TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/18 LVwG-2018/20/2276-20

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Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze

Norm

ZustG §16

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des Herrn AA, Z, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt BB, Y, gegen den Bescheid der CC vom 25.09.2018, Zl ***, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit einem Bescheid vom 25.09.2018, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung wegen Nichtabsolvierung der (mit Entziehungsbescheid der CC vom 09.05.2018) angeordneten Nachschulung für alkoholauffällige Probeführerscheinbesitzer bis zur Befolgung der Anordnung, gerechnet ab der Zustellung dieses Bescheides entzogen. Gleichzeitig wurde Lenkverbot gemäß § 32 FSG ausgesprochen und dem Beschwerdeführer verboten während der Dauer des Entzuges von einer ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen. Einer (allfälligen) Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der Begründung dieses Bescheides wurde darauf verwiesen, dass die CC mit rechtskräftigem (Entziehungs-)Bescheid vom 09.05.2018 gegenüber dem Beschwerdeführer die Absolvierung einer Nachschulung für alkoholauffällige Probeführerscheinbesitzer sowie die Vorlage der Bestätigung darüber innerhalb von vier Monaten, gerechnet ab der Zustellung des Bescheides, am 11.05.2018 angeordnet habe. Dieser Anordnung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen und ergebe sich daraus gemäß § 24 Abs 3 FSG die Verpflichtung, die Lenkberechtigung zu entziehen.

Die Zustellung dieses Bescheides ist durch einen Rückschein mit Datum 27.09.2018 ausgewiesen. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 18.10.2018 wurde bezüglich der Rechtzeitigkeit ausgeführt, dass am 27.09.2018 eine rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides (zu Handen des Vaters des Beschuldigten) erfolgt sei. Beantragt wurde die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

In der Begründung verwies der Beschwerdeführer einerseits darauf, dass der Mandatsbescheid der CC vom 09.05.2018, mit welchem neben einer einmonatigen Entziehung der Lenkberechtigung auch eine Nachschulung angeordnet worden sei, in Rechtskraft erwachsen sei. Andererseits machte er geltend, dass er Anfang Februar 2018 in die Wohnung seiner Lebensgefährtin in Y gezogen sei und somit am 11.05.2018 seit mehr als drei Monaten nicht mehr bei den Eltern (in der Adresse 1 in Y) gewohnt habe. Bis zur Geburt seines Sohnes im August 2018 hätte zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern ein äußerst schlechtes Verhältnis bestanden und sei er praktisch nie zu seinen Eltern nach Hause gekommen. Es sei ihm der Mandatsbescheid vom 09.05.2018 tatsächlich niemals zugekommen. Vom „rechtskräftigen Mandatsbescheid“ habe der Beschwerdeführer erst anlässlich eines Besuches bei der Führerscheinstelle der CC erfahren. Aufgrund des Umstandes, dass seine Lebensgefährtin hochschwanger gewesen sei und eine Risikoschwangerschaft bestanden hätte, hätte er sich mit dem nur 30-tägigen Führerscheinentzug abgefunden und sich damit nicht näher beschäftigt. Der Mandatsbescheid sei dem Beschwerdeführer allerdings nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.

Weitere Ausführungen in der Beschwerde beziehen sich auf einen Vorfall vom 29.04.2018 und dem damit im Zusammenhang stehenden von der Bezirkshauptmannschaft X erhobenen Vorwurf, der Beschwerdeführer hätte an diesem Tag um 04.30 Uhr in W im Ortsteil V ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1b iVm § 5 Abs 1 StVO. Es sei unrichtig, dass der Beschwerdeführer damals der Lenker gewesen sei. Vielmehr hätte sich jemand anderer (Herr DD) als der Beschwerdeführer ausgegeben. Die CC hätte daher den Mandatsbescheid vom 09.05.2018 nicht erlassen dürfen.

 

Mit Schreiben vom 19.10.2018 wurde die Beschwerde von der Landespolizeidirektion dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt. Von diesem wurde der Antrag, der Beschwerde eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit Beschluss vom 08.11.2018, Zl LVwG-2018/20/2276-5, abgewiesen. Vom Landesverwaltungsgericht wurde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt und wurde insbesondere ein umfangreicher Schriftverkehr mit der Bezirkshauptmannschaft X im Zusammenhang mit dem bei dieser Behörde anhängig gemachten Verwaltungsstrafverfahren (Zl ***) gepflogen. Seitens der Bezirkshauptmannschaft X wurde mit Schreiben vom 29.10.2018 unter anderem mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 24.05.2018 bei der Bezirkshauptmannschaft X niederschriftlich einvernommen worden sei. Schließlich wurde mit einem Schreiben vom 31.01.2019 mitgeteilt, dass das Straferkenntnis (mit dem Vorwurf einer Übertretung gemäß § 99 Abs 1b iVm § 5 Abs 1 StVO) mit 21.08.2018 rechtskräftig geworden und vom Beschwerdeführer am 06.12.2018 ein Antrag auf Teilzahlung gestellt worden sei, welchem mit Bescheid vom 12.12.2018 entsprochen worden sei.

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wurde am 19.12.2018 sowie am 11.04.2019 eine Verhandlung durchgeführt, wobei der Beschwerdeführer und als Zeugen dessen Lebensgefährtin EE, dessen Vater FF, dessen Mutter GG, dessen Schwester JJ und der Postbedienstete KK einvernommen wurden. Weiters wurde Einsicht genommen in den Akt der CC sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, welcher insbesondere einen Schriftverkehr des Landesverwaltungsgerichtes Tirol mit der CC und der Bezirkshauptmannschaft X beinhaltet.

II.      Sachverhalt:

Die Bezirkshauptmannschaft X übermittelte der CC mit Schreiben vom 04.05.2018 eine Anzeige der Polizeiinspektion W vom 29.04.2018, GZ: ***. In dieser Anzeige wird unter anderem angezeigt, dass der Beschwerdeführer am 29.04.2018 um 04.30 Uhr einen PKW mit dem Kennzeichen *** in einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,48 mg/l) in W auf der B*** bei km 40,100 gelenkt habe. Die CC konzipierte daraufhin einen Mandatsbescheid vom 09.05.2018, Zl ***, mit welchem die Lenkberechtigung auf die Dauer von einem Monat entzogen und unter anderem angeordnet wurde, dass der Beschwerdeführer innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides eine Nachschulung für alkoholauffällige Fahrzeuglenker als Probeführerscheinbesitzer zu absolvieren habe.

Die Landespolizeidirektion adressierte diesen Bescheid an die im Zentralen Melderegister aufscheinende Adresse in der Adresse 1 in Y und leitete die Zustellung in die Wege. Dieser Mandatsbescheid wurde am 11.05.2018 an der genannten Adresse von der Mutter des Beschwerdeführers GG übernommen und von dieser auch die Übernahme am Rückschein bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer jedoch nicht an dieser Adresse sondern bei seiner Freundin EE in der Adresse 2 in Y wohnhaft. Aufgrund eines Streits zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern ist der Beschwerdeführer zumindest im Zeitraum zwischen dem Zustellversuch am 11.05.2018 und dem Monat Juni nicht in die elterliche Wohnung in der Adresse 1 in Y zurückgekehrt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der von der Mutter des Beschwerdeführers am 11.05.2018 übernommene Mandatsbescheid in weiterer Folge dem Beschwerdeführer auch tatsächlich zugekommen ist.

III.     Beweiswürdigung:

Im gegenständlichen Verfahren kam es entscheidend darauf an, inwieweit der Mandatsbescheid der Landespolizeidirektion vom 09.05.2018, mit dem neben der einmonatigen Entziehung der Lenkberechtigung auch die Absolvierung einer Nachschulung angeordnet wurde, dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt wurde (siehe dazu die Ausführungen zu Punkt V. dieses Erkenntnisses). Somit war zu klären, inwieweit der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des diesbezüglich durchgeführten Zustellversuchs (bzw während der Dauer der Abholfrist), wie er behauptet, ortsabwesend war bzw inwieweit ihm das gegenständliche Schriftstück tatsächlich zugekommen ist.

Im gegenständlichen Verfahren ergaben sich durchaus zahlreiche Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer während des relevanten Zeitraums in der Adresse 1 in Y wohnhaft war. Dafür sprach insbesondere die polizeiliche Meldung an dieser Adresse, aber auch insbesondere die Zustellung eines Schriftstücks der Bezirkshauptmannschaft X (Aufforderung zur Rechtfertigung wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs 1b iVm § 5 Abs 1 StVO), da auch dieses Schriftstück an die Wohnadresse Adresse 1 in Y gerichtet war und laut Übernahmebestätigung (und vom Beschwerdeführer bestätigt) am 08.05.2018 (also nur drei Tage vor dem hier relevanten Zustellversuch) vom Beschwerdeführer persönlich entgegengenommen wurde. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer bei der am 24.05.2018 durchgeführten Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft X keine Angaben über eine Änderung der Wohnadresse gemacht hat, sprach gegen den Beschwerdeführer.

Der Rückschein betreffend die Zustellung des Mandatsbescheides vom 09.05.2018 weist, wie sich im Verfahren herausgestellt hat, die Unterschrift der Mutter des Beschwerdeführers auf (Übernahmebestätigung vom 11.05.2018). Dass der Beschwerdeführer, was unstrittig ist, nur drei Tage vorher das an die Adresse 1 in Y gerichtete Schriftstück der Bezirkshauptmannschaft X persönlich übernommen hat, sprach eindeutig dafür, dass der Beschwerdeführer an diesem Tag und auch am 11.05.2018 in der Adresse 1 wohnhaft war. Die Einvernahme des Postbediensteten KK erbrachte jedoch das Beweisergebnis, dass er das Schriftstück (die Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft X) am 08.05.2018 dem Beschwerdeführer nicht an dessen Wohnadresse in der Adresse 1 ausgehändigt hat, sondern vielmehr vor der Apotheke in der LLstraße. Der Zeuge KK, der einen glaubwürdigen Eindruck hinterließ, gab an, dass der Beschwerdeführer damals ebenfalls Zusteller bei der Post gewesen und ihm bekannt gewesen wäre. Er habe den Beschwerdeführer am Beginn seiner Zustelltour vor der Apotheke in der LLstraße angetroffen und ihm dort das Schriftstück ausgehändigt. Insofern wurde die Version des Beschwerdeführers bestätigt.

Der Beschwerdeführer, seine Lebensgefährtin EE und seine Familienmitglieder (Eltern und Schwester) gaben übereinstimmend an, dass es im Jahre 2017 offensichtlich zu einen Familienstreit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Rest seiner Familie gekommen sei und er deshalb Ende 2017 oder Anfang 2018 aus der elterlichen Wohnung ausgezogen und auch nicht mehr dorthin zurückgekehrt sei. Eine Versöhnung hätte es erst gegeben, als Anfang August der Sohn des Beschwerdeführers auf die Welt gekommen sei. Die diesbezüglichen Aussagen sind insbesondere in Bezug auf den Zeitpunkt des Auszugs des Beschwerdeführers aus der elterlichen Wohnung nicht gänzlich stimmig und lassen sich auch mit dem Vorbringen in der Beschwerde (dort ist von einem Auszug des Beschwerdeführers im Februar die Rede) nicht gut in Einklang bringen. Die Mutter des Beschwerdeführers konnte oder wollte dazu keine Angaben machen. Allerdings wurde der streitbedingte Auszug des Beschwerdeführers aus der elterlichen Wohnung von allen Familienmitgliedern bestätigt und jeweils ausgesagt, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Adresse 1 in Y sondern bei seiner Freundin gewohnt habe.

Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers gaben als Zeuginnen an, dass die an den Beschwerdeführer gerichtete Post nicht an ihn weitergeleitet sondern vielmehr in den Müll geworfen worden sei. Auch wenn diese Vorgangsweise einen geradezu haarsträubenden Umgang mit behördlichen Schriftstücken erkennen ließe und schon allein deshalb zu hinterfragen ist, liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Mandatsbescheid vom 09.05.2018 dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen ist. Aus einem E-Mail der CC vom 05.11.2018 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer wohl deshalb Kenntnis vom „Führerscheinentzug“ erlangt haben dürfte, weil die Polizeiinspektion U von der Landespolizeidirektion mit Schreiben vom 18.05.2018 aufgefordert wurde, den Führerschein des Beschwerdeführers aufgrund eines rechtswirksamen Führerscheinentzuges einzuziehen. Es ist naheliegend, dass der Beschwerdeführer deshalb am 29.05.2018 persönlich zur Behörde gekommen ist.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft X am 24.05.2018, keine Wohnsitzänderung bekanntgab, spricht, wie bereits erwähnt, eindeutig gegen den Beschwerdeführer. Allerdings kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Familienmitglieder des Beschwerdeführers als Zeugen unter Wahrheitspflicht einvernommen wurden und sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung wegen einer Falschaussage ausgesetzt hätten, wenn sich herausgestellt hätte, dass der Beschwerdeführer (insbesondere in den Monaten Mai und Juni 2018) tatsächlich noch in der Adresse 1 aufhältig gewesen wäre. Ein dahingehender Verdacht hätte eine entsprechende Anzeige an die Staatsanwaltschaft gegen sämtliche, als Zeugen einvernommene Familienmitglieder des Beschwerdeführers wegen falscher Zeugenaussage nach sich gezogen. Letztlich wurde mangels ausreichender diesbezüglicher Verdachtslage davon Abstand genommen.

Im Hinblick auf die sich aufgrund der vorliegenden Beweislage gebenden rechtlichen Konsequenzen war die Aufnahme weiterer Beweise nicht erforderlich. Insbesondere war ein Eingehen auf den Vorfall vom 29.04.2018 nicht erforderlich. Eine Erörterung eines entziehungsrelevanten Sachverhalts im führerscheinrechtlichen Verfahren ist im Übrigen dann nicht erforderlich, wenn von einer rechtskräftigen Bestrafung wegen eines Deliktes auszugehen ist, welches eines bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 1 FSG darstellt, zumal diesfalls eine Bindungswirkung gegeben ist.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Das Zustellgesetz, BGBl Nr 200/1982, idgF hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

§ 7

Heilung von Zustellmängeln

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

§ 16

Ersatzzustellung

(1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.

(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

V.       Rechtliche Würdigung:

Gegenstand dieses Verfahrens ist die Entscheidung über Beschwerde gegen den Bescheid vom 25.10.2018, Zl ***, mit dem eine Entziehung der Lenkberechtigung wegen Nichtabsolvierung einer angeordneten Nachschulung ausgesprochen wurde. Es handelt sich bei dieser Entziehung um einen so genannten Formalentzug. Voraussetzung für die Zulässigkeit dieses Formalentzuges ist die rechtswirksame Zustellung des vorausgegangenen Bescheides vom 09.05.2018, mit dem gemeinsam mit der Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit die Absolvierung jener begleitenden Anordnung vorgeschrieben wurde, deren Nichterfüllung den gegenständlichen Formalentzug nach sich zog. Auf Grund des Beschwerdevorbringens war daher zunächst zu prüfen, ob der Entziehungsbescheid vom 09.05.2018 rechtswirksam zugestellt wurde.

Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung nach § 16 Abs 1 ZustG setzt zufolge § 16 Abs 5 ZustG voraus, dass sich der Empfänger im Zeitpunkt der Zustellung regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (VwGH 28.08.1998. 96/19/3194). Wenn der Empfänger längere Zeit (etwa infolge Urlaubs) von der Abgabestelle abwesend ist, darf auch eine Ersatzzustellung an einen Ersatzempfänger nicht erfolgen (vgl VwGH 22.02.2011, 2000/04/0171). Im gegenständlichen Fall war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Zustellversuches am 11.05.2018 bzw danach auf Grund eines Wohnsitzwechsels nicht mehr an der Adresse in der Adresse 1 in Y aufhältig. Bedingt dadurch konnte er vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen. Somit wurde trotz Abholung der das Straferkenntnis beinhalteten Briefsendung durch die Mutter des Beschwerdeführers keine rechtswirksame Zustellung begründet. Für diese Beurteilung ist nicht entscheidend, ob damit eine Verletzung der Meldepflicht im Sinne des Meldegesetzes einhergeht oder nicht. Die Eintragung einer bestimmten Anschrift als Hauptwohnsitz im Melderegister hat zwar Indizwirkung, bietet aber keinen Beweis für eine Wohnadresse (VwGH 13.10.2016, Ra 2015/08/0213 uHa 22.12. 2015, Ra 2015/06/0086).

Nach dem durchgeführten umfangreichen Ermittlungsverfahren war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Zustellversuches des Mandatsbescheides vom 09.05.2018 am 11.05.2018 nicht (mehr) in der elterlichen Wohnung in der Adresse 1 in Y wohnhaft. Es liegt auch keine Heilung des Zustellmangels vor. Entscheidend für eine rechtswirksame Zustellung ist, dass das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist, nicht etwa die Kenntnis seines Inhalts. Die bloße Kenntnis vom Vorhandensein und vom Inhalt des Dokuments (etwa infolge der Empfangnahme einer Ablichtung oder einer eigenständigen Anfertigung einer Kopie) genügt nicht (vgl VwGH 03.10.2013, 2013/09/0103).

Zusammenfassend ergibt sich also, dass der Mandatsbescheid der CC vom 09.05.2018, mit dem unter anderem die Absolvierung einer Nachschulung angeordnet wurde, nicht rechtswirksam zugestellt wurde. Damit ist dem angefochtenen Bescheid, mit dem die Entziehung der Lenkberechtigung wegen Nichtabsolvierung dieser Maßnahme ausgesprochen wurde, der Boden entzogen. Der Bescheid war daher zu beheben.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Bezirkshauptmannschaft X, welche mit der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens betreffend die entziehungsrelevante Übertretung befasst war, die Rechtskraft des Straferkenntnisses wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs 1b iVm § 5 Abs 1 StVO bestätigt hat. Dies wird durch den Umstand, dass seitens des Beschwerdeführers ein Ratenzahlungsgesuch gestellt und dieses von der Behörde bewilligt wurde, untermauert. Rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretungen, die entziehungsrelevante Tatsachen iSd § 7 Abs 3 FSG darstellen, üben auf das führerscheinrechtliche Verfahren eine Bindungswirkung aus. Die Führerscheinbehörde hat daher den entziehungsrelevanten Sachverhalt nicht mehr einer eigenständigen Prüfung zu unterziehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine zeitliche Nähe zwischen Tat und Entziehung erforderlich. Das führerscheinrechtliche Verfahren ist jedoch jedenfalls innerhalb eines Jahres ab dem Vorfallszeitpunkt einzuleiten (VwGH 23.03.2004, 2004/11/0008). Diesem Erfordernis wurde im gegenständlichen Fall jedenfalls Rechnung getragen. Ein Entziehungsverfahren ist auch dann eingeleitet, wenn aufgrund von Mängeln nicht von einer rechtswirksamen Zustellung ausgegangen werden kann, sodass die inzwischen verstrichene Zeit einer neuerlichen Zustellung eines Entziehungsbescheides (wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit) nicht entgegensteht.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die oben angeführten Judikate zur Frage der Ersatzzustellung und Heilung von Zustellmängeln). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

rechtswirksame Zustellung; Ortsabwesenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.20.2276.20

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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