Wo befindet sich dieser Reisepass?
VP: Als wir in der Türkei waren mussten wir unsere Kleidung und unserer Geld, unseren Pass wegwerfen um uns selbst zu retten.
LA: Handelte es sich um einen echten oder einen gefälschten Reisepass?
VP: Es war kein richtiger, kein echter Pass.
LA: Welche Schulbildung haben Sie?
VP: Ich bin bis zur sechsten Klasse in die Schule gegangen. Von der ersten bis zur zweiten haben ich die Schule in Eritrea besucht und von der dritten bis zur vierten Klasse in Äthiopien.
LA: Wie viele Jahre haben Sie die Schule besucht?
VP: Mit sieben und acht Jahren bin ich in Eritrea zur Schule gegangen, die erste und zweite Klasse. Von der dritten bis zur sechsten in Äthiopien.
LA: Die Frage wird wiederholt.
VP: Sechs Jahre. In der sechsten Klasse habe ich aufgehört. Ich habe sie nicht abgeschlossen.
LA: Welcher Volks- und Glaubensgruppe gehören Sie an?
VP: Die Religion meiner Mutter war Penticostal (Pfingstgemeinde). Nachdem ich in einem arabischen Land war hatte ich keine andere Wahl, als meine Religion zu wechseln. Ich habe es nicht freiwillig gemacht, sondern damit ich in einem arabischen Land leben kann. Ich bin sozusagen Moslem, nicht weil ich mich auskenne, sondern weil ich die Religion angenommen habe, um überleben zu können.
LA: Sind sie schiitischer oder sunnitischer Moslem?
VP: Wie gesagt, ich kenne mich da nicht aus. Ich war in einem arabischen Land und wurde Moslem, weil ich überleben wollte. Ich kenne mich mit Sunniten und Schiiten nicht aus.
LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?
VP: Tigrinja.
LA: Wohnen Sie nach wie vor an der Adresse Retz, Brunngasse 5/5?
VP: Ja.
LA: Wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Werden Sie vom Staat versorgt, erhalten Sie sich selbst, oder werden Sie von irgendjemandem finanziell unterstützt?
VP: Ich lebe im Camp und der Staat unterstützt mich.
LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation?
VP: Ich bin nicht wirklich Mitglied, aber ich mache dort einen Deutschkurs. Dort in der Kirche helfe ich ein bisschen mit, wenn man Stühle tragen muss und ich spiele auch dort Fußball.
Nachgefragt, ob ich einem Verein Fußball spiele, gebe ich an, dass es Leute sind, die im Camp leben. Es kommen auch Österreicher dazu. Es ist ein Österreicher, der uns trainiert. Wir trainieren zweimal die Woche und außerhalb dessen spielen wir auch selbst Fußball.
LA: Haben Sie in Österreich sonstige soziale Bindungen? (Freunde/Bekannte, die Österreicher sind, oder hier über einen dauerhaften Aufenthalt verfügen)
VP: Ja. Ich habe XXXX (phonetisch) hier.
LA: Wer ist XXXX ?
VP: XXXX ist ein Mann. XXXX ich habe mir das nicht richtig gemerkt. Er ist mein Freund.
LA: Haben Sie in Österreich sonstige soziale Bindungen?
VP: Ich habe viele Freunde. XXXX ist Lehrerin. Es gibt noch XXXX , die auch Lehrerin ist.
Nachgefragt, ich habe keine Verwandten in Österreich.
LA: Machen Sie hier in Österreich Kurse oder Ausbildungen, oder haben Sie solche gemacht?
VP: Ja, ich habe mach das zweimal pro Woche. Ich wohne in Retz. Ich habe schon einmal oder zweimal bei der Caritas gefragt, ob wir was bekommen. Es sind Mütter, die uns zu Hause, in der Kirche etwas beibringen. Ich lege Bestätigungen und Empfehlungsschreiben vor. (Anm.: Diese werden in Kopie zum Akt genommen.)
LA: Sprechen Sie Deutsch? Wie schätzen Sie Ihre Deutschkenntnisse ein?
VP: Ein bisschen.
LA: Sind Sie gesund, oder stehen Sie derzeit in ärztlicher Behandlung?
VP: Ich bin gesund und stehe nicht in ärztlicher Behandlung.
LA: Wie ist Ihr Familienstand? Wie viele leibliche Kinder haben Sie?
VP: Ich bin ledig, aber hier habe ich eine Freundin. Ich habe keine Kinder.
LA: Wie lauten der Namen und das Geburtsdatum Ihrer Freundin?
VP: XXXX . Ich weiß aber nicht wann sie geboren wurde.
Nachgefragt, sie ist Eritreerin.
Nachgefragt, über welchen Aufenthaltsstatus meine Freundin verfügt, gebe ich an, dass sie im Camp lebt. Sie wohnt im Camp und wir wollten aber gemeinsam leben. Wir haben das bei der Caritas beantragt. Wir wollten ohne zu heiraten zusammen leben, aber es hat nicht geklappt.
Nachgefragt, über welchen Aufenthaltsstatus meine Freundin verfügt, gebe ich an, dass sie noch keinen Aufenthaltsstatus hat. Sie hat ein Interview gemacht und sie wartet noch.
LA: Bitte schildern Sie chronologisch wann Sie wo gelebt haben. Geben Sie wenn möglich konkrete Adressen bekannt.
VP: Ich lebte bis ich acht Jahre alt war, in XXXX . Dann hat mich meine Mutter nach Äthiopien mitgenommen, weil sie dort geheiratet hat. Danach lebte ich in XXXX .
LA: An welcher Adresse haben Sie zuletzt vor Ihrer Ausreise aus Eritrea gelebt?
VP: Ich bin mit acht Jahren ausgereist. Weil ich als Kind von dort weggegangen bin weiß ich weiß nicht. Ich habe in XXXX . Nähere Angaben kann ich nicht machen.
LA: Mit wem haben Sie dort zusammen in einem Haushalt gewohnt?
VP: Mit meiner Mutter und meiner Schwester.
LA: Bis wann waren Sie an dieser Adresse aufhältig?
VP: An das Jahr kann ich mich nicht erinnern.
LA: Wann haben Sie Ihr Heimatland verlassen?
VP: Mit acht Jahren, ansonsten kann ich mich nicht erinnern. Meine Mutter hat mich mitgenommen.
LA: Wie haben Sie in Ihrem Heimatland Ihren Lebensunterhalt bestritten?
VP: Meine Mutter hat Handel betrieben. Sie hatte ein Geschäft. Davon lebten wir.
Nachgefragt, womit meine Mutter gehandelt hat, gebe ich an, dass sie einen kleinen Laden hatte. Es gab Milch, Brot und solche Kleinigkeiten.
LA: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland Eritrea, z.B. Häuser, Grundstücke etc.?
VP: Nein.
LA: Wer Ihrer Angehörigen lebt derzeit in Eritrea?
VP: Es gibt niemanden.
LA: Haben Sie Onkeln oder Tanten in Ihrem Heimatland?
VP: Habe ich nicht.
LA: Wo leben Ihre Mutter und Ihre Schwester derzeit?
VP: Meine Mutter ist verstorben. Als ich in Äthiopien war lebte meine Schwester in Saudi Arabien, aber ich weiß nicht, wo sie sich jetzt aufhält.
LA: Stehen Sie derzeit in Kontakt mit Ihrer Schwester?
VP: Ich hatte mit meiner Schwester Kontakt bis ich hierher kam und mir in Traiskirchen mein Telefon gestohlen wurde. Ich hatte telefonischen Kontakt. Seitdem konnte ich meine Schwester nicht mehr kontaktieren.
LA: Aus welchem Grund verließen Sie gemeinsam mit Ihrer Mutter und Ihrer Schwester Ihr Heimatland? Sie haben nunmehr die Möglichkeit die Beweggründe für das Verlassen Ihrer Heimat ausführlich darzulegen. Bitte schildern Sie möglichst lebensnahe, also konkret und mit sämtlichen Details, sodass auch unbeteiligte Personen Ihre Darstellung nachvollziehen können, aus welchem Grund Sie mit Ihrer Mutter und Ihrer Schwester Ihr Heimatland verließen.
VP: Meine Mutter hat sich um unser zukünftiges Leben Sorgen gemacht, weil man ja den Militärdienst ableisten muss. Zusätzlich kam noch dazu, dass sie Angehörige der Penticostal Gemeinde war und deshalb sind wir geflohen. Weil meine Mutter in Äthiopien einen Mann geheiratet hat, durften wir aufgrund dessen in Äthiopien leben und hatten einen Aufenthaltsstatus. Dann haben wir angefangen dort zu leben.
LA: Welchen Aufenthaltsstatus hatten Sie in Äthiopien?
VP: Wir lebten aufgrund des Aufenthaltsstatus von meinem Stiefvater.
LA: Haben Sie jemals versucht die äthiopische Staatsbürgerschaft zu erlangen?
VP: Das habe ich nicht versucht.
LA: Wann verstarb Ihre Mutter?
VP: Im Jahr 2007.
LA: Von wann bis wann lebten Sie in Äthiopien?
VP: Von acht Jahren, bis ich 17 Jahre alt wurde.
LA: Die Frage wird wiederholt.
VP: Vom Jahr 2007 bis 2012. Ich habe ja gesagt, dass ich mit acht Jahren nach Äthiopien gekommen bin, aber im Jahr 2012 aus Äthiopien weggegangen bin.
LA: Warum haben Sie sich nicht dazu entschlossen in Ihr Heimatland Eritrea zurückzukehren?
VP: Es gibt keine Menschenrechte in Eritrea und es gibt keine politische Freiheit. Wenn ich in meinem Alter nach Eritrea zurückkehren würde, würde mich der Militärdienst erwarten, Gefängnis oder der Tod.
LA: Auch in anderen Ländern muss ein Militärdienst abgeleistet werden.
VP: Aber das eritreische Militär ist anders. Wenn man die 10. Klasse abgeschlossen hat, muss man zum Militär. Danach gibt es keine Freiheit mehr. Danach darf man nicht mehr hinaus.
(10 Minuten Pause)
LA: Wie lautete der Name Ihrer Schule in Eritrea?
VP: Die Schule hieß XXXX .
LA: Wo befand sich diese Schule konkret?
VP: Ich kann mich jetzt nicht daran erinnern.
LA: Wo befinden sich Ihre Schulzeugnisse?
VP: Habe ich nicht.
LA: Die Frage wird wiederholt.
VP: Wir haben sie nicht mitgenommen bei der Ausreise. Es war bei meiner Mutter, aber ich weiß nicht, wo es ist.
LA: Warum sollte Ihre Mutter all Ihre Dokumente, unter anderem um Ihre Identität zu beweisen, in Eritrea zurücklassen?
VP: Meine Mutter hat nicht an unsere Zukunft in Eritrea geglaubt. Zusätzlich kam es noch dazu, dass sie Penticostal war. Es gab keine Glaubensfreiheit. Deshalb sind wir von dort geflüchtet.
LA: Wo lebte Ihr Vater?
VP: Ich kenne meinen Vater nicht.
LA: Welchen Sprachen sprechen Sie?
VP: Ich konnte Tigrinja, aber nachdem ich nach Äthiopien gekommen bin, habe ich begonnen Amharisch zu sprechen und habe Tigrinja vergessen.
LA: Welche Sprachen haben Sie mit Ihrer Mutter gesprochen?
VP: Meine Mutter konnte drei Sprachen.
LA: Die Frage wird wiederholt.
VP: Wir haben uns auf Amharisch verständigt, aber meine Mutter konnte Amharisch, Tigrinja und Arabisch.
LA: Welche Staatsangehörigkeit hatte Ihre Mutter?
VP: Eritrea.
LA: Warum sprach Ihre Mutter dann Amharisch mit Ihnen und nicht Tigrinja?
VP: Wir haben angefangen Amharisch zu sprechen, nachdem ich in Äthiopien war und am besten habe ich auch angefangen zu sprechen nachdem ich in Äthiopien war. Ich konnte auch Tigrinja, aber ich habe es vergessen.
(Anm.: Die Dolmetscherin wird gebeten mit dem AW ein kurzes Gespräch in Tigrinja zu führen um die Sprachkenntnisse zu überprüfen. Sofort nach der Mitteilung behauptete der AW erneut nicht Tigrinja sprechen zu können, da er dies vergessen hat.)
Anm.: Nachfolgende zwei Fragen werden auf Tigrinja gestellt:
LA: Wie ist das Wetter heute?
VP: Gut.
LA: Wie sind Sie heute hierhergekommen?
VP: Ich spreche nur ein bisschen Tigrinja, da es schon lange her ist.
Anm.: Die Einvernahme wir auf Amharisch fortgeführt.
LA: Es ist sehr untypisch, dass Sie als Staatsbürger Eritreas nicht annähernd die Sprache Tigrinja beherrschen. Zudem können Sie Ihre Identität nicht belegen.
VP: Ich habe doch ein bisschen was verstanden. Ich habe erst mit sechs angefangen zu sprechen. Mit sieben und acht Jahren habe ich in der Schule die Sprache gelernt und angefangen zu sprechen. In Äthiopien habe ich dann angefangen ordentlich zu sprechen und habe amharisch gelernt.
LA: Wie haben Sie sich bis zu Ihrem sechsten Lebensjahr mit Ihrer Mutter unterhalten?
VP: Bis sechs Jahre, habe ich mich mit meiner Mutter in Tigrinja verständigt. In Äthiopien mussten wir uns mit meinem Stiefvater verständigen. Deshalb musste ich Amharisch sprechen und auch mit meinen Freunden habe ich Amharisch gesprochen. Dann ging die Sprache verloren.
LA: Warum hat Ihre Mutter nicht weiterhin Tigrinja mit Ihnen gesprochen?
VP: Weil ihr Mann Äthiopier war.
LA: Das heißt nicht, dass Ihre Mutter nicht Tigrinja mit Ihnen sprechen hätte können.
VP: Meine Mutter konnte drei Sprachen. Dort in dem Land musste sie doch die Landessprache sprechen oder nicht?
LA: Warum sollte Ihre Mutter mit Ihnen nach Äthiopien gehen und sofort die Sprache wechseln?
VP: Nein, auch in XXXX hat man Amharisch gesprochen. In manchen Gegenden hat man Amharisch gesprochen.
LA: Welche Sprache war die Unterrichtssprache in der Schule XXXX ?
VP: Wir haben dort auch Amharisch gelernt, Afar, Arabisch, auch Tigrinja, damit wir uns mit Menschen gut verständigen können.
LA: Welchen Sprachen sprechen Sie?
VP: Ich habe in arabischen Ländern Hindu und etwas arabisch gelernt. Ich spreche noch Amharisch ein bisschen kann ich noch Gurge. Das ist eine Sprache, die ich gelernt habe, als wir dort in der Gegend Gurge gewohnt haben. Das habe ich damals gelernt.
LA: Sie sprechen vier verschiedene Sprachen und sprechen nicht Tigrinja?
VP: Ein wenig. Tigrinja kann ich auch ganz wenig.
(Anm.: Dem AW wird durch die Dolmetscherin ein Absatz auf Tigrinja vorgelesen und er wird ersucht in Amharisch den Inhalt wiederzugeben. Es können lediglich einzelne Passagen angegeben werden.)
LA: Welche Staatsbürgerschaft hatte Ihr Vater?
VP: Eritrea.
LA: Bitte beschreiben Sie Ihren Aufenthaltstitel aus Äthiopien mit sämtlichen Details.
VP: Als ich in Äthiopien ankam, hatten wir eine Aufenthaltsgenehmigung wegen meinem Stiefvater. Meine Mutter hatte eine Aufenthaltsgenehmigung. Deshalb hatten wir das auch.
LA: Bitte beschreiben Sie diese Aufenthaltsgenehmigung mit sämtlichen Details. Wie hat diese ausgesehen? Welche Informationen standen darauf?
VP: Ich kann mich nicht erinnern.
LA: Welche Behörde stellte die Aufenthaltsgenehmigung aus?
VP: Ich kann mich nicht erinnern. Ich weiß es nicht.
LA: Wie lange war die Aufenthaltsgenehmigung gültig?
VP: Ich weiß nicht mehr genau. Er hat die Aufenthaltsgenehmigung für meine Mutter ausstellen lassen. Uns hat er zur Schule geschickt. Ansonsten kann ich mich an nichts erinnern.
LA: Welche Dokumente haben Sie in Äthiopien je besessen?
VP: Ich hatte in Äthiopien keine Dokumente. Meine Schwester lebte in einem arabischen Land und sie hat mir was machen lassen. So konnte ich ausreisen. Nachdem meine Mutter verstorben ist, hatte ich in Äthiopien keine Dokumente. Ich war einfach auf der Straße.
LA: Hatten Sie keine Schulzeugnisse aus Äthiopien?
VP: Nachdem ich dorthin gekommen bin hat mich mein Stiefvater für die dritte Klasse angemeldet. Dann bin ich von der dritten bis zur sechsten Klasse zur Schule gegangen. Als meine Mutter verstarb und wir von dort weggingen ließen wir die Schulzeugnisse zurück und weil uns etwas passiert ist.
LA: Wohin gingen Sie?
VP: Wir sind mit einem Fahrzeug mit einem unbekannten von dort weggegangen weil es ein Samstag war. Mein Stiefvater hat meine Schwester vergewaltigt. Daraufhin hat er uns zu Hause eingesperrt. Erst als er am Montag zur Arbeit ging sind wir aus dem Haus hinausgegangen und sind mit einem Fahrzeug, das Waren geladen hatte, nach Addis Abeba gelangt.
LA: Von wann bis wann lebten Sie in Addis Abeba?
VP: Meine Schwester lebte vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2010 dort. Ich lebte vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2012 dort.
LA: Aus welchem Grund verließen Sie Äthiopien?
VP: Meine Schwester hat sich gefragt, wie lange wir so ein Leben führen sollen. Wir lebten zuerst auf der Straße. Als sie nach Saudi Arabien ging, hinterließ sie mir eine Nachricht in einem Kiosk. Damit ich ihr nicht folge. Ich lebte dann auf der Straße. Wir lebten ein schlimmes Leben. Wir haben Benzin geschnüffelt, damit wir das Leben überstehen und die Leute haben uns kein Essen gegeben. Wir haben nur das gegessen, was uns die Leute gegeben haben. Wir mussten in der Kälte übernachten, unter einem Teppich. Wir schnüffelten Benzin um es zu überstehen. Seit ich hier in diesem Land hier lebe, geht es mir gut, Gott sei Dank.
LA: Von wann bis wann lebten Sie in Qatar?
VP: In Qatar lebte ich vom Jahr 2012 bis zum 24.11.2015. An diesem Tag bin ich ausgereist.
LA: Bitte benennen Sie Ihre Wohnadresse in Qatar.
VP: XXXX ).
LA: XXXX ?
VP: Es ist eine Ortschaft und kein Viertel. Es ist so wie Retz. Es gibt in der Umgebung zum Beispiel XXXX .
Nachgefragt, ob ich die Adresse noch konkretisieren kann, gebe ich an, dass es dort die Shafi Moschee gibt. Wir haben hier geschlafen und hier gearbeitet. Wir haben sehr viel gelitten. Diese Straße hier ist eine Straße wo man als Tagelöhner herumstehen kann und man findet dann eine Arbeit.
LA: Aus welchem Grund verließen Sie Qatar?
VP: Erstens hatte ich in Qatar keinen legalen Aufenthaltsstatus und zweitens die Polizei hält dich dort an und dann nehmen sie dir dein ganzes Geld und dann lassen sie dich wieder auf die Straße frei. Dann nehmen sie uns wieder das Geld weg, wenn wir noch einmal gearbeitet haben.
LA: Wie haben Sie in Äthiopien Ihren Lebensunterhalt bestritten?
VP: Als meine Schwester noch da war, haben wir uns gegenseitig unterstützt. Ich habe Schuhe geputzt und sie hat dann in meiner Nähe Tee verkauft. Nach dem meine Schwester ausgereist ist, war ich dann einsam. Ich war dann mit den anderen Kindern auf der Straße. Wir hatten überhaupt keine Menschrechte. Die Menschen hätten uns umbringen können.
LA: Warum ließ Ihre Schwester Sie alleine zurück?
VP: Sie hat sich gefragt, wie lange sie das Leben so führen soll. Sie hat dem Kiosk Besitzer gesagt, dass wenn sie zuerst abreist, sie mich abholen wird. Sie hat dieses Versprechen bei ihm hinterlassen. Nach einer Weile, zwei Jahre später, hat meine Schwester die Sache für mich erledigt und ich bin nach Qatar ausgereist. Sie war in Saudi Arabien. Sie hat dann das für mich für Qatar erledigt und dann bin ich nach Qatar gegangen. Es gibt Schlepper, die zwischen diesen Ländern Saudi Arabien und Äthiopien arbeiten und sich kennen. Diese haben das erledigt.
LA: Wie lautete der Name Ihrer Schule in Äthiopien?
VP: Gubre Schule in der Gurge Region.
LA: Was befürchten Sie im Fall einer etwaigen Rückkehr nach Eritrea?
VP: In Eritrea gibt es keine Menschenrechte und keine politische Freiheit. Man würde mir vorwerfen, dass ich das Land verraten hätte und aus diesem Grund sogar bis zum Tod kommen. Außerdem habe ich keine Familie. Selbst dort in den Militärdienst zu gehen, bedeutet das Ende deines Lebens. Außerdem möchte ich nicht dort leben.
LA: Haben Sie alles angeben, das Ihnen im Hinblick auf Eritrea wichtig erscheint oder haben Sie noch irgendwelche Ergänzungen zu machen?
VP: Ich habe alles gesagt.
LA: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her?
VP: Ja.
LA: Ich beende jetzt die Befragung.
LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.
Anm: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?
VP: Ich möchte korrigieren, dass man erst nach Abschluss der 11. Klasse zum Militär in Eritrea geht. Danach gibt es keine Freiheit und man kommt nicht mehr hinaus.
Zu Seite 7 möchte ich angeben, dass sich die Schule XXXX in XXXX befindet.
Ich möchte noch angeben, dass meine Mutter aufgrund Ihres Glaubens bedroht wurde und deshalb Angst hatte. Aus diesem Grund hat sie auch das Land verlassen. Sonst habe ich keine Einwendungen.
(...)"
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.03.2018,
Zl. 1106756408-160303828, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Eritrea abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen und unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Eritrea zulässig sei sowie unter Spruchteil VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.
In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Eritrea getroffen. Es wurde ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund einer Verfolgung oder einer Furcht vor solcher verlassen habe. Eine Gefährdung im Falle der Rückkehr nach Eritrea habe nicht festgestellt werden können. Eine Rückkehr in seine Heimat sei zumutbar.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Fluchtgrund die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe angebe sowie aus politischen Gründen geflüchtet sei. Der Beschwerdeführer habe als Kind mit der Mutter aus Eritrea flüchten müssen, da sie befürchtet hätten, ihr Leben lang den Militärdienst verrichten zu müssen. Der Militärdienst in Eritrea sei regelmäßig in unbegrenzter Dauer und von menschenrechtswidrigen Übergriffen der Offiziere gekennzeichnet. Im Fall einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer, dass ihm eine regimefeindliche Haltung unterstellt werde und er habe daher aus berechtigter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellen müssen. Die Beweiswürdigung im Bescheid sei nicht nachvollziehbar. In der Beweiswürdigung würden die nicht genauen Kindheitserinnerungen thematisiert, obwohl diese nachvollziehbar erscheinen, weil der Beschwerdeführer nunmehr als Kind Eritrea verlassen habe. Die Behauptung des BFA, der Beschwerdeführer hätte im Falle einer Rückkehr keine Bestrafung zu befürchten, widerspreche den Länderberichten. Das BFA habe nicht beachtet, dass der Militärdienst und die Flucht aus Eritrea von der Regierung des Landes als eine Handlung des Widerstandes angesehen werde und der Beschwerdeführer daher aus politischen Gründen verfolgt werde. Dem Beschwerdeführer sei allenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren.
Am 13.11.2018 langte ein Mutter-Kind-Pass der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers beim BVwG ein mit einem errechneten Geburtstermin im April 2019.
4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 30.11.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch einen Vertreter des MigrantInnenvereins St. Marx, einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde insbesondere zu seinem Fluchtvorbringen, seiner Herkunft, der Lage in Eritrea und zu seiner Integration befragt und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt alle seine Gründe für die Ausreise aus Eritrea sowie seine Rückkehrbefürchtungen darzulegen.
Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde ein Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 25.02.2018 und USDOS US Department of State- Country Report on Human Rights Practices 2017 - Eritrea, 20.04.2018 zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt, es langte keine Stellungnahme zu den Länderberichten ein.
Betreffend den Beschwerdeführer wurden Integrationsunterlagen und Unterstützungs-schreiben vorgelegt.
5. Am 18.03.2019 wurde der ausgewiesenen Vertretung des Beschwerdeführers das aktualisierte Länderinformationsblatt zu Eritrea, datiert mit 26.02.2019, sowie das Urteil des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts, E-5022/2017, vom 10.07.2018, welches auch auf das Urteil des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts vom 30.01.2017 Zl. IVD-7898/2015 verweist, mit einer Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme übermittelt.
Am 04.04.2019 langte eine Stellungnahme der ausgewiesenen Vertretung ein. Darin wurde ausgeführt, dass die aktualisierten Länderberichte darlegen würden, dass sich im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers keine Änderungen ergeben hätten. Die Repressivität des eritreischen Regimes habe nicht nachgelassen, zudem sei das Urteil des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Eritrea. Er gehört der Volksgruppe der Tigrinya an. Der Beschwerdeführer, der seinen leiblichen Vater nie kannte, ist mit acht Jahren im Jahr 2007 mit seiner Mutter nach Äthiopien ausreiste, wo er bis zum Jahr 2012 gelebt hatte. Seine Mutter starb 2007, er hat noch eine Schwester, die nicht in Eritrea lebt. Ab 2012 hat er bis 2015 in Katar gelebt, von wo aus er im November 2015 über die Türkei, Griechenland, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt ist. In Eritrea, von wo er vor mehr als 15 Jahren zuletzt als Kind war, hat er keinerlei sozialen oder familiäre Anknüpfungspunkte und keinerlei Eigentum.
Zu den Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden. Der Beschwerdeführer hatte jedenfalls nicht glaubhaft darlegen können, dass er während der Zeit seines Aufenthaltes in Eritrea Probleme mit staatlichen Behördenorganen in Eritrea hatte und hat auch keine Einberufung zum Nationaldienst erhalten. Er hat auch nicht vorgebracht, dass er sich in Eritrea oder in Europa gegen das Regime in Eritrea politisch betätigt hat.
Er leidet unter keinen aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Problemen. In Österreich führt er eine Lebensgemeinschaft mit einer eritreischen Staatsangehörigen, die von ihm im April 2019 ein Kind erwartet.
Zu Eritrea wird folgendes festgestellt
Politische Lage
Eritrea ist nach dem Südsudan das zweitjüngste und eines der ärmsten Länder Afrikas. Das Land löste sich nach einem Referendum von Äthiopien und wurde 1993 ein eigener Staat (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Das Land ist ein in sechs Provinzen aufgeteilter Zentralstaat. Die Verfassung von 1997 ist nie in Kraft getreten. Alle wesentlichen Entscheidungen werden vom Präsidenten getroffen. Es gibt keine Gewaltenteilung. Das Übergangsparlament besteht aus 150 Abgeordneten, von denen 75 dem Zentralrat der Staatspartei PFDJ (People's Front for Democracy and Justice) angehören. Weitere 60 Abgeordnete sind ausgewählte Vertreter der Provinzen und 15 Sitze entfallen auf die Vertreter der Auslandseritreer. Das Parlament trat zuletzt 2001 zusammen und ist faktisch inaktiv (AA 24.5.2018). Seit der Unabhängigkeit des Landes gab es keine Wahlen auf nationaler Ebene (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 25.2.2018). De facto handelt es sich um eine Einparteiendiktatur. Die Regierungspartei PFDJ ging 1994 aus der Eritrean People's Liberation Front (EPLF) hervor. Sie stellt den Staats- und Regierungschef Isaias Afewerki sowie die gesamte weitere politische Führung des Landes. Andere politische Parteien sind verboten (AA 25.2.2018).
Am Sonntag, 8.7.2018, kam es in Asmara zu einem historischen Treffen zwischen dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed und dem seit 25 Jahren herrschenden eritreischen Staatschef Isaias Afewerki (JA 9.7.2018; vgl. NZZ 9.7.2018). Am Montag, 9.7.2018, wurde ein Friedens- und Freundschaftsvertrag unterzeichnet (AN 11.7.2018; vgl. AN 28.12.2018, NZZ 9.7.2018) und somit der Kriegszustand zwischen den Nachbarstaaten offiziell für beendet erklärt (AN 11.7.2018). Die beiden Staatschefs haben sich nicht nur auf den Frieden geeinigt, sondern auf eine umfassende Kooperation (DS 9.7.2018). Mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung haben sie den Weg für eine dauerhafte Versöhnung geebnet (JA 9.7.2018).
Äthiopien und Eritrea vereinbarten, ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen, ihre Grenzen zu öffnen, die Wiederaufnahme des Luft- und Seeverkehrs und den Personenverkehr zwischen den beiden Ländern zu ermöglichen (BBC 9.7.2018; vgl. JA 8.7.2018, JA 9.7.2018, KZ 10.7.2018). Einen Tag nach der Friedenserklärung wurde die Telefonverbindung zwischen Äthiopien und Eritrea wieder hergestellt und es gibt nun wieder Flüge von Addis Abeba nach Eritrea (AN 29.1.2019; vgl. BBC 9.7.2018, DS 9.7.2018, KZ 10.7.2018). Auch die Landgrenze wurde wieder geöffnet (AFAR 15.1.2019; vgl. AN 28.12.2018; AN 29.12.2018). Der Handel von äthiopischer Seite reicht nun nach Asmara und in andere große eritreische Städte. In umgekehrter Richtung hält der Flüchtlingsstrom an (AN 28.12.2018).
Durch die Erleichterung des Personenverkehrs, des Zugangs zu den Häfen und die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Landes wird sich die Lage zwangsläufig ändern. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Regentschaft von Isaias Afeworki anpassen wird (JA 9.7.2018). Bisher hat die eritreische Regierung weder ein Programm für demokratische Reformen eingeführt, noch die Menschenrechtslage im Land verbessert. Die Öffnung der Grenze zu Äthiopien hat dazu geführt, dass Tausende von Eritreern aus dem Land strömen. Bis zu 500 Menschen überqueren täglich die Grenze nach Äthiopien (AFAR 14.11.2018).
Außerdem hat Eritrea inzwischen auch Frieden mit Somalia geschlossen (AN 28.12.2018). Die diplomatischen Beziehungen wurden wiederhergestellt, als der somalische Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed Farmajo im Juli 2018 seinen Amtskollegen in Asmara besuchte (AN 15.11.2018). Die beiden Länder hatten seit mehr als einem Jahrzehnt angespannte Beziehungen, was insbesondere auf Asmaras angebliche Unterstützung der al Shabaab zurückzuführen ist. Dieser Vorwurf hat außerdem dazu geführt, dass Eritrea seit 2009 Sanktionen der Vereinten Nationen unterliegt, darunter das Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote für politische und militärische Beamte im Ausland, sowie einem Waffenembargo. Die jüngsten Berichte der UN-Embargokommission führen keine Beweise mehr für eine eritreische Unterstützung der Islamisten an (JA 28.7.2018). Letztlich, nach fast einem Jahrzehnt, beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im November 2018 einstimmig die Aufhebung des Waffenembargos und der gezielten Sanktionen gegen Eritrea (AFAR 14.11.2018; vgl. AN 28.12.2018). Mit Beendigung der Sanktionen ist Eritrea aus der internationalen Isolation ausgebrochen. Gleichzeitig ist Eritrea ein wichtiger Verbündeter Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate in ihrem Krieg im Jemen. Eritrea verfügt über Stützpunkte, von denen aus beide Länder operieren (AFAR 14.11.2018).
Auch mit Dschibuti ist es nach Jahren der Konflikte zu einer Entspannung gekommen (AN 15.11.2018; vgl. AN 28.12.2018). Eritrea und Dschibuti haben am 6.9.2018 den territorialen Streit um die Region Ras Doumeira beigelegt und ein neues Friedensabkommen unterzeichnet, mit dem der jahrzehntelange Konflikt zwischen den beiden Ländern effektiv beendet wurde (AJ 11.9.2018; vgl. RFI 6.9.2018). Gleichzeitig kündigten Eritrea und Dschibuti an, ihre diplomatischen Beziehungen wiederherzustellen (AN 15.11.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (25.2.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427278/4598_1521628560_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-eritrea-25-02-2018.pdf, Zugriff 16.1.2019
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AFAR - African Arguments (15.1.2019): With Ethiopia's border now open, why are Eritreans still fleeing to Sudan?, https://africanarguments.org/2019/01/15/ethiopia-border-open-why-eritrea-sudan-fleeing/, Zugriff 30.1.2019
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BBC - BBC News Africa (9.7.2018): Ethiopia's Abiy and Eritrea's Afewerki declare end of war,
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JA - Jeune Afrique (28.7.2018): Érythrée : le président somalien en visite pour trois jour,
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JA - Jeune Afrique (9.7.2018): Rapprochement Éthiopie-Érythrée : " C'est un virage à 180 degrés, mais la route est encore longue ", https://www.jeuneafrique.com/590462/politique/rapprochement-ethiopie-erythree-cest-un-virage-a-180-degres-mais-la-route-est-encore-longue/, Zugriff 14.2.2019
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JA - Jeune Afrique (8.7.2018) Rencontre historique des dirigeants éthiopien et érythréen à Asmara, http://www.jeuneafrique.com/590040/politique/rencontre-historique-des-dirigeants-ethiopien-et-erythreen-a-asmara/, Zugriff 11.2.2019
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KZ - Kleine Zeitung (10.7.2018): Friedenserklärung - Äthiopien und Eritrea können nach 20 Jahren wieder miteinander telefonieren, https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5461739/Friedenserklaerung_Aethiopien-und-Eritrea-koennen-nach-20-Jahren, Zugriff 11.2.2019
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.7.2018): Äthiopien treibt den Friedensprozess mit Eritrea schnell voran, https://www.nzz.ch/international/weitere-entspannung-zwischen-aethiopien-und-eritrea-ld.1401941, Zugriff 11.2.2019
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RFI - Radio France International (6.9.2018): Accord historique de coopération entre la Somalie, l'Erythrée et l'Ethiopie, http://www.rfi.fr/afrique/20180906-accord-historique-cooperation-somalie-erythree-ethiopie, Zugriff 14.2.2019
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Eritrea, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430113.html, Zugriff 16.1.2019
Sicherheitslage
Die Lage bleibt angespannt (FD 26.2.2019). Es wird sich erst erweisen, inwieweit sich die Normalisierung des Verhältnisses zwischen Eritrea und Äthiopien und die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen im Juli 2018 auf die Sicherheitslage auswirkt (EDA 26.2.2019).
Gemäß dem französischem und dem österreichische Außenministerium gilt für ganz Eritrea ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) (BMEIA 26.2.2019; FD 26.2.2019). Das deutsche Auswärtige Amt rät vor Reisen ins Grenzgebiet zu Äthiopien, zum Sudan und zu Dschibuti ab (AA 16.1.2019). Zudem besteht insbesondere im Grenzgebiet zu Äthiopien und Dschibuti landesweit akute Minengefahr (AA 26.2.2019; vgl. BMEIA 26.2.2019). Daneben kann im Grenzgebiet zu Äthiopien und dem Sudan Gefahr durch dort anwesende bewaffnete Gruppen drohen (FD 26.2.2019). Im Grenzgebiet zum Sudan sind zusätzlich Schmuggler aktiv. Die Situation ist gespannt. Von Reisen dorthin wird abgeraten (EDA 26.2.2019; vgl. FD 26.2.2019).
Demonstrationen in großen Ballungszentren sind selten, können aber von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt werden (FD 26.2.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (26.2.2019): Eritrea, Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/eritrea-node/eritreasicherheit/226