Entscheidungsdatum
06.05.2019Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §74 Abs2 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Burda über die Beschwerde des Herrn A. B. vom 07.07.2018 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 25.06.2018, Zl. ..., mit welchem die Betriebsanlage in Wien, C.-straße, gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 genehmigt worden ist,
zu Recht erkannt und beschlossen:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Zurückweisung bzw. Abweisung seiner mit Schriftsatz vom 20. Mai 2018 erhobenen „Einwendungen" richtet, als unbegründet abgewiesen und, soweit sie sich gegen die Bewilligung der Betriebsanlage richtet, gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Ansuchen vom 13. Februar 2018, ergänzt durch die Eingabe vom 16. April 2018, beantragte die D. KG die Genehmigung ihrer Betriebsanlage in Wien, C.-straße/ E.-straße, in welcher sie das Handelsgewerbe auszuüben beabsichtigt. In der im Akt erliegenden Betriebsbeschreibung D4 (welche einen integrierenden Bescheidbestandteil bildet) heißt es u.a., dass Liefer-LKWs mit einer Rückfahrkamera ausgestattet sind und Rückfahrwarner somit weggeschaltet werden.
Mit Eingabe vom 20. Mai 2018 brachte der nunmehrige Beschwerdeführer vor, „Eigentümer des Mietshauses Wien, C.-straße“ zu sein und „als solcher Parteistellung zu beanspruchen“. In der von ihm als „Anraineräußerung“ bezeichneten Eingabe bemängelte er eingangs, dass aus den eingereichten Planungsunterlagen nicht ersichtlich sei, wo die Ladezone im öffentlichen Bereich hinkomme. Außerdem würden Lieferantenfahrzeuge zufahren, welche beim Einparken und Rückwärtsfahren das automatische Rückfahrsignal „eingeschaltet haben müssen“. Innerhalb der Betriebszeit würde es dadurch zu „gesundheitlichen Schäden der umliegenden Anrainer“, jedenfalls aber zu einer „unangenehmen, nervigen Akustik“ kommen. Es sei diesbezüglich von der Antragstellerin „kein medizinisches Gutachten über die Auswirkungen des vorgenannten Lärmpegels“ vorgelegt worden. Weiters komme es durch die Ladetätigkeiten zu einer Verknappung des öffentlichen Verkehrsgrundes und zu einer Beeinträchtigung der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs auf der C.-straße. Ein Verkehrskonzept sei von der Antragstellerin nicht vorgelegt worden. Schließlich sei auch kein Verkehrskonzept für die zu- und abfahrenden Kunden-PKWs vorgelegt worden. Viele Mieter, die ein Interesse an Parkflächen hätten, würden als Wohnungssuchende und künftige Mieter „abwinken“, wenn durch die mit dem Pkw anreisenden Kunden der Betriebsanlage die Verkehrsflächen zusätzlich verringert würden. Schließlich gab er bekannt, dass Zustellungen an seinen Wohnsitz in F., Am G., erfolgen mögen.
Am 6. Juni 2018 wurde eine Verhandlung durchgeführt, zu welcher der nunmehrige Beschwerdeführer ebenfalls erschien und in welcher er auf seine am 24. Mai 2018 bei der Behörde eingelangte Eingabe verwies. Der Vertreter der Antragstellerin wies in dieser Verhandlung darauf hin, dass bei der Liefertätigkeit nur Fahrzeuge mit Rückfahrkamera zum Einsatz kämen, sodass daher kein Rückfahrpiepserl eingeschaltet werden müsste.
In der Folge wurde der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 25.06.2018 erlassen, mit welchem die gegenständliche Betriebslage unter Vorschreibung einer Vielzahl von Auflagen „gemäß § 74 GewO 1994“ genehmigt wurde. Außerdem wurde unter dem mit „Begründung“ überschriebenen Bescheidbestandteil ausgeführt, dass Herr B. folgende Einwendungen erhoben habe:
1. Durch die Anlieferungen während der Betriebszeiten von 6:00 bis 20:00 Uhr entstehe eine zumindest unangenehme Akustik, welche medizinische Auswirkungen mit sich bringen könne.
2. Durch die fehlenden Parkplätze komme es zu einer nachhaltigen negativen Beeinträchtigung der Verkehrssituation, besonders die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs betreffend.
3. Durch die in Punkt 2. erwähnte negative Verkehrssituation würden zukünftige Mieter und Wohnungssuchende abgeschreckt werden.
Mit der Begründung, dass Herr B. seinen Hauptwohnsitz in F., Am G., habe und lediglich Eigentümer des Wohnhauses C.-straße sei und er nicht glaubhaft gemacht habe, dass er sich auch nur vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalte, wurde mangels Parteistellung die Einwendung laut Punkt 1 zurückgewiesen; mit der Begründung, dass es sich bei der Einwendung in Punkt 2 nicht um die Geltendmachung eines subjektiven Nachbarrechtes handle, diese zurückgewiesen und die Einwendung betreffend die Wertminderung des Eigentums (Punkt 3) abgewiesen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer vorbringt, dass er „auf seine bisherigen im Akt befindlichen Einwände verweise und diese ergänze und konkretisiere“. Betreffend seine Parteistellung führt der Beschwerdeführer aus, dass er „seinen Nachbarschutz geltend mache“. Er halte sich im Schnitt an drei Tagen pro Woche im Wohnhaus auf, „um nach dem Rechten zu sehen oder Erfüllungsgehilfen zu beaufsichtigen“. Dies begründe eine nicht bloß vorübergehende Anwesenheit und sei eine persönliche Gefährdung oder Belästigung „absolut und durchaus möglich.“ Außerdem bringt der Beschwerdeführer vor, seine Hauptwohnsitzmeldung in F. stehe diesem Umstand nicht entgegen. Er „halte mit viel Zeitaufwand sein Haus in Schuss“. Unter Verweis auf § 75 Abs. 2 GewO 1994 bringt der Beschwerdeführer vor, dass die dort als Inhaber von Einrichtungen genannten Nachbarn nicht taxativ, sondern demonstrativ aufgezählt seien. Ein Hauseigentümer sei, wenn das Haus bewohnt werde, für den Schutz der Mieter verantwortlich und verleiht diesen eine Stimme. Wenn dies schon für Heiminsassen gelte, müsse dies doch für Vermieter erst recht gelten. Darüber hinaus seien ihm als Vermieter Sorgfaltspflichten überbürdet und sei auch aus diesem Grund sein Parteienstatus zweifelsfrei vorhanden.
Inhaltlich bringt der Beschwerdeführer vor, dass allfällige Lärmbelästigungen nicht ausreichend geklärt worden seien, da der Amtssachverständige dazu keine vollständigen Erhebungen getroffen habe bzw. den Ansichten der D. KG gefolgt sei. Zur Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs führt der Beschwerdeführer aus, dass die Behörde ihrer amtswegigen Prüfpflicht nur ungenügend nachgekommen sei.
Dazu erstattete die Konsenswerberin mit Schriftsatz vom 16. August 2018 sowie vom 4. Dezember 2018 eine Äußerung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung des Rechtsmittels begehrte.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den von der Verwaltungsbehörde aus Anlass der Vorlage der Beschwerde übermittelten Betriebsanlagenakt sowie durch Einsicht in das das Zentralmelderegister.
Folgender Sachverhalt steht demnach fest:
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Wohnhauses in Wien, C.-straße, in welchem er selbst weder zur Zeit des verwaltungsbehördlichen Verfahrens, noch während des Beschwerdeverfahrens je gewohnt hat. Vielmehr handelt es sich bei dem gegenständlichen Objekt um ein Mietshaus, in welchem sich der Beschwerdeführer seinen (wenn auch unbelegt gebliebenen) Beschwerdeangaben nach durchschnittlich an drei Tagen in der Woche in nicht näher bekanntem Zeitausmaß aufhält, um nach dem Rechten zu sehen oder Erfüllungsgehilfen zu beaufsichtigen. Der Beschwerdeführer ist in F. hauptwohnsitzgemeldet und wohnhaft (vgl. seinen Wunsch im Schriftsatz vom 20. Mai 2018, Zustellungen an diesen „Wohnsitz“ vorzunehmen); an der Adresse in Wien, C.-straße, hat(te) er laut Zentralmelderegisterauszug vom 3. Mai 2019 keinen Nebenwohnsitz begründet.
Die D. KG beabsichtigt in Wien, C.-straße/ E.-straße, eine Betriebsanlage zu errichten und zu betreiben, in welcher sie das Handelsgewerbe auszuüben gedenkt. Liefer-LKWs sind mit einer Rückfahrkamera ausgestattet und sind Rückfahrwarner somit weggeschaltet werden, wie sich aus der im Akt erliegenden Betriebsbeschreibung D4 (welche einen integrierenden Bescheidbestandteil bildet) ergibt.
Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen gründen sich auf die bei den jeweiligen Feststellungen angeführten Beweismittel, insbesondere auf die im Gesamtakt erliegenden Unterlagen in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen selbst.
Rechtlich folgt daraus:
Die einschlägigen Bestimmungen der GewO 1994 lauten wie folgt:
§ 74. (2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2.
die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3.
die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4.
die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5.
eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
§ 75. (1) Unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 ist die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.
(2) Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
(3) Als Nachbarn sind auch die im Abs. 2 erster Satz genannten Personen zu behandeln, die auf grenznahen Grundstücken im Ausland wohnen, wenn in dem betreffenden Staat österreichische Nachbarn in den entsprechenden Verfahren rechtlich oder doch tatsächlich den gleichen Nachbarschaftsschutz genießen.
§ 77. (1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen.
(2) Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
1. Der Beschwerdeführer bringt in seinem Rechtsmittel vor, als Eigentümer des Wohnhauses „qualifizierter Nachbar“ im Sinne des § 75 Abs. 2 letzter Satz GewO 1994 zu sein, und aus diesem Grund Parteistellung im gegenständlichen Verfahren zu haben. Dabei verkennt der Beschwerdeführer jedoch, dass es sich bei einem vermieteten Wohnhaus um keine Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten oder Heimen gleichzuhaltende Einrichtung im Sinne des Abs. 2 dritter Satz leg. cit., in der sich Personen vorübergehend aufhalten, handelt. Insoweit der Beschwerdeführer auf die bloß demonstrative Aufzählung des § 75 Abs. 2 GewO 1994 Bezug nimmt und behauptet, ein Miethauseigentümer sei den dinglich Berechtigten derartiger Einrichtungen gleichgestellt, verkennt er dabei, dass unter einer „Einrichtungen“ solche zu verstehen sind, in denen der „vorübergehende Aufenthalt von Personen durch eine für derartige Einrichtungen typische Art der Inanspruchnahme der betreffenden Betriebsanlage als solche gekennzeichnet ist“ (VwGH 24.01.1995, 94/04/0194; ebenso VwGH 28.01.1997, 96/04/0190).
Es kann daher nicht in gleicher Weise von solchen Einrichtungen bei einem bloßen Zinshaus mit Mietparteien gesprochen werden, wobei auch die vom Beschwerdeführer angeführten Verpflichtungen eines Bestandgebers nichts daran zu ändern vermögen (VwGH 28.01.1997, 96/04/0257; VwGH 26.05.1998, 98/04/0044).
Aus seinem diesbezüglichen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Nachbarstellung im gegenständlichen Verfahren nicht abzuleiten.
2. Der Verwaltungsgerichtshof führt zur Nachbarstellung von Eigentümern oder sonstigen dinglich Berechtigten aus, dass diese das im § 75 Abs. 2 zweiter Satz erster Satzteil GewO 1994 aufgestellte Erfordernis des nicht (bloß) vorübergehenden Aufenthaltes im Nahebereich der Betriebsanlage nicht zu erfüllen haben. Der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte kann jedoch den seine Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der in § 75 Abs. 2 erster Satz, erster Satzteil GewO 1994 enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen kann, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt, überhaupt möglich erscheinen lassen (VwGH 16.07.1996, 95/04/0241; VwGH 16.02.2005, 2002/04/0197).
Hierbei hat jeweils einzelfallbezogen eine Prüfung der Umstände stattzufinden, die einen - wenn auch nur vorübergehenden - Aufenthalt zumindest möglich erscheinen lassen (VwGH 24.04.1990, 89/04/0193). Maßgeblich ist die im Zeitpunkt der Erlassung des rechtsbegründeten Genehmigungsbescheides bestehende Sachlage (VwGH 21.12.1977, Zl. 445/77).
Allein aus dem Umstand, dass der Eigentümer einer Liegenschaft, der im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren die Nachbarstellung iSd § 75 Abs. 2 GewO 1994 geltend macht, an einer anderen Anschrift gemeldet ist, kann ein bloß vorübergehenden Aufenthalt nicht ausgeschlossen werden. Auch ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es im Rahmen eines solchen vorübergehenden Aufenthalts zu einer persönlichen Belästigung des Liegenschaftseigentümers kommen kann (VwGH 10.02.1998, 97/04/0203).
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich jedenfalls als kasuistisch: So kann zum Beispiel der Eigentümer und Benützer eines Wochenendhauses einen Nachbarschutz im angeführten Sinn geltend machen; nicht dagegen der Eigentümer einer dauernd vermieteten Wohnung, die er selbst nie benützt (VwGH25.02.1997, 96/04/0239). Der Eintritt einer persönlichen Gefährdung bzw. Belästigung setzt jedoch nicht ausschließlich das Vorhandensein einer Wohnmöglichkeit voraus; so könnte beispielsweise das Vorhandensein eines Rohbaus genügen (VwGH 24.04.1990, 89/04/0193). Ebenso schließt die Verwendung eines unbebauten Grundstücks für Freizeit und Erholungszwecke der Familie die Stellung eines Nachbarn nicht aus (VwGH 16.02.2005, 2002/04/0191).
Der VwGH hat es also bei der Verwendung eines Grundstückes zur Freizeitnutzung sowie zur Erholung und somit bei einem, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt auf diesem Grundstück, als nicht von vornherein ausgeschlossen erachtet, dass der Eigentümer im Rahmen solcher Aufenthalte auf seinem Grundstück als Folge des Betriebes der Betriebsanlage gefährdet oder unzumutbar belästigt werden könnte und daher die Bejahung der Nachbarstellung des Betroffenen in einem solchen Fall als rechtmäßig erkannt. Ebenso hat er die Nachbarstellung bejaht, wenn sich der dinglich Berechtigte in regelmäßigen Abständen vorübergehend zur Durchführung näher bezeichneter „Hausmeistertätigkeiten" (Rasenmähen, Jäten, Heckenschneiden und Schneeräumen im Winter) auf seinen Grundstücken aufhält. Auch im Rahmen dieser, wenn auch nur vorübergehenden, Aufenthalte ist es nicht ausgeschlossen, dass ein dinglich Berechtigter als Folge des Betriebes der Betriebsanlage gefährdet oder unzumutbar belästigt werden könnte. Daher ist seine Nachbarstellung nach § 75 Abs. 2 GewO 1994 zu bejahen und ist er - neben der Geltendmachung der Gefährdung seines Eigentums - grundsätzlich legitimiert, Einwendungen nach § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 erheben (VwGH 22.06.2015, 2015/04/0002).
Wenn nun der Beschwerdeführer - obgleich unsubstantiiert - vorbringt, sich im Schnitt an drei Tagen in der Woche in seinem Haus aufzuhalten, um nach dem Rechten zu sehen oder Erfüllungsgehilfen zu beaufsichtigen und mit viel Zeitaufwand sein Haus „in Schuss zu halten“, so ist er im Lichte der zitierten VwGH-Judikatur als Nachbar der gegenständlichen Betriebsanlage im Sinne des
§ 75 Abs. 2 erster Satz, erster Satzteil GewO 1994 zu qualifizieren.
3. Dennoch vermag der Beschwerdeführer aus seiner Nachbarstellung nichts für das gegenständliche Verfahren zu gewinnen:
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO steht das Recht der Beschwerde außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Das Beschwerdevorbringen ist nur insoweit zulässig ist, als es die Verletzung subjektiv – öffentlicher Nachbarrechte im Sinne der §§ 74 Abs. 2 Z 1 oder 2 GewO 1994 betrifft und der Beschwerdeführer durch rechtzeitige Erhebung von zulässigen (tauglichen) Einwendungen spätestens in der mündlichen Verhandlung vor der Verwaltungsbehörde seine Parteistellung gewahrt hat.
a) Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgebracht, dass es innerhalb der Betriebszeit durch den Lärm der Rückfahrwarner der Liefer-LKWs zu „gesundheitlichen Schäden der umliegenden Anrainer“, jedenfalls aber zu einer „unangenehmen, nervigen Akustik“ kommen werde.
Dem Beschwerdeführer steht die Wahrnehmung anderer als eigener subjektiv-öffentlicher Interessen nicht zu: Dem bloß allgemein auf Einwirkungen auf die Nachbarschaft („gesundheitliche Schäden der umliegenden Anrainer“) gerichteten Vorbringen kommt eine Qualifikation als Einwendung im Rechtssinn nicht zu, weil sie eine Konkretisierung insbesondere in Ansehung der hierfür erforderlichen sachverhaltsmäßigen Bezugspunkte als Voraussetzung für eine persönliche Gefahrdung oder Belästigung des Beschwerdeführers nicht erkennen lässt; dem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass die artikulierte Sorge auch ihn selbst betrifft (vgl. VwGH 18.06.1996, 95/04/0220; VwGH 26.05.1998, 98/04/0044).
Außerdem ist der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des VwGH vom 3. September 1996, Zl. 95/04/0189, und die darin dargestellte Rechtsprechung zum Wesen des Verfahrens zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage als einem projektbezogenen Verfahren zu verweisen. Aus der einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildenden Betriebsbeschreibung ergibt sich nämlich eindeutig, dass Liefer-LKWs mit einer Rückfahrkamera ausgestattet sind und Rückfahrwarner somit weggeschaltet werden. Die Äußerung der Befürchtung der Belästigung bez. Gefährdung durch nicht projektierte Betriebsweisen (eingeschaltete Rückfahrwarner) bzw. die Mutmaßung zukünftiger Konsensüberschreitungen („müssen eingeschaltet werden“) stellen also keine taugliche Einwendung dar, da sich eine solche nur auf das eingereichte Projekt beziehen darf (VwGH 18.06.1996, 96/04/0020). Auch in dem Begehren nach einem medizinischen Gutachten zu den Auswirkungen des durch Rückfahrwarner hervorgerufenen Lärms kann keine konkrete, auf das Projekt bezogene Einwendung erblickt werden.
Insgesamt hat der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen keine zulässigen Einwendungen erhoben und sohin seine Parteistellung verloren.
b) Der Schutz der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs gemäß
§ 74 Abs. 2 Z 4 GewO 1994 ist nur von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH 15.09.2004, 2004/04/0142). Die Schutzzwecke des § 74 Abs. 2 Z 3, 4 und 5 GewO begründen sohin keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte. Diesbezügliche Einwendungen, etwa in Bezug auf die im öffentlichen Bereich einzurichtende Ladezone, fehlende Verkehrskonzepte und Verknappung des öffentlichen Verkehrsgrundes, sind daher unzulässig (VwGH 21.12.2001, 2001/04/0098).
c) Privatrechtliche Einwendungen wie zB die Behauptung einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums aufgrund einer schlechteren Verwertbarkeit der im Eigentum gehaltenen Mietwohnungen (vgl. das Vorbringen, wonach potentielle Mieter aufgrund fehlender Parkplätze „abwinken“ würden) stellen keine Gefährdung des Eigentums des Nachbarn dar (vgl. § 75 Abs. 1 GewO) und sind daher nicht rechtserheblich.
4. Insgesamt ergibt sich daher, dass der Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde noch im Beschwerdeverfahren die Verletzung subjektiver-öffentlicher Rechte dartun konnte, weshalb ihm keine Beschwerdelegitimation zukommt und seine Beschwerde gegen die erteilte Betriebsanlagengenehmigung spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen war. Aus diesem Grunde erweisen sich auch die vom Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel gestellten Anträge (etwa auf Beiziehung eines Sachverständigen) als unzulässig. Selbst die Zustellung der Bescheidausfertigung an den Beschwerdeführer vermag nicht dessen Parteistellung zu begründen (vgl. etwa VwGH 10.11.2011, 2009/07/0204).
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden und konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Nachbar- und Parteistellung im Betriebsanlagenverfahren ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung, wie die zahlreichen Judikaturzitate belegen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Betriebsanlage; Parteistellung; Nachbar; Nachbarrechte; EinwendungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.122.008.9051.2018Zuletzt aktualisiert am
28.05.2019